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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 07.03.2006
Aktenzeichen: 4 U 165/05
Rechtsgebiete: UWG, BORA, BRAO, ZPO


Vorschriften:

UWG § 3
UWG § 4 Nr. 11
UWG § 4 Ziff. 11
UWG § 5
UWG § 5 Abs. 2 Nr. 3
UWG § 5 Abs. 2 Ziff. 3
UWG § 8 Abs. 1
UWG § 8 Abs. 3 Nr. 2
UWG § 8 Abs. 3 Nr. 3
BORA § 6
BORA § 6 Abs. 1
BORA § 6 Abs. 2
BORA § 7
BRAO § 43 b
BRAO § 59b Abs. 1
BRAO § 191a Abs. 2
BRAO § 191e
ZPO § 543 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 29. September 2005 verkündete Urteil der IV. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es am Ende des Verbotstenors heißt: "wie geschehen in der Werbebroschüre Bl. 10. 10 R, 11, 12 d.A.".

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000,- EUR abzuwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich mit der Klage gegen Werbeaussagen der Beklagten wie in der Flyer-Werbung der Niederlassung I der Beklagten (Bl. 10 -12 d.A.). Darin heißt es:

"So stellen wir sicher, dass Sie in jedem Fall Ihren Spezialisten unter den ...-Anwälten finden."

und

"Zur Lösung Ihres Rechtsproblems stehen unsere Spezialisten bundesweit in ständigem Kontakt."

Die Klägerin sieht darin eine berufswidrige und irreführende Werbung, die gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 7 BORA und 5 UWG verstoße.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, in Werbebroschüren und/oder auf sonstige Weise wörtlich oder sinngemäß mit der Aussage zu werben:

a) "So stellen wir sicher, dass Sie in jedem Fall Ihren Spezialisten unter den ...-Anwälten finden."

und/oder

b) "Zur Lösung Ihres Rechtsproblems stehen unsere Spezialisten bundesweit in ständigem Kontakt".

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat gemeint, es handele sich um eine berufsrechtlich zulässige Werbung. Die angesprochenen Verkehrskreise würden dadurch insbesondere nicht in die Irre geführt. Die Beklagte hat einen etwaigen Unterlassungsanspruch zudem für verwirkt gehalten und behauptet, der Klägerin sei seit Jahren bekannt gewesen, dass sie so werbe.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt, weil eine irreführende und damit wettbewerbswidrige Werbung vorliege. Mit der Behauptung, den Rechtsuchenden "Spezialisten" für ihr jeweiliges Rechtsproblem zur Verfügung stellen zu können, mache die Beklagte nämlich unrichtige Angaben über die Befähigung ihrer Mitgesellschafter im Sinne des § 5 Abs. 2 Ziffer 3 UWG. Die angesprochenen Verkehrskreise erwarteten aufgrund der Werbung, bei der Beklagten als "Spezialisten" Personen anzutreffen, die auf einem speziellen Rechtsgebiet herausragende Kenntnisse und Erfahrungen erworben hätten. Nach ihrem eigenen Vorbringen handele es sich bei den überwiegend noch sehr jungen Gesellschaftern aber in der Regel nicht um so hochqualifizierte Personen. Daran könne auch die interne Kommunikations- und Fortbildungsstruktur der Beklagten nichts ändern. Diese sorge nur dafür, dass sich die Anwälte in der Zukunft spezialisieren könnten.

