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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 08.08.2007
Aktenzeichen: 4 Ss OWi 455/07
Rechtsgebiete: StVG, BKatV


Vorschriften:

StVG § 25 Abs. 1
BKatV § 4 Abs. 4
Zum Absehen vom Fahrverbot wegen beruflicher Härte.
Beschluss

Bußgeldsache

gegen W. K.,

wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung außerorts.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Soest vom 27. April 2007 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 8. August 2007 durch den Richter am Oberlandesgericht Duhme als Einzelrichter gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 79 Abs. 5 und 6 OWiG beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den insoweit getroffenen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Soest zurückverwiesen.

Gründe:

I. Das Amtsgericht Soest hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 340,00 EUR verurteilt, von der Verhängung eines Fahrverbotes jedoch abgesehen.

Der Betroffene hat am 7. August 2006 gegen 11.49 Uhr auf der BAB A 44 als Führer des Pkw Ford mit dem amtlichen Kennzeichen BOR-xxxxx die durch einen Geschwindigkeitstrichter stufenweise auf 100 km/h, 80 km/h und schließlich 60 km/h infolge Fahrlässigkeit um 33 km/h überschritten.

Der Betroffene ist bereits mehrfach mit Geschwindigkeitsüberschreitungen in Erscheinung getreten. Mit Entscheidung vom 24.03.2004, rechtskräftig seit dem 14.04.2004 setzte der Kreis Coesfeld gegen ihn eine Geldbuße von 40,00 EUR wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts um 21 km/h fest. Am 21.06.2004 wurde gegen den Betroffenen abermals eine Geldbuße von 40,00 EUR wegen Geschwindigkeitsüberschreitung außerorts um 23 km/h festgesetzt. Am 09.07.2004 überschritt der Betroffene im Bereich des Autobahnkreuzes Kamp-Lintfort auf der A 42 die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 43 km/h. Als Folge dieses Verstoßes setzte der Kreis Wesel gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 150,00 EUR und ein einmonatiges Fahrverbot fest. Mit Entscheidung vom 09.06.2006 des Kreis Steinfurt wurde gegen den Betroffenen erneut ein einmonatiges Fahrverbot und eine Geldbuße von 65,00 EUR festgesetzt, weil er im Bereich Lengerich auf der A 1 die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 29 km/h überschritten hatte. Die Entscheidung ist seit dem 16.06.2006 rechtskräftig.

Die Entscheidung, von der Verhängung eines Regelfahrverbotes, das das Amtsgericht irrtümlich aufgrund Vorliegens eines groben Pflichtenverstoßes (§ 4 Abs. 1 BKatV) statt richtig wegen Vorliegens eines beharrlichen Pflichtenverstoßes (§ 4 Abs. 2 BKatV) als angegeben angesehen hat, abzusehen, hat es wie folgt begründet:

