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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 19.10.2006
Aktenzeichen: 4 U 36/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, EGBGB


Vorschriften:

ZPO § 287
ZPO § 529 Abs. 1
BGB § 195 a.F.
BGB § 195 n.F.
BGB § 198 a.F.
BGB § 199
BGB § 199 Abs. 1
BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2 n.F.
BGB § 203
BGB § 278
EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 1
EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1
EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10. Januar 2006 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Münster teilweise abgeändert.

Die Beklagte bleibt verurteilt, an den Kläger 7.910,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. September 2005 zu zahlen.

Im übrigen werden die Klage und die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 1/5 und die Beklagte 4/5. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Nach der Rücknahme der Anschlussberufung ist nur noch über die Berufung der Beklagten zu entscheiden. Diese ist im wesentlichen unbegründet. Der Kläger kann im Wege des Schadenersatzes von der Beklagten Zahlung von 7.910,- EUR nebst Zinsen verlangen.

I) Ein Schadenersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte ergibt sich dem Grunde nach aus einer positiven Vertragsverletzung in Zusammenhang mit einem Anlageberatungsvertrag oder einem Anlagevermittlungsvertrag. Auf das im Jahre 1999 und somit vor dem 1. Januar 2002 begründete Schuldverhältnis ist nach Art. 229 EGBGB § 5 noch das alte Schuldrecht anzuwenden.

1) Durch den nach einer früheren Beratung erneut an die Beklagte herangetragenen Beratungswunsch des Klägers und die daraufhin vom Zeugen W aufgenommene Beratungstätigkeit ist zwischen der Klägerin und der Beklagten vor der Zeichnung der Lebensversicherung ein Vertrag mit Haftungsfolgen zustande gekommen. Auch wenn die Stellung und die Aufgaben eines Anlagevermittlers und eines Anlageberaters unterschiedlich sind und ihre Pflichtenkreise sich nicht decken, kann letztlich dahinstehen, welcher Vertragstyp hier vorliegt. Denn auf den Vertragstyp kommt es nicht entscheidend an, weil die Beklagte in beiden Fällen vertragliche Pflichten verletzt hat.

a) Wenn wegen der besonderen Beratungssituation im Hinblick auf das überschüssige Anlagekapital, den Rat, sogar 50.000 DM anzulegen, den Beratungsbedarf und die persönlichen Beziehungen der Parteien von einem Anlageberatungsvertrag auszugehen wäre, so läge schon keine anlegergerechte Beratung vor. Denn die Beklagte hätte dem Kläger wegen des zu einem bestimmten Zeitpunkt zu tilgenden Darlehens diese Lebensversicherung nicht empfehlen dürfen. Sie entsprach erkennbar nicht den Interessen des Klägers, weil die Auszahlung der 40.000 DM zum angegebenen Zeitpunkt nicht sicher war.

b) Selbst wenn aber der Kläger als Interessent aufgrund früherer ähnlicher Anlagegeschäfte schon Erfahrungen und Kenntnisse von wirtschaftlichen Zusammenhängen und über englische Lebensversicherungen gehabt haben sollte und nur die erforderlichen Auskünfte erwartete, um über die Eignung der betreffenden Anlage nach einer Prüfung selbst zu entscheiden, wäre hier jedenfalls von einem stillschweigend geschlossenen Auskunftsvertrag mit der Beklagten im Rahmen einer Anlagenvermittlung auszugehen. Das wird von der Beklagten selber auch gar nicht in Frage gestellt.