Die Beklagte greift das Urteil mit der Berufung an. Sie meint weiterhin, dass der Klägerin der Unterlassungsanspruch nicht zustehe, weil die angesprochenen Verkehrskreise durch die beanstandete Werbung nicht irregeführt würden. Unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs meint die Beklagte zunächst, dass das von ihr versprochene kollektive Spezialistentum mit dem vom Bundesverfassungsgericht verwendeten Begriff des "Spezialisten" als einzelnem Rechtsanwalt nicht vergleichbar sei. Die durchschnittlich informierten Rechtsuchenden verstünden die Werbung angesichts der Besonderheiten ihrer Rechtsanwaltsgesellschaft so, dass für ihr Rechtsproblem ein spezialisierter Anwalt gefunden werde, der zudem in ganz besonders gelagerten Fällen noch auf ein bundesweites Netzwerk und das Wissen von Spezialisten unter den Kollegen bundesweit zurückgreifen könne. Dabei komme der potentielle Mandant nicht auf die Idee, dass auch noch die exotischsten Rechtsgebiete in der Gesellschaft der Beklagten durch einen Spezialisten abgedeckt sein könnten. Bei der Verbrauchervorstellung sei auch zu berücksichtigen, dass durch die günstigen Preise der Erstberatung Mandanten angesprochen würden, die sonst keinen anwaltlichen Rat in Anspruch nehmen. Die Tatsache, dass einzelne Kollegen noch nicht sehr lange als Rechtsanwälte zugelassen seien, spreche nicht dagegen, dass sie aus vorausgegangenen Tätigkeiten über ein Spezialwissen verfügten, das sie im Netzwerk der Beklagten an die Kollegen vor Ort weitergeben könnten. Die Tatsache, dass diese Rechtsanwälte in einem solchen Netzwerk tätig seien, bedinge auch, dass die Rechtsprechung zu Tätigkeitsschwerpunkten einzelner Anwälte hier nicht herangezogen werden könne. Einer größeren Organisation müssten auch größere Freiheiten bei der Gestaltung ihres Werbeauftritts eingeräumt werden. Es komme hinzu, dass die gebotene Abwägung zwischen der Beeinträchtigung des Werbenden durch den Eingriff in das Grundrecht der Berufsausübung einerseits und den Gründen des Allgemeinwohls andererseits vom Landgericht nicht vorgenommen worden sei.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, und zwar mit der Maßgabe, daß es am Ende des Verbotstenors des angefochtenen Urteils heißt: "wie geschehen in der Werbebroschüre Bl. 10, 10 R, 11, 12 d. A.".

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Sie vermag nicht zu erkennen, dass bei der Beklagten auch nur ein einziger Anwalt über die theoretischen Kenntnisse, die praktische Erfahrung oder den Ruf eines Spezialisten verfügt. Schon deshalb sei es ausgeschlossen, dass die Beklagte sicherstellen könne, dass ein Mandant in jedem Fall einen Spezialisten unter den Anwälten der Beklagten finden könne. Im Übrigen weist die Klägerin darauf hin, dass in einer im Kammerbezirk herausgegebenen Liste der Interessen- und Tätigkeitsschwerpunkte von Rechtsanwälten insgesamt 108 Rechtsgebiete angesprochen seien, von denen keines den Charakter eines "Exoten" aufweise. Selbst wenn also jeder der 70-90 zur Zeit der Werbung bei der Beklagten tätigen Anwälte ein Spezialist gewesen sein sollte, hätten diese Anwälte immer noch nicht sicherstellen können, dass für jeden Fall ein Spezialist zur Verfügung stehe. Die Beklagte trage insoweit auch widersprüchlich vor. Einmal behaupte sie, der Mandant könne im Regelfall einen auf sein Rechtsproblem spezialisierten Anwalt vorfinden und in ganz besonders gelagerten Fällen könne auf das bundesweite Netzwerk von Kollegen zurückgegriffen werden. Zum anderen gestehe sie aber ein, dass es ihr überhaupt nicht um das Spezialistentum eines einzelnen Rechtsanwalts gehe, sondern um die Besonderheiten der mit Spezialwissen versehenen Kanzleistruktur. Selbst wenn damit zum Ausdruck gebracht werden solle, der Anwalt sei nicht spezialisiert, sondern werde erst durch das bundesweite Netzwerk von Kollegen zu einem Spezialisten im beworbenen Sinne, widerspreche auch das der Werbeaussage. Die Beklagte werbe mit anwaltlichen Spezialisten, räume aber gleichzeitig ein, über diese als solche nicht zu verfügen. Mit näheren Ausführungen macht die Klägerin deutlich, dass auch für den vorliegenden Fall der angekündigte Spezialist als Spezialist im Sinne des Bundesverfassungsgerichts mit seinem hohen Rang verstanden werde. Der Verkehr verstehe unter dem Spezialisten unter den Anwälten der Beklagten nicht deren Netzwerk von Kollegen mit Spezialwissen. Ein solches Netzwerk könne auch kein wirkliches Spezialistentum ersetzen. Soweit die Beklagte eine Abwägung mit den grundrechtlich geschützten Interessen vermisse, müsse sie sich entgegenhalten lasse, dass sie ihre Werbung geändert habe und offenbar auch mit der geänderten Werbung ihren beabsichtigten Zweck erreiche. Mit Vehemenz stellt die Klägerin ein Sonderwerberecht für Großkanzleien in Abrede, das es nach wie vor nicht gebe.

II.

Die Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zusteht.

