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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 12.01.2006
Aktenzeichen: 4 U 140/05
Rechtsgebiete: UWG, ZPO


Vorschriften:

UWG § 2 Abs. 1 Nr. 3
UWG § 7 Abs. 1
UWG § 7 Abs. 2 Nr. 2
UWG § 8 Abs. 1
UWG § 8 Abs. 3
UWG § 8 Abs. 3 Nr. 1
UWG § 8 Abs. 4 Nr. 7
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 20. September 2005 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster abgeändert.

Der Beklagten wird untersagt, im geschäftlichen Verkehr für Internetrecherchedienste im Bereich gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht gegenüber Gewerbetreibenden mittels Telefonanrufen zu werben, ohne dass der Angerufene hierzu sein ausdrückliches Einverständnis erteilt hat oder sein Einverständnis zu vermuten ist.

Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an deren Geschäftsführer, angedroht.

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 45.000 EUR abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Am 20. September 2004 rief ein Mitarbeiter der Beklagten Rechtsanwalt S in der Kanzlei der Rechtsanwälte C und Partner an. In dem dreiminütigen Gespräch ging es um das Angebot der Beklagten, einen Präsentationstermin für das von ihr vertriebene Online-Informationssystem "..." zu vereinbaren. Rechtsanwalt S beanstandete den Werbeanruf am Telefon nicht. Er erklärte vielmehr, sich erst im Internet über das Online-Informationssystem der Beklagten unterrichten zu wollen. Vor dem Telefonat gab es keine geschäftlichen Beziehungen zwischen den Rechtsanwälten C und Partner und der Beklagten. Die Anwälte hatten auch nicht vor dem Anruf ihr Einverständnis mit einer solchen Telefonwerbung erklärt.

Vorliegend hat der Kläger aus eigenem Recht gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG einen Anspruch auf Unterlassung solcher Telefonanrufe bei Gewerbetreibenden geltend gemacht. Er ist davon ausgegangen, dass die Beklagte mit dem geschilderten Anruf gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG verstoßen hat. Der Kläger hat dabei nähere Rechtsausführungen dazu gemacht, dass hier ein mutmaßliches Einverständnis mit dem Anruf nicht vorliege und warum in dem Anruf eine unzumutbare Belästigung zu sehen sei.

Die Beklagte hat sich gegen die Klage verteidigt und dabei zunächst die eigene Klagebefugnis des Klägers in Abrede gestellt. Sie hat den umstrittenen Anruf mit näheren Ausführungen für zulässig gehalten und dabei die Ansicht vertreten, aus ihrer Sicht habe ein mutmaßliches Einverständnis der Rechtsanwälte C und Partner vorgelegen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dabei hat es offen gelassen, ob zwischen den Parteien ein Wettbewerbsverhältnis besteht. Es hat einen Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG verneint, weil die Beklagte aus ihrer Sicht von einer mutmaßlichen Einwilligung des Adressaten habe ausgehen können. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Der Kläger greift das Urteil mit der Berufung an. Er bezieht sich zunächst auf seinen erstinstanzlichen Vortrag und meint, das Landgericht habe hier unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine mutmaßliche Einwilligung verneinen müssen. Eine mutmaßliche Einwilligung läge nämlich nur dann vor, wenn der Anrufer aufgrund konkreter Umstände ein sachliches Interesse des anzurufenden Gewerbetreibenden am Anruf vermuten könne. Dafür müsse ein konkreter, aus dem Interessenbereich des Anzurufenden herzuleitender Grund vorhanden sein. Eine allgemeine Sachbezogenheit der beworbenen Waren und Dienstleistungen zum Tätigkeitsbereich des Angerufenen reiche gerade nicht aus. Es genüge somit auch nicht, dass grundsätzlich ein Bedarf für die angebotenen Waren und Dienstleistungen beim Anzurufenden vorhanden sei; es müsse vielmehr hinzu kommen, dass der Angerufene mutmaßlich auch mit der telefonischen Werbung einverstanden sei. Insoweit bezieht sich der Kläger auch auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 8. Juli 2004 (Bl. 72 ff.). Feststellungen zu einer so gearteten Interessenlage habe das Landgericht aber nicht getroffen. Die Beklagte müsse quasi blindlings sämtliche Anwaltskanzleien und dabei auch die seiner Prozessbevollmächtigten angerufen haben, obwohl diese seit jeher gegen solche Telefonwerbung vorgegangen seien. Die Beklagte könne nicht ernsthaft für sich in Anspruch nehmen, allein wegen der Eigenart und Neuheit ihres Produktes sämtliche auf dem betreffenden Fachgebiet tätigen Anwälte anrufen zu dürfen.

