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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 31.03.2006
Aktenzeichen: 4 Ss OWi 206/06
Rechtsgebiete: OWiG


Vorschriften:

OWiG § 72
OWiG § 79 Abs. 1 Nr. 5
Ein bereits vor dem Hinweis nach § 72 Abs. 1 OWiG ausdrücklich oder schlüssig erklärter Widerspruch gegen eine Entscheidung ohne Hauptverhandlung wird nicht dadurch gegenstandslos, dass der Betroffene auf den späteren Hinweis schweigt oder die ausdrückliche Anfrage des Richters, ob dem schriftlichen Verfahren widersprochen werde, unbeantwortet lässt.
Beschluss

Bußgeldsache gegen A. G.,

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Paderborn vom 29. Januar 2006 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 31. März 2006 durch den Richter am Amtsgericht Heithoff als Einzelrichter gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Paderborn zurückverwiesen.

Gründe:

I. Der Landrat des Kreises Paderborn hat gegen den Betroffenen am 29.09.2005 wegen eines Verstoßes gegen §§ 5 Abs. 4, 1 Abs. 2, 49 StVO, 24 StVG, 19 OWiG einen Bußgeldbescheid erlassen, der dem Betroffenen am 07.10.2005 förmlich zugestellt worden ist. Hiergegen hat dieser mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 17.10.2005, der am selben Tage bei der Bußgeldstelle eingegangen ist, in zulässiger Weise Einspruch eingelegt. Gleichzeitig ist einer Entscheidung im Beschlusswege widersprochen worden. Die Akten sind sodann durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Amtsgericht Siegen gem. § 69 Abs. 4 OWiG vorgelegt worden. Auf eine Beschlussanfrage des Amtsgerichts gem. § 72 Abs. 1 Satz 2 OWiG haben weder der Verteidiger noch der Betroffene reagiert, sodass das Amtsgericht gegen den Betroffenen im Beschlussverfahren am 29.01.2006 eine Geldbuße von 50,- Euro wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit gem. §§ 1 Abs. 2, 5 Abs. 4, 49 StVO, 24 StVG, 19 OWiG festgesetzt hat.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er im wesentlichen rügt, dass das Amtsgericht trotz des ausdrücklichen Widerspruchs im Beschlusswege entschieden habe. Dadurch sei der Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzt worden. Dieser habe sich umfassend im Hauptverhandlungstermin äußern und darlegen wollen, dass er Sorgfaltspflichten bei dem verfahrensgegenständlichen Vorfall nicht verletzt habe.

Die Generalstaatsanwaltschaft ist angehört worden und hat beantragt wie erkannt.

II. Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 79 Abs. 1 Nr. 5 OWiG statthaft und auch form- und fristgerecht eingelegt worden. Die erhobene Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs ist als noch ausreichend ausgeführte Verfahrensrüge der Verletzung des § 72 OWiG auszulegen.

Das Rechtsmittel hat - zumindest vorläufig - Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Das Amtsgericht hat durch Beschluss nach § 72 OWiG entschieden, obgleich die Voraussetzungen für das Beschlussverfahren nicht vorgelegen haben. Der Betroffene hatte nämlich der gewählten Verfahrensweise rechtzeitig widersprochen, indem er schon gegenüber der Verwaltungsbehörde zum Ausdruck gebracht hat, dass er mit einer Entscheidung im Beschlussverfahren nicht einverstanden ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 04.07.2000 - 1 Ss OWi 647/00 -; Thüringer OLG, VRS 109, 123; OLG Schleswig, NJW 2004, 3133, 3134).

Auch die Tatsache, dass der Betroffene oder sein Verteidiger auf die spätere Anfrage des Amtsgerichts, ob einer Entscheidung im Beschlussverfahren widersprochen werde, geschwiegen haben, führt nicht zu einem anderen Ergebnis.

Ein bereits vor dem Hinweis nach § 72 Abs. 1 OWiG ausdrücklich oder schlüssig erklärter Widerspruch gegen eine Entscheidung ohne Hauptverhandlung wird nämlich nicht dadurch gegenstandslos, dass der Betroffene auf den späteren Hinweis schweigt oder die ausdrückliche Anfrage des Richters, ob dem schriftlichen Verfahren widersprochen werde, unbeantwortet lässt. Auch ist es nicht erforderlich, den schon bei den Akten befindlichen Widerspruch nach Erhalt des Hinweisschreibens nach § 72 Abs. 1 S. 2 OWiG nochmals zu erklären (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 27.11.2003 - 1 Ss OWi 740/03 -; Thüringer OLG, VRS 109, 123).

Der Betroffene oder sein Verteidiger haben den bereits mit Schriftsatz vom 17.10.2005 ausdrücklich erklärten Widerspruch nicht zurückgenommen, so dass dieser weiter Bestand hat. Eine Entscheidung im Beschlussverfahren hätte daher nicht ergehen dürfen, da - wie ausgeführt - die Voraussetzungen für dieses Verfahren nicht gegeben waren.

Der angefochtene Beschluss war daher auszuheben. Die Sache war zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht Paderborn zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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