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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 03.06.2005
Aktenzeichen: 4 U 6/05
Rechtsgebiete: ZPO, UWG


Vorschriften:

ZPO § 253 Abs. 2 S. 2
ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 3
UWG § 2 Abs. 1 Nr. 1
UWG § 3
UWG § 5
UWG § 5 Abs. 1
UWG § 5 Abs. 2 Nr. 1
UWG § 8 Abs. 1
UWG § 8 Abs. 3 Nr. 1
UWG § 12 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Antragsgegners gegen das am 11. November 2004 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts N wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es am Ende des Verbotstenors wie folgt heißt: "wie geschehen in der Plakatwerbung auf Seite 4 des Tatbestandes des angefochtenen Urteils".

Der Antragsgegner trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe: Die Berufung ist unbegründet. Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch als Verfügungsanspruch zu und es besteht auch ein Verfügungsgrund. 1) Der Antrag auf Unterlassung, im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs ein Ballett, das nicht das original Bolshoi Ballett ist, mit "Bolshoi Ballett Gala" zu bewerben oder bewerben zu lassen, insbesondere zu behaupten oder behaupten zu lassen, das "große russische Festivalballett" präsentiere die "Bolshoi Ballett Gala", ist bestimmt genug im Sinne des § 253 Abs. 2 S. 2 ZPO, zumal die Antragstellerin mit dem insbesondere-Zusatz auf die konkrete Verletzungshandlung Bezug nimmt und nun das entsprechende Werbeplakat auch noch in den Antrag einbezogen hat, da es auf den Gesamteindruck entscheidend ankommt. 2) Der Antragstellerin kommt bei Vorliegen des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG zu Gute. Diese ist auch im vorliegenden Fall nicht widerlegt worden. a) Die Antragstellerin hat vorgetragen, dass sie erst am 8. Oktober 2004 Kenntnis von der beanstandeten Werbung des Antragsgegners erlangt hat. Das hat die Zeugin X auch so an Eides statt versichert. Es trifft nicht zu, dass die Zeugin sich im Hinblick auf den Termin der Kenntnisnahme widersprochen hat. Nach dem im Original vorliegenden Protokoll hat sie auch in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer des Landgerichts nichts Anderes gesagt. Der Verfügungsantrag ist bereits am 28. Oktober 2004 bei Gericht eingegangen und damit in kürzerer Zeit als einem Monat nach Kenntniserlangung. Damit kann nicht angenommen werden, dass es die Antragstellerin mit einer Eilregelung doch nicht so eilig hatte, wie zu vermuten war. b) Eine frühere positive Kenntnis der Antragstellerin hat der Antragsgegner nicht glaubhaft gemacht. Sie ist hier auch nicht als Folge besonderer Umstände ausnahmsweise zu vermuten. Selbst wenn die Werbung jedenfalls schon seit Mai 2004 so ins Internet gestellt worden sein sollte, musste die Antragstellerin davon nicht zwangsläufig Kenntnis nehmen. Auch die eidesstattliche Versicherung des Zeugen T ergibt nichts Anderes. Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Zeuge angesichts eines Gesprächs am 30. September 2004 nur vermutet hat, dass der Zeuge Y schon früher erhebliche Kenntnisse über die vom Antragsgegner beworbenen Ballett-Veranstaltungen gehabt haben müsse. Das lässt aber keinen sicheren Schluss darauf zu, ob und wann genau der Zeuge Y auch die beanstandete Werbeaussage in der erforderlichen Weise zur Kenntnis genommen hat. Ferner ist auch nicht erkennbar, dass es innerhalb des Betriebs der Antragstellerin gerade (auch) die Aufgabe dieses Zeugen als regional tätigem Mitarbeiter gewesen ist, auf solche Wettbewerbsverstöße zu achten und sie der Geschäftsleitung umgehend mitzuteilen. Nur dann könnte eine entsprechende frühere Kenntnis des Mitarbeiters Y auch der Antragstellerin zugerechnet werden. Die Antragstellerin hat sogar vorgetragen, der Zeuge Y sei nicht einmal ihr Angestellter. Der Antragsgegner hätte das Gegenteil vortragen müssen. Derartigen Vortrag gibt es aber nicht. 3) Der Unterlassungsanspruch der Antragstellerin ergibt sich hier aus §§ 8 Abs. 1., 3, 5 UWG, weil die beanstandete Werbeaussage irreführende Angaben zum Gegenstand gehabt hat. a) Die Antragstellerin ist als Mitbewerberin des Antragsgegners nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktivlegitimiert. Sie steht zu ihm in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis, was die Veranstaltung von Konzerten und Ballettabenden und damit ein Angebot gleichartiger Dienstleistungen in einem sich teilweise überschneidenden örtlichen Bereich angeht. Dagegen hat sich der Antragsgegner auch mit seiner Berufung nicht gewandt. b) Ein Unterlassungsanspruch setzt nach § 8 Abs. 1 UWG voraus, dass der Antragsgegner mit der beanstandeten Werbung für seine Veranstaltungsreihe eine unlautere Wettbewerbshandlung im Sinne des § 3 UWG vorgenommen hat. Nach § 5 Abs. 1 UWG handelt er insbesondere dann unlauter, wenn er irreführend wirbt. Eine Werbung ist irreführend, wenn die Gefahr besteht, dass die in ihr enthaltenen Angaben einen unrichtigen Eindruck hervorrufen. Die Irreführung muss zudem geeignet sein, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. aa) Die beanstandete Werbung des Antragsgegners diente der Förderung des eigenen Absatzes und ist damit