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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 05.02.2009
Aktenzeichen: 4 U 151/08
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 280
BGB § 398
ZPO § 529
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 21. Juli 2008 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es im dritten Absatz des Tenors wie folgt heißt:

Der Beklagte wird des weiteren verurteilt, den Kläger und seine Ehefrau von sämtlichen Verpflichtungen aus der Beteiligung des Klägers und seiner Ehefrau an der G GbR, Anteilsnummer #### freizustellen.

Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt aus eigenem und ihm von seiner Ehefrau abgetretenem Recht Schadensersatz vom Beklagten wegen fehlerhafter Anlagenberatung.

Die Parteien kennen sich aus der Zeit bis zum Jahr 1997, in der der Beklagte als Anlageberater bei der Volksbank N2 tätig war.

Im Sommer 2004 beabsichtigten der Kläger und seine Ehefrau wegen der für den 01.01.2005 anstehenden Gesetzesänderung mit der Folge der Versteuerung von Erträgen aus Kapitallebensversicherungen, noch im Jahr 2004 eine solche Versicherung abzuschließen. Der Kläger wandte sich telefonisch an den Beklagten und teilte ihm dies mit. Der Beklagte sandte dem Kläger auf dem Postweg Angebote zu.

Am 15.07.2004 kam es zu einem Beratungsgespräch zwischen den Parteien.

Im Verlauf der Beratung informierte der Beklagte den Kläger über verschiedene Angebote zum Abschluss einer Lebensversicherung und über die Unterschiede deutscher und britischer Lebensversicherungen. Der Kläger und seine Ehefrau, die Zeugin L, entschlossen sich, bei der "D2" eine Lebensversicherung abzuschließen und stellten noch am gleichen Tag einen Antrag auf Abschluss einer Lebensversicherung bei der D2 lt.

Da der Kläger die für die Lebensversicherung zu zahlenden Raten von insgesamt 70.000,00 € in den vorgeschriebenen fünf Mindestraten zu je 14.000,00 € bezahlen wollte, sprachen die Parteien über die Finanzierung dieser Zahlungen. Der Kläger erwähnte, dass er bei der Volksbank "E-Fonds"-Anteile halte und überlege, die Raten über diese Anteile zu finanzieren. Gleichzeitig teilte er dem Beklagten mit, dass er mit einer Geldanlage in Form von "Argentinienanleihen" hohe finanzielle Verluste erlitten hätte, und dies nun vermeiden wollte. Der Beklagte wies den Kläger daraufhin auf die Risiken der "E-Fonds-Anteile" hin und stellte ihm die Möglichkeit einer Finanzierung der Raten über den "G" vor.

Er erklärte dem Kläger, dass es sich hierbei um eine für ihn interessante Anlageform handele, da er hohe Renditen erwarten könne, nach spätestens 15 Monaten aus dem G ausscheiden könne und so das für die Ratenzahlungen benötigte Geld zu jedem Zeitpunkt verfügbar sei.

Der Kläger und seine Ehefrau entschlossen sich am gleichen Tag, sich am "G" zu beteiligen. Vor der Unterschrift der entsprechenden Beitrittserklärung lag dem Kläger der "Emissionsprospekt" des G vom 11.03.2003 vor. Die Beitrittserklärung, die der Kläger und seine Ehefrau unterzeichneten, war überschrieben als "Beitrittserklärung zum G Gesellschaft bürgerlichen Rechts". Unter den Angaben zu Namen, Adresse etc. des Klägers findet sich der Text

"Ich, der/die Unterzeichnende/n, übernehme eine Beteiligung an der G Gesellschaft bürgerlichen Rechts".

Über den Unterschriften des Klägers und seiner Ehefrau findet sich der Text:

"Ich/wir habe/n den vollständigen Prospekt mit dem Herausgabedatum 11.03.2003 ausgehändigt bekommen. Mir/uns blieb ausreichend Zeit, den Prospektinhalt vor der Unterzeichnung dieser Beitrittserklärung vollinhaltlich zur Kenntnis zu nehmen. Weitere, über die Prospektangaben hinausgehende Versprechungen und Zusicherungen sind mir/uns nicht gemacht worden. Den dem Prospekt beigefügten Gesellschaftsvertrag erkenne/n ich/wir als für mich/uns verbindlich an."