"Der Betroffene wendet sich gegen die Verhängung des Fahrverbots. Er wendet ein, die Vollstreckung eines derartigen Fahrverbots würde ihn unverhältnismäßig hart treffen. Gemäß § 4 Abs. 4 BKatV besteht grundsätzlich die Möglichkeit im Einzelfall gegen entsprechende Erhöhung der Geldbuße von einem Fahrverbot abzusehen. Dies ist im Ausnahmefall dann möglich, wenn der Arbeitsplatz oder die sonstige wirtschaftliche Existenzgrundlage des Betroffenen gefährdet wäre. Soweit wird Bezug genommen auf die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Hamm vom 13.11.2001 - 3 Ss OWi 951/01 und vom 22.08.2002 - 3 Ss OWi 620/02. Die Hauptverhandlung hat ergeben, dass diese Voraussetzungen hier vorliegen. Der Betroffene befindet sich in seinem derzeitigen Anstellungsverhältnissen noch in der Probezeit, die am 30.04.2007 ausläuft. Er hat im ersten Hauptverhandlungstermin am 24.03.2007 darauf hingewiesen, dass er damit rechnen müsse, dass das Arbeitsverhältnis im Falle der Verhängung eines Fahrverbotes nicht fortgesetzt werde. Er hat dazu eine schriftliche Erklärung seines Vorgesetzten vorgelegt, aus der sich ergibt, dass die Entscheidung über die Weiterbeschäftigung des Betroffenen davon abhängig gemacht wird, ob gegen ihn ein Fahrverbot verhängt wird. Im zweiten Hauptverhandlungstermin am 27.04.2007 ist daraufhin der Zeuge Sch., den der Betroffene gestellt hat, zu den Auswirkungen eines einmonatigen Fahrverbotes auf die berufliche Situation des Betroffenen vernommen worden. Der Zeuge Sch. ist Vertriebsleiter bei der Firma xxx und ist gemeinsam mit dem Geschäftsführer J. Schu. für das Personalwesen im Bereich des Außendienstes zuständig. Der Zeuge Sch. hat folgendes bekundet: Bei der Firma xxx seien insgesamt 80 Mitarbeiter beschäftigt, davon seinen 34 Außendienstmitarbeiter. Wegen einer in Kürze anstehenden wichtigen Messe in Frankfurt werde davon momentan jeder Mitarbeiter benötigt. Sofern gegen den Betroffenen ein Fahrverbot verhängt werde, müsse dieser daher sofort durch einen Innendienstmitarbeiter ersetzt werden. Eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses des Betroffenen über die Probezeit hinaus komme dann zum derzeitigen Zeitpunkt nicht in Betracht. Diese Entscheidung sei eingehend mit dem Geschäftsführer Herrn Schu. erörtert worden und werde von diesem mitgetragen. In diesem Zusammenhang reichte der Zeuge Sch. das bereits vorformulierte Kündigungsschreiben zur Akte. Der Zeuge hat weiter bekundet, dass es unwahrscheinlich sei, dass der Betroffene trotz seiner guten Leistungen nach Vollstreckung des Fahrverbots wieder bei der Firma xxx im Außendienst oder in einer anderen Position eingestellt werde. Dies hänge damit zusammen, dass die Außendienststellen in dem Unternehmen gut bezahlt und von daher sehr begehrt seien. Aus diesem Grund gäbe es zahlreiche Anwärter aus dem Innendienst, die sich um eine Stelle als Außendienstmitarbeiter bemühten. Sofern der Betroffene aufgrund der Verhängung eines Fahrverbots durch einen Innendienstmitarbeiter ersetzt werden müsse, sei es sehr wahrscheinlich, dass dieser Innendienstmitarbeiter dauerhaft in die Stellung des Betroffenen rücke. Im Innendienst sei der Betroffene mangels der dazu erforderlichen technischen Qualifikationen nicht einsetzbar. Aufgrund der großen Erfahrung des Betroffenen als Außendienstkraft und seiner bisherigen Arbeitsleistung habe man sich grundsätzlich dafür entschieden, dass Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen. Die Kündigung zum Ende der Probezeit sei nur dann beabsichtigt, wenn der Betroffene seine Tätigkeit aufgrund der Verhängung eines Fahrverbots nicht ungehindert ausüben könne.

Die Angaben des Zeugen Sch. waren insgesamt plausibel, nachvollziehbar und glaubhaft. Konkreter Anhalt für eine Gefälligkeitsaussage hat sich nicht ergeben. Aufgrund der Bekundungen des Zeugen Sch. ist davon auszugehen, dass die berufliche Existenz des Betroffenen durch die Vollstreckung eines einmonatigen Fahrverbots ernsthaft bedroht ist. Der Betroffene hat auch keine Möglichkeit dies durch anderweitige zumutbare Maßnahmen abzuwenden.