1) Der Unterlassungsantrag und das ihm folgende Verbot des Landgerichts sind jedenfalls hinreichend bestimmt und auch nicht zu weitgehend, nachdem die Klägerin den konkret beanstandeten Werbeflyer in ihr Verbotsbegehren einbezogen hat. Denn die Beklagte hat die darin als irreführend beanstandeten Werbeaussagen auch nicht für sich, sondern nur in Zusammenhang mit weiteren Werbeinformationen aufgestellt.

2) Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruchs aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3, 4 Ziffer 11 UWG in Verbindung mit § 43 b BRAO und §§ 6, 7 BORA zu.

a) Die Klägerin ist als Verband zur Förderung selbständiger beruflicher Interessen anspruchsberechtigt im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, weil sie die Belange ihrer Mitglieder zu wahren und zu fördern hat. Darüber besteht auch kein Streit unter den Parteien.

Die Klägerin ist angesichts ihrer Aufgabenstellung jedenfalls im vorliegenden Fall auch nicht gehindert, gegen die Beklagte als Mitglied der Klägerin wettbewerbsrechtlich vorzugehen. Es geht um einen Wettbewerbsverstoß, der in erster Linie mit einer berufswidrigen Werbung und damit der Verletzung berufsrechtlicher Pflichten begründet worden ist. Die berufsrechtlichen Möglichkeiten haben der Klägerin keine abschließende Regelung des berufsrechtlichen Problems ermöglicht und sie hat bei ihrem Vorgehen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet (vgl. BVerfG NJW 2004, 3765, 3767 -Klagebefugnis der Steuerberaterkammer; Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 24. Auflage, § 8 Rdn. 3.33; Harte/Henning/Bergmann, UWG, § 8 Rdn. 276, 277).

b) Die Beklagte ist nach § 8 Abs. 1 UWG zur Unterlassung verpflichtet, weil sie unlauter im Sinne des § 3 UWG gehandelt hat. Eine solche Unlauterkeit ist darin zu sehen, dass die Beklagte einer gesetzlichen Vorschrift zuwider gehandelt hat, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer des Marktverhalten zu regeln (§ 4 Nr. 11 UWG). Die Beklagte hat den die anwaltliche Werbung regelnden Vorschriften der § 43 b BRAO, § 6 Abs. 1, 2 und 7 BORA zuwidergehandelt.

aa) Zu den marktbezogenen Vorschriften, die auch dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer, insbesondere der Verbraucher, das Marktverhalten zu regeln, gehören auch § 43 b BRAO und seine konkreten Ausgestaltungen in §§ 6, 7 BORA. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei der BORA um eine nach §§ 59b Abs. 1, 191a Abs. 2, § 191e BRAO ergangene Satzung handelt. Als solche ist sie Rechtsvorschrift im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Die genannten Vorschriften befassen sich mit der Zulässigkeit der anwaltlichen Werbung und sollen in diesem Zusammenhang auch die Lauterkeit des Wettbewerbs schützen (BGH WRP 2005, 738- Optimale Interessenvertretung).

bb) Die Vorschrift des § 43 b BRAO konkretisiert die im Rahmen der Berufsausübung garantierte Werbefreiheit. Deshalb ist diese Vorschrift ebenso wie § 6 Abs. 1 BORA im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG so zu verstehen, dass einem Anwalt Werbung grundsätzlich nicht verboten, sondern erlaubt ist. Die Beschränkung der Werbung bedarf deshalb einer Rechtfertigung durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls und muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen (BGH, Optimale Interessenvertretung, a.a.O. S. 739, BGH GRUR 2002, 84 -Anwaltswerbung II). Verboten sind daher neben solchen Werbemethoden, die Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen, ausschließlich am Gewinn orientierten Verhaltens sind, insbesondere solche Werbeaussagen, die die Gefahr mit sich bringen, den Rechtsuchenden in die Irre zu führen (BVerfG NJW 2004, 2656, 2657 -Spezialist für Verkehrsrecht). Solche unwahren Werbeaussagen sind stets unsachlich und nicht berufsbezogen im Sinne des § 6 Abs. 1 BORA, weil die berufliche Selbstdarstellung es in keinem Fall erlauben kann, damit zu werben. Ob daneben noch ein Verstoß gegen § 7 BORA in Betracht kommt, weil eine besondere Bezeichnung verwendet worden ist, die als solche nicht oder jedenfalls nicht unter diesen Voraussetzungen verwandt werden durfte, kann dahinstehen, weil der Senat eine irreführende Werbung mit unwahren Tatsachen aus folgenden Gründen bejaht.

