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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 24.04.2008
Aktenzeichen: 4 W 48/08
Rechtsgebiete: UWG, TMG, BGB, BGB-InfoV


Vorschriften:

UWG § 2 Abs. 1 Nr. 1
UWG § 3
UWG § 4 Nr. 11
UWG § 8 Abs. 1
UWG § 8 Abs. 3 Nr. 1
UWG § 8 Abs. 4
UWG § 12 Abs. 2
UWG § 13 Abs. 1 S. 1
UWG § 14 Abs. 2 S. 1
TMG § 2 Nr. 1
TMG § 5
BGB § 14
BGB § 275
BGB § 307 Abs. 1
BGB § 307 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 312 c Abs. 1
BGB § 312 c Abs. 1 S. 1
BGB § 326 Abs. 1
BGB § 355
BGB § 446
BGB § 447
BGB § 474 Abs. 2
BGB-InfoV § 1 Abs. 1 Nr. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 10.04.2008 wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 04.04.2008 abgeändert. Der Antragsgegnerin wird es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Internet gegenüber Endverbrauchern Angebote zum Abschluss von Kaufverträgen über Scherzartikel zu unterbreiten bzw. zur Angebotsabgabe für solche Verträge aufzufordern,

a) wenn dem jeweiligen Verbraucher vor Vertragsschluss nicht der Name, eine ladungsfähige Anschrift sowie eine E-Mailadresse des Anbieters zur Verfügung gestellt wird

und/oder

b) wenn der jeweilige Verbraucher nicht vor Abschluss eines Fernabsatzvertrages auf das Bestehen eines Widerrufs- oder Rückgaberechts hingewiesen wird und/oder belehrt wird

und/oder

c) wenn dem jeweiligen Verbraucher dabei die Wahl zwischen einem unversicherten und einem teureren, versicherten Versand der Ware angeboten wird und dabei der nachfolgende oder diesem inhaltsgleiche Hinweis erteilt wird: "Um negativen Bewertungen aus dem Wege zu gehen, muß ich leider ausdrücklich darauf hinweisen, daß für unversicherte Sendungen von mir kein Ersatz geleistet wird, sofern sie abhanden kommen",

jeweils wie geschehen mit dem Internetauftritt der Antragsgegnerin vom 26.03.2008 (Anl. K 6 zur Antragsschrift).

Die Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin nach einem Beschwerdewert von 10.000,- € auferlegt.

Gründe:

I. Das Landgericht hat den auf behauptete Wettbewerbsverstöße der Antragsgegnerin gestützten Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Es hat gemeint, es fehle der Kammer an der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit, da die Anrufung des Landgerichts Dortmund rechtsmissbräuchlich i.S.v. § 8 Abs. 4 UWG sei. Das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers erreiche nicht den für die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts erforderlichen Streitwert. Daneben lege der Umstand, dass sich der Antragsteller an ein Gericht im Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm mit dessen überdurchschnittlich hohen Streitwertfestsetzungen gewandt habe, den Schluss nahe, dass es dem Antragsteller nicht um die Wahrung lauteren Wettbewerbs, sondern lediglich um die Erzielung möglichst hoher Gebühren gehe. Der dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht unter Hinweis auf die seiner Meinung nach weiterhin fehlende örtliche Zuständigkeit nicht abgeholfen.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

1. Hinsichtlich der Verbotsfassung war dabei die folgende Klarstellung angezeigt: Die Anträge c) und d) sind zusammenzufassen, da sich der streitgegenständliche Vorwurf, wie sich auch der Antragsbegründung entnehmen lässt, aus diesen beiden Umständen zusammen ergibt. Die in den Anträgen a) bis c) beanstandeten Verhaltensweisen sollen der Antragsgegnerin sodann sowohl für sich gesehen als auch kumulativ (und/oder) untersagt werden.

2. Der Verfügungsantrag ist zulässig.

Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts ergibt sich streitwertunabhängig aus § 13 Abs. 1 S. 1 UWG.