Aufgrund seiner finanziellen Verhältnisse ist dem Betroffenen die Einstellung eines Fahrers für die Zeit des Fahrverbots nicht zumutbar. Er verfügt zwar mit 2200,00 EUR Netto über ein recht gutes Einkommen. Dem stehen aber auch hohe monatliche Fixkosten gegenüber. Insoweit ist zu sehen, dass der Betroffene aus beruflichen Gründen darauf angewiesen war, sich eine Zweitwohnung zu nehmen, für die er 450,00 EUR monatlich aufwenden muss. Dazu kommt, dass sich ein Kind des Betroffenen in der Ausbildung und das andere im Studium befindet. Der Betroffene hat auch nicht die Möglichkeit einen Teil der Zeit des Fahrverbots durch Urlaub zu überbrücken. Aufgrund der bevorstehenden Messe in Frankfurt wird dem Betroffenen von der Unternehmensführung zunächst kein Urlaub bewilligt. Er hätte im übrigen nicht die Möglichkeit die Vollstreckung eines Fahrverbots innerhalb von vier Monaten nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung selbst zu bestimmen. Die Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 a StVG liegen nicht vor, da gegen den Betroffenen in den zwei Jahren vor der Ordnungswidrigkeit bereits ein Fahrverbot verhängt worden ist und die Bewilligung der Viermonatsfrist unter diesen Umständen nicht im Ermessen des Gerichts steht. Deswegen war es nach Ansicht des Gerichts, auch unter Berücksichtigung der bestehenden verkehrsrechtlichen Vorbelastungen des Betroffenen noch ein letztes Mal gerechtfertigt, gegen die vorgenommene Erhöhung der Geldbuße vom Fahrverbot abzusehen. Diese Entscheidung beruhte maßgeblich darauf, dass das Arbeitsverhältnis bei der Firma xxx für den Betroffenen, der 57 Jahre als ist, möglicherweise die letzte Chance ist beruflich wieder Fuß zu fassen. Berücksichtigt worden ist außerdem, dass der Betroffene bei der von ihm angegebenen jährlichen Fahrleistung, als Vielfahrer einzustufen ist."

Gegen dieses Urteil richtet sich die gem. § 79 Abs. 1 Nr. 3 OWiG statthafte, frist- und formgerecht angebrachte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Arnsberg, die das Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat und mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Der Betroffene ist dem Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft entgegengetreten.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt wie erkannt.

II. Das zulässige Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Arnsberg hat vorläufig Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift an den Senat vom 30. Juli 2007 zutreffend ausgeführt:

"Die Beschränkung der Rechtsbeschwerde auf den Rechtsfolgenausspruch ist vorliegend wirksam, weil die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil zur äußeren und zur inneren Tatseite vollständig und widerspruchsfrei sind, so dass sie eine hinreichende Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung bilden. Eine noch weitergehende Beschränkung des Rechtsmittels auf die Frage des Fahrverbots scheidet wegen der Wechselwirkung zwischen der Höhe des verhängten Bußgeldes und dem Absehen von einem Fahrverbot aus.

Der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Erwägungen des Amtsgerichts rechtfertigen weder für sich genommen noch unter Gesamtwürdigung aller Umstände ein Absehen von der Verhängung des für die festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung gem. § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV im Hinblick auf die letzte Vorverurteilung vom 09.06.2006 - Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 29 km/h - vorgesehenen Regelfahrverbots von einem Monat.

Zwar unterliegt es in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung, ob Gründe vorliegen, die ausnahmsweise Anlass zum Absehen von der Rechtsfolge des § 25 Abs. 1 StVG i.V.m. den Regelbeispielen der BKatV geben können (BGHSt 38, 231, 237; OLG Hamm, NZV 1997, 185). Hierbei steht dem Tatrichter jedoch kein ungebundenes, freies Ermessen zu (zu vgl. OLG Hamm, a.a.O.). Denn § 4 BKatV konkretisiert i.S. der Ermächtigungsnorm des § 26 a Abs. 2 StVG die Anordnungsvoraussetzungen eines Fahrverbots nach § 25 StVG als Regelmaßnahme und gewährleistet damit die Gleichbehandlung des Betroffenen i.S. eines Gerechtigkeitsgebotes (BGH NStZ 92, 286, 288). Der Tatrichter muss deshalb nach übereinstimmender obergerichtlicher Rechtsprechung die vorgenannte Grundentscheidung des Verordnungsgebers für Verkehrsverstöße der vorliegenden Art respektieren und für seine abweichende Entscheidung eine eingehende, auf Tatsachen gestützte Begründung geben. Hierbei hat er im Einzelnen darzulegen, welche besonderen Umstände in objektiver und subjektiver Hinsicht ein Absehen vom Regelfahrverbot ausnahmsweise gerechtfertigt erscheinen lassen. Solche besonderen Umstände sind nach der obergerichtlichen Rechtsprechung dann gegeben, wenn eine erhebliche Härte oder zumindest eine Vielzahl für genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände vorliegen, die das Tatgeschehen aus dem Rahmen typischer Begehungsweisen i.S. einer Ausnahme herausheben. Ist der Betroffene aus beruflichen Gründen auf die Fahrerlaubnis angewiesen, kommt eine besondere Härte in Betracht, wenn ein Verlust des Arbeitsplatzes oder der wirtschaftlichen Existenzgrundlage droht (OLG Hamm, VRS 90, 210; Senatsbeschluss vom 29.07.2004 - 4 Ss OWi 428/04 - m.w.N.).

