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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 04.07.2002
Aktenzeichen: 4 Ss OWi 532/02
Rechtsgebiete: StVO


Vorschriften:

StVO § 37
Für die Bestimmung der Rotlichtzeit ist nicht das Passieren der Lichtzeichenanlage maßgeblich, sondern entweder der Zeitpunkt des Einfahrens in den von der Lichtzeichenanlage gesicherten Kreuzungsbereich oder das Passieren der Haltelinie, sofern eine solche vorhanden ist.
Beschluss Bußgeldsache gegen H.G. wegen Zuwiderhandlung gegen 37 StVO.

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Coesfeld vom 10. April 2002 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 04. 07. 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 79 Abs. 5 und 6 OWiG beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Coesfeld zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht Coesfeld hat die Betroffene "wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr nach §§ 37 Abs. 2 Nr. 1 S. 7, 49 StVO i.V.m. § 24 StVG" zu einer Geldbuße von 250 EUR verurteilt und ferner ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats mit der Maßgabeanordnung gemäß § 25 Abs. 2 a StVG ver- hängt. Nach den zugrunde liegenden Feststellungen fuhr die Betroffene am 11. November 2001 gegen 8:14 Uhr in Nottuln mit dem PKW Ford Fiesta, amtliches Kennzeichen xxxxxxxxx, "von der Stiftstraße kommend in den Einmündungsbereich der B 525 nach rechts in Richtung Coesfeld". Dabei beachtete sie nicht das Rotlicht der dortigen Lichtzeichenanlage nicht, die bereits länger als eine Sekunde Rotlicht anzeigte.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Verletzung des formellen und materiellen Rechts gestützte Rechtsbeschwerde der Betroffenen. Das Rechtsmittel hat bereits mit der Sachrüge Erfolg.

Die bisher getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes schon deshalb nicht, weil für die Bestimmung der Rotlichtzeit nicht das Passieren der Lichtzeichenanlage maßgeblich ist, sondern entweder der Zeitpunkt des Einfahrens in den von der Lichtzeichenanlage gesicherten Kreuzungsbereich oder das Passieren der Haltelinie, sofern eine solche vorhanden ist (vgl. BGH, NStZ 1999, 512; Senatsentscheidung vom 21. November 2000 in 4 Ss OWi 110/00). Auch der vom Amtsgericht den Feststellungen zur Rotlichtdauer zugrunde gelegte Umstand, dass die Lichtzeichenanlage für den Querverkehr auf Grünlicht umgesprungen war, als die Betroffene die Lichtzeichenanlage passierte, lässt vorliegend die Schlussfolgerung auf eine Rotlichtdauer von mehr als einer Sekunde bei Überfahren einer möglicherweise vorhandenen Haltelinie oder beim Einfahren in den gesicherten Kreuzungsbereich nicht zu. Zwar kann im Einzelfall bei Rotlichtverstößen innerhalb geschlossener Ortschaften allein aus dem Umstand, dass für den Querverkehr Grünlicht angezeigt worden ist, auch ohne nähere Feststellungen zu den Örtlichkeiten, der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und der Dauer der Gelblichtphase in rechtlich bedenkenfreier Weise auf einen derartigen Verkehrsverstoß geschlossen werden (vgl. Senatsentscheidung a.a.O. m.w.N.). Da aber die von der Betroffenen eingehaltene Geschwindigkeit zumindest unklar ist, nähere Angaben zu den Örtlichkeiten nicht getroffen worden sind und das Amtsgericht allein auf den Abbiegevorgang von der Stiftstraße in die B 525 abgestellt hat, kann der Senat nicht ausschließen, dass eine Rotlichtdauer von mehr als einer Sekunde zum maßgeblichen Zeitpunkt des Überfahrens einer möglichen Haltelinie oder des Einfahrens in den durch die Lichtzeichenanlage gesicherten Kreuzungsbereich noch nicht erreicht war. Dies insbesondere deshalb, weil die Feststellungen zum Zeitablauf nicht auf einer technischen Messung mittels eines geeichten Messgeräts beruhen. Wegen der damit verbundenen Fehlermöglichkeiten sind aber klare und erschöpfende Feststellungen zum Ablauf sowie zu der Entfernung des Fahrzeugs zum Einmündungsbereich, zur Lichtzeichenanlage und zu einer ggf. vorhandenen Anhaltelinie zu treffen. Das angefochtene Urteil enthält zudem keine Feststellungen dahingehend, wo sich die Betroffene befand, als die Lichtzeichenanlage auf Rot umsprang und wie lange die Rotphase andauerte, als sie die Haltelinie oder - falls eine solche nicht vorhanden war - den Ampelmast passierte.

Die aufgezeigten Mängel führen zur Aufhebung des Urteils, so dass es einer Entscheidung über die Verfahrensrüge nicht bedarf.

Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich noch darauf hin, dass, da die Feststellungen zum Zeitablauf nicht auf einer technischen Messung mittels eines geeichten Messgeräts, sondern auf einer "Messung" durch die Zeugen beruhen, die - wie auch immer - die Dauer der Rotlichtphase mittels des Sekundenanzeigers einer Armbanduhr ermittelt haben, in den Urteilsgründen nachvollziehbar darzulegen ist auf welche Art und Weise Zeugen die konkrete Zeitdauer der Rotlichtphase gemessen haben. Dabei wird die Tatrichterin zu berücksichtigen haben, dass diese Messmethode, wenn sie überhaupt geeignet ist, gewisse Ungenauigkeiten aufweist, denen ggfls. mit einem Toleranzabzug zu begegnen ist. Es dürfte sich empfehlen, zur Sachverhaltsaufklärung den für die in Rede stehende Ampelanlage (zur Vorfallzeit) geltenden Phasenplan beizuziehen.

Diese Entscheidung entspricht dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft vom 20. Juni 2002.

Ende der Entscheidung

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