(1) Die Beklagte stellt selbst nicht in Frage, dass es sich bei der beanstandeten Aussage "Wir stellen sicher, dass Sie in jedem Fall Ihren Spezialisten unter den ...-Anwälten finden." ebenso wie bei der Aussage "Zur Lösung Ihres Rechtsproblems stehen unsere Spezialisten bundesweit in ständigem Kontakt." um nachprüfbare Tatsachenbehauptungen handelt. Denn die durchschnittlich informierten, situationsbedingt aufmerksamen und verständigen Adressaten der Werbung verstehen die Werbeaussagen nach dem eindeutigen Wortlaut so, dass sicher gestellt ist, dass sie in jedem Fall ihren Spezialisten unter den Anwälten der Beklagten finden werden, und dass die Spezialisten der Beklagten zur Lösung des Rechtsproblems des Mandanten bundesweit in ständigem Kontakt stehen.

(2) Diese Zusagen gelten nach ihrem Wortlaut auch ohne Einschränkung. Dass die Verbraucher hineinlesen, dass es um die normal anfallenden Rechtsprobleme und keine "exotischen" Fälle gehen soll, mag möglicherweise zugunsten der Beklagten noch angenommen werden. Es bleibt aber dabei, dass die Verbrauchervorstellung dahin geht, dass jedenfalls für alle normalen Rechtsprobleme ein "Spezialist" aus dem Hause der Beklagten zur Verfügung steht, also zum Beispiel bei Rechtsproblemen aus dem Mietrecht ebenso wie aus dem Urheberrecht oder dem Arzthaftungsrecht. Der Verkehr versteht die Aussage zudem so, dass ein persönlicher Kontakt zu einem solchen Spezialisten hergestellt wird, der ein Beratungsgespräch mit ihm führt. Keinesfalls entnimmt der Rechtsuchende den Aussagen, dass es nicht um für ihn und seine Probleme bereit stehende anwaltliche Spezialisten als solche geht, sondern um den systembedingten Vorrat eines Spezialwissens, das von allen Anwälten der Beklagten abgerufen werden kann. Denn dann könnte der Rechtsuchende gerade nicht "seinen Spezialisten" finden.

(3) Zwar werden die beanstandeten Einzelaussagen von den angesprochenen Verkehrskreisen im Kontext der gesamten Werbeaussage wahrgenommen. Das führt aber nur dazu, dass die durchschnittlich aufmerksamen und verständigen Rechtsuchenden nicht annehmen werden, dass gerade in den aus wenigen Anwälten bestehenden Niederlassungen der Beklagten wie etwa der beworbenen Niederlassung in I mit den vier jung wirkenden Anwälten die Spezialisten für alle Fälle zur Verfügung stehen sollen. Sie meinen aber angesichts der deutlichen Kernaussage, dass im Rahmen der bundesweiten Vernetzung der ...-Anwälte auch für ihr Rechtsproblem ein Spezialist zu finden ist, der ihnen zur Verfügung gestellt wird und ihr Rechtsproblem löst. Die Rechtsuchenden brauchen sich deshalb nicht mehr die Mühe zu machen, in den einschlägigen Verzeichnissen oder im Internet nach den Spezialisten ihres Fallbereichs zu suchen, weil die Beklagte ihnen in jedem Fall diese Suche abnimmt und ihnen einen ihrer Spezialisten zur Verfügung stellt.

(4) Auch wenn die Beklagte von ihrer gesamten Außendarstellung her besonders Rechtsuchende ansprechen sollte, die keine oder nur geringe Erfahrungen im Umgang mit Anwälten haben, verstehen auch diese unter "Spezialisten" jedenfalls Fachleute, die sich zumindest ganz überwiegend mit speziellen Problemkreisen befassen und dabei die entsprechende Erfahrung gesammelt haben. Die Unterscheidung zwischen Spezialisten und Generalisten in Form von Anwälten, die sich mit allen gängigen Problemen beschäftigen, ohne darauf spezialisiert zu sein, ist den angesprochenen Verkehrskreisen bekannt. Derartige Unterschiede kennen sie auch aus dem Umgang mit Ärzten. Auch wenn die Rechtsuchenden nicht genau den Unterschied von Fachanwälten und Interessen- und Tätigkeitsschwerpunkten kennen sollten, sehen sie in den Spezialisten die spezialisiertesten Rechtsanwälte, die sie sich denken und auf deren Dienste sie zählen können.