Soweit der Tatrichter - wie im vorliegenden Fall - eine besondere Härte auf den drohenden Verlust des Arbeitsplatzes stützt, darf sich seine Begründung jedoch nicht in einer unkritischen Wiedergabe der Einlassung des Betroffenen erschöpfen (Senatsbeschluss, a.a.O.; Senatsbeschluss, vom 05.02.2004; - 4 Ss OWi 48/04 -). Insbesondere darf der Tatrichter Angaben des Betroffenen, der regelmäßig ein großes Interesse an dem Absehen von einem Fahrverbot haben wird, nicht ohne weitere Prüfung hinnehmen, sondern muss diese kritisch würdigen und ggf. darüber Beweis erheben (Senatsbeschluss vom 05.02.2004, a.a.O.).

Diesen Maßstäben wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Zwar hat der Tatrichter die Angaben des Betroffenen nicht ungeprüft hingenommen, sondern durch Vernehmung eines Zeugen des Arbeitgebers des Betroffenen Beweis erhoben und weiterhin ausgeführt, dass Anhaltspunkte für eine Gefälligkeitsaussage des Zeugen nicht bestünden. Gleichwohl hat sich das Amtsgericht vor dem Hintergrund der Angaben des Zeugen und des Betroffenen nicht mit allen konkret in Betracht kommenden Fallkonstellationen auseinandergesetzt, so dass es an einer umfassenden kritischen Würdigung des Vortrages des Betroffenen fehlt.

Soweit das Amtsgericht darauf abstellt, der Betroffene sei für seinen Arbeitgeber wegen einer bevorstehenden Messe unabkömmlich und daher auf seine Fahrerlaubnis angewiesen, steht dies im Widerspruch zu einem als Anlage zum Protokoll gegebenen Schreiben des Arbeitgebers vom 19.04.2007 (BI. 54 d.A.), in dem auf das Nachmessegeschäft abgestellt wird. Zudem fehlen Feststellungen dazu, wann die Messe stattfindet und wie lange sie dauert. Dementsprechend muss auch offen bleiben, für welchen Zeitraum eine Unabkömmlichkeit des Betroffenen besteht und ob er nicht diesen Zeitraum, sofern er nicht die gesamte Dauer des Fahrverbots in Anspruch nimmt, durch Einstellung eines Fahrers überbrücken könnte.

Zu der Frage, ob der Betroffene einen Fahrer einstellen kann; hat das Amtsgericht zwar allgemeine wirtschaftliche Erwägungen angestellt. Diese leiden aber unter dem vorstehend bezeichneten Mangel der Feststellungen, weil offen bleibt, ob die Einstellung des Fahrers für die gesamte Zeit des Fahrverbots erforderlich ist. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, sind die nachfolgenden Feststellungen des Tatrichters zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen, die ihm die Einstellung eines Fahrers nicht erlaubten, unvollständig. Zu den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen hat das Amtsgericht festgestellt, dass dessen Ehefrau in einem Krankenhaus beschäftigt sei. Jedoch hat es die Höhe der Einkünfte der Ehefrau nicht mitgeteilt. Schon vor diesem Hintergrund erscheint es nicht ausgeschlossen, dass der Betroffene finanziell zur Einstellung eines Fahrers in der Lage sein wird. Dem Betroffenen ist zur Abwendung der Folgen des Fahrverbotes regelmäßig auch zuzumuten, einen Kredit aufzunehmen (OLG Hamm, Beschluss vom 09.12.2004 - 3 Ss 679/04 -). Erwägungen zu dieser Frage lässt das angefochtene Urteil jedoch vermissen.

