Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 20.03.2007
Aktenzeichen: 4 Ws 137/07
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 57
Zur Ablehnung der bedingten Entlassung, wenn der Verurteilte noch im Besitz der Beute ist.
Beschluss

Strafvollstreckungssache gegen H. D.-A., zur Zeit in dieser Sache in Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt Werl,

wegen Bestechung u.a.,

hier: Ablehnung der bedingten Entlassung.

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 27. Februar 2007 gegen den Beschluß der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg vom 21. Februar 2007 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 20. März 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses, die durch das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht ausgeräumt werden, auf dessen Kosten (§ 473 Abs. 1 StPO) verworfen.

Gründe:

Zusatz: 1. Zu Recht hat die Strafvollstreckungskammer die bedingte Entlassung des Verurteilten aus der Strafhaft nach Verbüßung von nunmehr mehr als zwei Drittel der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren sechs Monaten abgelehnt. Einerseits gebietet das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit die weitere Vollstreckung der Strafe (§ 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB), andererseits steht § 57 Abs. 5 StGB einer bedingten Entlassung des Verurteilten entgegen.

Der Beschwerdeführer ist durch das Landgericht Paderborn am 8. November 2000 wegen Subventionsbetruges in sieben Fällen in Tateinheit mit Hinterziehung von Kapitalertragssteuer und Solidaritätszuschlag in zwei Fällen, wegen Hinterziehung von Körperschaftssteuer und Solidaritätszuschlag, wegen Körperschaftssteuerhinterziehung, wegen Einkommensteuerhinterziehung in Tateinheit mit Körperschaftssteuerhinterziehung und wegen Hinterziehung von Einkommensteuersteuer und Solidaritätszuschlag zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden.

Zugrunde lag, daß der Verurteilte ab 1992 bis Ende 1997 öffentliche Fördermittel in Höhe von 9,084 Millionen DM erschlichen hatte. Im August 1999 ließ er sich von dem so erlangten Geld 600.000,00 US-Dollar, 2.800.000,00 US-Dollar und 850.000,00 US-Dollar in bar auszahlen, ohne daß der Verbleib dieses Geldes abschließend geklärt werden konnte. Jedenfalls unmittelbar nach Auszahlung dieser Beträge reiste der Verurteilte in den Iran. Die ausgeurteilten Steuerhinterziehungen, denen zum Teil andere Sachverhalte, insbesondere die Geltendmachung von Scheinrechnungen zugrundeliegen, beziehen sich auf Steuerforderungen in Höhe von insgesamt mehr als 3 Millionen DM.

Dem vorliegenden Vollstreckungsverfahren liegt das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 7. Februar 2002 zugrunde, durch das der Beschwerdeführer wegen Bestechung in sechs Fällen unter Einbeziehung der durch das vorgenannte Urteil verhängten Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt worden ist. Dieser Verurteilung liegt zugrunde, daß der Beschwerdeführer, der sich seit dem 27. November 1999 in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede I in Untersuchungshaft befunden hatte, gegen Bezahlung hoher Geldbeträge von 55.000,00 DM an den Justizvollzugsbeamten Ko. bzw. 10.000,00 DM an den Justizvollzugshauptsekretär Wo. diese zu unerlaubten Vergünstigungen und Handlungen veranlaßt hatte. Neben der umfangreichen Versorgung mit u.a. Lebensmitteln und Zigaretten ging es dem Verurteilten vor allem darum, unter Umgehung der anstaltsüblichen Kontrollen mit Freunden und Angehörigen im Iran in Kontakt treten zu können, um sein illegal erworbenes und dorthin verbrachtes Vermögen erhalten und betreuen zu können. Durch die Geldzahlungen veranlaßte er die Justizvollzugsbediensteten dazu, mehrere Briefe aus der Justizvollzugsanstalt herauszuschmuggeln, die diese dann per Fax an die jeweiligen Empfänger im Iran übersandten. Entsprechend eingehende Antwortschreiben ließen sie dem Verurteilten wieder zukommen. Kosse überließ ihm zudem sein Mobiltelefon, mit dem der Verurteilte unmittelbar Kontakt zu Personen im Iran aufnehmen konnte. Schließlich besorgte Ko. ihm Vertragsformulare und Quittungen, mit denen der Verurteilte die angeblich zweckentsprechende Verwendung der Subventionen nachweisen wollte.

