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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 14.06.2000
Aktenzeichen: 4 Ws 193/00
Rechtsgebiete: StPO, BRAGO


Vorschriften:

StPO § 68 b
BRAGO § 102 Abs. 2 S. 1
BRAGO § 97 Abs. 1 S. 1
BRAGO § 95
BRAGO § 83 ff.
§§ 68 b StPO, 102 Abs. 2 S. 1, 97 Abs. 1 S. 1, 95, 83 ff. BRAGO

Der Vergütungsanspruch des beigeordneten Zeugenbeistandes (§ 68 b StPO) richtet sich nach §§ 102 Abs. 2 S. 1, 97 Abs. 1 S. 1, 95, 83 ff. BRAGO.

OLG Hamm, 4 Ws 193/00, Beschluß vom 14. Juni 2000


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

4 Ws 193/00 OLG Hamm 27 (27/98) LG Essen 71 Js 290/98 StA Essen 5651 E I - 5 a. 1050 Bd. 23 Leiter des Dez. 10 der VerwAbt. des OLG Hamm

Strafsache

gegen G.,

wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.,

hier: Festsetzung der Kosten des Zeugenbeistandes Rechtsanwalt D. in M.

Auf die als Erinnerung bezeichnete Beschwerde des Zeugenbeistandes Rechtsanwalt D. aus M. vom 6. April 2000 gegen den Beschluß des Vorsitzenden der Strafkammer VII des Landgerichts Essen vom 23. März 2000 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 14. Juni 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Steinberger, den Richter am Oberlandesgericht Finger und den Richter am Oberlandesgericht Duhme nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts

beschlossen

Tenor:

Unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung und Zurückweisung der Beschwerde im übrigen wird der dem beigeordneten Zeugenbeistand Rechtsanwalt D. aus M. aus der Landeskasse zu erstattende Betrag auf 733,12 DM (siebenhundertdreiunddreißig 12/100 Deutsche Mark) festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Auf seinen Antrag vom 12. November 1998 (Bd. II Bl. 302 f.) ist Rechtsanwalt D. dem Zeugen G. durch die Beschlüsse des Landgerichts Essen vom 19. November 1998 und 1. Dezember 1998 als Zeugenbeistand gemäß § 68 b StPO unter Gewährung von Prozeßkostenhilfe beigeordnet worden (Bd. II Bl. 305, 408). Durch Beschluß vom 3. Februar 1999 ist Rechtsanwalt D. als Zeugenbeistand entpflichtet worden (Bd. III Bl. 551). In seiner Eigenschaft als beigeordneter Zeugenbeistand hat Rechtsanwalt D. den Hauptverhandlungstermin am 14. Januar 1999 (Bd. II B1. 475 ff., 476) und bis zu seiner Entpflichtung auch den Termin am 3. Februar 1999 (Bd. III B1. 548 ff., 550) wahrgenommen.

Mit Schreiben vom 26. April 1999 hatte Rechtsanwalt D. die Festsetzung seiner gesetzlichen Vergütung in Höhe von zusammen 895,52 DM gemäß § 98 Abs. 1 BRAGO beantragt. Durch Beschluss vom 26. Mai 1999 ist die Vergütung auf 825,92 DM festgesetzt worden (Bd. III Bl. 850). Abgesetzt wurde ein Abwesenheitsgeld gemäß § 28 Abs. 3 S. 1 BRAGO in Höhe von 60,00 DM nebst anteiliger Umsatzsteuer (s. Bd. III Bl. 858 R). Rechtsanwalt D. hat den von ihm bei der Antragstellung verwendeten Vordruck insoweit mißverständlich ausgefüllt, als er als Gebühr für seine Tätigkeit einen einheitlichen Betrag von 600,00 DM beantragt hatte. Es war somit nicht ohne weiteres klar zu erkennen, ob er die Erstattung einer Gebühr beantragt hat, oder ob 600,00 DM die Summe zweier Gebühren darstellt. Der Urkundsbeamte und der Bezirksrevisor sind erkennbar davon ausgegangen, daß es sich um eine Gebühr für den 3. Februar 1999 handelt (vgl. Bd. II B1. 858 R, Bd. III Bl. 202 f.) - entsprechend der Gebühr, die der Pflichtverteidiger eines inhaftierten Angeklagten gemäß §§ 97 Abs. 1 S. 3, 83 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO verlangen kann. Die Tatsache, daß der Zeugenbeistand die Erstattung zweier Abwesenheitsgelder (2 x 60,00 DM) beantragt hat, läßt jedoch die für ihn günstigere Vermutung zu, er habe zwei Gebühren - für den 14. Januar 1999 und 3. Februar 1999 - in Höhe von je 300,00 DM angesetzt. Der festsetzende Urkundsbeamte und seine Kollegin sind dagegen davon ausgegangen, Rechtsanwalt D. habe das zweite Abwesenheitsgeld für den Termin am 17. Februar 1999, an dem er selbst als Zeuge teilgenommen hatte (Bd. III B1. 589 ff.), angesetzt (vgl. Bd. III Bl. 858 R, Bd. IV Bl. 208). Diesen Irrtum hätte Rechtsanwalt D. durch die Angabe von Terminsdaten im Antrag oder im Schreiben 22. Juni 1999 (Bd. IV Bl. 207) vermeiden bzw. aufklären können.