Der Kläger beantragt zuletzt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für Internetrecherchedienste im Bereich gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht gegenüber Gewerbetreibenden mittels Telefonanrufen zu werben, ohne dass der Angerufene hierzu sein ausdrückliches Einverständnis erteilt habe oder ein solches zu vermuten sei.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte macht unter Vertiefung des bisherigen Vorbringens geltend, es bestehe kein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen ihr und dem Kläger. Die rein verbandsinterne Tätigkeit des Klägers könne aus ihm keinen Unternehmer machen, der einer ihrer Mitbewerber sein könne. Die vom Kläger beanstandete Werbemaßnahme könne in aller Regel nicht die Gefahr begründen, einen bestimmten Anbieter eines ähnlichen Produkts zu beeinträchtigen. Es sei vielmehr sehr unwahrscheinlich, dass sich ein Gewerbetreibender anstelle eines gleichzeitig angebotenen anderen Objektes für ihr Online-Informationssystem entscheide. Insbesondere der Kläger könne dadurch weder unmittelbar verletzt noch sonstwie fassbar negativ betroffen werden. Insoweit verweist die Beklagte auf die Entscheidung "Immobilienpreisangaben" des Bundesgerichtshofs.

Darüber hinaus sieht die Beklagte in dem beanstandeten Telefonanruf auch keine unzumutbare Belästigung der Rechtsanwälte C und Partner. Sie verweist darauf, dass die mutmaßliche Einwilligung im Rahmen einer Interessenabwägung ex ante zu beurteilen sei. Ein konkreter, aus dem Interessenbereich des Gewerbetreibenden herzuleitender Grund für die mutmaßliche Billigung des Anrufs liege vor, wenn bei objektiver Würdigung aller Umstände des Einzelfalls davon auszugehen sei, dass angesichts der Sachnähe des Angebots und der Art seiner Präsentation die mit dem Anruf verbundene Belästigung noch hinnehmbar erscheine. Das Landgericht habe diese Würdigung der konkreten Umstände hier zutreffend dahin vorgenommen, dass sie von einem mutmaßlichen Einverständnis habe ausgehen können. Dafür spreche nach ihrer Einschätzung zunächst, dass der Werbeanruf ein neuartiges, am Markt noch nicht durchgesetztes Online-Informationssystem betroffen habe, das unmittelbar bei der anwaltlichen Arbeit als Recherche-System verwertbar gewesen sei. Es sei bei dem Anruf auch nur um eine Anfrage zur Präsentation der Funktion und Vorteile dieses erläuterungsbedürftigen Systems gegangen. Während des gesamten Gesprächs sei nirgendwo ein Desinteresse oder gar eine Belästigung durch den Anruf deutlich gemacht worden. Der Gesprächsverlauf habe vielmehr ein zumindest grundsätzliches Interesse des Rechtsanwalts S bestätigt. Ansonsten wäre das Gespräch auch sofort abgebrochen worden, so dass sich schon deshalb eine mit dem Anruf verbundene Belästigung als noch hinnehmbar darstelle. Für eine solche Einschätzung spreche auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Abwerbeanrufen durch Personalberater am Arbeitsplatz des Abzuwerbenden. Auch insoweit werde gerade eine kurze telefonische Kontaktaufnahme zur Verabredung eines weiteren Gesprächs für zulässig gehalten, obwohl in solchen Fällen noch ein ganz anderer Unruhe- und Belästigungsaspekt hinzukomme. Wolle man bei Werbeanrufen die Schwelle einer noch hinnehmbaren Belästigung weiter anheben, drohe, dass die Möglichkeit, wegen eines mutmaßlichen Einverständnisses anrufen zu dürfen, nahezu gänzlich entfalle. Das habe der Gesetzgeber aber für den Fall einer Telefonwerbung gegenüber Gewerbetreibenden gerade nicht beabsichtigt. Die Annahme einer Zulässigkeit eines solchen Werbeanrufs, wie er hier stattgefunden habe, ergebe sich auch aus einer anderen Entscheidung des OLG Frankfurt, die die an eine Unternehmensberatung gerichtete Werbung für einen Hochgeschwindigkeitszugang ins Internet betreffe und die der Problematik eher entspreche, als die vom Kläger herangezogene Entscheidung desselben Gerichts. Schließlich werde die Zulässigkeit der Telefonwerbung mittelbar noch durch die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken bestätigt. Auch wenn davon der Geschäftsverkehr von Unternehmern untereinander nicht betroffen werde, werde deutlich gemacht, dass auch insoweit auf die Umstände des Einzelfalls und auf Zeitpunkt, Ort, Art und Dauer des Einsatzes der Werbung abzustellen sei. Vorsorglich macht die Beklagte auch weiterhin geltend, dass es sich bei einem etwaigen Verstoß allenfalls um eine die Erheblichkeitsschwelle nicht überschreitende Bagatelle handeln könnte.