Unter dem 20.07.2004 bestätigte die G1 AG dem Kläger und dessen Frau den Beitritt über eine Gesamteinlage von 43.000,00 € und bat um Überweisung der Einlage. Am 26.07.2004 überwies der Kläger die Gesamteinlage, nachdem er zuvor seine E-Fonds Anteile veräußert hatte.

Für das 2. Halbjahr 2004 erhielten der Kläger und seine Ehefrau eine anteilige Ausschüttung von 1.456,83 €, die einer Rendite von 8 % entsprach.

Im August 2005 wurde über das Vermögen aller Kerngesellschaften der G2-Gruppe das Insolvenzverfahren eröffnet. Ebenfalls im Jahr 2005 erklärte der geschäftsführende Gesellschafter der G2-Gruppe die Liquidation der Gesellschaft.

In den Jahren 2005 und 2006 betrug die Zinsausschüttung an den Kläger weniger als 8 %.

Am 02.01.2007 erhielten der Kläger und seine Ehefrau 35 % des eingezahlten Kapitals, also 15.050,00 €, von der G GbR erstattet.

Der Kläger behauptet, das Gespräch am 15.07.2004 sei das einzige Beratungsgespräch zwischen den Partien in der streitgegenständlichen Angelegenheit gewesen. Der erste telefonische Kontakt in dieser Angelegenheit habe im Juli 2004 stattgefunden. Der Beklagte habe ihm auf den ersten telefonischen Kontakt hin den Flyer der "G" der G1 AG übersandt.

Erst kurz vor Unterzeichnung der Beitrittserklärung am 15.07.2004 habe ihm der Beklagte den "Emissionsprospekt" des G ausgehändigt, ohne dessen Inhalt zu erläutern. Er habe vielmehr behauptet, der Prospekt enthalte keine nennenswerten Änderungen zu dem Flyer.

Er selbst habe den Beklagten darauf hingewiesen, dass die Geldanlage, mit der sie die Versicherungsraten finanzieren wollten, "absolut sicher" sein müsse. Der Beklagte habe entgegnet, dass der G sicher wie ein Sparbuch bzw. Festgeldkonto sei und sich daher zum "Parken" von Geld für die Lebensversicherungsbeiträge eigne. Er habe geschildert, dass der G eine positive Leistungsbilanz vorweisen könne, dass die Objekte an namhafte und sehr solvente Mieter vermietet seien und Risiken nur bestünden, wenn einer dieser Mieter ausfiele. Weitere Risiken bei einer Investition in den G habe der Beklagte nicht genannt, habe insbesondere nicht erläutert, dass die von der G-GbR an Dritte gegebenen Darlehen in der Regel unbesichert seien und die vereinzelt vorhandenen Sicherheiten meist schon vorrangig belastet seien. Er habe sie darüber im Unklaren gelassen, dass der Rückzahlungsanspruch bei Ausscheiden aus der GbR auf den Verkehrswert beschränkt ist. Der Beklagte habe zudem den Eindruck erweckt, dass der eingezahlte Betrag wegen der Einschaltung eines Treuhänders zur Mittelverwendungskontrolle besonders sicher sei, obwohl eine solche im Juli 2004 gar nicht stattgefunden habe.

Wenn der Beklagte ihnen die aus der Beteiligung an einer GbR folgenden Risiken, insbesondere das Risiko eines Totalverlusts der gesamten Einlage, erklärt hätte, hätten sie eine Beteiligung am G nie in Erwägung gezogen. Die Risiken einer solchen Beteiligung seien für den Beklagten im Juli 2004 auch erkennbar gewesen, da die Fachpresse zu diesem Zeitpunkt schon weitgehend negativ über den G berichtet habe.

Das Landgericht hat die Parteien zum Sachverhalt gehört und anschließend die Ehefrau des Klägers als Zeugin vernommen. Wegen des Inhaltes ihrer Aussagen im Einzelnen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 30. Juni 2008 (Bl. 265 ff d.A.) verwiesen.

