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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 29.04.2004
Aktenzeichen: 4 Ss OWi 256/04
Rechtsgebiete: StVG, StPO


Vorschriften:

StVG § 24 a
StPO § 267
Zu den Anforderungen an die Feststellungen bei einer Verurteilung nach § 24 a StVG
Beschluss

Bußgeldsache

gegen A.M.

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Ibbenbüren vom 12. Januar 2004 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 29. 04. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 79 Abs. 5 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird - unter Verwerfung der Rechtsbeschwerde im Übrigen - im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Insoweit wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Ibbenbüren zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen mit Urteil vom 12. Januar 2004 wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 24 a StVG eine Geldbuße von 300,00 € und ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats festgesetzt.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der als Kraftfahrer bei einem Speditionsunternehmen beschäftigte Betroffene mit einem Lkw-Gespann die Autobahn A 30, obwohl er alkoholisiert war. Eine um 10.02 Uhr von der Polizei durchgeführte Atemalkoholmessung mit dem Messgerät Dräger Alcotest Evidential ergab eine Atemalkoholkonzentration von 0,371 mg/l.

Der Betroffene hat die Richtigkeit der Messung nicht in Frage gestellt.

Das Amtsgericht hat die Regelgeldbuße in Höhe von 250,00 € wegen mehrerer verkehrsrechtlicher Vorbelastungen des Betroffenen auf 300,00 € erhöht und zudem das Regelfahrverbot von einem Monat verhängt. Ein Absehen davon komme, so das angefochtene Urteil, nicht in Betracht. Zwar müsse der Betroffene als Berufskraftfahrer mit der Beendigung seines befristeten Arbeitsverhältnisses rechnen. Dadurch würde er aber wegen dann anfallender Arbeitslosenunterstützung nicht in seiner Existenz gefährdet. Im übrigen sprächen der deutliche Alkoholisierungsgrad und die in der Vergangenheit von dem Betroffenen begangenen Verkehrsordnungswidrigkeiten gegen ein Absehen von der Verhängung des Regelfahrverbots.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner in zulässiger Form erhobenen Rechtsbeschwerde, mit der er vorrangig die Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Ibbenbüren erstrebt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das amtsgerichtliche Urteil aufzuheben, da diesem die Feststellungsgrundlagen für den festgestellten Atemalkoholgehalt nicht zu entnehmen seien.

II.

Dem Rechtsmittel ist lediglich ein - zumindest vorläufiger - Teilerfolg beschieden.

Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen den Schuldspruch richtet, ist sie, entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft, unbegründet. Insoweit hat die Überprüfung des Urteils keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben, §§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 StPO. Die vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen eines von dem Betroffenen begangenen fahrlässigen Verstoßes gegen § 24 a StVG.

Soweit das Amtsgericht die gemessene Atemalkoholkonzentration von 0,371 mg/l zusätzlich im Wege der Rückrechnung auf eine Blutalkoholkonzentration von "mindestens" 0,84 o/oo umgerechnet hat, war dieser Schritt ebenso unnötig wie falsch. Atemalkoholkonzentrationswerte sind nicht in Blutalkoholkonzentrationswerte konvertierbar (vgl. BGH NJW 2001, 1952; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, Rdnr. 52 a zu § 316 StGB m. w. N.). Auf diesem Fehler beruht das Urteil indes nicht. Die festgestellte Atemalkoholkonzentration von 0,371 mg/l reicht allein für eine Verurteilung gem. § 24 a StVG aus.

Auch im Übrigen genügt das angefochtene Urteil noch den Anforderungen, die nach der höchst- bzw. obergerichtlichen Rechtsprechung an die Urteilsfeststellungen im Falle einer Atemalkoholmessung mit dem Gerät Dräger Alcotest Evidential zu stellen sind. Insofern handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHSt 39, 291; BGHSt 46, 358). Wenn, wie hier, keiner der Verfahrensbeteiligten die Funktionstüchtigkeit des Messgerätes in Zweifel zieht, müssen in den Entscheidungsgründen lediglich Messmethode und Atemalkoholwerte mitgeteilt werden (vgl. Beschluss des hiesigen 3. Senats vom 02. Oktober 2001 - 3 Ss OWi 989/00 - in NZV 2002, 198; OLG Düsseldorf NZV 2002, 523; BayObLG NZV 2003, 393). Weitergehende Ausführungen, wie sie u. a. der hiesige 2. Senat für Bußgeldsachen fordert (vgl. Beschluss vom 09. Dezember 2002 - 2 Ss OWi 1018/02 - in NZV 2003, 538) sind, sofern die Richtigkeit der Messung nicht in Zweifel gezogen wird, entbehrlich. Ihre Notwendigkeit lässt sich, entgegen der Auffassung des hiesigen 2. Senats, auch nicht der grundlegenden Entscheidung des BGH vom 03. April 2001 (4 StR 507/00 - NZV 2001, 267) entnehmen, die sich mit der Vorlagefrage eines etwaigen Sicherheitsabschlags bei der Bestimmung der Atemalkoholkonzentration unter Verwendung des Messgeräts Dräger Alcotest Evidential befasst, nicht aber mit den Darstellungserfordernissen im Falle der Verurteilung nach § 24 a StVG. Soweit das Amtsgericht im vorliegenden Fall lediglich das Messergebnis (Mittelwert) mitteilt, nicht aber die beiden Einzelmesswerte, beruht das Urteil darauf in Anbetracht der deutlichen Überschreitung des Mindestwertes von 0,25 mg/l, wodurch Rundungsfehler ausgeschlossen sind, erkennbar nicht (vgl. OLG Düsseldorf, a. a. O.).