II.

Die Berufung des Klägers hat Erfolg, weil dem Kläger als Mitbewerber der Beklagten wegen deren wettbewerbswidriger Telefonwerbung bei den Rechtsanwälten C und Partner ein Unterlassungsanspruch nach §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG zusteht.

1) Der Unterlassungsantrag und das ihm folgende Verbot sind hier bestimmt genug im Sinne des § 253 Abs.2 Nr.2 ZPO. Der Kläger hat die beworbene Tätigkeit genau genug bezeichnet. Er hat sich bei der Beschreibung, welche Art von Telefonwerbung hier Verbotsgegenstand sein soll, zwar am Gesetzestext orientiert. Das Gesetz beschreibt hier aber auf der Grundlage der früheren Rechtsprechung verallgemeinernd, aber noch konkret genug das zu unterlassende Verhalten (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Auflage, Kap. 51 Rdn. 8 a). Antrag und Verbot sind zudem auslegungsfähig, sodass sich aus dem Klägervorbringen ebenso wie aus den Urteilsgründen deutlich genug ergibt, welches Verhalten wegen einer fehlenden mutmaßlichen Einwilligung dem Verbot unterfallen soll und wie die Beklagte somit aus dem Verbot herauskommen kann.

2) Der Senat bejaht entgegen der Ansicht der Beklagten die Klagebefugnis des Klägers. Sie ergibt sich vorliegend aus § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG. Der Kläger klagt hier nicht als Wettbewerbsverband, sondern als unmittelbar verletzter Mitbewerber der Beklagten. Zwischen den Parteien besteht als Mitbewerber ein konkretes Wettbewerbsverhältnis (vgl. BGH WRP 2005, 738 -Optimale Interessenvertretung). Solche Mitbewerber müssen versuchen, gleichartige Dienstleistungen innerhalb derselben Verkehrskreise abzusetzen mit der Folge, dass das beanstandete Werbeverhalten den anderen beeinträchtigen kann (vgl. BGH GRUR 2002, 985, 986 -WISO). Das ist hier der Fall, weil der Kläger von dieser Art der Telefonwerbung in seinen Interessen beeinträchtigt werden kann. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger ein Idealverein ist. Auch ein Idealverein kann Mitbewerber im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG sein, wenn er selbständig wirtschaftlich tätig wird und dabei entsprechende Informationsdienstleistungen wie der Verletzer gegen Entgelt erbringt und damit in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zur Beklagten steht. Dafür reicht es auch aus, wenn der Kläger als Verein solche geldwerten Leistungen nur gegenüber seinen Mitgliedern erbringt und dafür durch den Mitgliedsbeitrag entlohnt wird (vgl. BGH GRUR 1976, 370 -Lohnsteuerhilfevereine I; Baumbach / Hefermehl / Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Auflage, § 2 Rdn. 8). Entscheidend ist somit, ob das beworbene Online-Informationssystem der Beklagten vom Verkehr als Konkurrenzangebot zu diesen vom Kläger gegen Mitgliedsbeiträge erbrachten Leistungen verstanden wird. Das ist hier insbesondere der Fall, weil die von der Werbung angesprochenen Verkehrskreise die angebotenen Waren und Dienstleistungen für miteinander austauschbar halten (vgl. BGH MDR 2002, 1263 -Lottoschein). Das Online-Informationssytem der Beklagten und die gegenüberstehenden Informationsdienste des Klägers einschließlich der Herausgabe und Verteilung der Zeitschrift Magazin-Dienst sind jedenfalls in der Weise substituierbar, dass der von der Werbung angesprochene Rechtsanwalt, der sich das umfassende Informationssystem der Beklagten zulegt, möglicherweise auf die Informationsbeschaffung durch die Mitgliedschaft oder den Bezug der Zeitschrift beim Kläger nicht mehr angewiesen ist. Das reicht aus. Denn gerade die generelle und fortlaufende Informationsbeschaffung betreffend den konkreten Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechtes wird von beiden Parteien angeboten. Ob dabei ein Unterschied zwischen den Werbeformen besteht, insbesondere von Seiten der Beklagten in gänzlich anderer Form durch das Internet geworben wird, ist dabei nicht von entscheidender Bedeutung, zumal der Kläger in seinem Internetauftritt auf die bei ihm vorhandene Informationsmöglichkeit hinweist.