Sodann hat das Landgericht durch Urteil vom 21. Juli 2008 antragsgemäß wie folgt für Recht erkannt:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 26.493,17 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.12.2007 zu zahlen Zug um Zug gegen Abtretung des weiteren, noch nicht erfüllten Auszahlungsanspruchs auf den Liquidationserlös aus der Beteiligung des Klägers und dessen Ehefrau L an der G GbR, Anteilsnummer ####.

Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Annahme der zu 1) genannten Gegenleistung in Annahmeverzug befindet.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Kläger und seine Ehefrau von sämtlichen Verpflichtungen aus der Beteiligung des Klägers und seiner Ehefrau an der G GbR, Anteilsnummer ####, freizustellen.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.196,43 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.01.2008 zu zahlen

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Das Landgericht hat zur Begründung u.a. ausgeführt, dass der Beklagte den Kläger nicht hinreichend über die Risiken informiert habe, die mit der streitgegenständlichen Geldanlage verbunden gewesen seien. Insbesondere habe der Beklagte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme den Emissionsprospekt der G GbR nicht so rechtzeitig vor der Anlageentscheidung überlassen, dass sich der Kläger und die Zedentin hätten umfassend informieren können. Zudem habe der Beklagte auch nicht mündlich vollständig und richtig über alle Umstände informiert, die für den Anlageentschluss von besonderer Bedeutung gewesen seien. Insbesondere sei nicht ausreichend auf die Risiken hingewiesen worden. So habe der Beklagte nicht darauf hingewiesen, dass mit der Kapitalanlage die gesellschaftliche Beteiligung an einer GbR mit den sich daraus ergebenden Haftungsfolgen verbunden gewesen sei. Ferner habe der Beklagte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht darüber aufgeklärt, dass der Kläger und die Zeugin L ihre gesamte Einlage verlieren könnten. Das Landgericht hat diese Pflichtverletzungen als kausal für die Anlageentscheidung des Klägers und der Zeugin L angesehen und den Klageansprüchen mit näheren Ausführungen stattgegeben.

Wegen des Inhaltes des Urteils im Einzelnen wird auf Blatt 339 ff der Akten verwiesen.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der er sein erstinstanzliches Klageabweisungsbegehren weiterverfolgt.

Unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages moniert er zunächst eine unzutreffende Beweiswürdigung. Das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Zeugin L sich nur durch die Abtretung die Rolle einer Zeugin verschafft habe und dass sie am Ausgang des Rechtsstreits wie eine Partei interessiert sei. Deshalb habe das Landgericht ihrer Aussage zu Unrecht den Vorzug vor seinen, des Beklagten, Ausführungen gegeben und zu Unrecht eine nicht rechtzeitige Übergabe des Emissionsprospekts angenommen.

Bei der Annahme nur eines Vermittlungsgesprächs habe das Landgericht die vom Kläger selbst vorgelegte Anlage kwm 17, nämlich die Musterberechnung vom 13. Juli 2004, nicht ausreichend gewürdigt. Aus der Musterberechnung folge zwingend, dass es vor seiner Erstellung ein weiteres persönliches Gespräch gegeben habe, das dem Telefonat nachgefolgt sei, mit dem sich der Kläger allgemein bei ihm gemeldet und Interesse an Lebensversicherungen bekundet habe. Abweichend von seinem schriftsätzlichen Vortrag habe der Kläger bei seiner Anhörung auch ein weiteres Telefonat eingeräumt. Dies habe das Landgericht ebenso wenig berücksichtigt, wie die unstreitig falschen Vorwürfe, die der Kläger schriftsätzlich erhoben habe, wohl um den vorliegenden Fall mit dem zitierten Fall des OLG München vergleichbar zu machen. So hätten der Kläger und seine Ehefrau nicht den Wunsch nach einer absolut sicheren Geldanlage geäußert. So habe er, der Beklagte, keine Zusicherung hinsichtlich einer garantierten Ausschüttung von 8 % gemacht und die Anlage auch nicht mit einem Sparbuch oder einer Festgeldanlage verglichen. Das Landgericht habe eine ausgewogene und die Gesamtheit der Umstände berücksichtigende Beweiswürdigung unterlassen und stattdessen seine Aussagen einseitig und voreingenommen gewürdigt. Mit dem vom Landgericht angenommenen Beweisergebnis ließe sich auch nicht die frühere Praxis bei Geldanlagen der Eheleute L vereinbaren. Stets habe der Emissionsprospekt vorgelegen. Stets habe es zwei Vermittlungsgespräche gegeben. Warum davon in einer Situation, in der der Kläger wegen Verlusten mit gezeichneten Argentinienanleihen besonders vorsichtig gewesen sei, abgewichen worden sein sollte, sei nicht ersichtlich.

