Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 28.11.2003
Aktenzeichen: 4 Ss 604/03
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 241
StGB § 239
StGB § 123
Zum Konkurrenzverhältnis bei Bedrohung und Freiheitsberaubung.
Beschluss

Strafsache

gegen K.O.

wegen Bedrohung u.a.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 16. kleinen Strafkammer des Landgerichts Münster vom 11. Juni 2003 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 28. 11. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Angeklagten bzw. seines Verteidigers gemäß § 349 Abs. 2 u. 4 StPO einstimmig beschlossen: Tenor:

1. Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils wird wie folgt abgeändert:

Die Berufung wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte eines Hausfriedensbruchs in Tateinheit mit Bedrohung, Freiheitsberaubung und Nötigung in jeweils zwei Fällen sowie wegen Bedrohung in einem weiteren Fall schuldig ist.

2. Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Münster zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Rheine hat den Angeklagten wegen Bedrohung in zwei Fällen, davon einmal in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und Nötigung und wegen Hausfriedensbruchs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt und dabei Einzelstrafen von sechs Monaten (Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Nötigung und Bedrohung), drei Monaten (Bedrohung) und zwei Monaten (Hausfriedensbruch) festgesetzt. Die Berufung des Angeklagten gegen dieses Urteil hat das Landgericht als unbegründet verworfen und dabei zum Tatgeschehen folgende Feststellungen getroffen:

"In der Zeit zwischen 20.00 Uhr und 21.00 Uhr begab er sich von seiner Mutter aus zu der Wohnung der Zeugin S.H.. Von dem seit etwa 17.00 Uhr bei seiner Mutter getrunkenen Alkohol (zwei Bier à 0,5 l sowie eine dritte Flasche knapp zur Hälfte und zusätzlich ein Pinnchen Mariacron) bemerkte er zwar etwas, fühlte sich jedoch kein bisschen ange- oder betrunken. An dem Tag (Ergänzung des Senats: 2. Oktober 2001) hatte er nur zwei bis drei Brötchen auf der Arbeit sowie Süßigkeiten gegessen. Seine Schuldfähigkeit war jedoch weder aufgehoben noch erheblich eingeschränkt. An der Wohnung der Zeugin H. begehrte er Einlass. Die Zeugin K. öffnete die Tür, wollte diese aber, als sie den Angeklagten sah, sofort wieder schließen. Der Angeklagte drückte jedoch die Tür bewusst und gewollt auf und befand sich dann im Wohnungsflur. Die Zeugin K. rief die sich im Badezimmer befindliche Zeugin S.H. zur Hilfe. Beide Frauen versuchten nun den Angeklagten aus der Tür rauszudrängen, jedoch ohne Erfolg. Möglicherweise hatte der Angeklagte auch bereits zu diesem Zeitpunkt die Wohnungseingangstür von innen verschlossen. Der Angeklagte zog dann auch noch bewusst und gewollt den in der Wohnungseingangstür befindlichen Wohnungsschlüssel ab - die Zeugin H. besaß nur diesen einen Wohnungstürschlüssel - und steckte ihn in seine Hosentasche. Er wollte damit erreichen, dass auf jeden Fall die Zeugin K. die Wohnung nicht verlassen konnte und mit ihm reden musste. Die Zeugin H. forderte den Angeklagten mehrfach auf, die Wohnung zu verlassen, was der Angeklagte jedoch bewusst und gewollt nicht tat. Die drei, möglicherweise auch nur der Angeklagte, gingen zunächst ins Wohnzimmer, wo der Zeuge M.B. mittlerweile auf dem Sofa saß und wartete. Als der Angeklagte den Zeugen B. dort sitzen sah, regte er sich auf und hielt der Zeugin M. K. vor, ob sie ihn wegen des M. verlassen hätte, was diese jedoch wahrheitsgemäß verneinte. Die Zeugin S.H. schlug dann vor, dass alle drei in die Küche gehen sollten. Der Zeuge B. blieb im Wohnzimmer zurück. In der Küche kam es erneut zu einem Streitgespräch zwischen dem Angeklagten und der Zeugin M. K., die er unter anderem mit den Worten bedrohte: "Du kommst hier sowieso nicht lebend raus!". Dabei wurde der Angeklagte immer wütender. Die Zeugin S.H. forderte den Angeklagten zwischendurch noch einmal auf, die Wohnung zu verlassen, wenn er sich nicht beruhigen würde, worauf der Angeklagte jedoch bewusst und gewollt entgegnete, dass er nicht gehen wolle. Die Zeugin S.H. begab sich deshalb ins Wohnzimmer, um von ihrem dortigen Festnetztelefon die Polizei anzurufen. Der Angeklagte kam jedoch sofort hinterher. Bevor die Zeugin H. zuende wählen konnte, hatte der Angeklagte ihr bereits bewusst und gewollt das Telefon entrissen und mit Gewalt Kabel und den ebenfalls dort befindlichen Anrufbeantworter aus der Wand gerissen und dabei das Tischchen, worauf sich Telefon und Anrufbeantworter befanden, umgeworfen. Dabei gingen auch dort stehende Porzellanenten zu Bruch. Die Zeugin S.H. und der Angeklagte gingen dann wieder in die Küche zurück. Dort erklärte die Zeugin H., dass sie sich zunächst anziehen wolle. Sie nahm das auf dem Küchentisch befindliche Handy der Zeugin M. K., das jedoch dem Angeklagten gehörte, mit, ohne dass dies der Angeklagte zunächst bemerkte. Sie ging dann zunächst ins Schlafzimmer, zog sich eiligst an und ging von dort aus in das Wohnzimmer, um mit dem Handy die Polizei anzurufen. Sie verwählte sich in der Hektik jedoch und rief die Feuerwehrleitstelle unter der Nummer 112 an. Der Angeklagte bekam dies mit, öffnete eine Schublade in der Küche, entnahm dieser ein Brotmesser und rannte ins Wohnzimmer mit dem Messer in der erhobenen rechten Faust und so auf die Zeugin H. zu, wie wenn er diese damit erstechen wollte, was ihm auch bewusst war und was er auch so wollte. Gleichzeitig forderte er diese bewusst und gewollt auf, das Telefon hinzulegen, sonst geschehe etwas. Außerdem wandte sich der Angeklagte dem Zeugen M.B. zu und erklärte bewusst und gewollt diesem wörtlich: "Und dich mach ich auch kalt". Die Zeugin H. nahm die Drohungen des Angeklagten ernst, was der Angeklagte auch wollte, und warf das Handy des Angeklagten in Richtung des Zeugen M.B. weg. Die Zeugin M. K. hatte mittlerweile ebenfalls die Küche wieder verlassen und versuchte nun den Angeklagten nach hinten zu ziehen. Auf Aufforderung der Zeugin S.H. legte der Angeklagte das Messer wieder in die Schublade zurück. Dabei riss er die Schublade so heftig raus, dass sie im Holzteil beschädigt wurde. Den Zeuginnen M. K. und S.H. gelang es nun, den Angeklagten etwas zu beruhigen. Sie gingen zum Schein darauf ein, in der Wohnung der Mutter des Angeklagten ein Gespräch mit diesem führen zu wollen. Dies taten die Zeuginnen, weil sie hofften, sie würden auf diesem Weg dem Angeklagten entfliehen können. Der Angeklagte gab den Wohnungsschlüssel an die Zeugin H. zurück, die aufschloss. Die drei liefen über die Straße zu dritt zur Wohnung der Mutter des Angeklagten. Als an der nächsten Querstraße ein Auto anhielt, fasste die Zeugin S.H. die Zeugin M. K. an der Hand und lief mit ihr zu diesem Auto, um sich dort Hilfe zu holen. Während die Zeugin M. K. in der Nähe stehen blieb, riss die Zeugin S.H. die Autotür auf und bat den Autofahrer um Hilfe. Sie erklärte diesem auch, dass der Angeklagte sie mit einem Messer bedroht hätte. Der Angeklagte nahm nunmehr die Zeugin M. K. bewusst und gewollt in den Schwitzkasten und hielt dieser ein der Zeugin S.H. gehörendes Schälmesser, das er aus der Küchenschublade der Zeugin H. mitgenommen hatte, mit der Klingenspitze an den Hals. Dies bemerkte die Zeugin H., als sie sich umdrehte. Die Zeugin S.H. erkannte auch das Schälmesser als das ihre wieder - sie hatte nur eines -. Dieses fehlte auch später in ihrer Küchenschublade. Als die Zeugin S.H. anfing laut zu schreien, floh der Angeklagte. Aus einem der anliegenden Häuser rief höchstwahrscheinlich die Zeugin S.H. dann noch einmal die Polizei an.

Die Zeugen H. und B. haben keine alkohol- oder drogenbedingte Ausfälle bei dem Angeklagten bemerkt."