Weiterhin hat sich der Tatrichter auch nicht kritisch mit der Frage auseinandergesetzt, warum der Zeuge ein nach dessen Angaben vorformuliertes, gleichwohl aber bereits von dem Gesellschafter des Arbeitgebers unterzeichnetes Kündigungsschreiben zu den Akten gereicht hat. Schließlich fehlen Erwägungen dazu, ob der Betroffene seine Tätigkeit im Zusammenhang mit der bevorstehenden Messe nicht unter Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel zu bewältigen vermag. Über die Frage, ob der Betroffene zwingend mit einem Pkw zur Messe fahren muss, verhält sich das Urteil nicht.

Das Amtsgericht hat daneben zu Unrecht bei seiner Entscheidung berücksichtigt, dass es sich bei dem Betroffenen um einen Vielfahrer handelt. Denn es besteht keine Veranlassung, bei solchen Verkehrsteilnehmern bei der Verhängung eines Fahrverbotes mildere Maßstäbe anzulegen (OLG Hamm, VRS 97, 272 = NZV 00, 96).

Schließlich konnte nicht übersehen werden, dass der Betroffene die neuerliche Geschwindigkeitsüberschreitung weniger als zwei Monate nach Rechtskraft der Vorentscheidung vom 09.06.2006 begangen hat und überdies bereits zuvor in drei Fällen mit Geschwindigkeitsüberschreitungen in Erscheinung getreten ist. Diese Umstände erfordern eine umso kritischere Würdigung des Vorbringens des Betroffenen zur Frage, ob eine besondere Härte vorliegt, und zwingt zur Anlegung strengerer Maßstäbe. Somit hätte das Amtsgericht im Hinblick auf die Vorbelastungen auch zu prüfen gehabt, ob - selbst im Fall der von ihm angenommenen besonderen Härte - ein Absehen von der Verhängung des Fahrverbotes gerechtfertigt erscheint, weil ein Betroffener bei einer Vielzahl von einschlägigen Vorbelastungen notfalls auch eine Gefährdung seiner beruflichen Existenz hinzunehmen hat. Wenn dieser nämlich ohne Rücksicht auf sein berufliches Angewiesensein auf seine Fahrerlaubnis immer wieder durch Geschwindigkeitsüberschreitungen auffällt, kann im Hinblick auf seine Unbelehrbarkeit von der Verhängung eines Fahrverbotes aus Gründen der Rücksichtnahme auf seine wirtschaftliche Existenz nicht mehr abgesehen werden. Denn dies würde darauf hinauslaufen, dass für bestimmte Berufsgruppen ein Sonderrecht in der Weise geschaffen würde, dass sie ständig die Geschwindigkeit im Straßenverkehr überschreiten könnten, ohne die Verhängung eines Fahrverbotes befürchten zu müssen (OLG Hamm, Beschluss vom 12.02.2004 - 3 Ss OWi 77/04 -).

Bei der Bemessung des Bußgeldes hat der Tatrichter die gem. Nr. 11.3.6 der Tabelle 1 des Anhangs zu Nr. 11 der Anlage zur BKatV vorgesehene Geldbuße bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften unzutreffend mit 100,00 EUR statt - zutreffend - mit 75,00 EUR angenommen.

Nach allem kann das Urteil im Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben. Da nicht auszuschließen ist, dass das Amtsgericht in einer erneuten Hauptverhandlung ergänzende Feststellungen zu der Frage einer besonderen Härte treffen kann, ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Soest zurückzuverweisen. Indessen erscheint es nicht erforderlich, wie es die Staatsanwaltschaft beantragt hat, nach Aufhebung der Entscheidung die Überprüfung durch einen anderen Spruchkörper des Amtsgerichts zu veranlassen, weil dies in der Regel wegen der andersartigen und weniger bedeutsamen Rechtsfolgen im Bußgeldverfahren in Abweichung von § 354 Abs. 2 StPO entbehrlich erscheint (Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 79 Rdnr. 48)."

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an.

Ende der Entscheidung

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