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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 16.07.2007
Aktenzeichen: 4 WF 126/07
Rechtsgebiete: FGG, ZPO, BGB


Vorschriften:

FGG § 15
FGG § 50 Abs. 1
FGG § 50 Abs. 2 Nr. 1
FGG § 50 Abs. 2 Nr. 2
FGG § 50 Abs. 2 Nr. 3
ZPO § 404
BGB § 1632 Abs. 4
BGB § 1666
BGB § 1666a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Dem Antragsgegner zu 1) wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt G bewilligt. Er hat auf die Prozesskosten ab August 2007 monatliche Raten in Höhe von 30,00 € zu zahlen.

2. Auf die sofortigen Beschwerden der Antragsgegner und der Verfahrenspflegerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Dortmund vom 22. 5. 2007 aufgehoben, soweit darin die Entlassung der Verfahrenspflegerin angeordnet worden ist.

Die weitergehende Beschwerde der Antragsgegner wird als unzulässig verworfen.

3. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

Gründe:

(zu 2. und 3.)

A.

Die Antragstellerin und der Antragsgegner zu 1) sind die Eltern des am 30.11.1996 geborenen Kindes B; die Antragsgegner zu 2) sind die Eltern der Antragstellerin. B blieb nach der 2002 oder 2003 erfolgten Trennung ihrer Eltern zunächst bei ihrer allein sorgeberechtigten Mutter. In der Folgezeit soll der neue Partner der Antragstellerin B sexuell missbraucht haben; nach ihrer Darstellung trennte sich die Antragstellerin deshalb von ihm und zog im Sommer 2006 mit B in die Schweiz.

Dort fühlte sich B von Anfang an nicht wohl. Nach einem Besuch in Deutschland in den Herbstferien 2006 blieb sie auf eigenen Wunsch beim Antragsgegner zu 1) bzw. - zeitweise - bei den Antragsgegnern zu 2). Die Antragstellerin akzeptierte dies zunächst und erteilte dem Antragsgegner zu 1) zur Regelung der alltäglichen Angelegenheiten des Kindes eine Vollmacht vom 15. 11. 2006.

Mit Antrag vom 12. 2. 2007 hat die Antragstellerin die Antragsgegner auf Herausgabe des Kindes in Anspruch genommen; die Antragsgegner sind dem entgegen getreten. Der Antragsgegner zu 1) hat zudem Anträge zur elterlichen Sorge und zur Regelung des Schulbesuches gestellt.

Mit Beschluss vom 19. 2. 2007 bestellte das Amtsgericht die Beteiligte zu 4) zur Verfahrenspflegerin für B; mit weiterem Beschluss vom 2. 3. 2007 wurde Frau Dipl.-Sozialpädagogin T beauftragt, "wegen der Frage der Herausgabe ... und wegen der Sorgerechtsfrage allgemein" ein Sachverständigengutachten zu erstellen.

In der Folgezeit kam es wegen der Vorgehensweise der Sachverständigen zu Differenzen zwischen dieser und der Verfahrenspflegerin. Die Sachverständige regte an, sie von ihrem Gutachterauftrag zu entbinden, weil die Verfahrenspflegerin nicht bereit sei, mit ihr an einer einvernehmlichen Lösung für die Familie zu arbeiten; sie habe offen bekundet, dass sie kein Vertrauen in die Arbeit der Sachverständigen habe, und ihre Sichtweise u. a. in ihren Stellungnahmen an das Gericht und in einer Helferkonferenz vom 13. 3. 2007 deutlich zum Ausdruck gebracht. Trotz maßvoller Hinweise sei die Verfahrenspflegerin bei ihrer ablehnenden Haltung geblieben. Die Verfahrenspflegerin vertrat mit Schreiben vom 14. 5. 2007 die Auffassung, die Sachverständige verkenne ihre Aufgaben; Bestandteil ihres Gutachterauftrages sei weder eine therapeutische Tätigkeit noch eine Tätigkeit als sozialpädagogische Familienhelferin.

