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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 12.02.2002
Aktenzeichen: 4 Ss OWi 619/01
Rechtsgebiete: LHV, OWiG


Vorschriften:

LHV § 2
OWiG §§ 79 ff.
OWiG § 80 Abs. 1 Nr. 1
OWiG § 80 a Abs. 2 S. 1 Nr. 2
Zum pflichtwidrigen Nichtanzeigen von Hunden für die eine Anzeigepflicht besteht
Beschluss Bußgeldsache gegen B.W. wegen Ordnungswidrigkeit (Verstoß gegen die LHV-NRW).

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen und ihren Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels gemäß §§ 79 ff. OWiG gegen das Urteil des Amtsgerichts Tecklenburg vom 3. April 2001 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 12. 02. 2002 bezüglich der Zulassungsentscheidung durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter gemäß § 80 a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 OWiG, bezüglich der Rechtsbeschwerde durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Das Rechtsmittel wird auf Kosten der Betroffenen verworfen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Tecklenburg hat gegen die Betroffene wegen einer vorsätzlich begangenen Ordnungswidrigkeit nach §§ 1 Abs. 2, 10 Abs. 1 Nr. 1 der Landeshundeverordnung NRW - im Folgenden LHV - (pflichtwidriges Nichtanzeigen des Haltens von Hunden einer Rasse, die in der Anlage 2 zu § 2 der LHV aufgeführt ist) eine Geldbuße in Höhe von 500,- DM festgesetzt.

Nach den amtsgerichtlichen Feststellungen ist die Betroffene Halterin und Züchterin von Hunden der Rasse Kuvasz, die in der Anlage 2 zu § 2 der LHV vom 30. Juni 2000 als von der Verordnung erfasst aufgeführt ist. Sie weigert sich, ihren Verpflichtungen aus der LHV nachzukommen, insbesondere will sie keine konkreten Angaben zu den einzelnen Hunden machen und darüber hinaus keine Erlaubnis zur Haltung, zur Ausbildung und zum Abrichten dieser Hunde beantragen, den Leinenzwang und Maulkorbzwang nicht befolgen, kein Führungszeugnis vorlegen und auch keine Hundehaftpflichtversicherung nachweisen. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens und des Schuldspruchs ist der Vorwurf der Nichtbefolgung der Anzeigepflicht über das Halten der meldepflichtigen Hunde.

Gegen das Urteil wendet sich die Betroffene mit ihrer rechtzeitig eingelegten und formgerecht mit der Sachrüge begründeten Rechtsbeschwerde, deren Zulassung beantragt wird. Sie macht mit näheren Ausführungen geltend, die LHV sei in mehrfacher Hinsicht verfassungswidrig, indem sie gegen die Art. 2, 3, 9, 12 und 14 GG verstoße.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen und als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zur Fortbildung des Rechts geboten. Klärungsbedürftig ist die Frage der Verfassungsmäßigkeit der im vorliegenden Fall anzuwendenden Bestimmungen der LHV.

Der Rechtsbeschwerde bleibt ein Erfolg versagt.

Die in materiellrechtlich nicht zu beanstandender Weise getroffenen Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen den Schuld- und den Rechtsfolgenausspruch. Entgegen der Auffassung der Betroffenen unterliegen die hier anzuwendenden Vorschriften der LHV auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Der Staat ist für die Sicherheit seiner Bürger verantwortlich. Wie Vorfälle der Vergangenheit mit zum Teil tödlichem Ausgang belegen, gehen von Hunden bestimmter Rassen und Größen erfahrungsgemäß Gefahren für Leib und Leben von Menschen aus. Zum Schutze davor ist der Staat als Gesetz- und Verordnungsgeber verpflichtet, geeignete Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu treffen. Wie er dieser seiner Verpflichtung nachkommt, liegt in seinem Ermessen. Dieses Ermessen wird durch die Geeignetheit und die Erforderlichkeit der zu treffenden Maßnahmen auf der einen sowie die hier betroffenen Freiheitsgrundrechte aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG auf der anderen Seite begrenzt. Der Staat darf den betroffenen Hundehaltern und -züchtern im Verordnungswege nur in dem Maße Einschränkungen auferlegen, dass Zweck und Mittel in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen (vgl. BVerfGE 65, 1 (54(; 76, 1 (51(; 92, 262 (273().