Die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 14 Abs. 2 S. 1 UWG und entfällt hier entgegen der Ansicht des Landgerichts auch nicht wegen einer vermeintlich rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung des Antrags beim Landgericht Dortmund, und zwar schon deshalb, weil keine hinreichenden Indizien für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Antragstellers, das im Übrigen auch grundsätzlich der Verletzer darzulegen und zu beweisen hätte, ersichtlich sind. Ein Missbrauch i.S.v. § 8 Abs. 4 UWG ist nur anzunehmen, wenn der Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schützwürdige Interessen und Ziele verfolgt, die als beherrschendes Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen (vgl. BGH GRUR 2001, 260, 261 - Vielfachabmahner). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass gerade der Antragsteller sachfremde Interessen verfolgt, sind nicht evident. Allein die Geltendmachung des Antrags bei einem entfernten Gericht ist angesichts des zulässigen fliegenden Gerichtsstands nicht zu beanstanden. Der bloß pauschale Verweis auf vermeintlich allgemein zunehmende Missbrauchsfälle genügt alsdann ebenso wenig wie der Hinweis auf die Höhe der vom Senat angesetzten Streitwerte. Angesichts der grundsätzlich freien Wahlmöglichkeit des Gerichtsstands kann insoweit aus der Anrufung des örtlichen Gerichts nicht auf einen Missbrauch gem. § 8 Abs. 4 UWG geschlossen werden.

Die Antragsbefugnis des ebenfalls Scherzartikel über das Internet vertreibenden Antragstellers folgt aus § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG.

3. Der Verfügungsgrund wird gem. § 12 Abs. 2 UWG vermutet und ist nicht widerlegt, da der Antragsteller am 07.03.2008 vom streitgegenständlichen Verhalten der Antragsgegnerin erfahren und noch binnen der Monatsfrist am 02.04.2008 die einstweilige Verfügung eingereicht hat.

4. Der Antrag ist in der Sache auch begründet. Dem Antragsteller stehen die geltend gemachten Verfügungsansprüche zu.

a) Bei den Regelungen der §§ 5 TMG, 312 c Abs. 1, 355 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV und §§ 307 Abs. 1, 2 Nr. 1 in Verbindung mit 474 Abs. 2, 447, 446 BGB handelt es sich nach der Rechtsprechung des Senats zunächst um Marktverhaltensregelungen im Sinne von 4 Nr. 11 UWG.

b) Das im Internet bestellbare Warenangebot der Antragsgegnerin stellt eine Wettbewerbshandlung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar. Insbesondere fehlt es nicht am erforderlichen Markt- und Unternehmensbezug. Die Antragsgegnerin betreibt ein Unternehmen im Sinne von § 14 BGB. Hierfür reicht jede auf Dauer angelegte, selbstständige wirtschaftliche Betätigung aus, die auf den entgeltlichen Vertrieb von Waren gerichtet ist (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 25. Aufl. 2007, UWG, § 2 Rn. 8). Bereits in Anbetracht des erheblichen Umfangs der vertriebenen Produkte (mit 7.947 Bewertungen seit Juli 2001) kann nicht mehr von rein privaten, keinen Marktbezug aufweisenden Handlungen der Antragsgegnerin ausgegangen werden.

c) Hinsichtlich des Antrags zu a) ist die Antragsgegnerin gem. §§ 8 Abs. 1; 3; 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 5 TMG zur Unterlassung verpflichtet.

Die Antragsgegnerin hat gegen § 5 TMG verstoßen, indem sie als gewerbsmäßig tätiger Anbieter von Telemedien i.S.v. § 2 Nr. 1 TMG nicht ständig ihren Namen, eine ladungsfähige Anschrift und ihre E-Mailadresse verfügbar gemacht hat.

d) Entsprechendes gilt für den Antrag zu b). Der Antragsteller kann insoweit gem. §§ 8 Abs. 1; 3; 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 312 c Abs. 1 S. 1, 355 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV Unterlassung verlangen. Die fehlende Belehrung über das Widerrufs- bzw. Rückgaberecht durch die Antragsgegnerin als Unternehmerin begründet ebenfalls den Vorwurf der Unlauterkeit. Eine Bagatelle ist angesichts der Bedeutung der Informationspfichten für den Verbraucherschutz in diesem Zusammenhang nicht anzunehmen.

e) Schließlich ist auch der Antrag zu c) begründet. Die als AGB zu wertende Regelung über die Versandmöglichkeiten ist insofern unzutreffend, als die Antragsgegnerin als Unternehmer gegenüber einem Verbraucher gemäß §§ 474 Abs. 2, 447, 446 BGB bei einem Versendungskauf über neue Sachen bis zur Übergabe die Gefahr des zufälligen Untergangs trägt, so dass der Verbraucher auch bei einem verlustbedingten Erlöschen des Lieferungsanspruchs gem. § 275 BGB nicht mehr verpflichtet ist, seine Gegenleistung zu erbringen, § 326 Abs. 1 BGB. Einen etwaig bereits bezahlten Kaufpreis können die Verbraucher daher zurückfordern, er ist also nicht verloren.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

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