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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 22.08.2007
Aktenzeichen: 4 Ss OWi 393/07
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 137
Die Wirksamkeit der Verteidigerbestellung hängt nicht von der Vorlage einer Vollmachtsurkunde ab.
Beschluss

Bußgeldsache

gegen M.V.

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 5. April 2007 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Lippstadt vom 3. April 2007 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 22. 08. 2007 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter gemäß § 80 a OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Lippstadt zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Der Landrat des Kreises Soest hat gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 13. Juni 2006 wegen mehrerer im Zusammenhang mit dem Führen eines LKW begangener Verkehrsordnungswidrigkeiten eine Geldbuße von 40,- € festgesetzt.

Hiergegen ist mit Schriftsatz des Rechtsanwalts vom 20. Juni 2006 rechtzeitig Einspruch eingelegt worden.

Im Hauptverhandlungstermin vom 3. April 2007 ist der Betroffene gemeinsam mit Rechtsanwalt Ferkinghoff in Untervollmacht für Rechtsanwalt S. erschienen. Nachdem der Betroffene auf Befragen erklärt hatte, es sei alles über seinen Chef gelaufen, dieser habe sich um alles kümmern wollen, er kenne Rechtsanwalt S. nicht, hat das Amtsgericht durch Beschluss den Einspruch vom 20. Juni 2006 als unzulässig verworfen. Rechtsanwalt S. sei von dem Betroffenen nicht bevollmächtigt worden. Mangels Prozessführungsbefugnis sei der Einspruch daher als unzulässig zu verwerfen.

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde vom 5. April 2007, die mit näheren Ausführungen die Verletzung materiellen und formellen Rechts rügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zu verwerfen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

Gemäß §§ 260 Abs. 3 StPO, 46 Abs. 1 OWiG hätte das Amtsgericht innerhalb der Hauptverhandlung - wie hier - über den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid zwar durch Urteil entscheiden müssen. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch auch dann zulässig, wenn fälschlich durch Beschluss anstatt durch Urteil entschieden worden ist (vgl. Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 70 Rdnr. 5 m.w.N.).

Der angefochtene Beschluss unterliegt wegen Versagung des rechtlichen Gehörs der Aufhebung.

Die Rechtsbeschwerde legt schlüssig dar, dass ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vorliegt.

Der Auffassung des Amtsgerichts, Rechtsanwalt S. sei zum Zeitpunkt der Einspruchseinlegung von dem Betroffenen dazu nicht bevollmächtigt gewesen, ist rechtlich nicht haltbar. Die Wirksamkeit der Verteidigerbestellung hängt nicht von der Vorlage einer Vollmachtsurkunde ab (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., vor § 137 Rdnr. 9 m.w.N.). Bei der Erteilung der Vollmacht für Rechtsanwalt S. durfte sich der Betroffene im Übrigen von seinem Chef vertreten lassen, was im hier gegebenen Falle, da die Verkehrsverstöße in Ausübung der beruflichen Tätigkeit des Betroffenen erfolgt sind, durchaus üblich und nachvollziehbar ist. Die Äußerung des Betroffenen, er könne nichts dafür und sehe nicht ein, dass er bezahlen solle, sein Chef habe sich daher darum kümmern wollen, belegt den unmissverständlichen Willen des Betroffenen, sein Chef solle alles Erforderliche, wozu insbesondere die Beauftragung eines Anwalts zählt, in die Wege leiten, um gegen den aus der Sicht des Betroffenen ungerechtfertigten Bußgeldvorwurf vorgehen zu können.

Aus all dem folgt, dass Rechtsanwalt S. bevollmächtigt war, für den Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid Einspruch einzulegen, der damit zulässig ist.

Mit der Verwerfung des Einspruchs als unzulässig hat das Amtsgericht dem Betroffenen den ersten Zugang zum Gericht genommen und damit seinen verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 28. März 2007 - 4 Ss OWi 233/07 - m.w.N. - und 30. Juli 2007 - 4 Ss OWi 452/07 -).

Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Lippstadt zurückzuverweisen.

Die von Rechtsanwalt S. mit Schriftsatz vom 3. Mai 2007 im eigenen Namen eingelegte Rechtsbeschwerde, die zusätzlich als sofortige Beschwerde gegen die amtsgerichtliche Kostenentscheidung auszulegen ist, hat sich mit dieser Entscheidung des Senats erledigt.

Ende der Entscheidung

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