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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 03.02.2009
Aktenzeichen: 4 Ss 1/09
Rechtsgebiete: StGB, JGG


Vorschriften:

StGB § 46 Abs. 3
JGG § 27
JGG § 45
JGG § 47
§ 46 Abs. 3 StGB findet bei der Bemessung von Jugendstrafen keine Anwendung, weil das Jugendstrafrecht eine dem Erwachsenenstrafrecht vergleichbar enge Bindung an tatbestandsbezogene Strafrahmen nicht kennt.
Beschluss

Strafsache

gegen A. Q.,

wegen Körperverletzung.

Auf die (Sprung-) Revision des Angeklagten vom 29. Oktober 2008 gegen das Urteil des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Ibbenbüren vom 22. Oktober 2008 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 03. 02. 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Revision wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte (§ 473 Abs. 1 StPO).

Gründe:

Ein Verstoß gegen das sog. Doppelverwertungsverbot aus § 46 Abs. 3 StGB liegt nicht vor. Denn diese Vorschrift findet bei der Bemessung von Jugendstrafen keine Anwendung, weil das Jugendstrafrecht eine dem Erwachsenenstrafrecht vergleichbar enge Bindung an tatbestandsbezogene Strafrahmen nicht kennt (vgl. BGH NStZ 2008, 94; Fischer, StGB, 56. Aufl., § 46 Rdnr. 76 m.w.N.). Im Übrigen läge aber auch bei Anwendung des § 46 Abs. 3 StGB kein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot vor. Denn entgegen der Ansicht der Revision hat das Amtsgericht nicht strafschärfend bewertet, dass die Tat überhaupt begangen wurde, sondern vielmehr in zulässiger Weise berücksichtigt, dass es sich um eine Wiederholungstat von erheblichem Gewicht handelt.

Zudem rügt die Revision zu Unrecht, das Amtsgericht habe rechtsfehlerhaft gem. § 27 JGG Jugendstrafe verhängt, ohne zuvor schädliche Neigungen beim Angeklagten festgestellt zu haben. Abgesehen davon, dass - jedenfalls nach Teilen der Rechtsprechung - im Rahmen einer Entscheidung nach § 27 JGG die positive Feststellung schädlicher Neigungen nicht erforderlich ist (vgl. OLG Düsseldorf, MDR 1990, 466), ist das Amtsgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass schädliche Neigungen beim Angeklagten vorliegen. Die vom Amtsgericht gewählten Formulierungen zeigen, dass sich das Gericht nur über den Umfang der schädlichen Neigungen im Unklaren war, nicht aber über deren Vorliegen an sich. Denn wenn schädliche Neigungen zwar "noch nicht in vollem Umfang" eingetreten sind, beinhaltet dies gleichzeitig die Feststellung, dass schädliche Neigungen vorliegen.

Auch die vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen zum Vorliegen schädlicher Neigungen sind ausreichend, so dass § 27 JGG auch unter diesem Gesichtspunkt nicht fehlerhaft angewandt worden ist. Zwar weist die Revision zu Recht darauf hin, dass die Ermittlungen wegen vorsätzlicher Körperverletzung aus dem Jahr 2006 in Diversionsverfahren eingestellt worden sind und bei nach gem. §§ 45, 47 JGG eingestellten Verfahren der Betroffene wie ein Ersttäter zu behandeln ist (vgl. OLG Köln, StV 93, 531). Bei einer Ersttat können aber grundsätzlich noch keine schädlichen Neigungen festgestellt werden (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 20). Das Amtsgericht hat aber weitere Feststellungen getroffen, welche jedenfalls in der Gesamtschau die Annahme von schon vor der Tat entwickelten Persönlichkeitsmängeln bzw. schädlichen Neigungen rechtfertigen. So hat der Angeklagte bei der in Rede stehenden Straftat seiner Freundin zwei Mal mit dem Fuß in den Bauch getreten, obwohl diese schwanger war. Gerade die besonders aktive und brutale Rolle bei der Tatausführung reicht aber auch bei Ersttätern zur Begründung von Persönlichkeitsmängeln aus (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 21). Insoweit hat das Amtsgericht den Tritt in den Bauch der schwangeren Zeugin zu Recht als besonders schwerwiegenden Tabubruch bewertet, der ein bezeichnendes Licht auf die Erziehungsbedürftigkeit des Angeklagten werfe. Auch bei der im Diversionsverfahren eingestellten Tat ging der Angeklagte vergleichbar brutal vor, in dem er seiner Freundin die Nase brach. Bei diesen Taten handelt es sich auch nicht lediglich um Gelegenheitsdelikte. Der Angeklagte hat selbst eingeräumt, Probleme mit seinem Jähzorn zu haben. Zudem ist es in Konfliktsituationen immer wieder zu gewalttätigen Eskalationen mit seiner Freundin gekommen. Schließlich kann nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe auch ausgeschlossen werden, dass das Amtsgericht bei der Beurteilung der Frage schädlicher Neigungen die im Urteil festgestellten Tatsachen übersehen hat, wonach der Angeklagte die Ganztagshauptschule mit dem Abgangszeugnis der Klasse 10 verlassen hat, seither eine Ausbildung zum Maler und Lackierer absolviert und bald Vater wird. Es ist rechtlich auch nicht zu beanstanden, dass das Tatgericht diesen Umständen keine bestimmende Bedeutung für die Rechtsfolgen beigemessen hat. Denn trotz dieser Tatsachen wird der Angeklagte gegenüber seiner Freundin in Konfliktsituationen gewalttätig. In Bezug auf die künftige Vaterschaft ist es außerdem nicht zu beanstanden, wenn das Amtsgericht zu dem Schluss kommt, dass sich die bestehenden Probleme noch verschärfen werden und der Angeklagte Gefahr läuft, seine Wut dann auch an dem Kind auszulassen.

Ende der Entscheidung

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