c) Der Auskunftsvertrag verpflichtete die Beklagte, den Kläger über alle diejenigen tatsächlichen Umstände richtig und vollständig zu informieren, die erkennbar für ihn als Anlageinteressenten für seine Anlageentscheidung von besonderer Bedeutung waren und die insbesondere den Vertragszweck vereiteln konnten (BGH NJW-RR 2003, 1690; WM 1988, 48, 50). Dazu gehörten hier Hinweise auf die speziellen Risiken der fondsgebundenen Lebensversicherung. Wegen der dem Zeugen W bekannten Absicht des Klägers, die im Antrag und im Versicherungsschein festgehaltene Auszahlung von 40.000 DM im Jahre 2004 zur Tilgung seiner Darlehensschulden zu verwenden, hätte im Rahmen einer solchen Auskunft die Information darüber erteilt werden müssen, dass die beantragten Auszahlungen nicht zwangsläufig erfolgen würden, sondern unter bestimmten Umständen auch ganz oder teilweise verweigert werden könnten. Darauf, ob dem Zeugen W klar gemacht worden ist, dass die Darlehensrückführung und die dafür gedachte Auszahlung für den Kläger wirtschaftlich zwingend notwendig sei, kommt es dabei nicht an.

d) Eine solche im Rahmen der Erfüllung der Auskunftspflicht der Beklagten gebotene Information des Klägers ist hier nach der Tatsachenfeststellung des Landgerichts nicht erfolgt. Das Landgericht hat nach Anhörung des Geschäftsführers der Beklagten festgestellt, dass die gebotene Aufklärung deshalb unvollständig war, weil die Beklagte im Rahmen des Beratungsgesprächs den Kläger nicht darüber aufgeklärt hat, dass es sich bei den beantragten unregelmäßigen und regelmäßigen Auszahlungen, die im Versicherungsschein festgehalten waren, nicht um fest vereinbarte Auszahlungen handelte. An die Feststellung dieser Tatsache ist der Senat nach § 529 Abs. 1 ZPO gebunden. Die Beklagte hat zwar die Tatsachenfeststellung des Landgerichts insoweit angegriffen. Diese Angriffe erwecken aber weder einen hinreichenden Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen noch deuten sie auf solche Verfahrensfehler hin, die eine erneute Tatsachenfeststellung und eine Beweisaufnahme erforderlich machen könnten.

aa) Das Landgericht hat zunächst zutreffend gewürdigt, dass die Beklagte schriftsätzlich gerade nicht vorgetragen hatte, dass der Zeuge W den Kläger auf die oben angesprochene Besonderheit, die sich so aus dem Versicherungsschein gerade nicht ergab, ausdrücklich hingewiesen hat. Der Kläger hat behauptet, dass der Zeuge W nicht darauf hingewiesen habe, dass die Wertentwicklung der Versicherung auch unter der als sicher dargestellten Rendite von 5 % verlaufen könnte und deshalb die auf der Basis einer solchen Rendite beantragten Auszahlungen bedroht sein könnten. Er hat dazu weiter behauptet, der Zeuge W habe im Gegenteil erklärt, nach der nach Ablauf der Zinsbindung erfolgenden Zahlung von 40.000 DM werde immer noch ein erheblicher Restbetrag verbleiben, der es erlaube, die Versicherung fortzuführen. Nach diesem Vortrag wäre es Sache der Beklagten gewesen, darzulegen, dass und wie die erforderliche Aufklärung über dieses wichtige Risiko erfolgt ist. Dazu hat die Beklagte aber jedenfalls im einzelnen nichts vorgetragen. Der sehr umfangreiche Vortrag der Beklagten zu den Beratungsgesprächen windet sich um diese Kernfrage herum und stellt entscheidend darauf ab, dass der Kläger hätte erkennen müssen, dass die drei verschiedenen als möglich bezeichneten Wertentwicklungen nur beispielhaft genannt und auch und gerade im Hinblick auf den Mindestwert von 5 % nicht garantiert worden seien. Insoweit ist vorgetragen worden, der Zeuge W habe nur erklärt, die Anlage sei relativ sicher. Die Beklagte hat aber gerade nicht vorgetragen, dass ausdrücklich auch darauf hingewiesen worden sei, welche Folgen sich daraus ergeben könnten, insbesondere dass angesichts dessen auch die vereinbarten Auszahlungen nicht sicher seien.

