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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 08.09.2005
Aktenzeichen: 4 Ss OWi 605/05
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 267
Zu den Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen bei der Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung.
Beschluss

Bußgeldsache

gegen F. C.,

wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung außerorts.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Höxter vom 18. April 2005 hat der 4 . Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 08. 09. 2005 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Höxter zurückverwiesen.

Gründe:

I. Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer erhöhten Geldbuße von 80,00 Euro und unter Gewährung von Vollstreckungsaufschub gemäß § 25 Abs. 2 a StVG zu einem Fahrverbot von einem Monat Dauer verurteilt.

Der Betroffene soll am 29. Juli 2004 als Führer eines Pkw Audi mit dem amtlichen Kennzeichen XXXX gegen 9.01 Uhr auf der Bundesstraße 239 in Fahrtrichtung Steinheim die außerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h infolge von Fahrlässigkeit um 29 km/h überschritten haben.

Hiergegen richtet sich die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen.

II. Das Rechtsmittel des Betroffenen hat vorläufig Erfolg.

Das Urteil ist auf die erhobene Sachrüge schon deshalb aufzuheben, weil die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts die Verurteilung des Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit bislang nicht tragen. Der Senat ist nicht in der Lage zu überprüfen, ob das Amtsgericht den festgestellten Geschwindigkeitsverstoß rechtsfehlerfrei aus dem Beweisergebnis hergeleitet hat.

Nach ständiger Rechtsprechung muss der Tatrichter dem Rechtsbeschwerdegericht in seinem Urteil die rechtliche Nachprüfung der Zuverlässigkeit der Feststellungen der Geschwindigkeitsüberschreitung ermöglichen. Hierzu gehört, dass er in den Urteilsgründen zumindest die zur Feststellung der gefahrenen Geschwindigkeit angewandte Meßmethode mitteilt und darüber hinaus darlegt, dass mögliche Fehlerquellen ausreichend berücksichtigt worden sind (ständige Rechtsprechung aller Oberlandesgerichte, vgl. schon BayObLG, VRS 74 (1988), 384; bei: Bär, DAR 1987, 314; bei: Rüth, DAR 1986, 238; DAR 1966, 104; OLG Düsseldorf, VRS 81 (1991), 208; 82 (1992), 50; 82 (1992), 382; VerkMitt 1992, 36; OLG Frankfurt, NZV 1993, 202; OLG Köln, VRS 67 (1984), 462; 81 (1991), 128; OLG Schleswig, bei: Ernesti-Lorenzen, SchlHA 1980, 175; OLG Stuttgart, VRS 66 (1984), 57; 81 (1991), 129 f.; DAR 1993, 72; vgl. grundlegend zu standardisierten Messverfahren: BGH, NJW 1993, 3081 = BGHSt 39, 291 = NZV 1993, 485 = NStZ 1993, 592 = MDR 1993, 1107).

Vorliegend teilt das Amtsgericht weder mit, mit welcher Meßmethode die festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung ermittelt worden ist, noch wird dargelegt, welcher Toleranzabzug berücksichtigt worden ist.

Zwar kann das Eingeständnis eines Kraftfahrzeugführers, die im angefochtenen Bußgeldbescheid genannte Geschwindigkeit - mindestens - gefahren zu sein, auch auf eigenen Erfahrungswerten beruhen: So ist es einem geübten Kraftfahrer ohne weiteres möglich, seine Geschwindigkeit schon an Hand der Motorgeräusche des ihm vertrauten Fahrzeuges, der sonstigen Fahrgeräusche und an Hand der Schnelligkeit, mit der sich die Umgebung verändert, zuverlässig zu schätzen und dadurch zu erkennen, dass er die erlaubte Geschwindigkeit wesentlich überschreitet (vgl. OLG Schleswig, VerkMitt 1964, 54; OLG Hamm, DAR 1972, 251; OLG Celle, DAR 1978, 169; OLG Düsseldorf, NZV 1992, 454; grundlegend insoweit BGHSt 31, 86 (90) = NJW 1982, 2455; BGH, NJW 1993, 3081 (3084)). Die bisherige Feststellung, der Betroffene habe die ihm vorgeworfene Geschwindigkeit "nicht in Frage gestellt", stellt aber gerade kein derartiges glaubhaftes Geständnis dar, auf das die Verurteilung gestützt werden dürfte (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 1. September 2004 - 4 Ss OWi 823/04 - m.w.N.). Diese Formulierung läßt sogar die Möglichkeit zu, dass der Betroffene zur Frage der Geschwindigkeitsüberschreitung überhaupt keine Angaben gemacht hat.

Das angefochtene Urteil unterliegt deshalb insgesamt der Aufhebung. Das Amtsgericht wird die Sache neu zu verhandeln und entscheiden haben. Dabei wird es auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde zu befinden haben, da deren Erfolg noch nicht feststeht.

Ende der Entscheidung

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