(5) Die so zu verstehe Werbeaussage ist schon nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten unrichtig, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat. Die Beklagte verfügt zum einen nicht über eine solche Vielzahl von Spezialisten, die dank ihrer besonderen Kenntnisse und Erfahrungen diese Bezeichnung verdienen, dass diese alle Fälle der angesprochenen Rechtsuchenden mit ihren Spezialkenntnissen lösen können. Es ist zum anderen auch nicht so, dass den künftigen Mandanten ein persönlicher Kontakt mit Spezialisten für ihr Rechtsproblem ermöglicht wird. Die Mandanten werden vielmehr von den Anwälten in den örtlichen Niederlassungen persönlich betreut, die das erforderlich werdende Fachwissen gegebenenfalls über das Netzwerk der bundesweit tätigen Kollegen abfragen und koordinieren. Der Gesellschaftsgründer der Beklagten hat am Beispiel einer Angelegenheit der Unternehmensnachfolge plastisch geschildert, wie die Zusammenarbeit der Anwälte aussehen kann: Die Problemlösung wird möglicherweise so aufgeteilt, dass steuerrechtliche Fragen von einem Fachanwalt für Steuerrecht in N, sozialrechtliche Fragen von einem spezialisierten Kollegen in C, gesellschaftsrechtliche Fragen in O und erbrechtliche Fragen von einem Anwalt in E behandelt werden. Unabhängig davon, dass die eingeschalteten Anwälte auch nach dem Vorbringen der Beklagten im Regelfall keine Spezialisten im Sinne des Bundesverfassungsgerichts sind, sondern teilweise spezialisierte und sich weiterbildende Anwälte, ist eine solche Fallbehandlung jedenfalls nicht die zugesagte Betreuung durch einen eigenen Spezialisten. Die Beklagte hat auch in ihrer Berufungsbegründung nicht vortragen können, über welche Spezialisten mit großer Berufserfahrung sie verfügt und inwiefern diese die unterschiedlichsten Rechtsprobleme umworbener Mandanten lösen können.

(6) Eine Werbung mit unrichtigen Aussagen erscheint nicht nur aus der strengen Sicht des anwaltlichen Berufsstandes, sondern auch vom Standpunkt der hierdurch ebenfalls betroffenen Allgemeinheit unlauter (vgl. BGH NJW 1999, 2444, 2445 -Steuerberaterwerbung auf Fachmessen). Das Verbot einer Werbung mit unwahren Behauptungen wirft auch keine verfassungsrechtlichen Fragen auf. Darauf erstreckt sich das Grundrecht der freien Berufsausübung in keinem Falle.

(7) Die von der Beklagten in der Berufungsinstanz zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts "Spezialist für Verkehrsrecht" passt nicht auf den vorliegenden Fall. Bei der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ging es um die Frage, ob sich ein spezialisierter Anwalt mit bestimmten Eigenschaften Spezialist nennen darf oder ob ihm dies durch die BORA verboten ist. Es ging dabei um eine in ihrem Aussagegehalt zutreffende Werbeaussage. Hier geht es nicht darum, ob die Beklagte überhaupt den Begriff "Spezialist" für ihre Anwälte verwenden darf, wenn diese über die Eigenschaften eines Spezialisten verfügen würden, sondern darum, dass sie unter Verwendung dieses Begriffs mit unrichtigen Aussagen geworben hat.

c) Die Wiederholungsgefahr ist nicht allein dadurch entfallen, dass die Beklagte nach der Abmahnung nicht mehr mit den irreführenden Werbeaussagen wirbt. Ein Wegfall der Wiederholungsgefahr hätte -wie immer- die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung vorausgesetzt, an der es nach wie vor fehlt.

3) Die Beklagte kann hier gegenüber dem Unterlassungsanspruch der Klägerin den Einwand der Verwirkung schon deshalb nicht erheben, weil auch dem Vorgehen der Klägerin im berufsständischen Interesse eine Irreführung zugrunde liegt. Bei dem lauterkeitsrechtlichen Irreführungsverbot handelt es sich um eine kollektive Schutznorm, die nicht nur dem Schutz der Interessen des einzelnen Mitbewerbers oder Berufsverbandes dient, sondern auch dem Schutz sämtlicher Marktteilnehmer, insbesondere auch der Verbraucher (vgl. Hefermehl/Bornkamm, a.a.O, § 5 Rdn. 2.214). Ein auf das Verbot einer solchen Irreführung gerichteter Anspruch kann deshalb nicht verwirkt werden.

4) Bei der Rechtsauffassung des Senats kommt es nicht mehr darauf an, ob ein Unterlassungsanspruch auch aus §§ 3, 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG hergeleitet werden kann, wie es das Landgericht getan hat.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziffer 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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