bb) Zwar hat die Beklagte offenbar -auch wenn das nicht so protokolliert worden ist- im Rahmen des Rechtsgesprächs vor dem Landgericht behauptet, der Zeuge W habe ausdrücklich auch auf ein solches Risiko hingewiesen, und dies mit dem Zeugnis des Beraters W unter Beweis gestellt. Es ist schon fraglich, ob eine solche pauschale Behauptung der Darlegungslast der Beklagten gerecht geworden ist, weil sie immer noch nicht vorgetragen hat, in welchem Zusammenhang dieser wichtige Hinweis gefallen sein soll und wie der Kläger darauf reagiert hat. Es wäre nämlich lebensfremd gewesen, wenn sich daran nicht mindestens ein Gespräch darüber angeschlossen hätte, wie realistisch eine solche Möglichkeit sei. Entscheidend ist aber, dass der Vortrag der Beklagten auch insoweit unzureichend gewesen ist, als er eindeutig den objektiven Umständen widersprach und die Beklagte diesen Widerspruch nicht nachvollziehbar erläutert hat. Es ist nämlich nicht nur so, dass ein ausdrücklicher Hinweis des Zeugen W mit dem späteren Erklärungsbedarf des Klägers und der Reaktion der Beklagten auf das erste anwaltliche Schreiben vom 15. Dezember 2004 nicht in Einklang zu bringen ist. Der vom Kläger geschilderte Sachverhalt in Bezug auf die unberechtigte Verweigerung der Auszahlung wird vielmehr mit dem Anwaltsschreiben vom 17. Dezember 2004 als zutreffend bezeichnet und die Beklagte erklärt, dass die Rechtsauffassung der D, mit der sie die Auszahlungen verweigere, generell nicht haltbar sei. Es ist dem Schreiben auch nicht etwa zu entnehmen, dass die Beklagte hier eine bestimmte Rechtsauffassung wider besseres Wissen nur aus taktischen Gründen verfolgen wollte. Es kommt vielmehr noch hinzu, dass der ergänzende Vortrag auch nicht mit dem schriftsätzlichen Vorbringen zu der Besprechung der Parteien am 12. August 2004 in Einklang zu bringen ist, zu der es nach der Verweigerung der Auszahlung der 40.000 DM gekommen ist. Damals schon zeigten sich beide Parteien in einer solchen Weise von der Weigerung der D überrascht, dass sich daraus nur der Schluss aufdrängen kann, weder der Kläger noch die Beklagte selber hätten bei Vertragsschluss von der Möglichkeit, dass die Auszahlungen verweigert werden könnten, etwas gewusst. Weder damals noch im Schreiben vom 17. Dezember 2004 wurde auch nur andeutungsweise auf das dann Naheliegende hingewiesen, nämlich die Tatsache, dass sich das Risiko, dass der Zeuge W damals schon für möglich gehalten und erwähnt habe, sich nun leider verwirklicht habe. Selbst im Schreiben vom 20. September 2005, als schon die Klage angedroht worden war, macht die Beklagte nur geltend, dass sie für die Entscheidung, die Lebensversicherung zu kündigen, nicht verantwortlich zu machen sei. Dieses Verhalten der Beklagten und dieser Schriftverkehr stehen insgesamt der pauschal behaupteten Tatsache, der Zeuge W habe auf die Besonderheit, dass die beantragten Zahlungen vom Versicherungswert abhängig seien und deshalb ganz oder teilweise entfallen könnten, unvereinbar gegenüber. Der Geschäftsführer der Beklagten konnte auf den Vorhalt der Widersprüchlichkeit auch nur erklären, dass er nichts zu dem ergänzenden Vorbringen sagen könne, weil er bei dem Beratungsgespräch nicht dabei gewesen sei. Das Landgericht durfte diesen Vortrag gerade wegen des nicht aufgeklärten Widerspruchs als unbeachtlich behandeln und davon ausgehen, dass der erforderliche Hinweis nicht erfolgt ist.