3) Dem Kläger steht der Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte nach § 8 Abs. 1 UWG zu, weil die Beklagte mit ihrer Werbung eine unlautere Wettbewerbshandlung begangen hat. Nach der Regelung des § 7 Abs. 1 UWG hat sie unlauter gehandelt, wenn sie mit der Telefonwerbung einen Marktteilnehmer unzumutbar belästigt hat. Eine solche unzumutbare Belästigung liegt nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG vor, wenn mit Telefonanrufen geworben wird, mit denen der angerufene Gewerbetreibende nicht zumindest mutmaßlich einverstanden ist. Die Anwälte C pp. haben weder ausdrücklich noch stillschweigend in die Telefonwerbung eingewilligt. Aus der entscheidenden objektiven Sicht der Beklagten vor dem Anruf liegt hier auch kein mutmaßliches Einverständnis von ihnen vor.

a) Ein solches mutmaßliches Einverständnis setzt voraus, dass aus der Sicht des Anrufers vor dem Anruf aufgrund konkreter tatsächlicher Umstände ein sachliches Interesse des Anzurufenden an der Telefonwerbung vermutet werden kann. Eine solche Vermutung ist gerechtfertigt, wenn der Anrufer nach den Gesamtumständen annehmen kann, der Gewerbetreibende wünsche den Anruf oder werde einem solchen Anruf jedenfalls positiv gegenüberstehen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Telefonwerbung in einem sachlichen Zusammenhang mit einer bereits bestehenden Geschäftsverbindung steht (vgl. BGH WRP 2004, 603, 605 -Telefonwerbung für Zusatzeintrag). Eine solche Geschäftsverbindung hat hier aber unstreitig nicht bestanden. Sie sollte auch nicht aus anderen Gründen angebahnt werden, etwa weil der Angerufene ein Interesse an dem Angebot geäußert hatte. Es handelt sich somit um einen sogenannten Kaltanruf.

b) Die Beklagte hat keine besonderen Umstände dargelegt, auf Grund derer sie auf ein mutmaßliches Einverständnis des Anzurufenden mit einem solchen Anruf schließen konnte. Das allgemeine Interesse, das die Rechtsanwälte C und Partner an dem neuen und auch für sie grundsätzlich interessanten Online-Informationsdienst wie alle angesprochenen Fachanwälte haben könnten, reicht dazu nicht aus. Wenn man ein solches theoretisches allgemeines Interesse ausreichen ließe, würde das die grundsätzlich gewünschte Einschränkung der Telefonwerbung auch gegenüber Unternehmern in einer Weise leer laufen lassen, die der Schutzbestimmung der Vorschrift nicht gerecht würde (vgl. Harte/Henning/Ubber, UWG, § 7 Rdn. 142 m.w.N.). Denn mit einer derartigen Begründung eines mutmaßlichen Einverständnisses könnte die Beklagte dann sämtliche Fachanwälte anrufen. Auch Gewerbetreibende unterhalten ihren Telefonanschluss aber bekanntermaßen im eigenen wirtschaftlichen Interesse und nicht im Interesse eines werbenden Anrufers, zumal sie durch den ungebetenen Anruf in ihrer beruflichen Tätigkeit gestört werden können. Gerade bei Anwälten kann es auch zu einer ungewollten Belegung des Anschlusses kommen. Das waren aber die Gründe dafür, dass sich das deutsche Recht auch in solchen Fällen für die Regelung entschieden hat, nach der Telefonwerbung erst zulässig ist, wenn der Beworbene zugestimmt hat oder sein Einverständnis eben aufgrund konkreter Tatsachen zu vermuten ist. Solche konkreten Tatsachen kannte die Beklagten im Hinblick auf die Prozessbevollmächtigten des Klägers aber nicht. Es kommt hinzu, dass es im Rahmen der Zulässigkeit der Telefonwerbung nach wie vor nicht nur um ein mutmaßliches Einverständnis mit dem Inhalt des Telefonats, also dem Objekt der Werbung geht, sondern auch mit der Art der Kontaktaufnahme durch das Telefon. Woraus sich hier aber ergeben sollte, dass die Rechtsanwälte C und Partner gerade per Anruf über ein solches Angebot informiert werden wollten, ist weder dargetan noch ansonsten ersichtlich.

