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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 13.07.2004
Aktenzeichen: 4 U 48/04
Rechtsgebiete: UWG, KosmetikVO


Vorschriften:

UWG § 1
UWG § 3
UWG § 4 Abs. 11
KosmetikVO § 4 Abs. 1
KosmetikVO § 4 Abs. 2
KosmetikVO § 5
KosmetikVO § 5 Abs. 1 Nr. 1
KosmetikVO § 5 Abs. 1 Nr. 4
KosmetikVO § 5 Abs. 1 Ziff. 1
KosmetikVO § 5 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 22.01.2004 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Arnsberg wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Kostenentscheidung wie folgt lautet:

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz mit Ausnahme der durch die Anrufung des örtlich unzuständigen Landgerichts Münster entstandenen Kosten.

Diese trägt die Klägerin.

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 EUR abzuwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Tatbestand: Die Parteien sind unmittelbare Wettbewerber. Die S in T2 bestellte bei der Beklagten Lippenpflegestifte. Gegen Rechnung vom 06. Juni 2003 lieferte die Beklagte daraufhin 250 Lippenpflegestifte unverpackt und ohne Beipackzettel mit Hülsen aus Kunststoff "blau gefrostet" und silbernem Werbeaufdruck der Apotheke. Auf den Lippenstiften war der Name oder die Firma und die Anschrift oder der Firmensitz der Beklagten nicht angebracht. Es fehlte auch eine Auflistung der Bestandteile der Lippenpflegestifte. Die Klägerin ist der Ansicht, daß die Beklagte mit der Lieferung der Lippenpflegestifte an die S gegen § 1 UWG verstoßen habe. Die Beklagte habe die Stifte in den Verkehr gebracht und sei deshalb nach § 5 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 4, 5 a der Kosmetikverordnung zu den dort genannten Angaben verpflichtet gewesen. Die Nichtangabe der Herkunft der Bestandteile bei Kosmetikprodukten sei unlauter und sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG, weil die fraglichen Vorgaben der Kosmetikverordnung dem Gesundheitsschutz der Verbraucher dienten. Zudem verschaffe sich derjenige, der Kosmetikartikel ohne die fragliche Deklaration in den Verkehr bringe, einen unlauteren Vorsprung vor seinen gesetzestreuen Mitbewerbern. Das Landgericht hat durch Urteil vom 22. Januar 2004 die Beklagte antragsgemäß unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken kosmetische Lippenpflegestifte ohne Angabe der Firmierung sowie der Anschrift oder des Firmensitzes der Beklagten und /oder einer Liste der Bestandteile nach Maßgabe des § 5 a Kosmetikverordnung auf den Behältnissen der Lippenpflegestifte und/oder den Verpackungen und/oder einer Packungsbeilage anzubieten und/oder zu vertreiben und/oder in den Verkehr zu bringen. Die Beklagte habe mit der Lieferung der Lippenpflegestifte an die S einen Wettbewerbsverstoß gemäß § 1 UWG in Verbindung mit § 5, 5 a Kosmetikverordnung begangen. Die Beklagte habe die Lippenstifte an die S nämlich ohne die nach § 5 Abs. 1 Ziff. 1 der Kosmetikverordnung gebotenen Namens- und Sitzangaben vom Hersteller und weiter ohne die nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. § 5 a Kosmetikverordnung geforderte Bestandteilliste geliefert. Bei dieser Lieferung habe es sich auch um eine die Deklarationspflicht auslösende Auslieferung gehandelt. Der Hinweis der Beklagten darauf, daß sie der S vereinbarungsgemäß die Deklaration übertragen habe, ändere nichts daran, daß sie die Lippenpflegestifte unter den gegebenen Umständen "gewerbsmäßig in den Verkehr gebracht hat". Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, keine "Endprodukte" geliefert zu haben. Es sei unerheblich, daß die Beklagte bestreite, daß ihre Lippenstifte nach § 5 Abs. 1 Nr. 4, 5 a der Kosmetikverordung angabepflichtige Bestandteile enthielten. § 5 a der Kosmetikverordnung verlange die Angabe aller Bestandteile und mache davon lediglich eine Ausnahme für einzelne wenige Stoffe, die nicht als Bestandteile von Kosmetikartikel gelten sollten. Anhaltspunkte oder Vortrag dafür, daß die Lippenstifte der Beklagten nur aus diesen Nicht-Bestandteilen kosmetischer Mittel bestehen, fehle. Der Einwand der Beklagten, der Klageantrag sei zu eng gefaßt, treffe nicht zu. Die Beklagte übersehe, daß die Kennzeichnung nach § 4 Abs. 1 Kosmetikverordnung, die eine Identifizierung der Herstellung ermöglichen solle, nicht die deklarationspflichtigen Angaben nach § 4 Abs. 2 Kosmetikverordnung, um die es hier gehe, ersetze, sondern neben jenen Angaben erforderlich sei. Die gewerbsmäßige Abgabe der Lippenstifte ohne die nach der Kosmetikverordnung nötige Deklaration verstoße gegen § 1 UWG, weil die Beklagte damit die Gesundheit der Verbraucher schützende Normen mißachtet habe und sich weiter damit einen unzulässigen Wettbewerbsvorsprung vor ihren Mitbewerbern durch Rechtsbruch verschafft habe. Wegen des Inhaltes des Urteils im einzelnen wird auf Bl. 55 f. d. A. verwiesen. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der sie ihr erstinstanzliches Klageabweisungsbegehren weiter verfolgt. Die Beklagte behauptet, die S sei gesellschaftsrechtlich mit der Klägerin eng verbunden. Der Mitgesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin sei auch Gesellschafter der S OHG T2. Dazu legt die Beklagte erstmals in der Berufungsinstanz eine Auskunft der Kreditreform vom 29. Dezember 2003 vor (vgl. Fotokopie Bl. 88 f. d. A.). Die Beklagte behauptet - erstmals in der Berufungsinstanz unter Beweisantritt -, daß die Bestellung der S allein dazu gedient habe, einen Wettbewerbsverstoß zu provozieren. Der Zeuge T habe ausdrücklich auf Geheiß der Geschäftsleitung der Klägerin eine Lieferung ohne Deklaration verlangt. Deshalb handele die Klägerin mißbräuchlich, wenn sie sich nunmehr auf diese Bestellung zur Begründung ihres Verbotsbegehrens berufe. Darauf sei das Landgericht in seiner Entscheidung zu Unrecht nicht eingegangen. Abgesehen davon erfülle die Klägerin nach den jüngsten Informationen der Beklagten selbst nicht die gesetzliche Kennzeichnungspflicht. Die Klägerin kennzeichne die Inhaltsstoffe nämlich nur auf den Innenseiten der Lippenpflegestifte. Deshalb müsse sich die Klägerin den Einwand der "unclean hands" entgegenhalten lassen. Daß es der Klägerin nur darum gehe, Mitbewerber auszuschalten, belege der Umstand, daß die Klägerin auch die L2 GmbH nach einem provozierten Wettbewerbsverstoß habe abmahnen lassen. Die Beklagte beantragt, das am 22. Januar 2004 verkündete Urteil des Landgerichts Arnsberg (AZ.: 8 O 249/03) aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die gegnerische Berufung zurückzuweisen. Die Klägerin bestreitet einen provozierten Wettbewerbsverstoß und behauptet, daß der Zeuge T eine vollkommen normale Bestellung von Lippenpflegestiften aufgegeben habe. Es sei nicht eine Lieferung ohne Deklaration verlangt worden. Andere als die mit der Klage vorgelegten Unterlagen - Rechnung, Lieferschein - seien der S nicht zugegangen. Der Testkauf sei nicht vorgenommen worden, um die Beklagte hereinzulegen. Wegen des Inhaltes der Parteivorträge im einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Entscheidungsgründe: Die Berufung der Beklagten ist, abgesehen von der Kostenentscheidung unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht das begehrte Verbot ausgesprochen. Zur Verbotsbegründung wird auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils verwiesen. Ergänzend wird folgendes ausgeführt: Nachdem zwischenzeitlich die Neufassung des UWG in Kraft getreten ist, gilt vorliegend als Anspruchsgrundlage nunmehr § 3 UWG in Verbindung mit § 4 Abs. 11 UWG. Da die Klägerin ein Verbot für die Zukunft begehrt, ist diese Vorschrift nunmehr maßgebend. Danach begeht der Mitbewerber einen Wettbewerbsverstoß, der einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Die Vorschriften der Kosmetikverordnung weisen diesen erforderlichen Wettbewerbsbezug auf. Denn sie regeln wie die Preisangabenverordnung, wie die Ware im Wettbewerb angeboten werden muß. Diesen Verstoß der Beklagten gegen die Kosmetikverordnung hat das Landgericht zu Recht festgestellt. Es liegt auch eine unlautere Wettbewerbshandlung i. S. d. § 3 UWG vor, die geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbeweber und der Verbraucher nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Es liegt schon unter dem Gesichtspunkt der Nachahmungsgefahr kein solcher Bagatellfall vor, den das Wettbewerbsrecht nicht unterbinden will. Gerade die einheitliche Anwendung der Kosmetikverordnung ist die notwendige Garantie dafür, daß der beabsichtigte Schutz der Verbraucher lückenlos gewährleistet ist. Zu Unrecht beruft sich die Beklagte darauf, daß es sich um einen provozierten Testkauf gehandelt habe, der die Beklagte nicht verantwortlich mache. Es ist unerheblich, wenn die Anregung zum Gesetzesverstoß vom Testkäufer ausgegangen ist. Der Verletzer soll ja gerade auch für diesen Fall seine Gesetzestreue beweisen (Pastor/Ahrens "Der Wettbewerbsprozeß", 4. Aufl., Kap. 32, Rdz. 26). Erst wenn der Testkäufer den Verletzer - anders als ein normaler Kunde - gewissermaßen in den Verstoß treibt, kann ein solcher Testkauf nicht mehr als Beleg für die Gesetzesuntreue des Verletzers dient (vgl. die Beispielsfälle bei Pastor/Ahrens a. a. O., Kap. 32, Rdz. 32 Fußn. 65). Von einer solchen Drucksituation der Beklagten kann hier nicht ausgegangen werden. Der Vermerk des Zeugen L auf der Auftragsbestätigung läßt vielmehr nur den Schluß auf eine normale Bestellung zu, bei der der Kunde allenfalls besondere Wünsche geäußert hat. Solche Wünsche auf ihre Vereinbarkeit mit den gesetzlichen Vorschriften zu überprüfen, ist aber gerade Aufgabe des Lieferanten. Er muß dann den Kunden auf diese Gesetzeslage hinweisen und gerade gegenüber solchen gesetzwidrigen Bestellwünschen seine Gesetzestreue beweisen. Der Einwand der "unclean hands" verfängt schon deshalb nicht, weil der hier in Rede stehende Gesetzesverstoß auch Interessen der Allgemeinheit, insbesondere der Verbraucher berührt (vgl. Köhler/Pieper UWG, 3. Aufl., vor § 13 Rdz. 167 m. w. N.). Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Gemäß § 281 Abs. 3 ZPO sind der Klägerin aber die Kosten aufzuerlegen, die durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichts Münster entstanden sind (vgl. Zöller, ZPO, 24. Aufl., § 281 Rdz. 21). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziff. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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