Im angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht sowohl die Sachverständige als auch die Verfahrenspflegerin von ihren Aufgaben entbunden; zugleich hat es einen neuen Sachverständigen bestellt. Zur Begründung hat es ausgeführt, zwischen der Sachverständigen und der Verfahrenspflegerin sei es zu schwerwiegenden und offensichtlich unüberbrückbaren Spannungen gekommen; hierdurch werde die Entscheidungsfindung blockiert, weil unklar sei, welchen Wahrheitsgehalt die beiderseits abgegebenen Schilderungen besäßen. Es sei davon auszugehen, dass sich zumindest eine der beiden Personen in untragbarer Weise verhalte. Bei einer solchen Sachlage bleibe nur die Entpflichtung beider Personen, denn andernfalls bestehe die Gefahr, dass die falsche Person abgelöst werde und eine Fortsetzung des unsachlichen Verhaltens drohe.

Mit ihren hiergegen eingelegten Beschwerden wenden sich die Antragsgegner und die Beteiligte zu 4) gegen die Entlassung der Verfahrenspflegerin; die Antragsgegner wenden sich zudem gegen die Auswahl des neuen Sachverständigen.

B.

Die Rechtsmittel haben nur teilweise Erfolg.

I.

Soweit sich die Beschwerde der Antragsgegner gegen die Auswahl des Sachverständigen richtet, ist sie bereits unzulässig. Bei Beweisanordnungen handelt es sich regelmäßig um nicht selbständig anfechtbare Zwischenentscheidungen; das gilt auch für die Auswahl des Sachverständigen (vgl. etwa Bumiller-Winkler, Kommentar zum FGG, 8. Auflage, § 19 Rn. 11 m. w. N.), die gem. §§ 15 FGG, 404 ZPO im Ermessen des Gerichts steht.

Den in Bezug auf das (vermutete) methodische Vorgehen des neuen Sachverständigen geäußerten Bedenken der Antragsgegner könnte im Übrigen auch durch eine klare, an den Maßstäben der zu treffenden Entscheidung (§§ 1666, 1666a, ggf. 1632 Abs. 4 BGB) orientierte Aufgabenstellung begegnet werden.

II.

Soweit das Amtsgericht die Entlassung der Verfahrenspflegerin angeordnet hat, sind die Rechtsmittel zulässig und begründet.

1.

Die Beschwerden sind im Streitfall - ausnahmsweise - zulässig.

a)

Auch die Bestellung oder Entlassung eines Verfahrenspflegers stellt allerdings nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur eine bloße - nämlich lediglich verfahrensleitende - Zwischenverfügung dar, die nach allgemeinen Grundsätzen regelmäßig nicht angreifbar ist (vgl. etwa KG FamRZ 2004, 1591 f m. w. N.; BGH NJW-RR 2003, 1369 f). Solche Zwischenentscheidungen können jedoch mit der Beschwerde ausnahmsweise dann angefochten werden, wenn sie in so einschneidender Weise in die Rechte des Betroffenen eingreifen, dass ihre selbstständige Anfechtbarkeit unbedingt geboten ist (BGH a. a. O. S. 1370 m. w. N.).

b)

Nach diesen Grundsätzen sind die Rechtsmittel hier zulässig, weil die angefochtene Entscheidung in einschneidender Weise in die Rechte des Kindes sowie der Antragsgegner eingreift; insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziff. 2) verwiesen.

2.

Die Beschwerden gegen die Entlassung der Verfahrenspflegerin sind auch begründet:

a)

Die Voraussetzungen für die Bestellung eines Verfahrenspflegers gem. § 50 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGG liegen weiterhin vor. Das Interesse des Kindes, das keinen Verfahrensbevollmächtigten hat, steht möglicherweise in erheblichem Gegensatz zum Interesse der allein sorgeberechtigten Antragstellerin (§ 50 Abs. 2 Nr. 1 FGG). Zudem hat das Verfahren Maßnahmen nach §§ 1666, 1666a bzw. - sofern die Sorgerechtsanträge des Antragsgegners zu 1) erfolglos bleiben - nach § 1632 Abs. 4 BGB (Wegnahme des Kindes von der Pflegeperson; Pflegeperson kann auch der nichteheliche Vater sein, vgl. Palandt-Diederichsen, BGB, § 1632 Rn. 12) zum Gegenstand (§ 50 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 BGB). Der Umstand, dass ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben worden ist, führt nicht zur Entbehrlichkeit der Verfahrenspflegschaft, zumal eine Wahrnehmung der Interessen des Kindes durch einen Verfahrenspfleger auch und gerade gegenüber den Vorstellungen und Forderungen eines Sachverständigen geboten sein kann. Die ersatzlose Entlassung der Verfahrenspflegerin greift deshalb in erheblicher Weise in die Rechte des Kindes ein.