Des weiteren rügt der Beklagte die vom Landgericht vorgenommene Tatsachenfeststellung. Das Landgericht habe zu Unrecht streitiges Vorbringen als unstreitig dargestellt und auch als unstreitiges Vorbringen seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Es habe keine postalische Übersendung von Angeboten gegeben. Es habe auch nicht unstreitig nur ein Vermittlungsgespräch gegeben. Schon gar nicht sei der Inhalt des Gespräches vom 15. Juli 2004 als unstreitig zu betrachten. Mit der Annahme, am 15. Juli 2004 sei erstmals über den G gesprochen worden, setze sich das Landgericht zudem mit seiner Annahme eines vorzeitig zugesandten Flyers in Widerspruch.

Unstreitig sei auch nicht, dass er, der Beklagte, hinsichtlich des G erklärt habe, der Kläger könne aus dem G ausscheiden, so dass das für die Ratenzahlung benötigte Geld verfügbar sei. Diese Feststellung decke sich nicht damit, dass gerade keine konkrete Rendite garantiert worden sei.

Zu Unrecht habe das Landgericht eine fehlende Aufklärung über die Gesellschaftsform für unstreitig gehalten. Diese Feststellung stehe im Gegensatz zu dem Schriftstück kwm 5, das er dem Kläger zur Verfügung gestellt habe. Dort sei in Fettdruck auf die Gesellschaftsform hingewiesen worden. Das Landgericht habe auch zu Unrecht angenommen, er habe seine Behauptung hinsichtlich einer Unterrichtung über die Gesellschaftsform nicht mehr aufrechterhalten.

Jedenfalls habe er, der Beklagte, die ihm obliegenden Pflichten erfüllt, da er den Kläger umfassend über alle Risiken des G aufgeklärt habe. Zum Zeitpunkt der Anlage durch den Kläger sei eine wirtschaftliche Schieflage der G GbR auch noch nicht erkennbar gewesen.

Insgesamt habe es drei intensive Vermittlungsgespräche gegeben. Zwei Tage vor dem letzten Gespräch vom 15. Juli 2004 habe das zweite Gespräch am Abend stattgefunden. Das erste Gespräch habe zwischen einer Woche und drei Tagen vor dem zweiten Gespräch ebenfalls am Abend stattgefunden. Genauere Angaben könne er nicht machen, da ihm sein elektronischer Terminkalender während eines Urlaubs in Spanien gestohlen worden sei. Im Rahmen der ersten Beratung habe er dem Kläger und dessen Frau die Gesetzesänderung zum 1. Januar 2005 beschrieben. Sie hätten über die Vor- und Nachteile deutscher und englischer Lebensversicherungen gesprochen. Der Kläger habe Interesse an einem Abschluss bei der "D2l" gezeigt, weshalb er selbst alle wichtigen persönlichen Daten des Klägers und seiner Ehefrau aufgenommen habe. Im Hinblick auf die Frage der Finanzierung hätten beide Seiten dann über die E-Fonds des Klägers gesprochen.

Im Rahmen des zweiten Termins hätten beide Seiten die Details der Lebensversicherung erörtert. Der Kläger und seine Ehefrau hätten aber noch Bedenkzeit haben wollen. Er habe dann auf die Risiken der E-Fonds hingewiesen. Der Kläger habe über die Verluste mit Argentinienanleihen geklagt. Er habe dem Kläger dann erläutert, dass höhere Renditechancen auch immer mit höherem Risiko verbunden seien. Erst in diesem Zusammenhang hätten beide Seiten dann über den G gesprochen. Er habe dem Kläger den Emissionsprospekt des G vom 11. März 2003 ausgehändigt und ihn aufgefordert, sich diesen in Ruhe anzuschauen.