Daß es dem Verurteilten, wie im Urteil festgestellt, tatsächlich darum ging, in den Iran geschafftes Geld vor dem Zugriff der Verfolgungsbehörden zu sichern, belegen auch die Übersetzungen von vier Schreiben des Verurteilten, die sich bei den Vollstreckungsheften befinden und auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Zwei Drittel der erkannten Strafe waren am 24. März 2006 vollstreckt. Das Strafende ist auf den 24. Mai 2009 notiert.

2. Die Gründe, die den Senat in seiner Entscheidung vom 30. Mai 2006 veranlaßt haben, die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen die Ablehnung der bedingten Entlassung zu verwerfen, bestehen fort. Dabei verkennt der Senat nicht, daß sich der Verurteilte nunmehr seit langer Zeit ordentlich und beanstandungsfrei im Vollzug verhält, er über stabile Außenkontakte zu seiner Familie und weiteren Personen außerhalb des Strafvollzuges verfügt, ein nicht unbeträchtlicher Teil des Schadens zwischenzeitlich ausgeglichen werden konnte und der Verurteilte zudem schwer erkrankt ist.

Bei dem Verurteilten ist ein 1,2 cm x 0,9 cm großes Aneurysma im proximalen Abschnitt der Arteria cerebri anterior links nachgewiesen, das dringend operativ behandelt werden muß, da es einerseits bereits zu einer neurologischen Symptomatik geführt hat und andererseits eine latente Blutungsgefahr mit entsprechenden lebensbedrohlichen Folgen für den Verurteilten besteht. Die Möglichkeit einer Operation im Alfred-Krupp-Krankenhaus in Essen sowie die Nachsorgebehandlung im Justizvollzugskrankenhaus Fröndenberg ist gewährleistet. Darüber hinaus besteht bei ihm eine fortschreitende Kraftlosigkeit und Muskelverschmächtigung im Bereich der rechten und linken Hand sowie der Unterarme, deren Ursache derzeit noch nicht abschließend geklärt werden konnte, aber zwischenzeitlich zu seiner Arbeitsunfähigkeit geführt hat. Nach dem Bericht der Klinik für Neurologie des St. Marien-Hospitals Hamm vom 28. Dezember 2006 sind die Beschwerden am ehesten im Rahmen einer Motorneuronerkrankung wie z.B. einer spinalen Muskelatrophie zu werten, sie könnten aber auch durch eine Atrophie im distalen cerviakalen Myelon hervorgerufen worden sein. Nach dem Bericht des Anstaltsarztes der Justizvollzugsanstalt Werl vom 30. Januar 2007 konnte eine Multiple Sklerose als Ursache ausgeschlossen, der dringende Verdacht auf eine Amyotrophe Lateralsklerose andererseits aber auch bisher nicht erhärtet werden. Die Diagnostik ist bisher nicht abgeschlossen.

Diesen durchaus gewichtigen Gesichtspunkten steht aber gegenüber, daß der Verurteilte offenbar große, aus seinen Straftaten stammende Vermögensmassen in den Iran verbracht hat. Durch weitere erhebliche Straftaten aus der Untersuchungshaft heraus ist es ihm professionell und erfolgreich gelungen, diese Vermögenswerte zu erhalten und vor dem Zugriff der Verfolgungsbehörden zu bewahren. Der Senat verkennt dabei nicht, daß ein erheblicher Teil des durch seine Straftaten verursachten Schadens durch verschiedenste Maßnahmen ausgeglichen werden konnten. Völlig ungeklärt ist aber weiterhin der Verbleib der 4,25 Millionen US-Dollar, die sich der Verurteilte in bar hat auszahlen lassen. Insoweit hat der Verurteilte bisher gerade keine Angaben zum Verbleib dieses Geldes gemacht. Berücksichtigt man weiter, welche Straftaten zu der verfahrensgegenständlichen Verurteilung wegen Bestechung in sechs Fällen geführt haben, welchen Hintergrund diese Taten im wesentlichen hatten und den Inhalt der sichergestellten Schreiben, kann kein Zweifel daran bestehen, daß jedenfalls dieses Geld vom Verurteilten bis heute erfolgreich vor den zuständigen Behörden versteckt wird. Ein solches Verhalten bis zur heutigen Zeit schließt aber eine hinreichende Auseinandersetzung mit seinen Straftaten aus, so daß unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit die bedingte Entlassung des Verurteilten nicht verantwortet werden kann.