c) In diesem Zusammenhang kann es insbesondere auch nicht von Bedeutung sein, wie lange das für erwünscht gehaltene Telefongespräch gedauert hat oder ob der Angerufene tatsächlich Interesse gezeigt oder im Gegenteil seinen Unmut bekundet hat. Alles das kann schon deshalb nicht von entscheidender Bedeutung sein, weil es auf die ex ante Sicht, also die Sicht vor dem Anruf, ankommt, wie die Beklagte in ihrem Vorbringen selbst herausgestellt hat. Auch ein beim Anruf festgestelltes grundsätzliches Interesse des Rechtsanwalts S an dem neuen Informationssystem besagt noch nichts für die vor dem Anruf zu treffende Prognose, dass auch mit einem Einverständnis dieser Anwälte mit einer telefonischen Kontaktaufnahme zu rechnen sei.

d) Bei der Würdigung des Einzelfalls kann die Beklagte auch nicht zu ihren Gunsten anführen, dass es nur um die Verabredung der Präsentation des Systems gegangen sei. Auch bei einem solchen Anruf steht der Werbezweck eindeutig im Vordergrund, so dass die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG -"bei der Werbung"- erfüllt sind (vgl. BGH GRUR 2000, 818, 819 -Telefonwerbung VI; BGH GRUR 1994, 380, 381 -Lexikothek). Denn die Verabredung zur Präsentation eines solchen Systems ist ein untrennbarer Bestandteil des werbenden Anliegens des Anrufers und belästigt den Anzurufenden nicht weniger, als wenn der Anrufer telefonisch unmittelbar einen Geschäftsabschluss anbietet. Er wird genauso von seiner augenblicklichen Tätigkeit abgelenkt und genauso veranlasst, dem vorgestellten Anliegen seine volle Aufmerksamkeit zu schenken. Was die Zustimmung des Anzurufenden mit der Art der Kontaktaufnahme angeht, kann mit dem Einverständnis mit einem Anruf bei der Verabredung einer solchen Präsentation eher weniger gerechnet werden, weil in solchen Fällen eine genauere schriftliche Information über das Produkt näher liegt und damit eher erwartet wird.

e) Weder die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Sonderfall der Abwerbung von Fachkräften durch Headhunter mit ihrer gesonderten und anders gelagerten Interessenlage noch die EU-Richtlinie zur unlauteren Werbung, die sich auf eine Telefonwerbung der hier vorliegenden Art gerade nicht bezieht, können dabei zu einer anderen Betrachtungsweise führen.

4) Ist die Telefonwerbung als Wettbewerbshandlung unlauter, so ist sie in der Regel auch geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Denn als "unzumutbar" sind nur solche Beeinträchtigungen der Interessen der betroffenen Marktteilnehmer einzustufen, die ein erhebliches Gewicht haben und damit die Bagatellgrenze überschreiten (vgl. Köhler, GRUR 2005, 7). Gerade eine für unzulässig gehaltene erheblichere Belästigung von Gewerbetreibenden durch einen sogenannten Kaltanruf stellt aber -auch schon in einem einzigen Fall planmäßigen Handelns- wegen des damit verbundenen Eingriffs in den Kanzleibetrieb des Rechtsanwalts und des Nachahmungseffekts einen nicht unerheblichen Nachteil für den betroffenen Mitbewerber dar.

Die Revision ist hier zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 543 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. ZPO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziffer 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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