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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 05.03.2007
Aktenzeichen: 4 W 52/07
Rechtsgebiete: RVG, ZPO


Vorschriften:

RVG § 16 Nr. 2
RVG § 31 Abs. 6
RVG § 56 Abs. 2
RVG § 58 Abs. 2
ZPO § 122 Abs. 1 Ziff. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 19.12.2006 wird der Beschluss des Amtsgerichts Bochum vom 11.12.2006 aufgehoben.

Auf die Erinnerung des Beschwerdeführers vom 02.08.2006 wird der Festsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Bochum vom 13.07.2006 aufgehoben.

Das Festsetzungsverfahren wird zur erneuten Entscheidung, auch über die angefallenen Kosten der Beschwerdeverfahren an das Amtsgericht Bochum zurückverwiesen.

Gründe:

Die zulässige weitere Beschwerde ist begründet.

Das Amtsgericht hat zu Unrecht den Vorschuss der Beklagten in Höhe von 220,00 € auf den Vergütungsanspruch des Beschwerdeführers gegenüber der Landeskasse angerechnet.

Wie die Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts in ihrer Stellungnahme vom 21.06.2007 zu Recht ausführt, ist nach § 58 Abs. 2 RVG der Rechtsanwalt grundsätzlich verpflichtet, sich Zahlungen, die er von seinem Mandanten erhalten hat, auf seinen Vergütungsanspruch gegen die Landeskasse anrechnen zu lassen. Denn der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt soll durch die Zahlung, die er aus der Landeskasse erhält, nicht besser gestellt sein als ein Wahlanwalt, der für die gesetzliche Vergütung tätig wird. Er soll insgesamt nicht mehr erhalten, als er ohne den Entschädigungsanspruch gegen den Staat verlangen könnte. Dem kann er grundsätzlich auch nicht dadurch aus dem Weg gehen, dass er den Vorschuss an die Partei zurückzahlt.

Wie in der Stellungnahme des Weiteren zu Recht ausgeführt wird, werden von dieser Verpflichtung allerdings Ausnahmen gemacht:

Wenn der Anwalt den Vorschuss vor der Bewilligung der Prozesskostenhilfe, aber nach dem Rückwirkungszeitpunkt erhält, kann er sich so stellen lassen, als sei er von vorn herein bereits am Tag der Rückwirkung beigeordnet worden. Er ist dann entsprechend § 122 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO berechtigt, den Vorschuss zurückzuzahlen und sich aus der Staatskasse die Prozesskostenhilfevergütung ohne Anrechnung festsetzen zu lassen (OLG Bamberg, JurBüro 1985, 730). Das Landgericht ist im angefochtenen Beschluss davon ausgegangen, dass dieser Gesichtspunkt im vorliegenden Fall nicht greift, weil eine Rückwirkung der Prozesskostenhilfe hier allenfalls auf den Zeitpunkt in Betracht komme, zu dem die Voraussetzungen der Bewilligung der Prozesskostenhilfe geschaffen worden seien, nämlich mit dem Eingang der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten, was erst am 02.02.2006 erfolgt sei. Zu diesem Zeitpunkt sei der Vorschuss aber schon vollständig gezahlt worden. Denn die letzte Rate ist unstreitig schon am 01.02.2006 geleistet worden. Dieser Ansicht hat sich die Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Hamm in ihrer Stellungnahme vom 21.06.2007 angeschlossen.

Das Berufungsgericht hatte der Beklagten durch Beschluss vom 03.03.2006 Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz bewilligt, ohne insoweit ausdrücklich zu bestimmen, ab welchem Zeitpunkt die Prozesskostenhilfe bewilligt werden solle.

Letztlich können diese mit der Rückwirkung der Prozesskostenhilfebewilligung zusammenhängenden Fragen hier aber offen bleiben. Denn es greift hier der zweite Ausnahmefall fehlender Anrechnungspflicht, wie er auch in der Stellungnahme der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Hamm vom 21.06.2007 dargelegt worden ist.

Die Verwaltungsabteilung hat insoweit ausgeführt, dass als weitere Ausnahme von der gesetzlich vorgesehenen Anrechnungsverpflichtung zuzulassen sei, dass der beigeordnete Anwalt und sein Auftraggeber vor der Beiordnung vereinbaren, dass ein gezahlter Vorschuss zurückgezahlt werden solle, wenn Prozesskostenhilfe bewilligt und eine Beiordnung erfolgen wird. Dies folge aus dem Grundsatz der Privatautonomie. Dabei liege insbesondere kein zu missbilligender Vertrag zu Lasten Dritter vor. Der Anwalt, der zunächst für die Partei im Prozesskostenhilfeverfahren tätig werden solle, habe ein geschütztes Interesse daran, seine insoweit entstehende Vergütung (vgl. Nr. 335 VV-RVG) durch einen Vorschuss für den Fall zu sichern, dass es nicht zur Bewilligung der Prozesskostenhilfe komme und diese Gebühr nicht in der Verfahrensgebühr für das Klageverfahren aufgeht, § 16 Nr. 2 RVG. Auf der anderen Seite sei es gerade Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe, der Partei durch Übernahme ihrer Prozesskosten die Prozessführung zu ermöglichen, so dass die Staatskasse im Falle der Bewilligung die Rückzahlung eines unter Vorbehalt geleisteten Vorschusses gegen sich gelten lassen müsse. Die Staatskasse habe keinen Anspruch darauf, dass nur unbedingt geleistet werde (OLG Hamm Beschluss vom 20.01.1986 - 6 WF 675/85; Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., § 58 RVG RdNr. 12; Riedel/Sußbauer/Schmahl, RVG, 9. Aufl., § 58 RdNr. 11; AnwK-RVG/Schnapp/N.Schneider, § 58 RdNr. 23).

