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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 25.09.2001
Aktenzeichen: 4 Ss 736/01
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 154
Zur Auslegung der Aussage des Angeklagten, er habe eine Straftat nicht begangen, dabei "bleibe er".
Beschluss

Strafsache

gegen B.L.

wegen uneidlicher Falschaussage.

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen des Urteil des Amtsgerichts - Strafrichter - Borken vom 21. Mai 2001 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 25. 09. 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Der Angeklagte wird auf Kosten der Landeskasse, die auch seine notwendigen Auslagen trägt, freigesprochen.

Gründe:

Das Amtsgericht Borken hat den Angeklagten am 21. Mai 2001 wegen uneidlicher Falschaussage zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40,00 DM verurteilt.

Dabei ist das Amtsgericht von folgendem ausgegangen:

Der Angeklagte war durch Urteil des Amtsgerichts Borken vom 29. April 1998, rechtskräftig seit dem selben Tag, wegen unerlaubter Behandlung von Lebensmitteln mit nicht zugelassenen Arzneimitteln u.a. zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 50,00 DM verurteilt worden. Nach den damaligen Feststellungen des Amtsgerichts hatte der Angeklagte, der von Beruf Landwirt ist, bei der Kälbermast nicht zugelassene Masthilfemittel eingesetzt. Die Herkunft dieser Mittel blieb ungeklärt. Der Angeklagte hat die Tatbegehung stets bestritten.

Als Lieferant der verbotenen Substanzen wurde ein holländischer Futtermittelvertreter namens Sp. verdächtigt. In dem gegen diesen gerichteten Ermittlungsverfahren wurde der jetzige Angeklagte am 29. Dezember 1998 vor dem Amtsgericht Borken richterlich als Zeuge vernommen. Die Vernehmung wurde von einem inzwischen verstorbenen Richter am Amtsgericht durchgeführt. Der Angeklagte sagte in diesem Verfahren bei seiner Vernehmung folgendes aus:

"Es ist richtig, dass ich durch das Amtsgericht Borken rechtskräftig am 29. April 1998 verurteilt worden bin und zwar wegen unerlaubter Behandlung von Lebensmitteln und Arzneimitteln u.a. Ich habe seinerzeit nach der Hauptverhandlung auf die Einlegung eines Rechtsmittels verzichtet. Während des gesamten Verfahrens und auch in der Hauptverhandlung habe ich immer beteuert, die mir vorgeworfenen Straftaten nicht begangen zu haben. Dabei bleibe ich auch heute noch. Ich habe seinerzeit lediglich auf Rechtsmittel verzichtet, weil ich keine Aussicht auf Erfolg gesehen habe. Ich war damals finanziell sehr angeschlagen und wollte nicht noch weitere Kosten verursachen. Für mich beruhte der Rechtsmittelverzicht daher auf rein wirtschaftlichen Erwägungen."

Damit habe sich der Angeklagte, so dass Amtsgericht im angefochtenen Urteil der uneidlichen Falschaussage gemäß § 153 StGB schuldig gemacht. Entgegen der Auffassung des Angeklagten, die dieser durch seinen Verteidiger habe vortragen lassen, enthalte seine Aussage vom 29. Dezember 1998 sehr wohl eine Tatsachendarstellung, nämlich die, dass er die ihm zur Last gelegten Straftaten nicht begangen habe. Dies bedeute inzidenter, dass der Angeklagte behauptet habe, keine Angaben dazu machen zu können, woher die bei den Tieren festgestellten verbotenen Masthilfemittel stammten.

Hiergegen richtet sich die in zulässiger Form eingelegte und begründete Sprungrevision des Angeklagten, mit der er unter anderem die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Das angefochtene Urteil unterliegt bereits auf Grund der Sachrüge, ohne dass es eines Eingehens auf die im übrigen erhobenen Rügen bedarf, der Aufhebung.

Die fragliche Aussage des Angeklagten ist nicht nachweislich falsch.

Die allein einer Auslegung zugängliche Äußerung des Angeklagten "dabei bleibe ich auch heute noch" ist, auch im Gesamtzusammenhang der Aussage, zu vage und im Hinblick auf das Beweisthema, die Tatbeteiligung des anderweitig verfolgten Beschuldigten Sp., inhaltlich so unklar, dass der vom Amtsgericht gezogene Schluss, der Angeklagte habe "inzidenter" behauptet, über die Herkunft der fraglichen Masthilfemittel nichts sagen zu können, nicht angängig ist.

Der Angeklagte hat in dem gegen ihn selbst gerichteten Ursprungsverfahren tatsächlich stets bestritten, verbotene Substanzen zur Kälbermast eingesetzt zu haben. Insoweit ist seine Äußerung, er habe dies während des gesamten Verfahrens immer beteuert, zutreffend. Die nachfolgende Äußerung, dabei bleibe er auch heute noch, stellt ihrem unmittelbaren Sinngehalt nach nichts anderes dar als die Aufrechterhaltung seiner früheren Beteuerung, die ihm vorgeworfenen Straftaten nicht begangen zu haben. Ihr ist selbst bei Anwendung der Auslegungsregeln nicht ohne weiteres auch die "incident"-Erklärung zu entnehmen, er könne zu dem Beweisthema, nämlich der Herkunft der in seinem Betrieb zur Anwendung gekommenen verbotenen Hilfsmittel, keine Angaben machen. Die in Rede stehende Wendung kann vielmehr auch den - bewussten oder unbewussten - Versuch darstellen, sich der Beantwortung der eigentlichen Beweisfrage zu entziehen. Letztlich kann die inhaltliche Bedeutung dieser Äußerung nicht eindeutig festgestellt werden. Es wäre Sache des seinerzeit vernehmenden Richters gewesen, durch konkrete Nachfragen eine eindeutige Aussage des jetzigen Angeklagten und damaligen Zeugen zum Beweisthema herbeizuführen. Das ist unterblieben. Die sich aus alledem ergebenden Zweifel wirken sich zu Gunsten des Angeklagten aus, dem eine falsche Aussage im Sinne des § 153 StGB mithin nicht nachgewiesen werden kann.

Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben.

Da eine neue Hauptverhandlung keine weiteren Aufschlüsse erwarten lässt, hat der Senat gemäß § 354 Abs. 1 StPO in der Sache selbst entschieden und den Angeklagten mit der Kosten- und Auslagenfolge aus § 467 Abs. 1 StPO freigesprochen.

Ende der Entscheidung

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