In dem dritten Vermittlungsgespräch vom 15. Juli 2004 hätten der Kläger und seine Ehefrau ihn um eine persönliche Einschätzung des G gebeten. Daraufhin habe er die erheblichen Renditechancen, aber auch die beachtlichen Risiken anhand des Emissionsprospektes des G erläutert. Den Flyer, auf den der Kläger sich stütze, habe er in den Vermittlungsgesprächen nicht besprochen. Diesen Flyer habe er auch dem Kläger nicht geschickt. Es sei ihm unklar, wie der Kläger in den Besitz dieses Flyers gekommen sei. Er habe erklärt, dass die Rendite davon abhänge, ob an Immobiliengesellschaften gewährte Darlehen zurückgeführt werden könnten. Über die Risiken wegen fehlender bzw. unzureichender Besicherung solcher Darlehen habe er den Kläger ebenfalls ausführlich informiert. Auch über das Risiko eines Verlustes der Einlage habe er aufgeklärt.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Münster vom 21. Juli 2008 (Az. 15 O 537/07) aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, und zwar mit der Maßgabe, dass hinsichtlich der Freistellung nicht Feststellung, sondern Leistung begehrt werde.

Unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages ist der Kläger der Ansicht, dass das Landgericht zutreffend die Pflichtverletzung des Beklagten festgestellt habe. Insbesondere tritt der Kläger nach wie vor der Behauptung des Beklagten entgegen, aus der Anlage kwm 17 folge, dass drei Vermittlungsgespräche stattgefunden hätten. Zu Recht habe das Landgericht die Verurteilung darauf gestützt, dass der Beklagte den Emissionsprospekt erst am 15. Juli 2004 ausgehändigt und nicht korrekt über den Haftungsumfang des Gesellschafters einer GbR und über die Möglichkeit des Totalverlustes informiert habe.

Wegen des Inhaltes der Parteivorträge im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist in vollem Umfange unbegründet, nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sein Feststellungsbegehren hinsichtlich der Freistellungsverpflichtung des Beklagten in ein Leistungsbegehren umgewandelt hat, was im Tenor des Senatsurteils durch den Maßgabezusatz ausgedrückt wird.

Dem Kläger steht aus eigenem Recht und aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau wegen Verletzung der aus einem Anlageberatungsvertrag resultierenden Aufklärungspflichten ein Schadensersatz gegen den Beklagten nach §§ 280, 398 BGB zu, der auf Ersatz des negativen Interesses des Klägers gerichtet ist.

Zugunsten des Klägers ist schon nach der eigenen Darstellung des Beklagten von einem Beratungsvertrag und nicht lediglich nur von einem Anlagevermittlungsvertrag auszugehen. Die Initiative zur Geldanlage ist hier zwar vom Kläger ausgegangen, der im Hinblick auf die Besteuerung von Lebensversicherungen ab dem Jahr 2005 noch im Jahre 2004 eine Lebensversicherung abschließen wollte. Dabei hatte der Kläger aber noch keine bestimmte Lebensversicherung im Auge. Die vom Kläger dann schlussendlich gewählte englische Lebensversicherung ist vom Beklagten ins Gespräch gebracht worden. Dazu hat der Beklagte Daten erhoben und daraufhin eine Berechnung erstellt, die als Anlage kwm 17 vorliegt. Diese Berechnung fand auch statt unter der Firmierung M Vermögensberatung. Der Beklagte hat selbst eingeräumt, dass er dem Kläger die englische Lebensversicherung für das Ziel der Altersvorsorge als geeignet anempfohlen und die Ausgestaltung dieser Versicherung anhand von drei Modellrechnungen erläutert hat. Das reicht für die Annahme eines Beratungsvertrages aus. Denn die abgeschlossene Lebensversicherung sollte gerade für den Kläger und dessen Ehefrau vom Beklagten maßgeschneidert sein.