cc) Auf die danach zutreffend festgestellte unterbliebene Aufklärung durch die Beklagte könnte es aber dann nicht ankommen, wenn feststehen würde, dass der Kläger vor der Anlageentscheidung auf andere Weise von diesem Risiko erfahren hätte. Dafür spricht aber nichts. Die Reaktion des Klägers auf die unterbliebene Auszahlung spricht sogar entscheidend dagegen. Es ist auch kein Grund dafür ersichtlich, warum sich der Kläger nach Treu und Glauben so behandeln lassen müsste, als ob er davon erfahren hätte. Die Beklagte hatte dem Kläger insbesondere keine Unterlagen übergeben, aus denen er die für ihn wichtige Information ohne weiteres hätte entnehmen können. Der Kläger mag zwar die in der vorgelegten Verbraucherinformation der D enthaltenen Angaben und Beispielsrechnungen und insbesondere die darin gegebenen Risikohinweise gekannt haben. Es mag auch sein, dass der Zeuge W ihm zusätzlich die besondere Art der englischen Lebensversicherung und die Verbraucherinformationen dazu jedenfalls in ihren Grundzügen erläutert hat. Daraus mag ein Versicherungsnehmer bei gründlichem Studium entnehmen können, dass die beantragten und scheinbar vereinbarten Auszahlungen nur dann erfolgen sollten, wenn der Versicherungswert und die nach den Bedingungen notwendige Restsumme es zuließen. Das änderte aber nichts daran, dass die Verbraucherinformation der D im Ganzen insoweit lückenhaft war, dass sie diese wichtige Besonderheit weder im Antrag noch im Versicherungsschein eindeutig klar machte. Das brachte die Gefahr einer Irreführung der Versicherungsnehmer mit sich, die sich in erster Linie aus diesen unmittelbaren vertraglichen Urkunden informieren wollten. Die Verbraucherinformationen der D waren somit nach Form und Inhalt objektiv schon nicht geeignet, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständig zu vermitteln (BGH WM 2005, 833, 837). Selbst wenn die Beklagte also zusätzlich auf diese Verbraucherinformationen der D verwiesen haben sollte, hätte sie diese Lücke jedenfalls im Rahmen der erforderlichen eigenständigen Plausibilitätsprüfung aufdecken und durch einen ergänzenden Hinweis des Zeugen W schließen müssen. An einem solchen Hinweis fehlt es. Der Zeuge W hat unstreitig den Kläger auch nicht etwa vor Vertragsschluss darauf hingewiesen, dass die Beklagte eine solche Plausibilitätsprüfung überhaupt nicht vorgenommen, sondern sich nur auf die Angaben und Informationen der Versicherung und ihrer Repräsentanz in Deutschland verlassen hat. Dazu wäre sie aber verpflichtet gewesen, wenn sie über die erforderliche Sachkunde nicht verfügt hätte (BGH WM 2005, 1219, 1220).

2) Eine solche Pflichtverletzung in Form einer unzureichenden Aufklärung ist auch kausal für die Anlageentscheidung des Klägers geworden. Liegen erhebliche Aufklärungsmängel vor, so spricht die Lebenserfahrung dafür, dass der Anlageentschluss des Klägers von diesen Mängeln beeinflusst worden ist, indem sich die durch die unzureichende Information begründete Gefahr, das Anlagerisiko zu verkennen, in zurechenbarer Weise verwirklicht hat (BGHZ 84, 141, 148, BGH WM 1990, 1276, 1280). Es reicht insoweit jedenfalls aus, dass der Kläger nachvollziehbar dargelegt hat, dass er die Anlage nicht gezeichnet hätte, wenn er das Risiko insbesondere der möglicherweise nicht in voller Höhe erfolgenden unregelmäßigen Auszahlungen gekannt hätte. Die Beklagte hat diese Kausalitätsvermutung auch nicht widerlegen können. Es ergibt sich insbesondere auch nichts anderes daraus, dass der Kläger und seine Ehefrau im Januar 1999 schon andere Lebensversicherungen bei der D abgeschlossen haben. Insoweit lag wegen der zwischenzeitlichen Schenkung des namhaften Geldbetrages von 30.000 DM erkennbar eine andere Interessenlage vor.