Dagegen kann der Rechtsfolgenausspruch jedoch keinen Bestand haben.

Die Begründung, mit der das Amtsgericht ein Absehen von der Verhängung des Regelfahrverbotes als nicht zu rechtfertigen angesehen hat, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Zwar geht das Amtsgericht zutreffend davon aus, dass von der Verhängung des Regelfahrverbotes im Falle einer Verurteilung nach § 24 a StGB nur ausnahmsweise - ggf. unter Erhöhung der Regelgeldbuße - abgesehen werden kann. Das ist zum einen dann der Fall, wenn die Tatumstände so aus dem Rahmen üblicher Begehungsweisen fallen, dass die Vorschrift über das Regelfahrverbot offensichtlich darauf nicht zugeschnitten ist. Diese Ausnahme ist vorliegend, entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde, nicht gegeben. Der Ehestreit am Vorabend, der den Betroffenen zu offenbar erheblichem Alkoholkonsum mit der Folge des gemessenen Restalkohols am nächsten Morgen veranlasst hat, ist kein Umstand, der die Tat in einem außergewöhnlich milden Licht scheinen lassen könnte. Gerade als Berufskraftfahrer musste sich der Betroffene über die Folgen erheblichen Alkoholgenusses bis wenige Stunden vor Fahrtantritt im Klaren sein.

Der vom Amtsgericht für möglich gehaltene Arbeitsplatzverlust ist nach übereinstimmender obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. dazu die Nachweise bei Hentschel, a. a. O., Rdnr. 18 zu § 25 StVG: Arbeitsplatz- oder Existenzverlust) als Härte ganz außergewöhnlicher Art jedoch grundsätzlich geeignet, ausnahmsweise ein Absehen von der Verhängung des Regelfahrverbots zu rechtfertigen. Die Auffassung des Amtsgerichts, der drohende Arbeitsplatzverlust bedeute wegen des Anspruchs auf Arbeitslosenunterstützung keinen Existenzverlust und sei daher von dem Betroffenen hinzunehmen, missachtet das verfassungsrechtlich verankerte Übermaßverbot, dass der Zulässigkeit eines sonst grundsätzlich zulässigen staatlichen Eingriffs Grenzen setzt (vgl. BVerfGE 32, 373, 379).

Allerdings muss sich der Tatrichter davon überzeugt haben, dass der behauptete Arbeitsplatzverlust die unausweichliche Folge eines Fahrverbots ist. Dazu gehört - neben der sich im Regelfalle anbietenden und hier auch erfolgten zeugenschaftlichen Vernehmung des Arbeitgebers - die Prüfung, ob die angebliche Kündigung bzw. Nichtverlängerung des Arbeitsvertrages arbeitsrechtlich tatsächlich durchsetzbar ist (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluss vom 19. August 2003 - 4 Ss OWi 466/03). Daran bestehen im vorliegenden Falle, nachdem der Betroffene bereits seit März 2003 beschäftigt ist, zumindest jetzt erhebliche Zweifel, da der Betroffene das Fahrverbot während des ihm nun zustehenden Jahresurlaubs abwickeln könnte. Hinzu kommt, dass die Regelung des § 25 Abs. 2 a StVG, die im Übrigen, worauf die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend hinweist, nicht nur in den Urteilsgründen zu erörtern, sondern bejahendenfalls ausdrücklich im Tenor anzuordnen ist, eine erweiterte Dispositionsmöglichkeit für den Betroffenen beinhaltet.

Diesen Begründungs- und Prüfungspflichten ist das Amtsgericht nur unzureichend nachgekommen.

Das Urteil ist wegen der aufgezeigten Mängel daher - wegen der Wechselwirkung zwischen Fahrverbot und Geldbuße - im Rechtsfolgenausspruch insgesamt aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Ibbenbüren zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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