Lag hinsichtlich der Lebensversicherung ein Beratungsvertrag vor, erstreckte sich dieser Vertragscharakter auch auf die Vermittlung des G. Diesen anzusprechen, war die Idee des Beklagten gewesen, wie dieser bei seiner Anhörung vor dem Landgericht auch selbst eingeräumt hat (vgl. Sitzungsprotokoll Bl. 288 d.A.). Es handelte sich bei der Lebensversicherung und dem G nicht um zwei selbständig bzw. unabhängig nebeneinanderstehende Anlagen des Klägers. Vielmehr war die Zeichnung des G nur ein Hilfsgeschäft für die Lebensversicherung. Mit dem G sollten die Raten für die Lebensversicherung aufgebracht werden. Dass das auch summenmäßig zusammenpasste, hat der Kläger unwiderlegt vorgetragen (vgl. Anhörung des Klägers vor dem Landgericht Bl. 289 d.A.). Insofern hat der Beklagte auch bei seiner Anhörung im Prozess wiederholt eingeräumt, dass der G zur Finanzierung der Raten für die Lebensversicherung dienen sollte (vgl. Anhörung des Beklagten vor dem Landgericht Bl. 284, 287, 289 d.A.). Dann nahm aber auch die Empfehlung des G an dem Beratungsvertrag teil, weil der Beklagte dem Kläger nicht nur zum Abschluss der Lebensversicherung geraten hatte, sondern auch dazu, wie der Kläger diese Lebensversicherung finanzieren sollte.

Die aus diesem Beratungsvertrag resultierenden Aufklärungspflichten hat der Beklagte schon nach seiner eigenen Darstellung der Beratungsgespräche verletzt.

Der Beklagte weist zwar nicht zu Unrecht darauf hin, dass die Feststellungen des Landgerichts zum Inhalt der Beratungsgespräche Zweifeln begegnen können. Zu Recht rügt der Beklagte, dass der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Landgericht seinen Klagevortrag zur Falschberatung deutlich revidiert hat. So hat der Kläger eingeräumt, dass er zwischen dem Telefonat und dem Gespräch vom 15. Juli 2004 ein weiteres Telefonat mit dem Beklagten geführt hat. Der Senat kann aber letztlich dahinstehen lassen, ob er gem. § 529 ZPO an die Feststellungen des Landgerichts gebunden ist. Denn der Beklagte hat schon nach seinen eigenen Einlassungen den Kläger und dessen Ehefrau nicht ordnungsgemäß beraten und aufgeklärt, was den G, seine Bedingungen und seine Geeignetheit für den Kläger und dessen Anlageziel betrifft.

Die Empfehlung des G durch den Beklagten ist hier nämlich schon vom Grundsatz her nicht anlegergerecht gewesen. Denn aus dem G und seinen Erträgnissen wollte der Kläger die Raten für die Lebensversicherung aufbringen. Da diese Raten feststanden, mussten sie auch mit Sicherheit aus dem G erbracht werden können. Deshalb wurden auch die bisherigen und als zu unsicher angesehenen Beteiligungen des Klägers abgelöst. Da aber beim G sogar ein Totalverlust drohte, durfte der Beklagte den G wegen der mit diesem Fonds verbundenen Unsicherheiten von vornherein nicht empfehlen. Genau dies macht der Kläger dem Beklagten auch zum Vorwurf (vgl. Bl. 262, 298 d.A.). Dazu passt auch das Anlageziel, das der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Landgericht beschrieben hat (vgl. Bl. 281 d.A. sowie die Ausführungen des Beklagten in diesem Zusammenhang Bl. 289 d.A.). Das von der Zeugin L beschriebene Anlageziel weicht zwar geringfügig von diesem Anlageziel ab (vgl. Bl. 290 d.A.). Immerhin sollte aber auch nach ihrer Aussage mit der Anlage kein Schiffbruch erlitten werden können. Genau dies konnte aber bei einem Totalverlustrisiko wie hier beim G drohen.