3) Durch die Pflichtverletzung ist dem Kläger auch ein Schaden entstanden. Dieser besteht darin, dass der Kläger wegen der fehlerhaften Auskunft die Lebensversicherung abgeschlossen und dafür das Kapital in Höhe von 50.000 DM eingesetzt hat. Wie sich die Anlage weiterentwickelt, insbesondere wie sie sich am Ende der Vertragslaufzeit von 20 Jahren im Jahre 2019 darstellen wird, ist hier schon deshalb nicht von Interesse, weil der Kläger die Lebensversicherung gekündigt hat, nachdem die D die für ihn wichtige Auszahlung der 40.000 DM im August 2004 nicht vollständig vorgenommen hatte. Dadurch ergab sich, dass die abgeschlossene Lebensversicherung von Anfang an seinen konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen war und sich damit als für ihn nachteilig erwies.

4) Die Beklagte hat im Hinblick auf die unvollständige Auskunft auch schuldhaft gehandelt, wobei sie für das insoweit ausreichende fahrlässige Verhalten des Zeugen W nach § 278 BGB einstehen muss. Es spricht zwar viel dafür, dass weder die Beklagte noch der Zeuge W wussten, dass die beantragten und in den Versicherungsschein aufgenommenen Zahlungen nicht garantiert waren. Das hätten sie aber als Fachleute durch das sorgfältige Studium der Informationen der D in Erfahrung bringen können. Bei gründlicher Prüfung der Policenbedingungen und der Verbraucherinformationen hätte -wie schon ausgeführt worden ist- der durchschnittlich informierte Versicherungsnehmer daraus den Schluss ziehen können, dass sich die D zu den beantragten Auszahlungen nur verpflichten wollte, wenn der entsprechende Versicherungswert zum entsprechenden Zeitpunkt die Auszahlung rechnerisch zuließ. Das lässt sich insbesondere auch aus dem Urteil des hiesigen 20. Senats vom 19. Oktober 2005 (20 U 80 / 05) entnehmen. Dass gilt dann für einen Fachmann, der eine Plausibilitätskontrolle vornimmt, erst recht.

5) Den Kläger trifft schon nach den obigen Ausführungen zur Erkennbarkeit des hier im Mittelpunkt stehenden Risikos auch kein Mitverschulden. Es war nicht seine Aufgabe, ein Risiko aus den Gesamtumständen herauszulesen, das der Beklagten als Auskunftspflichtiger verborgen geblieben war oder dass sie jedenfalls trotz Kenntnis unerwähnt gelassen hat. Jedenfalls kann sich die Beklagte insoweit auch nicht darauf berufen, dass der Kläger hier zu Unrecht auf die Vollständigkeit ihrer Auskunft vertraut hat.

7) Der Schadenersatzanspruch ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht verjährt.

a) Zur Beantwortung der Frage, welche Verjährungsfrist hier gilt, ist das neue Recht anzuwenden. Nach Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung auf die an diesem Tag bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung. Die beiden Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen hier vor. Zum einen handelt es sich bei dem Vertragsverhältnis der Parteien um ein altes, also vor dem 1. Januar 2002 begründetes Schuldverhältnis, wie oben schon ausgeführt worden ist. Die Verjährung des aus diesem alten Schuldverhältnis hergeleiteten Anspruchs des Klägers war auch noch nicht eingetreten, sondern die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F. lief am 1. Januar 2002 noch.

