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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 23.05.2005
Aktenzeichen: 4 WF 108/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1360
BGB § 1603 Abs. 2
BGB § 1609 Abs. 2
Zur Mangelverteilung zwischen dem minderjährigen Kind aus erster Ehe und dem haushaltsführenden Ehegatten aus zweiter Ehe des unterhaltspflichtigen Vaters: Der haushaltsführende Ehegatte ist grundsätzlich nicht gehalten, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, um die Leistungsfähigkeit seines unterhaltspflichtigen Ehegatten zugunsten des minderjährigen Kindes zu erhöhen.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 4.4.2005 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Dortmund vom 10.3.2005 teilweise aufgehoben, soweit der Prozesskostenhilfeantrag des Beklagten zurückgewiesen worden ist.

Das Familiengericht wird angewiesen, Prozesskostenhilfe nicht wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussichten zu versagen, soweit sich die Rechtsverteidigung des Beklagten dagegen richtet, einen höheren monatlichen Kindesunterhalt als 203 € ab dem 1.1.2005 zu zahlen.

Gründe:

Die zulässige sofortige Beschwerde hat in dem aus dem Tenor dieses Beschlusses ersichtlichen Umfang Erfolg.

1.

Der Beklagte ist der Klägerin und seiner Ehefrau aus zweiter Ehe gleichrangig zum Unterhalt verpflichtet (§ 1609 Abs. 2 S. 1 BGB) . Er bezieht eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von monatlich 1.214,26 €. Es verbleibt somit eine Verteilungsmasse unter Ansatz des notwendigen Selbstbehalts von 730 € (vgl. Ziffer 21.2. der Leitlinien des Oberlandesgerichts Hamm zum Unterhaltsrecht, Stand: 1.7.2003, nachfolgend: HLL) in Höhe von 484,26 € monatlich.

Im Rahmen der durchzuführenden Mangelverteilung gem. Ziffer 23 HLL sind für die Klägerin als Einsatzbetrag 384 € (3. Altersstufe, 6. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle) und für die Ehefrau des Beklagten 535 € einzusetzen.

Hieraus errechnet sich eine Mangelquote von (484,26 €/919 €) 52,69 %, die zu einem Kindesunterhaltsanspruch von rund (vgl. Ziffer 25 HLL) 203 € monatlich führt (383 € * 52,69 %).

Entgegen der in dem Nichtabhilfebeschluss des Familiengerichts vom 25.4.2005 geäußerten Rechtsauffassung ist die Ehefrau des Beklagten nicht fiktiv so zu stellen, als ob sie durch eine Erwerbstätigkeit ihre Existenzgrundlage sichern könnte.

Die Ehefrau steht gegenüber der Klägerin in keinem Unterhaltsverhältnis, sodass sie ihr gegenüber auch keine Erwerbsobliegenheit hat.

Gem. § 1360 BGB ist der Beklagte der haushaltsführenden Ehefrau gegenüber zur Leistung von Familienunterhalt verpflichtet; diese erfüllt ihre Verpflichtung, zum Familienunterhalt beizutragen, in der Regel durch die Führung des Haushalts (§ 1360 S. 2 BGB). Soweit - wie vorliegend - wegen der Unterhaltsansprüche des Kindes ein verschärfter Mangelfall vorliegt, ist der Anspruch der Ehefrau auf angemessenen Familienunterhalt bereits eingeschränkt. Ein sogenannter Familiennotstand (vgl. hierzu Göppinger/Wax-Bäumel, Unterhaltsrecht, 8. Auflage, Rnr. 859) kann aber nur insoweit zu einer Erwerbsverpflichtung der Ehefrau führen, als das Existenzminimum beider Eheleute nicht gesichert ist; es besteht darüber hinaus keine Obliegenheit, durch die - neben der Haushaltsführung zusätzliche - Erwerbstätigkeit mittelbar gleichrangige Unterhaltsansprüche eines Dritten zu unterstützen.

Eine andere Wertung führte darüber hinaus zu einer besonders schwerwiegenden materiellen und immateriellen Belastung des Unterhaltspflichtigen.

Denn im Rahmen des Familienunterhalts kann der über Einkommen verfügende Ehegatte seine Leistungsfähigkeit nicht einfach dadurch sichern, dass er Ansprüche Dritter nur im ermäßigten Umfang erfüllt; vielmehr stellen seine Unterhaltsleistungen die materielle Grundlage für den Fortbestand der ehelichen Lebensgemeinschaft dar, deren Ausgestaltung er nicht einseitig vorgeben darf, sondern die im besonderen Maße von der Konsensbildung und gegenseitiger Rücksichtnahme geprägt ist (vgl. §§ 1353 Abs. 1, 1356, 1618 a BGB).

Die Grundsätze der sogenannten Hausmannrechtsprechung (vgl. hierzu Wendl/Staudigl-Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Auflage, § 2, Rnr. 172 f.) stehen den obigen Ausführungen nicht entgegen.

Denn die Hausmannrechtsprechung hat zum Inhalt, dass der neue zweite Ehegatte dem unterhaltspflichtigen Partner durch Übernahme von Haushaltstätigkeiten ermöglichen muss, seine Arbeitskraft für Unterhaltszwecke einzusetzen; es geht hier also nicht darum, dass der neue Ehepartner durch eigene Erwerbstätigkeit seinen Unterhaltsbedarf zu reduzieren hat, um so den Unterhaltspflichtigen zu entlasten.

Dass der Beklagte, der unstreitig eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezieht, zu einer die Deckung des restlichen Unterhaltsbedarfs der Klägerin ermöglichenden Erwerbstätigkeit in der Lage wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

2.

Das Familiengericht wird noch die Bedürftigkeit (§§ 114, 115 ZPO) des Beklagten zu prüfen haben. Die in der Erklärung gem. § 117 Abs. 2 ZPO angegebenen hohen Wohnkosten sind bislang nicht belegt.

Ende der Entscheidung

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