Mithin hat der Beklagte diesen Beratungsvertrag mit dem Kläger schon dadurch verletzt, dass er dem Kläger diese Finanzierungsmöglichkeit über den G überhaupt vorgeschlagen hat. Es leuchtet schon nicht ein, welchen Sinn es machen sollte, überhaupt von einem Immobilienfonds in einen anderen zu wechseln. Der Beklagte räumt auch selbst ein (vgl. Bl. 72 d.A.), dass er mit Hilfe der Anlage kwm 4 Blatt 45 der Akten dem Kläger den E-Fonds als nachteilig dargestellt hat, so dass der Kläger zum G gewechselt ist. Im Hinblick auf den Verwendungszweck der angelegten Gelder machte dieser Wechsel keinen Sinn. Denn von seiner Struktur her war auch der G nicht sicherer als der E-Fonds. Der G unterschied sich im Gegenteil vielmehr von den geschlossenen Immobilienfonds zu seinen Ungunsten noch dadurch, dass ihm keine Immobilien angehörten. Das einzige Vermögen, was dieser Fonds im Wesentlichen besaß, waren die Darlehensrückzahlungsansprüche gegen die anderen G2-Fonds. Da deren Immobilien aber vielfach vorrangig Banken zur Sicherheit dienten, war der G auf Gedeih und Verderb dem Wohlergehen der anderen G-Fonds ausgeliefert, denen er die Darlehen gewährt hatte.

Der Kläger war zwar durchaus risikofreudig, nämlich zu 30 % (vgl. Bl. 283 d.A.). Er wollte durch die Zeichnung des G durchaus mehr Geld erwirtschaften, als ihm Bankeinlagen gebracht hätten (vgl. Bl. 281 d.A.). Das ändert aber nichts daran, dass es nach wie vor vorrangig darum ging, mit den beim G angelegten Geldern die Ratenzahlungen für die Lebensversicherung aufzubringen. Mag der Kläger auch noch anderweitig Geld zur Verfügung gehabt haben (vgl. Bl. 326 d.A.), so ändert das jedoch nichts daran, dass dieses Geld, das beim G angelegt war, eben für die Ratenzahlungen auf die Lebensversicherung bestimmt war. Dafür war, wie dargelegt, dieser Fonds aufgrund seines Risikocharakters schon strukturell nicht geeignet, so dass der Beklagte ihn als Anlagemöglichkeit der für die aufzubringenden Raten vorgesehenen Gelder von vornherein nicht vorschlagen durfte.

Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund negativer Presseberichte (vgl. Bl. 171 ff d.A.), auf die der Beklagte überhaupt nicht eingegangen ist (vgl. auch Bl. 11, 91, 248 ff d.A.).

Zudem hätte der Beklagte den Kläger eindringlicher vor den Risiken warnen müssen, wenn dem Kläger gleichwohl die angekündigte Rendite von 8 % verlockend erschien. Dabei kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, wann dem Kläger der Emissionsprospekt übergeben worden ist. Auch wenn man vom Vortrag des Beklagten ausgeht (Bl. 77, 244 d.A.), dass er dem Kläger den Prospekt beim zweiten Gespräch am 13. Juli 2004 überlassen hat und den Prospekt mit dem Kläger dann vor der Zeichnung vom 15. Juli 2004 durchgegangen ist, kann dies allein den Beklagten von der Haftung nicht befreien. Denn in erster Linie ist maßgebend, was der Beklagte selbst dem Kläger gesagt hat. Der Kläger brauchte den Prospekt nicht auf mögliche Aufklärungsdefizite des Beklagten durchzusehen und sich gleichsam schlauer machen als es der Beklagte war. Vielmehr konnte und durfte sich der Kläger auf das verlassen, was ihm der Beklagte als sein Anlageberater sagte.

Das gilt insbesondere auch deshalb, weil dem Kläger der Flyer (Anlage kwm 1 Bl. 37 ff d.A.) vorlag. Auch wenn der Beklagte vorgetragen hat, den Flyer erst aus der Akte kennengelernt zu haben, entlastet ihn das nicht. Dem Beklagten musste dieses Werbemittel bekannt sein, weil der G zu seinem Vertriebsbestand gehörte. Zumindest hätte sich der Beklagte als Anlageberater beim Kläger nach Vorinformationen erkundigen müssen, um den Wissensstand des Klägers und das sich daraus ergebende Beratungsbedürfnis erkennen zu können.