Dieser Bewertung steht auch die Einschätzung der Justizvollzugsanstalt Werl nicht entgegen, die dem Verurteilten bescheinigt, er sei durch die bisherige Haft und seine Krankheitsentwicklung deutlich beeindruckt, er werde in Zukunft alles unternehmen, um eine erneute Inhaftierung zu vermeiden. Im Ergebnis kommt nämlich auch die Justizvollzugsanstalt zu dem Ergebnis, an der Sozial- und Legalprognose habe sich seit der letzten Stellungnahme gleichwohl nichts geändert. Dort war dem Verurteilten jedoch noch eine erhebliche, teils rücksichtslose Durchsetzungsfähigkeit bescheinigt worden, wobei er bedenkenlos Menschen zum Zwecke eigener materieller Vorteile intrumentalisiere. Deshalb werde, so die damalige und aufrechterhaltene Einschätzung, die Legalprognose als kritisch angesehen.

3. Letztlich steht aber auch § 57 Abs. 5 StGB einer bedingten Entlassung entgegen. Der Senat hält es auch unter Berücksichtigung aller für den Verurteilten sprechenden Umstände, insbesondere seines Vollzugsverhaltens in den letzten Jahren, der bisherigen Schadenswiedergutmachung sowie seiner schweren Erkrankung, nicht für vertretbar, die bedingte Entlassung des Verurteilten anzuordnen. Der Verurteilte hat nämlich bis heute keine Angaben zum Verbleib der 4,25 Millionen US-Dollar gemacht, die er sich in bar hat auszahlen lassen und die aus seinen Straftaten stammen. Der durch die Straftaten verursachte Schaden ist bei weitem noch nicht ausgeglichen, wobei anzumerken ist, daß die Berechnung des Verteidigers, der die im Zusammenhang mit den beantragten Subventionen tatsächlich entstandenen Kosten in seiner Berechnung in Abzug bringt, in diesem Zusammenhang unzutreffend ist. An der Verpflichtung zur Zurückzahlung der gesamten erhaltenen Fördermittel und damit an der Gesamthöhe des Schadens dürften diese Aufwendungen kaum etwas ändern. Selbst wenn man als richtig unterstellt, der Verurteilte habe bereits und könne zur Schadenswiedergutmachung insgesamt einen Betrag zur 2,2 Millionen Euro zur Verfügung stellen, bleibt bei einem Gesamtschaden von rund 12 Millionen DM, also rund 6 Millionen Euro, ein ganz erheblicher Rest, der nicht einmal durch die beiseite geschafften 4,25 Millionen US-Dollar vollständig ausgeglichen werden könnte. Es ist noch einmal darauf hinzuweisen, daß sich der Verurteilte den Gegenwert der zu Unrecht erhaltenen Fördermittel mit 4,25 Millionen US-Dollar in bar hat auszahlen lassen, zu deren Auffindung er bis heute nicht ansatzweise beigetragen, sondern das Geld vielmehr erfolgreich beiseite geschafft hat und versteckt hält. Angesichts der enormen Höhe dieser Summe hält der Senat trotz des schweren Krankheitsbildes und den damit verbundenen erheblichen Erschwernissen im Vollzugsalltag eine bedingte Entlassung des Verurteilten nicht für vertretbar.

Ob eine andere Entscheidung geboten sein könnte, wenn sich der Gesundheitszustand des Verurteilten massiv verschlechtert, insbesondere akut lebensbedrohlich wird oder wenn aufgrund eines - abschließend geklärten - Krankheitsbildes dem Verurteilten möglicherweise nur noch eine sehr kurze Lebenszeit verbliebe, steht jedenfalls derzeit nicht zur Entscheidung an.

Ende der Entscheidung

Zurück