Etwas anderes gelte dann, wenn die Partei den Vorschuss vorbehaltlos geleistet habe. Denn dann habe sie tatsächlich eine Verbindlichkeit getilgt. Die nachträgliche Umwidmung der Erfüllungshandlung würde eine unzulässige Vereinbarung zu Lasten Dritter darstellen, die auch mit dem Grundsatz der Privatautonomie nicht vereinbar wäre (Schinkels in: jurisPK-BGB, 3. Aufl. 2006 § 328 RdNr. 39).

Diesen überzeugenden Ausführungen der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Hamm vom 21.06.2007 schließt sich der Senat an.

Hier hat der Beschwerdeführer bereits in seinem Festsetzungsantrag vom 12.04.2006 (Bl. 203 d.A.) zu den von der Beklagten geleisteten Vorschusszahlungen i.H.v. 220,00 € ausgeführt, dass diese nur für den Fall der Ablehnung des PKH-Gesuches gezahlt worden und deshalb nicht anrechenbar seien.

In seinen Schriftsätzen vom 08.05.2006 (Bl. 208 d.A.), 13.06.2006 (Bl. 211 d.A.) und 11.07.2006 (Bl. 218 d.A.) hat der Beschwerdeführer klarstellend ausgeführt, dass der Vorschuss von der Beklagten nur für den Fall gezahlt worden sei, dass PKH nicht oder nicht vollständig bewilligt wird. Im Falle der Bewilligung der PKH sei der Vorschuss zurückzuzahlen.

In der Begründung zu seiner weiteren Beschwerde führt der Beschwerdeführer hierzu noch einmal aus, dass durch die Zahlung des Vorschusses gewährleistet werden sollte, dass ihm (wenigstens) die Gebühr gem Nr. 3335 VVRVG zufließen sollte, falls Prozesskostenhilfe abgelehnt würde. Seine Mandantin sei hierüber informiert worden, auch darüber, dass ohne Zahlung eines Vorschusses keine Berufungsbegründung und auch kein PKH-Gesuch eingereicht werden würde (Bl. 255 f. d.A.).

Der Beschwerdeführer hat damit eine Rückzahlungsvereinbarung mit seiner Mandantin hinreichend glaubhaft gemacht und damit den Ausnahmefall von der gesetzlich vorgesehenen Anrechnungsverpflichtung dargetan. Soweit das Landgericht im angefochtenen Beschluss aus Indizien gefolgert hat, dass eine entsprechende Vereinbarung nicht getroffen worden sei, hält dies gegenüber den glaubhaften Versicherungen des Beschwerdeführers nicht stand. Eine der Beklagten bewusste Rückzahlungsbestimmung kann nicht deshalb verneint werden, weil der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Berufungsbegründung erst und genau zu dem Zeitpunkt verfasst wurde (01.02.2006), als der Vorschuss von 220,00 € von der Beklagten vollständig gezahlt war. Auch einer rechtsunkundigen Mandantin musste klar sein, dass ihr Anwalt vor Zahlung des vollständigen Betrages für sie nicht weiter tätig werden würde und es bei der bloßen Berufungseinlegung verbleiben würde. Die mit der Berufungseinlegung verbundenen Tätigkeiten waren für den Anwalt - anders als die Fertigung der Berufungsbegründungsschrift und/oder der Begründung des Antrages von Prozesskostenhilfe - nicht besonders zeitaufwendig und mühevoll. Dagegen musste das PKH-Gesuch von dem Prozessbevollmächtigten schon allein wegen der Erfolgsaussicht begründet werden. Ebenso mussten die notwendigen Unterlagen bzgl. der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse von der Partei angefordert und geprüft werden, wie die Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Hamm in ihrer Stellungnahme vom 21.06.2007 zu Recht ausgeführt hat.

Der Beschwerdeführer ist mit seinem ergänzenden Vortrag auch nicht ausgeschlossen, auch wenn die weitere Beschwerde als Rechtsbeschwerde ausgestaltet ist, §§ 56 Abs. 2, 31 Abs. 6 RVG. Denn der Beschwerdeführer hat von Anfang an erklärt, dass hier der Fall eines lediglich bedingt gezahlten Vorschusses vorliege. Diesen Vortrag durfte das Landgericht im angefochtenen Beschluss aufgrund von ihm gegenteilig gewürdigten Indizien nicht ohne weiteres für unerheblich halten, ohne dem Beschwerdeführer zumindest die Gelegenheit zu geben, sich mit diesen entscheidenden Gesichtspunkten auseinandersetzen zu können. Von daher ist auch in der vorliegenden Instanz der weiteren Beschwerde das Vorbringen des Beschwerdeführers in vollem Umfange zu berücksichtigen, das, wie dargelegt, hier eine bedingte Vorschusszahlung hinreichend glaubhaft macht.

Im Hinblick auf die korrigierte PKH-Liquidation vom 10.07.2007 hat es der Senat für angemessen erachtet, die angefochtenen Entscheidungen lediglich aufzuheben und das Festsetzungsverfahren insgesamt zur erneuten Beschlussfassung an das Amtsgericht zurückzuverweisen, einschließlich der Entscheidung über die Kosten der Beschwerdeverfahren.

Ende der Entscheidung

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