Der Flyer selbst beinhaltet aber eine typische Falschberatung. Schon auf dem Deckblatt wird mit 8 % Ausschüttung geworben, ohne dass diese Angabe relativiert wird. Auf Seite 2 wird der G in eine Reihe mit Festgeldern gestellt. Die wichtigsten Fakten sind nur positiv dargestellt und lassen den G für das Anlageziel des Klägers geradezu als ideal erscheinen. Von den Risiken des G ist in dem gesamten Flyer nicht die Rede.

Diese Ausgangssituation hätte vom Beklagten verlangt, dass er dem Kläger die Struktur des Fonds detailliert erläutert und nachdrücklich auf die Risiken hingewiesen hätte. Das hat der Beklagte in dieser Gründlichkeit nach seinen eigenen Angaben vor dem Landgericht nicht getan. Zwar will der Beklagte den Sinn des G erläutert haben. Auf Nachfrage konnte sich der Beklagte aber nicht mehr daran erinnern, ob über den Charakter der GbR gesprochen worden ist (vgl. Bl. 284 d.A.). Die sich daran anschließende Bemerkung des Beklagten, dass dies mangels Haftungsfolgen für den Kläger auch nicht nötig gewesen sei, offenbart den Aufklärungsmangel. Solange aber der Kläger nicht wusste, was der Beitritt zu einer GbR bedeutet, kann es den Beklagten auch nicht entlasten, dass im Zeichnungsschein von einer Beteiligung an einer GbR die Rede ist.

Was die Risikobelehrung angeht, will der Beklagte den G zwar mit den Argentinienanleihen in Verbindung gebracht haben (Bl. 285 d.A.). Diese Einlassung hat der Beklagte aber anschließend wieder dahin eingeschränkt, dass die schlimmstmögliche Entwicklung nicht besonders besprochen worden sei.

Zugunsten des Beklagten kann man zwar davon ausgehen, dass er den Kläger darüber belehrt hat, dass die 8 % Ausschüttung nicht garantiert sei. Dies haben der Kläger und die Zeugin auch eingeräumt. Eine ausreichende Risikobelehrung über das Kapital lässt sich aber auch aus der eigenen Aussage des Beklagten nicht herleiten. Zwar will der Beklagte auch über einen Totalverlust gesprochen haben (vgl. Bl. 285 d.A.). Der Zusammenhang bleibt aber unklar. Es ist nicht dargetan, dass der Beklagte den Kläger detailliert über das besondere Risiko gerade dieses G belehrt hätte, dass der Fonds nämlich ganz vom Wohl und Wehe der anderen G-Fonds abhängig war. Denn wie dargelegt besaß dieser G keine eigenen Immobilien. Zudem waren die verauslagten Darlehen nicht angemessen abgesichert. Die bloße Erwähnung eines möglichen Totalverlustes reicht in diesem Zusammenhang zur ordnungsgemäßen Risikobelehrung angesichts der besonderen Risikostruktur des G nicht aus. In seiner Anhörung räumt der Beklagte ein, dass der Kläger nach Sicherheiten gefragt hat (vgl. Bl. 287 d.A.). Der Beklagte sagt aber nicht, was er darauf geantwortet hat. Insgesamt hat der Beklagte nicht ausreichend detailliert vortragen können, ob und wie er dem Kläger die komplizierte Struktur gerade des G vor allem im Hinblick auf die Risiken erläutert hat.

Die weiteren Voraussetzungen des Schadensersatzanspruches sind ebenfalls gegeben. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils verwiesen werden. Das gleiche gilt zur Höhe des Schadensersatzanspruches. Insoweit hat das Landgericht zutreffend darauf abgestellt, dass der Kläger verlangen kann, dass der Beklagte ihn so stellt, als hätte der Kläger die Anlageentscheidung zugunsten des G nicht getroffen. Eine Korrektur ist lediglich insoweit vorzunehmen, als die Freistellung nicht als Feststellung sondern als Leistung zu begehren ist. Dem hat der Senat durch den Maßgabezusatz bei dem Ausspruch über die Zurückweisung der Berufung Rechnung getragen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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