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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 27.03.2001
Aktenzeichen: 4 Ss 97/01
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 303
Leitsatz

Zur Sachbeschädigung in den sog. Grafitti-Fällen


Beschluss Strafsache gegen F.B.,

wegen Sachbeschädigung u.a..

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Jugendgerichts - Münster vom 20. Oktober 2000 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 27.03.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht - im Umfang der Verwerfung der Revision auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers - einstimmig gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

Unter Verwerfung der Revision im übrigen wird das angefochtene Urteil im Schuldspruch hinsichtlich der Verurteilung wegen Sachbeschädigung in vier Fällen und im Rechtsfolgenausspruch mit den jeweils zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts - Jugendgerichts - Münster zurückverwiesen.

Gründe:

I. Das Amtsgericht Münster hat den Angeklagten mit dem angefochtenen Urteil unter Freisprechung im übrigen wegen Sachbeschädigung in vier Fällen und wegen Erschleichens von Leistungen in drei Fällen schuldig gesprochen und gegen ihn einen Dauerarrest von zwei Wochen festgesetzt.

Nach den getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte in Münster in den frühen Morgenstunden des 31. Januar 1999 gemeinsam mit dem gesondert verfolgten Sebastian B. in vier Fällen Mauern und Wände mittels Sprühlack mit Grafittis versehen. Hierbei handelt es sich um die zur Aegidiistraße gelegene Klinkerwand des Hauses Wallgasse 8, die mit einem ca. 40 cm x 40 cm großen weiß-silbernen "St"-Emblem versehen worden ist, um die am Ende der Wallgasse stehende Ziegelsteingartenmauer des Gebäudes Schützenstraße 21, die mit einem 1,3 m hohen und 2,8 m breiten "St"-Emblem in weiß-silberner Farbe mit schwarzem Rand besprüht worden ist, um die stadteinwärts neben einem Parkplatz und einer Gaststätte, gegenüber der Einmündung der Wallgasse in die Aegidiistraße befindliche aus Ziegelstein bestehende Hauswand, die mit einer etwa 1,4 m hohen und 3 m breiten weiß-silbernen Buchstabenkombination "KL" mit schwarzem Rand, der weiteren Buchstabenkombination "ST:" und einem Gesicht bemalt worden ist, und um die aus Ziegelstein bestehende Hauswand des Gebäudes Aegidiistraße 36, die mit einem etwa 1 m hohen und breiten weiß-silberfarbenem "St"-Emblem mit schwarzem Rand versehen worden ist.

Außerdem benutzte er ohne gültigen Fahrausweis Stadtbusse der Stadtwerke Münster GmbH, wobei er jeweils von Anfang an vorhatte, das Fahrgeld nicht zu bezahlen, und zwar am 11. Juni 1999 gegen 12.55 Uhr den Stadtbus Linie 5, am 28. Oktober 1999 gegen 12.55 Uhr den Stadtbus Linie 15 und am 2. November 1999 gegen 13.20 Uhr den Stadtbus Linie 16.

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte rechtzeitig Revision einlegen und das Rechtsmittel durch seinen Verteidiger fristgerecht begründen lassen. Er begehrt die Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit er verurteilt worden ist, und die Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Münster. Insoweit rügt er die Verletzung formellen und materiellen Rechts mit näheren Ausführungen.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt wie erkannt.

II.

1. Soweit der Angeklagte des Erschleichens von Leistungen in drei Fällen schuldig gesprochen worden ist, ist sein Rechtsmittel offensichtlich unbegründet und auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.

2. Der Schuldspruch wegen Sachbeschädigung in vier Fällen und der Rechtsfolgenausspruch haben dagegen keinen Bestand. In diesem Umfang war das angefochtene Urteil auf die allgemein erhobene Sachrüge aufzuheben, so dass nähere Ausführungen zu den außerdem erhobenen Verfahrensrügen entbehrlich sind.

Die bisher getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Sachbeschädigung in den dem Angeklagten zur Last gelegten Fällen nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHSt 29, 129, 132) reicht eine dem Gestaltungswillen des Eigentümers zuwider laufende Veränderung der äußeren Erscheinung und Form einer Sache für sich allein nicht aus, um den Tatbestand der Sachbeschädigung zu begründen. Vielmehr setzt § 303 StGB in Fällen der vorliegenden Art, in denen die bestimmungsgemäße Brauchbarkeit der Sache nicht beeinträchtigt worden ist, voraus, dass die Substanz der Sache in einem nach ihrer Größe und ihrem Erhaltungszustand ins Gewicht fallenden Umfang verletzt oder derart in Mitleidenschaft gezogen worden ist, dass eine Reinigung zwangsläufig zu einer solchen Beschädigung führen muss. Von dieser Auffassung ist der BGH in der in BGHSt 41, 47 (= StV 1995, 465) veröffentlichten Entscheidung nicht abgerückt (vgl. auch KG, StV 1999, 156; BayObLG StV 1999, 543; OLG Karlsruhe, StV 1999, 544 sowie OLG Hamm, Beschluss vom 2. Mai 2000 in 3 Ss 181/00). Die Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils genügen diesen Anforderungen nicht. Es hat vielmehr ohne nähere Überprüfung sogar als möglich unterstellt, dass sich die Farbauftragungen ohne Rückstände und ohne Verletzung der Substanz der Klinker wieder entfernen lassen. Wegen der dadurch verursachten erheblichen Kosten hat es gleichwohl den Tatbestand der Sachbeschädigung für erfüllt angesehen (S. 8 U.A.), weil eine Beschmutzung oder Verunstaltung einer Sache durch Farbsprühaktionen das Eigentum als Rechtsgut stärker beeinträchtigen könne als manche Substanzverletzung. Diesem in Ansatz zu unterstützenden Gedanken kann jedoch von Rechts wegen nicht gefolgt werden. Nachdem eine entsprechende Gesetzesinitiative des Landes Berlin zur Schließung der hier gegebenen Strafbarkeitslücke im Bundestag keine Mehrheit finden konnte, verbietet sich auch angesichts des dadurch zum Ausdruck gebrachten gesetzgeberischen Willens, derartige Verhaltensweisen nicht unter Strafe zu stellen, eine erweiternde Auslegung des Begriffs der Sachbeschädigung.

In der neuen Hauptverhandlung wird deshalb u.a. die Beschaffenheit des Untergrundes der Wandflächen sowie die Art der verwendeten Farben festzustellen und - ggf. mit sachverständiger Hilfe - zu prüfen sein, ob die Beseitigung der Besprühungen zu einer Substanzverletzung geführt hat oder eine solche zur Folge haben wird (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 2. Mai 2000 - 3 Ss 181/00 - und vom 14. Dezember 1999 - 4 Ss 252/00 -).

Weil die Verurteilung wegen Sachbeschädigung in vier Fällen keinen Bestand hat, war wegen §§ 105 Abs. 1, 31 Abs. 1 JGG auch der Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben.

Ende der Entscheidung

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