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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 18.10.2004
Aktenzeichen: 4 UF 217/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 647 Abs. 1
ZPO § 648
ZPO § 648 Abs. 2
ZPO § 652
ZPO § 652 Abs. 2
ZPO § 654
ZPO § 694 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Es wird festgestellt, dass das Amtsgericht - Familiengericht - Dortmund über die Einwendungen des Antragsgegners vom 6.5.2004 gegen den Antrag auf Fest-setzung von Unterhalt zu entscheiden hat.

Gründe: I. Die Antragstellerin hat unter dem 17.3.2004 Unterhaltsfestsetzung im vereinfachten Verfahren beantragt. Mit Verfügung vom 19.4.2004 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Dortmund dem Antragsgegner eine Abschrift des Antrags zur Stellungnahme zustellen lassen. Unter dem 4.6.2004 hat die Rechtspflegerin des Familiengerichts die Fertigung des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses gemäß anliegendem Muster, die Wiedervorlage des Beschlusses zur Unterschrift und die Zustellung der Entscheidung nebst Vordrucksatz an den Antragsgegner verfügt. Ausweislich des Erledigungsvermerkes ist der Beschluss vom 4.6.2004 am 8.6.2004 von der Rechtspflegerin unterzeichnet worden. Auf der Verfügung befindet sich kein Vermerk des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle darüber, wann die Beschlussausfertigung gefertigt und zur Post gegeben worden ist. Am 11.6.2004 ist beim Amtsgericht Dortmund der Vordruck für Einwendungen gem. § 648 ZPO des Antragsgegners vom 6.5.2004 eingegangen. In der Rubrik "freiwillige Angaben" ist kenntlich gemacht, dass der Antragsgegner von den Rechtsanwälten I und Partner beraten worden ist. Ausweislich der Postzustellungsurkunde ist der Beschluss vom 4.6.2004 dem Antragsgegner am 14.6.2004 zugestellt worden. Unter dem 15.6.2004 hat die Rechtspflegerin bei den Rechtsanwälten I angefragt, ob mit den Einwendungen vom 6.5.2004 Beschwerde eingelegt werde. Mit Verfügung vom 30.7.2004 hat sie die Rechtsanwälte I an die Begründung der Beschwerde erinnern lassen. Eine Reaktion durch die Rechtsanwälte ist nicht erfolgt. Hierauf verfügte die Rechtspflegerin unter dem 24.9.2004 die Übersendung der Akten an das Oberlandesgericht Hamm zur Entscheidung über "die als sofortige Beschwerde geltenden Einwendungen gem. § 652 ZPO". II. Nicht der Senat, sondern das Familiengericht hat über die Einwendungen des Antragsgegners vom 6.5.2004 zu entscheiden. Denn es lässt sich nicht feststellen, dass der Antragsgegner gegen den Beschluss vom 4.6.2004 sofortige Beschwerde gem. § 652 ZPO eingelegt hat. 1. Der Wille des Antragsgegners kann sich zum Zeitpunkt der Formulierung und Absendung seiner Einwendungen nicht darauf bezogen haben, die Rechtswirkungen des Beschlusses vom 4.6.2004 zu beseitigen. Denn der Antragsgegner hat die Einwendungen gem. § 648 ZPO erhoben, bevor ihm der Beschluss vom 4.6.2004 zugestellt worden ist. 2. Es entspricht auch nicht der Interessenlage des Antragsgegners, seine Einwendungen als sofortige Beschwerde auszulegen. a) Eine Beschwerde kann erst wirksam eingelegt werden, wenn die angefochtene Entscheidung existent geworden ist, also nicht vorsorglich gegen die zu erwartende Entscheidung (Zöller-Gummer, ZPO, 24. Auflage, Rnr. 14 zu § 567 ZPO). Nicht zu verkündende Beschlüsse werden wirksam, wenn sie mit Willen des Gerichts aus dem inneren Geschäftsbetrieb heraustreten (Zöller-Vollkommer, Rnr. 18 zu § 329 ZPO). Aus dem Inhalt der Akten lässt sich mangels Abvermerks nicht ersehen, wann der Beschluss aus dem inneren Geschäftsbetrieb gelangt ist. Es ist also möglich, dass der Beschluss zum Zeitpunkt des Eingangs der Einwendung als beschwerdefähige Entscheidung noch gar nicht existent war. b) Nach dem derzeitigen