b) Die Frist hatte nach § 198 BGB a.F. mit der Entstehung des Anspruchs zu laufen begonnen. Der auf das negative Interesse gerichtete Schadenersatzanspruch des Klägers ist hier schon mit dem Abschluss des Lebensversicherungsvertrages im Sommer 1999 entstanden. Denn sogar bei einer unterstellten objektiven Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung ist dem Anleger schon dadurch ein Vermögensschaden entstanden, dass die Leistung für die Zwecke des Anlegers nicht voll brauchbar ist (BGH WM 2005, 929, 930). Die Beklagte schuldete jedenfalls eine vollständige und richtige Auskunft. Wenn sie ihren diesbezüglichen Pflichten nicht nachkam und der Kläger nur deshalb die Anlage zeichnete, erscheint auch bei objektiver Betrachtung schon der Vertragsschluss den konkreten Vermögensinteressen des Anlegers nicht angemessen und damit als nachteilig. Dem entspricht es auch, dass der Anleger von diesem Zeitpunkt an die Möglichkeit hat, Klage gegen den Anlagevermittler zu erheben.

c) Die regelmäßige Verjährungsfrist, die nach neuem Recht für einen solchen Anspruch gelten würde, ist hier kürzer als die laufende Frist von 30 Jahren. § 195 BGB n.F. regelt, dass die jetzt maßgebliche Frist nunmehr drei Jahre beträgt. Deshalb kommt für die Berechnung der Frist Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB zur Anwendung. Die kürzere Dreijahresfrist wird ab dem 1. Januar 2002 berechnet. Sie steht dem Anspruchsberechtigten voll zur Verfügung. Das heißt aber noch nicht, dass die laufende Frist dann immer am 31. Dezember 2004 abläuft. Die Verjährung tritt zu diesem Zeitpunkt vielmehr nur dann ein, wenn bis zum 1. Januar 2002 auch die subjektiven Voraussetzungen des Verjährungsbeginns des § 195 BGB n.F. vorgelegen haben (das heißt Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von den Anspruchsvoraussetzungen). Denn wenn es auf die Verjährungsfristen nach neuem Recht ankommt, gelten nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB zugleich auch immer dessen Vorschriften über den Beginn der Frist also § 199 BGB (vgl. Senat 4 U 34 / 06; OLG Bamberg NJW 2006, 304; Staudinger/Frank Peters, BGB, Ausgabe März 2003, Art. 229 § 6 EGBGB Rdn. 16; Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Auflage, EGBGB 229 § 6 Rdn. 1). Die entschuldbare Unkenntnis des Gläubigers stellt somit einen Fall der anfänglichen Hemmung der ab dem 1. Januar 2002 laufenden kürzeren Verjährung dar (vgl. Staudinger/Frank Peters, BGB, Ausgabe Oktober 2003, § 199 Rdn. 52). Sie beginnt erst zu laufen, wenn auch die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 BGB vorliegen.

d) Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeuten die Übergangsregelungen, dass die nun geltende kürzere Frist von drei Jahren erst zu einem späteren Zeitpunkt als dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat, weil zu diesem Zeitpunkt die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F. noch nicht vorgelegen haben. In der Zeit bis August 2004 lag eine entschuldbare Unkenntnis des Klägers von den maßgeblichen Anspruchsvoraussetzungen vor.

aa) Die maßgeblichen Anspruchsvoraussetzungen sind hier darin zu sehen, dass es sich bei den beantragten und mutmaßlich vereinbarten Auszahlungen, insbesondere der unregelmäßigen Auszahlung von 40.000 DM am 1. August 2004, auf die es dem Kläger wegen des Darlehens entscheidend ankam, um Zahlungen handelte, die vom augenblicklichen Versicherungswert abhingen, also ganz oder teilweise verweigert werden könnten, falls der Wert so niedrig sein sollte, dass er die Zahlung nicht zuließ. Der Kläger brauchte nur diese Umstände zu kennen, er brauchte nicht zu wissen, dass diese für sich schon den Schadenersatzanspruch rechtfertigten. Der Kläger erfuhr davon in der erforderlichen Weise erst durch das Schreiben der D vom 10. August 2004, das er nicht vor dem 12. August 2004 erhalten hat.

