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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 27.02.2006
Aktenzeichen: 4 Ss OWi 804/05
Rechtsgebiete: BKatV


Vorschriften:

BKatV § 4
Zum erforderlichen Umfang der Ausführungen beim Absehen vom Fahrverbot.
Beschluss

Bußgeldsache

gegen L.B.

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Arnsberg gegen das Urteil des Amtsgerichts Meschede vom 7. September 2005 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 27. 02. 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter gemäß § 80 a OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft sowie des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Meschede zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts eine Geldbuße von 200,- € festgesetzt.

Nach den amtsgerichtlichen Feststellungen hat der geständige Betroffene, gegen den - unter anderem - durch Bußgeldbescheid der Stadt Dortmund vom 24. März 2004, rechtskräftig seit dem 14. April 2004, wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 30 km/h außerorts eine Geldbuße von 60,- € verhängt worden ist, am 12.April 2005 erneut eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 28 km/h außerorts begangen.

Von der Verhängung des Regelfahrverbots gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV hat das Amtsgericht mit folgender Begründung abgesehen:

"Wäre die Geschwindigkeitsüberschreitung nur 2 Tage später erfolgt oder im Jahr zuvor der Bußgeldbescheid der Stadt Dortmund nicht erst am 14. April, sondern am 12. April rechtskräftig geworden, wäre die Grundlage für ein Fahrverbot jetzt schon wegen Verstreichens der Jahresfrist des § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV obsolet geworden."

Gegen dieses Urteil richtet sich die zulässige Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Arnsberg, der die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm unter Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch beigetreten ist.

II.

Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Meschede.

Die Begründung, mit der das Amtsgericht von der Verhängung des Regelfahrverbots abgesehen hat, ist rechtsfehlerhaft.

Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung unterliegt die Entscheidung, ob trotz Vorliegens eines Regelfalles der konkrete Fall Ausnahmecharakter hat und demgemäß von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen werden kann, zwar in erster Linie der Beurteilung durch den Tatrichter (vgl. BGH NZV 1992, 286, 288). Diesem ist jedoch insoweit kein rechtlich ungebundenes freies Ermessen eingeräumt, das nur auf Vorliegen von Ermessensfehlern hin vom Rechtsbeschwerdegericht überprüfbar ist, sondern der dem Tatrichter verbleibende Entscheidungsspielraum ist durch gesetzlich niedergelegte und von der Rechtsprechung herausgearbeitete Zumessungskriterien eingeengt. Er unterliegt insoweit hinsichtlich der Angemessenheit der verhängten Rechtsfolge in gewissen Grenzen der Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht, und zwar insbesondere hinsichtlich der Annahme der Voraussetzungen eines Durchschnitts- oder Ausnahmefalles, zu der auch die Frage der Verhängung bzw. des Absehens von der Verhängung eines Regelfahrverbots nach der Bußgeldkatalogverordnung zählt (vgl. OLG Hamm JMBl. 1996, 246).

Zur Annahme eines Ausnahmefalls für ein Absehen vom Fahrverbot können zwar Härten außergewöhnlicher Art wie der drohende Verlust des Arbeitsplatzes oder der Verlust der sonstigen wirtschaftlichen Existenzgrundlage führen (ständige obergerichtliche Rechtsprechung, vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 25 StVG Rdnr. 24 m.w.N.).

Die im angefochtenen Urteil allein angestellte Erwägung, die Grundlage für die Verhängung des Regelfahrverbots sei wegen der bis auf zwei Tage abgelaufenen Jahresfrist des § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV beinahe "obsolet" gewesen, ist in Anbetracht des klaren Wortlauts der Vorschrift, die die entsprechenden Grenzen eindeutig und unmissverständlich festlegt, nicht geeignet, einen Ausnahmefall zu rechtfertigen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20. Januar 2004 - 4 Ss OWi 720/03 - und 30. Oktober 2003 - 4 Ss OWi 697/03 -). Gleiches gilt für die Ausführungen im Schriftsatz des Verteidigers vom 14. Februar 2006.

Zudem zwingen die weiteren vom Amtsgericht festgestellten einschlägigen Vorbelastungen - der letzte Bußgeldbescheid wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 21 km/h außerorts, Tatzeit 28. November 2004, ist am 29. Januar 2005 rechtskräftig geworden - zu dem Schluss, dass der aus der hohen Rückfallgeschwindigkeit zu folgernden Unbelehrbarkeit des Betroffenen nur mit der fühlbaren Sanktion eines Fahrverbots wirksam begegnet werden kann.

Die von der Verteidigung behauptete Absprache mit dem Gericht, die im Übrigen ohne Beteiligung der Staatsanwaltschaft erfolgt wäre, lässt sich dem Hauptverhandlungsprotokoll nicht entnehmen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., Einl. Rdnr. 119 e) und bedarf keiner näheren Erörterung.

Die aufgezeigten Begründungsmängel führen wegen der Wechselwirkung zwischen der verhängten Geldbuße und dem Fahrverbot zur Aufhebung des Urteils im gesamten Rechtsfolgenausspruch. Eine Entscheidung des Senats gemäß § 79 Abs. 6 OWiG kommt nicht in Betracht, weil ggf. - etwa zu den persönlichen, beruflichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen - weitere Feststellungen zu treffen sind.

Die Sache war daher an das Amtsgericht Meschede zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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