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der form- und fristgerecht eingelegten Revision, mit der er die fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts rügt.

II.

Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg. Es führt zur Berichtigung des Schuldspruchs und zur Aufhebung und Zurückverweisung hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs.

1. Die Feststellungen zum Tatgeschehen am 2. Oktober 2001 sind zwar umfangreicher als der Vorwurf in der Anklageschrift und die Feststellungen des Amtsgerichts, doch handelt es sich insgesamt um eine Tat im Sinne von § 264 StPO. Eine Verurteilung des nicht mehr vom Tatbegriff des § 264 StPO umfassten Geschehens am 24. November 2001 ist nicht erfolgt.

2. Die Bewertung des Tatgeschehens durch die Strafkammer als "zumindest" Bedrohung in zwei Fällen, davon einmal in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und Nötigung, und wegen Hausfriedensbruchs ist jedoch rechtsfehlerhaft.

Dadurch, dass der Angeklagte die Wohnungstür abschloss und den einzigen Wohnungstürschlüssel in seine Hosentasche steckte, hat sich der Angeklagte der tateinheitlichen Freiheitsberaubung in zwei Fällen, nämlich gegenüber den Zeuginnen K. und H., schuldig gemacht. Als der Angeklagte trotz Aufforderung durch die Zeugin H. die Wohnung nicht verließ, hat er sich wegen Hausfriedensbruchs strafbar gemacht. Die beiden Dauerdelikte der Freiheitsberaubung und des Hausfriedensbruchs stehen, da sie sich zeitlich überschneiden, im Verhältnis der Tateinheit zueinander (vgl. Schönke/Schröder/Stree, StGB, 26. Aufl., § 52 Rdnr. 13). Darüber hinaus hat sich der Angeklagte wegen einer Bedrohung gegenüber der Zeugin K. ("Du kommst hier nicht lebend raus!"), wegen Nötigung gegenüber der Zeugin H. (Herausreißen des Telefonkabels) in zwei Fällen (Aufforderung an die Zeugin H., das Handy hinzulegen, sonst geschehe etwas) und wegen einer Bedrohung gegenüber dem Zeugen B. ("Und dich mach ich auch kalt") strafbar gemacht. Die Ausführungshandlungen dieser verschiedenen Tatbestände treffen zwar nicht allesamt unmittelbar zusammen, doch wird eine Tateinheit hier dadurch hergestellt, dass sie sich jeweils mit der Ausführungshandlung des Dauerdeliktes der Freiheitsberaubung überschneiden (vgl. hierzu BGH NStZ 1988, 70, 71; 1993, 39 und 134; NJW 1989, 1227 f; Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., vor § 52 Rdnr. 5 m.w.N.). Diese Wirkung tritt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann nicht ein, wenn ein leichteres Delikt jeweils mit schwereren Gesetzesverstößen zusammentrifft. Wiegt dagegen nur eines der betroffenen Delikte schwerer als dasjenige, das die Verbindung begründet, so bleibt es bei der Klammerwirkung mit der Folge, dass alle Tatbestände eine Einheit bilden (vgl. BGHSt 31, 29; NStZ 1993, 39, 40). Da die Freiheitsberaubung gegenüber zwei Personen, die hier die Klammerwirkung mit den übrigen Delikten herbeiführt, zumindest annähernd wertgleich mit den übrigen Einzeldelikten ist, besteht zwischen der Bedrohung in zwei Fällen, der Nötigung in zwei Fällen und der Freiheitsberaubung in zwei Fällen Tateinheit; tateinheitlich hierzu hat der Angeklagte ferner einen Hausfriedensbruch begangen. Die zeitlich etwas später erfolgte Bedrohung gegenüber der Zeugin K. auf der Straße steht hierzu im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB).

Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der Angeklagte auch gegen den geänderten Tatvorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

3. Die Änderung des Schuldspruchs führt lediglich zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs. Im Übrigen ist die Revision unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO, da die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zu Lasten des Revisionsführers ergeben hat.

Da nunmehr lediglich zwei Einzelstrafen verhängt werden können, die 6 Monate und 3 Monate nicht übersteigen dürfen, sowie eine neue Gesamtstrafe gebildet werden muss, ist das Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Münster zurückzuverweisen. Die der Strafzumessung zugrundeliegenden Feststellungen können aufrechterhalten bleiben, da sie durch die rechtsfehlerhafte Konkurrenzbildung nicht beeinflusst werden.

Ende der Entscheidung

Zurück