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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 22.11.2004
Aktenzeichen: 4 WF 272/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 261 g
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 7
ZPO § 620 a
ZPO § 620 b
ZPO § 620 b S. 1
ZPO § 620 b Abs. 1 S. 1
ZPO § 620 c
ZPO § 620 d
ZPO § 620 e
ZPO § 620 f
ZPO § 620 g
ZPO § 621 g S. 1
ZPO § 621 g S. 2
1. § 261 g ZPO findet auch dann Anwendung, wenn die einstweilige Anordnung des Familiengerichts in einer Sorgerechtsangelegenheit auf eine entsprechende Anregung des Jugendamtes ergangen ist.

2. Soweit § 261 g ZPO Anwendungfindet, ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nur nach Maßgabe § 620 c ZPO zulässig.

3. Das Familiengericht hat zu prüfen, ob in einer unzulässigen sofortigen Beschwerde nicht auch ein Abänderungsantrag gem. § 620 b S. 1 ZPO enthalten ist.


Tenor:

Die Beschwerde des Kindesvaters vom 15.10.2004 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Dortmund vom 9.9.2004 wird auf Kosten des Kindesvaters bei einem Wert des Beschwerdeverfahrens von 500 EUR als unzulässig verworfen.

Gründe: Die Beschwerde ist unzulässig, weil die Zweiwochenfrist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde nicht eingehalten worden ist (§§ 621 g S. 2, 620 c S. 1, 569 Abs. 1 ZPO). 1. § 621 g ZPO - und nicht die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über den Erlass einstweiliger Anordnungen - findet auch dann Anwendung, wenn - wie vorliegend - die einstweilige Anordnung des Familiengerichts aufgrund einer entsprechenden Anregung des Jugendamtes ergangen ist (so z.B. auch OLG Karlsruhe, OLGR 2004, 328; OLG Dresden, FamRZ 2003, 1306; Zöller-Philippi, ZPO, 24. Auflage, Rnr. 3 zu § 621 g ZPO; a.A.: OLG Hamm - 2. FamS. - FamRZ 2004, 1046 m.w.N.). Nach § 621 g S. 1 ZPO kann das Gericht "auf Antrag" einstweilige Anordnungen in isolierten Verfahren gem. § 621 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 oder 7 ZPO treffen. Nach Auffassung des Senats lassen sich einstweilige Entscheidungen in Sorgerechtsverfahren (§ 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), die auf eine "Anregung" des Jugendamtes ergehen, unter das Antragserfordernis des § 621 g ZPO fassen. Unabhängig davon, wie das Jugendamt sein Begehren bezeichnet - ob als Anregung oder Antrag - unterbreitet es einen Sachverhalt verbunden mit einem Entscheidungsvorschlag - hier der Erlass einer einstweiligen Anordnung - , der das Familiengericht veranlasst darüber zu befinden, ob im Eilverfahren die elterliche Sorge betreffende Anordnungen zur Abwendung von Gefährdungen des Kindeswohls zu treffen sind. Es besteht kein Anlass, derartige Fälle nicht unter § 621 g ZPO zu fassen. Die §§ 620 a bis 620 g ZPO, auf die § 621 g ZPO in seinem Anwendungsbereich verweist, enthalten differenzierte Regelungen, die den besonderen Erfordernissen, welche die elterliche Sorge betreffende Verfahren stellen, gerecht werden (vgl. §§ 620 a Abs. 3, 620 b Abs. 1 S. 2, 620 c ZPO). Soweit sich aus den Vorschriften der ZPO nichts Besonderes ergibt, gilt das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. § 621 a Abs. 1 ZPO), was nach richtiger Auffassung auch zur Konsequenz hat, dass sich die Kostenentscheidung nach den Vorschriften des FGG und der Kostenordnung bestimmt (vgl. OLG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 26.4.2004 - 15 WF 118/04 - m.w.N.; Johannsen/Henrich-Thalmann, Eherecht, 4. Auflage, Rnr. 122 zu § 621 ZPO). 2. Gem. § 621 g S. 2 ZPO ist § 620 c ZPO anwendbar. Die danach gegen die Entscheidung des Familiengerichts statthafte sofortige Beschwerde ist wegen Verfristung unzulässig. Ausweislich des Empfangsbekenntnisses ist die angefochtene Entscheidung den Bevollmächtigten des Kindesvaters am 23.9.2004 zugestellt worden, die Beschwerdefrist ist daher mit dem 7.10.2004 abgelaufen. Die Beschwerdeschrift ist erst am 26.10.2004 beim Familiengericht eingegangen. 3. Der Inhalt der Beschwerdeschrift und der bisherige Verlauf des Verfahrens gibt zu folgenden Hinweisen des Senats Anlass: Die verfassungsrechtliche Dimension von Art. 6 Abs. 2, 3 GG beinflusst auch das Prozessrecht und seine Handhabung im Sorgerechtsverfahren. Das gerichtliche Verfahren muss in seiner Ausgestaltung dem Gebot effektiven Grundrechtsschutzes entsprechen, damit nicht die Gefahr einer Entwertung materieller Grundrechtspositionen entsteht. Dies gilt auch und gerade im kindschaftsrechtlichen Eilverfahren. Es sind daher alle zur Verfügung stehenden Aufklärungs- und Prüfungsmöglichkeiten auszuschöpfen (zum Vorstehenden: BVerfG, FamRZ 2003, 1021, 1023). In der Beschwerdeschrift unterbreitet der Kindesvater einen neuen Sachverhalt (Entgiftung der Kindesmutter, Therapieplatz mit Kindesbetreuungsmöglichkeit, Bereitschaft von Frau P, das Kind vorübergehend zu betreuen), der in der angefochtenen Entscheidung keine Berücksichtigung finden konnte. Die Beschwerdeschrift ist daher auch als Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses gem. § 620 b Abs. 1 S. 1 ZPO auszulegen. Wegen des hier gegenständlichen besonders schwerwiegenden Eingriffs in das Sorgerecht der Eltern ist es angezeigt, zügig unter Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten über den Abänderungsantrag zu entscheiden, wozu auch die Anberaumung eines weiteren Termins zu mündlichen Verhandlung gehört, in dem die veränderte tatsächliche Grundlage mit den Beteiligten erschöpfend erörtert werden kann. Es wird dabei im Hinblick auf Eilbedürftigkeit der Sache zu erwägen sein, ob an der Beauftragung der Sachverständigen G festzuhalten ist, die mitgeteilt hat, dass sie "frühestens" Anfang Dezember 2004 mit der Begutachtung beginnen könne, wobei hinzukommt, dass diese Sachverständige nach den Erfahrungen des Senats außergewöhnlich umfangreiche, kostenintensive (was die Kindeseltern potentiell - in Abhängigkeit vom Ausgang des Verfahrens - finanziell stark belasten kann) und zeitaufwändige Gutachten anzufertigen pflegt. 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG.

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