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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 17.06.2008
Aktenzeichen: 4 Ss 224/08
Rechtsgebiete: StGB, StVG


Vorschriften:

StGB § 46
StGB § 56
StVG § 21
Ein sachlich-rechtlicher Mangel liegt darin, wenn die Berufungskammer, obwohl sie eine überlange Verfahrensdauer im Berufungsverfahren, die nicht in der Sphäre des Angeklagten begründet ist, angenommen hat, ohne nähere Begründung zu derselben Strafe kommt wie das Amtsgericht und auch keine Ausführungen dazu macht hat, ob und ggfls. welcher konkret bezifferter Teil der verhängten Strafe als verbüßt gilt.
Beschluss

Strafsache gegen K.-D. M.,

wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 5. kleinen Strafkammer des Landgerichts Münster vom 14. Februar 2008 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 17. 06. 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht - im Umfang der Verwerfung der Revision auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers - einstimmig beschlossen:

Tenor:

Unter Verwerfung der weitergehenden Revision wird das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Münster zurückverwiesen.

Gründe:

I. Das Landgericht Münster hat die Berufung des Angeklagten gegen das vorangegangene Urteil des Amtsgericht Ahaus vom 18. Dezember 2006 durch das angefochtene Urteil am 14. Februar 2008 verworfen. Aufgrund des Tenors - Feststellungen zur Prozessgeschichte enthält das angefochtene Urteil nicht - geht der Senat davon aus, dass auch das Amtsgericht Ahaus den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung und einer isolierten Sperrfrist von zwei Jahren verurteilt hatte.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner zulässigen Revision, mit der er unter näherer Darlegung die Verletzung materiellen Rechts rügt und die Aufhebung des landgerichtlichen Urteils insgesamt erstrebt. Er wendet sich insbesondere gegen die Annahme von Vorsatz und gegen die Strafzumessungserwägungen.

II. Die Überprüfung des Schuldspruchs aufgrund der Beschwerderechtfertigung hat einen sachlich-rechtlichen Mangel nicht ergeben. Die Revision des Angeklagten war insoweit auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

Der Rechtsfolgenausspruch hält dagegen der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht Stand.

1. Ein sachlich-rechtlicher Mangel liegt schon darin, dass das Landgericht, obwohl es eine überlange Verfahrensdauer im Berufungsverfahren, die nicht in der Sphäre des Angeklagten begründet ist, angenommen hat, ohne nähere Begründung zu derselben Strafe gekommen ist wie das Amtsgericht und auch keine Ausführungen dazu gemacht hat, ob und ggfls. welcher konkret bezifferter Teil der verhängten Strafe als verbüßt gilt (vgl. Großer Senat des BGH vom 17. Januar 2008, 1 GSSt 1/07, StV 2008, 133). Das Landgericht hat insoweit im Rahmen der Strafzumessung ausgeführt:

"Aus Gründen, welche der Angeklagte nicht zu vertreten hat, hat das Verfahren in der Berufungsinstanz rund ein Jahr gedauert."

Wie sich aus dem Urteilskopf ergibt, ist das amtsgerichtliche Urteil am 18. Dezember 2006, die angefochtene Entscheidung erst am 14. Februar 2008 ergangen . Das Berufungsverfahren hat damit insgesamt knapp 14 Monate gedauert, was weder mit dem Umfang noch der Schwierigkeit der einfach gelagerten Sache zu erklären ist.

Die eingetretene erhebliche Verzögerung hätte dem Landgericht Veranlassung geben müssen, näher zu einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung und deren Folgen auszuführen. Das Fehlen jeglicher Erwägungen dazu stellt sich als sachlich-rechtlicher Mangel dar, weil sich deren Erforderlichkeit bereits aus den Urteilsgründen ergibt. Selbst wenn das Landgericht die Erforderlichkeit verneint hätte, einen Teil der Strafe als verbüßt anzusehen, hätte dann jedenfalls Veranlassung bestanden, näher dazu auszuführen, warum es trotz dieses dann zusätzlichen Strafmilderungsgrundes zur selben Strafe gekommen ist wie das Amtsgericht.

2. Ein weiterer sachlich-rechtlicher Mangel besteht in der Begründung der Versagung von Strafaussetzung zur Bewährung. Die Strafzumessung ist zwar grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Strafzumessung ist allerdings dann möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (BGH, Großer Senat für Strafsachen, BGHSt 34, 345, 349). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Im Rahmen der Strafzumessung hat die Strafkammer bei der Frage der Bewilligung von Bewährung nicht ausreichend gewichtet, dass praktisch alle Vorstrafen des Angeklagten den Vorwurf des Fahrens ohne Fahrerlaubnis mit Personenkraftwagen betrafen und sich der Angeklagte gerade deshalb zum Kauf eines vermeintlich führerscheinerlaubnisfreien Rollers entschlossen hatte, um sich in Zukunft rechtstreu zu verhalten. Er hatte dann zwar noch vor der ihm in diesem Verfahren vorgeworfenen neuen Tat erkannt, dass der von ihm gekaufte Roller deutlich schneller als 25 km/h fahren konnte und damit führerscheinpflichtig war, weshalb die Verurteilung wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis im Ergebnis auch zu Recht erfolgt ist.

Unmittelbar nach der Tat hat er das Fahrzeug dann jedoch auf eine Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h drosseln lassen, so dass nunmehr weitere einschlägige Straftaten kaum mehr zu erwarten sein dürften. Anhaltspunkte dafür, dass er andere Straftaten begehen wird, ergeben sich aus dem angefochtenen Urteil ebenfalls nicht. Die Erwartung des Landgerichts, der Angeklagte werde ohne die Einwirkung des Strafvollzugs in Zukunft keine Straftaten begehen ist somit nicht nachvollziehbar begründet.

Auch die Voraussetzungen des §56 Abs. 3 StGB liegen jedenfalls nicht auf der Hand, da eine Aussetzung der Vollstreckung im Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalls für das allgemeine Rechtsempfinden der mit den konkreten Umständen des Falles vertrauten Bevölkerung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint.

Der Rechtsfolgenausspruch bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung durch eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Münster, die auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben wird.

Ende der Entscheidung

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