bb) Es liegt auch für den Zeitraum davor keine grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers vor. Grob fahrlässig handelt ein Anspruchsteller, wenn seine Unkenntnis der Anspruchsvoraussetzungen auf einer besonders schweren Vernachlässigung der im Verkehr und in eigenen Angelegenheiten erforderlichen Sorgfalt beruht. Das ist der Fall, wenn sich der Betreffende die Kenntnis ohne nennenswerte Mühe und Kosten verschaffen kann, er aber dennoch die Ermittlungen nicht anstellt, die auf der Hand liegen und deren Notwendigkeit jedem einleuchten. Verschließt er sich dadurch einer sich objektiv aufdrängenden Kenntnis der Anspruchsvoraussetzungen, kann er sich auf eine Unkenntnis nicht berufen (BGH NJW 1999, 2808; NJW 1999, 423; NJW 2000, 953; NJW 2001, 1721; NJW 1994, 3092 -Warenterminoptionen). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor; insbesondere ist es dem Kläger nicht als grobe Fahrlässigkeit vorzuhalten, dass er nicht schon aus dem Erhalt des ersten Kontoauszuges vom 22. Juli 2000 die erforderliche Kenntnis gewonnen hat. Zum einen war der Auszug unübersichtlich und wegen der Besonderheiten nicht hinreichend aussagekräftig, um dem Kläger einen Verdacht förmlich aufzudrängen, dass die unregelmäßige Auszahlung in 2004 zumindest gefährdet sein würde. Zum anderen hätte ein solcher Verdacht, der offensichtlich auch bei der Beklagten nicht aufgekommen war, zusätzlich vorausgesetzt, dass der Kläger damals schon wusste, dass diese Auszahlung überhaupt in Gefahr geraten konnte. Davon ist insbesondere nach seiner Reaktion im Jahre 2004 nicht auszugehen.

e) Die ab August 2004 laufende dreijährige Verjährungsfrist ist mit dem Eingang der Klage am 30. November 2005, die alsbald, nämlich am 6. Dezember 2005 zugestellt worden ist, bis heute gehemmt worden. Deshalb kann dahinstehen, ob auch die Voraussetzungen des § 203 BGB erfüllt sind.

II. Der Kläger kann von der Beklagten im Wege des Schadenersatzes 7.910,00 EUR ersetzt verlangen. Ein Schaden ist dem Kläger nur in Form des negativen Interesses entstanden, das darauf gerichtet ist, dass er so gestellt werden muss, als hätte er die Anlage nicht gezeichnet. Er kann also im Regelfall sein Anlagekapital zurückerstattet verlangen, und zwar Zug um Zug gegen Übertragung oder Abtretung dessen, was er aus dem Anlagegeschäft erlangt hat. Dabei muss er sich anrechnen lassen, was er als Folge der Anlage für Vorteile erhalten hat, insbesondere in Form von Auszahlungen. Dagegen könnten entgangene Zinsbeträge zu rechnen sein, die nach dem üblichen Lauf der Dinge mit dem Kapital zu erzielen gewesen wären. Im vorliegenden Fall hat der Kläger die Lebensversicherung -nach dem Beklagtenvorbringen gegen deren ausdrücklichen Rat- nach Kenntnis von den Anspruchsvoraussetzungen gekündigt. Dadurch ist unstreitig beim Auszahlen des Restwerts vom Poolwert der Versicherung eine Marktpreisanpassung in erheblicher Höhe abgezogen worden.

1) Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten zunächst ein Anspruch darauf zu, dass diese den nach Kündigung der Lebensversicherung verbliebenen Fehlbetrag im Hinblick auf das eingesetzte Kapital von 25.564,59 € erstattet. Dieser ergibt sich in Höhe von 3.410,83 €, indem man vom Anlagekapital die erhaltenen fünf regelmäßigen Auszahlungen von je 1.533,88 €, insgesamt also von 7.669,40 € und die im Rahmen der Kündigung erfolgte Abschlusszahlung in Höhe von 14.484,36 €, also insgesamt 22.153, 76 € abzieht.

2) Dem Kläger ist aber ein weitergehender Schaden dadurch entstanden ist, dass er dieses Geld ansonsten bei der Sparkasse X, damals D1 angelegt und dort für eine längerfristige Anlage Zinseinkünfte erzielt hätte. Die Beklagte hat zwar in Zweifel gezogen, ob der Kläger das gesamte Geld als Festgeld angelegt hätte. Das ist aber nur insoweit erheblich, als der Kläger wegen der zu leistenden Darlehensraten nach dem normalen Lauf der Dinge eine Reserve gebildet hätte, weil es ihm unstreitig aus dem eigenen Einkommen nicht möglich war, die Darlehensraten in Höhe von 3.000 DM aus seinem eigenen Einkommen aufzubringen. Insoweit hätte nach der Schätzung des Senats ein Betrag von ca. 5.000 DM ausgereicht, aus dem zusammen mit den jährlich anfallenden Zinsen in Höhe von 1.800 DM die Raten hätten aufgebracht werden können. Den dafür nicht benötigte Betrag von ca. 45.000 DM, den der Senat zur Vereinfachung mit 22.500 € annimmt, hätte der Kläger jedenfalls als Festgeld anlegen können und angelegt. Der Zinsbetrag wäre im Hinblick auf den geringeren Betrag geringer ausgefallen, der Senat schätzt ihn im Hinblick auf die vorgelegte Zinsbescheinigung insoweit nach § 287 ZPO auf 4 %. Legt man der Schadensberechnung diese Schätzung zugrunde, so ergibt sich ein Zinsverlust in Höhe von 4.500 € (5 x 900 €).

3) Auf den sich dann ergebenden Gesamtschaden in Höhe von 7.910,00 € muss sich der Kläger auch nicht anrechnen lassen, dass durch die Kündigung der Lebensversicherung eine Marktanpassungsgebühr in Höhe von 4.828,21 € angefallen ist. Es trifft nämlich nicht zu, dass diese Marktpreisanpassung allein Folge der Kündigung gewesen sei. Sie wäre auch im Falle eines Weiterlaufens der Versicherung jedenfalls ganz überwiegend auch schon deshalb vorgenommen worden, weil die entsprechenden Auszahlungen so frühzeitig verlangt und geleistet worden sind. Die spekulative Erwägung, dass die D bei einem weiterlaufenden Vertrag wegen geänderter Verhältnisse auf eine weitere Marktpreisanpassung eventuell verzichtet hätte, betrifft deshalb allenfalls einen kleinen Restbetrag der tatsächlich einbehaltenden Marktpreisanpassung. Deswegen brauchte der Kläger aber auf die Kündigung, die ihm die Rückführung eines weiteren Teils des Anlagekapitals ermöglichte, nicht zu verzichten. Die Kündigung ist ihm auch schon deshalb nicht als Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht anzulasten, weil es gerade die Pflichtverletzung der Beklagten war, die den Kläger erst in die Schwierigkeit gebracht hat, darauf in angemessener Weise reagieren zu müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Der Kläger muss wegen der -inzwischen zurückgenommenen- Anschlussberufung keine anteiligen Kosten des Berufungsverfahrens tragen, weil die geringe Mehrforderung sich auf die Gesamtkosten nicht ausgewirkt hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziffer 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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