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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 27.07.2004
Aktenzeichen: 4 Ss OWi 478/04
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 267
StPO § 261
Wenn sich die Angaben des Angeklagten/Betroffenen als möglich erweisen, hat das Gericht nachvollziehbar darzulegen, warum es ihm gleichwohl nicht glaubt und dazu die zur Erforschung der Wahrheit notwendigen Beweismittel auszuschöpfen.
Beschluss

Bußgeldsache

gegen S.S.

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Meschede vom 19. Mai 2004 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 27. 07. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Meschede zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat gegen die Betroffene wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerorts um 36 km/h eine Geldbuße von 100,- € sowie ein dreimonatiges Fahrverbot für Motorräder der Klasse A verhängt. Die Möglichkeit, gemäß § 25 Abs. 2 a S. 1 StVG das Fahrverbot erst binnen einer Frist von vier Monaten wirksam werden zu lassen, ist der Betroffenen, die bislang verkehrsrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist, aus spezialpräventiven Gründen ausdrücklich versagt worden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die zulässige Rechtsbeschwerde der Betroffenen, die, mit näherer Begründung, die Verletzung materiellen Rechts rügt.

II.

Dem Rechtsmittel bleibt ein - zumindest vorläufiger - Erfolg nicht verwehrt.

Das angefochtene Urteil weist durchgreifende Rechtsfehler auf, so dass es keinen Bestand haben kann.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat dazu wie folgt Stellung genommen:

"Zum Schuldspruch hat das Gericht u.a. ausgeführt, nach den Ausführungen des Sachverständigen sei es auf Grund der von der Betroffenen geschilderten Verschleißsymptome möglich, dass der Tachometer eine geringere als die gefahrene Geschwindigkeit angezeigt hätte, gleichwohl hat es die dahingehende Einlassung als unwahre Schutzbehauptung gewertet.

Diese Beweiswürdigung begegnet Bedenken.

Wenn sich die Angaben der Betroffenen als möglich erweisen, hat das Gericht nachvollziehbar darzulegen, warum es ihr gleichwohl nicht glaubt und dazu die zur Erforschung der Wahrheit notwendigen Beweismittel auszuschöpfen (BGH in Strafverteidiger 1998, 539 - 540, s.a. OLG Düsseldorf, in Strafverteidiger 1990, 442).

Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht.

Die dahingehenden Urteilsausführungen erschöpfen sich in der Wiederholung des Messergebnisses und der Überzeugung des Gerichts, dass die Betroffene diese Geschwindigkeit auch gefahren habe.

Mit der in der Einlassung enthaltenen, für die innere Tatseite wesentlichen Behauptung der Betroffenen, sie sei infolge einer fehlerhaften Tachometeranzeige davon ausgegangen, tatsächlich eine niedrigere als die gemessene Geschwindigkeit gefahren zu haben, setzt sich das Urteil dagegen nicht auseinander.

Es hätte insbesondere einer Befragung des Sachverständigen dazu bedurft, ob - als Indiz für die Richtigkeit der Behauptung - z.B. das verschlissene Teil durch ein neues ersetzt worden war und ggf. bis zu welcher Grenze eine niedrigere Anzeige infolge des Verschleißes in Betracht kommt, um die dahingehende Einlassung der Betroffenen bewerten zu können.

Im Rechtsfolgenausspruch hat das Gericht zu Unrecht davon abgesehen, der Betroffenen die "Schonfrist" des § 25 Abs. 2 a Satz 1 StVG einzuräumen.

Wie in der Rechtsbeschwerdebegründung zutreffend ausgeführt worden ist, steht dem Gericht ein Ermessen, ob es die Vorschrift anwendet oder nicht, nicht zu. Vielmehr ist die Gewährung der viermonatigen Frist bis zum Wirksamwerden des Fahrverbots zwingend, sofern - wie vorliegend - die Voraussetzungen vorliegen (OLG Düsseldorf in VRS 95, 288, VRS 99, 468-470)."

Dem schließt sich der Senat an.

Ergänzend ist Folgendes anzumerken:

Sollte sich die Behauptung der Betroffenen, ihr Tachometer sei fehlerhaft gewesen und habe eine zu geringe Geschwindigkeit angezeigt, als zutreffend bzw. nicht widerlegbar erweisen, wird zu prüfen sein, ob die Betroffene in Anbetracht der deutlich über dem innerorts üblichen Niveau liegenden gefahrenen Geschwindigkeit gleichwohl ihr Fehlverhalten nicht hätte erkennen können und müssen.

Die aufgezeigten Mängel führen zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Meschede.

Ende der Entscheidung

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