b)

Der Umstand, dass das Amtsgericht nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens die Bestellung eines neuen Verfahrenspflegers in Erwägung zieht, rechtfertigt keine andere Beurteilung, denn auch ein bloßer Austausch des Verfahrenspflegers wäre hier als schwerwiegender Eingriff in die Interessen des Kindes anzusehen.

aa)

Nach den gesetzlichen Motiven und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Verfahrenspfleger ein selbstständiger, allein auf das kindliche Interesse verpflichteter, einseitiger Parteivertreter des Kindes, der die Aufgabe hat, innerhalb des gerichtlichen Verfahrens wie ein gesetzlicher Vertreter mit der erforderlichen Parteinahme für das Wohl des Kindes dessen Vorstellungen und Wünsche zu erkennen und vorzutragen, um damit dem geäußerten oder zu ermittelnden kindlichen Willen so authentisch wie möglich Gehör zu verschaffen und ihn zum Verfahrensstoff zu machen, soweit der kindliche Wille nicht offensichtlich dem Kindeswohl widerspricht, und für das Kind das rechtliche Gehör zu vermitteln (vgl. Keidel-Kuntze-Engelhardt, FGG, 15. Auflage, § 50 Rn. 6, 7 m. w. N.).

Um den kindlichen Willen möglichst authentisch vortragen zu können, muss der Verfahrenspfleger das Vertrauen des Kindes gewinnen. Dies ist der Beteiligten zu 4) im Streitfall offenkundig gelungen; so trägt die Antragstellerin (wenngleich nicht in lobender Absicht) vor, B fühle sich inzwischen in einer unangreifbaren Position, weil sie ... auch von der Verfahrenspflegerin uneingeschränkte "Rückendeckung" erhalte. Ein neuer Verfahrenspfleger müsste erneut versuchen, das Vertrauen des Kindes zu gewinnen; B müsste sich im Gegenzug auf einen weiteren am Verfahren beteiligten Erwachsenen einstellen.

bb)

Das wäre ihr nach Auffassung des Senates nur zuzumuten, wenn ein triftiger Grund für die Entlassung der Beteiligten zu 4) vorliegt, wovon hier nicht ausgegangen werden kann. Insbesondere hat die Verfahrenspflegerin die Grenzen ihrer Befugnisse nicht überschritten.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Verfahrenspflegerin einseitig und unabhängig die Interessen des Kindes zu vertreten hat; hierfür kann es im Einzelfall auch erforderlich sein, sich auf einen Konflikt mit einem Sachverständigen einzulassen. Im Streitfall war es durchaus vertretbar, das nach den Erfahrungen des Senates etwas ungewöhnliche Vorgehen der Sachverständigen zu problematisieren und hierzu auch in zunehmend pointierter Form Stellung zu nehmen. Der Verfahrenspfleger ist - anders als der gerichtlich bestellte Sachverständige - gerade nicht zur Neutralität verpflichtet, weshalb eine einseitige, engagierte Wahrnehmung der kindlichen Interessen nach Auffassung des Senates auch nicht zu seiner Entlassung führen darf; ein Verfahrenspfleger, der im Falle eines Konfliktes mit anderen Verfahrensbeteiligten mit seiner Entlassung rechnen müsste, könnte an der ordnungsgemäßen Ausübung seines Amtes gehindert sein. Auch im grundsätzlichen Interesse einer unabhängigen Amtsführung des Verfahrenspflegers hält der Senat deshalb eine Aufhebung der Entlassung der Beteiligten zu 4) für geboten.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass er die Auffassung des Amtsgerichts, entweder die Verfahrenspflegerin oder die Sachverständige habe sich in untragbarer Weise verhalten, nicht teilt. Den Differenzen liegen in Wesentlichen grundsätzlich unterschiedliche Auffassungen über die Aufgabenstellung und das Vorgehen der Sachverständigen sowie unterschiedlich interpretierte Mitteilungen seitens der übrigen Verfahrensbeteiligten zugrunde; insbesondere sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass eine der genannten Beteiligten bewusst wahrheitswidrige Angaben gemacht hätte.

III.

Der Kostenausspruch beruht auf §§ 131 KostO, 13 a FGG.

Ende der Entscheidung

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