Diese Grenzen staatlichen Ermessens sind im vorliegenden Falle, soweit es um die von der Betroffenen gehaltenen und gezüchteten Hunde der Rasse Kuvasz (Anlage 2 der LHV) geht, nicht überschritten.

Es ist nicht zu beanstanden, dass der Verordnungsgeber hinsichtlich der Gefährlichkeit der Hunde an bestimmte Rassen sowie Größen- und Gewichtsverhältnisse (mit entsprechender Beißkraft) anknüpft. Anhaltspunkte für eine willkürliche Klassifizierung bzw. Differenzierung sind nicht ersichtlich. Soweit einige Hunderassen, die in der Vergangenheit ebenfalls durch Angriffe auf Menschen auffällig geworden sind, nicht in den Anlagen 1 und 2 zu § 2 der LHV aufgeführt sind, begegnet dies letztlich keinen durchgreifenden Bedenken, da diese Hunde, beispielsweise der Deutsche Schäferhund, aufgrund ihrer Größe und ihres Gewichtes in den Anwendungsbereich des § 1 der LHV fallen.

Die den Haltern und Züchtern der Rasse Kuvasz durch die Bestimmungen der LHV auferlegten Beschränkungen und Pflichten sind erforderlich und geeignet, um den Schutz der Bevölkerung vor potentiellen Gefahren, die erfahrungsgemäß von Hunden derartiger Größe mit den entsprechenden Rassemerkmalen ausgehen können, zu gewährleisten. Dabei ist dem Anspruch der Bevölkerung auf Gefahrenabwehr gegenüber den Rechten der Hundehalter und -züchter auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit und ihrem Interesse an artgerechter Tierhaltung weitgehend Vorrang einzuräumen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 8. April 2001 - 5 Ss OWi 1225/00).

Vor diesem Hintergrund sind die Bestimmungen der LHV über Anzeigepflicht (§ 1 Abs. 2), Nachweispflicht hinsichtlich Sachkunde und persönlicher Zuverlässigkeit des Halters bzw. Züchters (§ 3 Abs. 1 bis 3, § 4 Abs. 1 u. 2, § 5), eingeschränkte Anleinpflicht (§ 3 Abs. 4), Pflicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung (§ 3 Abs. 5) und Kennzeichnungspflicht (§ 3 Abs. 6) als verhältnismäßige und angemessene Mittel der Gefahrenabwehr anzusehen. Auch die generelle Anlein- und Maulkorbpflicht nach § 6 Abs. 3 LHV begegnet im Hinblick darauf, dass für Hunde der Anlagen 1 und 2, damit auch für den Kuvasz, Ausnahmen zulässig sind, sofern der Hundehalter die Ungefährlichkeit des Tieres nachweist, keinen durchgreifenden Bedenken. Einschränkungen, die, wie die Rechtsbeschwerde meint, die Zucht und das Halten von Hunden der Rasse Kuvasz in artgerechter Form unmöglich machen, ergeben sich aus den Bestimmungen der LHV nicht. Dass den Haltern bzw. Züchtern eine gewisse Nachweis- und Mitwirkungspflicht auferlegt wird - wie im Übrigen z.B. jedem Führerscheinaspiranten beim Erwerb der Fahrerlaubnis - ist im Hinblick auf den verfolgten Zweck, Leib und Leben der Bevölkerung zu schützen, keine unzumutbare Belastung, die verfassungsrechtlich bedenklich erscheinen könnte.

Über diejenigen Bestimmungen, die sich auf gefährliche Hunde i.S.d. § 2 der LHV beziehen, hatte der Senat nicht zu befinden.

Nach alledem war die Rechtsbeschwerde, da auch der Rechtsfolgenausspruch keine Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen aufweist, mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG zu verwerfen.

III. Die Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist gemäß § 80 a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 OWiG durch den Einzelrichter, die Entscheidung über die zugelassene Rechtsbeschwerde durch drei Richter ergangen (vgl. Göhler, OWiG, 12. Aufl., § 80 a Rdnr. 4).

Ende der Entscheidung

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