unzweifelhaft eine Wettbewerbshandlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. bb) Die beanstandete Plakatwerbung ist irreführend. Dabei sind nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG alle ihre Bestandteile zu berücksichtigen. Das sind hier auch die Angaben über die betriebliche Herkunft und die besonderen Merkmale der Dienstleistungen. Entscheidend ist, welchen Inhalt die angesprochenen Verkehrskreise der Werbeaussage in ihrer konkreten Verletzungsform entnehmen und ob dieser mit der Wirklichkeit übereinstimmt. (1) Adressaten der beanstandeten Werbung sind im vorliegenden Fall die Verbraucher, die an dem Besuch der beworbenen Veranstaltungen interessiert sind. Es sind die an Kunst und Kultur interessierten Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder des Senats gehören. Sie sind durchschnittlich informiert und verständig und situationsbedingt aufmerksam. Jedenfalls ein nicht unerheblicher Teil dieser Verkehrskreise entnimmt der Werbeaussage aber entweder, dass die angebotenen Leistungen vom Staatlichen Ballett des Bolshoi Theaters in Moskau als besonderem Festivalballett selbst erbracht werden, oder jedenfalls, dass künstlerische, organisatorische oder wirtschaftliche Überschneidungen oder jedenfalls Beziehungen des veranstaltenden Festivalballetts mit dem Bolshoi-Ballett aus Moskau bestehen, die es rechtfertigen, eine "Bolshoi-Ballett-Gala" anzubieten. Denn unter einer solchen Gala können die angesprochenen Verbraucher nur verstehen, dass ihnen festliche Ballettkunst auf dem hohen Niveau des Bolshoi-Balletts geboten wird. Das ergibt sich auch und gerade unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Plakatwerbung. Denn die angesprochenen Verkehrskreise kennen ganz überwiegend das Grosse Russische Festivalballett, das zum Zeitpunkt der Werbung noch nicht als Ballett in Deutschland aufgetreten war, nicht als eigenständiges Ballett. Umso bekannter ist bei allen, die auch an dem Besuch eines Balletts interessiert sind, das weltberühmte Ballett-Ensemble des Bolshoi Theaters in Moskau, das für viele sogar als das russische Ballett schlechthin gilt. Sie werden deshalb von der auch noch hervorgehobenen Ankündigung "Bolshoi Ballett Gala" besonders angesprochen und transportieren ihre Gütevorstellungen, die sie in Bezug auf das Bolshoi-Ballett haben, auf die beworbene Veranstaltung. Davon, dass "Bolshoi" hier als Adjektiv benutzt werden könnte, gehen die angesprochenen Verbraucher nicht aus, weil sie in der ganz überwiegenden Mehrzahl schon nicht wissen, dass "bolshoi" großartig bedeuten kann. Die anderen mit Bolshoi bezeichneten Anbieter von Dienstleistungen oder die gleichnamige Sonnenbrille von Dior sind den Verkehrskreisen, auf die es ankommt, jedenfalls überwiegend kein Begriff. Sie verbinden "Bolshoi" ausschließlich mit Ballett, und zwar einem besonders bekannten und guten. (2) Dieses Verständnis der Werbung stimmt mit der Wirklichkeit nicht überein. Es geht hier nicht um einen Auftritt des weltberühmten Bolshoi Balletts und das Große Russische Festival Ballett hat auch künstlerisch, organisatorisch und wirtschaftlich nichts mit dieser Institution des russischen Balletts zu tun, so dass der Verbraucher die damit verbundenen Gütevorstellungen zu Unrecht auf das bislang unbekannte Ballett überträgt. Der Antragsgegner behauptet nun erstmals in der Berufungsinstanz, dass jedenfalls eine Tänzerin des Bolshoi Balletts beim Großen Festival Ballett mitwirken wird. Die Antragstellerin ist dem entgegengetreten. Es spricht schon viel dafür, dass diese neue Behauptung des Antragsgegners schon nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen wäre. Selbst wenn sie aber zugelassen und glaubhaft gemacht werden könnte, würde auch die Mitwirkung einer solchen Tänzerin nichts daran ändern, dass die erweckten Qualitätsvorstellungen nicht erfüllt werden können. Denn eine einzelne Solistin kann den beworbenen Ballettabend nicht so entscheidend mitprägen, dass er in künstlerischer, organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht einem Auftritt des Bolshoi Balletts Moskau gleichkommen könnte. (3) Eine solche Fehlvorstellung der Verbraucher ist hier auch wettbewerbsrechtlich relevant. Dazu ist erforderlich, dass die täuschende Werbeangabe gerade wegen ihrer Unrichtigkeit bei ungezwungener Betrachtung geeignet ist, die wirtschaftliche Entschließung des Publikums zu beeinflussen. Daran fehlt es etwa, wenn sie einen für die spätere Begründung einer Vertragsbeziehung ganz nebensächlichen Punkt betrifft. Das ist hier aber bei der beschriebenen Herkunftstäuschung nicht der Fall. Die Werbung ist dazu geeignet, den betroffenen Verkehr im Sinne einer falschen Wertschätzung der beworbenen Leistungen zu beeinflussen und zu einem Besuch einer der Veranstaltungen zu veranlassen. Es genügt dabei für die Relevanz, dass die Fehlvorstellung für die wirtschaftliche Entschließung eines nicht unerheblichen Teils der angesprochenen Verkehrskreise Bedeutung hat (BGH GRUR 1981, 71, 73 - Lübecker Marzipan). Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziffer 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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