Sachstand hat das Familiengericht inhaltlich auch deshalb über die Einwendungen zu entscheiden hat, weil nicht auszuschließen ist, dass der Festsetzungsbeschluss zum Zeitpunkt des Eingangs der Einwendungen noch nicht im Sinne von § 648 Abs. 3 ZPO verfügt worden war. Der Senat schließt sich hinsichtlich der Streitfrage, wann ein Festsetzungsbeschluss i.S. § 648 Abs. 3 ZPO verfügt ist, der Auffassung an, wonach eine Verfügung erst dann gegeben ist, wenn der Beschluss aus dem inneren Geschäftsbetrieb herausgelangt ist (so auch OLG Frankfurt, FamRZ 2001, 109; Zöller-Philippi, Rnr. 12 zu § 648 ZPO; Musielak-Borth, ZPO, 4. Auflage, Rnr. 9 zu § 648 ZPO; a.A. - schon mit Unterzeichnung des Beschlusses: OLG Hamm - 5. Senat für Familiensachen - FamRZ 2000, 901; OLG Brandenburg, FamRZ 2001, 1078). Dieses Verständnis der Vorschrift befindet sich in Übereinstimmung mit der Auslegung des § 694 Abs. 1 ZPO durch die höchstrichterliche Rechtsprechung, in welchem das Gesetz ebenfalls auf den Zeitpunkt der Verfügung einer gerichtlichen Entscheidung (des Vollstreckungsbescheides) als Grenze für die Zulässigkeit des Widerspruchs im Mahnverfahren abstellt; nach Auffassung des BGH (NJW 1982, 888, 889; NJW 1983, 633) ist eine Verfügung entsprechend den allgemeinen Grundsätzen für die Wirksamkeit gerichtlicher Entscheidungen erst dann gegeben, wenn die gerichtliche Entscheidung zur Kenntnis von Personen außerhalb des Gerichts hinausgegeben wird. Der Gesetzgeber hat sich nicht für eine feste Einwendungsfrist entschieden, sondern dem Antragsgegner die Möglichkeit gelassen, bis zur Verfügung des Gerichts wirksam seine Einwendungen geltend zu machen. Hierdurch soll offenbar das aufwändige Abänderungsverfahren gem. § 654 ZPO vermieden werden. Dieser Intention des Gesetzgebers wird nur eine Auslegung gerecht, die in Übereinstimmung mit anderen Vorschriften der Zivilprozessordnung und den allgemeinen Grundsätzen für das Wirksamwerden gerichtlicher Entscheidungen auf den letzten Akt gerichtlichen Handelns abstellt, der in der Herausgabe des Beschlusses in den äußeren Geschäftsgang besteht (vgl. hierzu auch BGH, FamRZ 2004, 1368). Das Familiengericht wird zu überprüfen haben, ob die Verfügung des Beschlusses im oben genannten Sinne vor dem Zugang der Einwendungen erfolgt ist. Sollte die zeitliche Reihenfolge nicht festgestellt werden können, geht die Ungewissheit zu Lasten des Antragsgegners. Denn er hatte die Möglichkeit, innerhalb der Frist des § 647 Abs. 1 ZPO seine Einwendungen vorzubringen. Wenn er sich an diese zeitliche Grenze nicht hält, erscheint es sachgerecht, es zu seinen Lasten wirken zu lassen, wenn die Rechtzeitigkeit seiner Einwendungen nicht mehr aufgeklärt werden kann (so auch zu § 694 ZPO: BGH NJW 1982, 888, 889). c) Sollten die Einwendungen nicht rechtzeitig erfolgt sein, spricht das im Übrigen nicht für ein Interesse des Antragsgegners, diese als sofortige Beschwerde aufzufassen. Denn die vom Antragsgegner erhobenen Einwendungen gem. § 648 Abs. 2 ZPO könnten dann gem. § 652 Abs. 2 ZPO auch nicht mehr im Beschwerdeverfahren geltend gemacht werden, die sofortige Beschwere wäre also unzulässig. 3. Schließlich lässt sich auch nichts für die Auffassung des Familiengerichts daraus herleiten, dass die Rechtsanwälte I auf die Verfügungen des Gerichts nicht reagierten. Dem Schweigen kommt nach allgemeinen Grundsätzen grundsätzlich keine Erklärungsbedeutung zu. Darüber hinaus haben die Rechtsanwälte in dem Verfahren nicht die Vertretung des Antragsgegners angezeigt, sondern lediglich kundgetan, dass der Antragsgegner von ihnen beraten worden sei, so dass gerichtliche Anfragen an den Antragsgegner persönlich hätten gerichtet werden müssen.

Ende der Entscheidung

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