Gegen die Entscheidung über die Erstattung aus der Landeskasse vom 26. Mai 1999 hatte der Bezirksrevisor mit Schreiben vom 2. Februar 2000 Erinnerung gemäß § 98 Abs. 2 BRAGO eingelegt mit dem Antrag, die Vergütung auf 303,92 DM festzusetzen (Bd. IV Bl. 202 f.). Durch den nunmehr angefochtenen Beschluß vom 23. März 2000 ist die Vergütung entsprechend der Erinnerung des Bezirksrevisors auf 303,92 DM festgesetzt worden.

II.

Die gemäß § 98 Abs. 3 BRAGO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.

Der Leiter des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Hamm hat in der Sache wie folgt Stellung genommen:

"Der durch das sogenannte "Zeugenschutzgesetz" vom 30.04.1998 neu in die StPO eingefügte § 68 b StPO stellt nunmehr klar, dass unter bestimmten Voraussetzungen einem Zeugen ein anwaltlicher Beistand auf Kosten der Staatskasse beigeordnet werden kann. Diese Bestimmung enthält keine grundsätzliche (Neu-) Regelung des Zeugenbeistandes, sondern stellt nur einen zuvor durch die Rechtsprechung bereits bestätigten grundsätzlichen Anspruch des Zeugen, bei seiner Vernehmung einen Rechtsbeistand hinzuziehen zu dürfen, insoweit sicher, als der Staat in bestimmten Ausnahmefällen auch einem mittellosen oder besonders schutzbedürftigen Zeugen diesen Anspruch auf Staatskosten zu ermöglichen hat. Dies war früher strittig (vgl. Meyer, JurBüro 2000, 69 Abschnitt 2.1 m.w.N.).

Die dem beigeordneten Zeugenbeistand aus der Staatskasse zustehende Vergütung ist meines Erachtens auch nach der Einfügung des § 68 b StPO gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Die von Meyer vertretene Auffassung (a.a.O., Abschnitt 2.2), es sei jetzt gesetzlich klargestellt, dass sich die Vergütung des bei geordneten Zeugenbeistandes nach §§ 102 Abs. 2 S. 1, 97 Abs. 1 S. 1, 91 Nr. 2 BRAGO richte, vermag ich nicht zu teilen. Der Zeugenbeistand ist in der Vorschrift des § 102 BRAGO nicht genannt. Ich bin weiterhin der Ansicht, dass die Stellung des Zeugen am ehesten der eines durch die Straftat Verletzten entspricht, so dass für die Vergütung des beigeordneten Zeugenbeistandes meines Erachtens § 95 zweiter Halbsatz BRAGO anzuwenden ist (vgl. Beschluss des hiesigen 2. Strafsenats vom 17.01.1995 - 2 Ws 377/93 - S. 9 unten; Beschluss des hiesigen 1. Strafsenats vom 23.01.1997 - 1 Ws 288/96 - den Beschwerdeführer betreffend; OLG Stuttgart, StV 1993, 143).

Der Gebührenanspruch, den Rechtsanwalt D. als Zeugenbeistand analog §§ 406 g Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 397 a Abs. 1 StPO gegen die Landeskasse geltend machen kann, bestimmt sich daher nach §§ 102 Abs. 2 S. 1, 97 Abs. 1 S. 1, 95, 83 ff. BRAGO.

§ 102 Abs. 2 S. 1 BRAGO verweist unter anderem auf § 97 Abs. 1 S. 1 BRAGO. Nach dieser Vorschrift erhält der gerichtlich beigeordnete Rechtsanwalt das Vierfache der in den §§ 83 bis 86, 90 bis 92, 94 und 95 BRAGO bestimmten Mindestgebühren.

Im Falle des gerichtlich bestellten Verletztenbeistands - und demnach für den beigeordneten Zeugenbeistand entsprechend verweist § 97 Abs. 1 S. 1 BRAGO somit nicht direkt, sondern über § 95 BRAGO auf die §§ 83 ff. BRAGO. Nach dem zweiten Halbsatz des § 95 BRAGO erhält der Verletztenbeistand - und entsprechend der Zeugenbeistand - nur die Hälfte der Gebühren, die ein Verteidiger nach den §§ 83 ff. BRAGO beanspruchen kann.

Die Gebühren, die dem beigeordneten Zeugenbeistand für die Teilnahme an den Hauptverhandlungsterminen am 14.01.1999 und 03.02.1999 (s.o.) gegenüber der Staatskasse zustehen, berechnen sich wie folgt:

Das Verfahren war vor der großen Strafkammer des Landgerichts anhängig.

Der Termin am 14.01.1999 war der erste Hauptverhandlungstermin und der Mandant von Rechtsanwalt D. befand sich nicht auf freiem Fuß (vgl. Bd. I Bl. 197; Bd. II Bl. 386 ff.), so dass die Gebühr, die ein Pflichtverteidiger für seine Teilnahme an die sein Termin verlangen könnte, gemäß §§ 97 Abs. 1 S. 1 und 3, 83 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO 600,00 DM (5 * 120,00 DM) beträgt. Der Zeugenbeistand kann im selben Fall dagegen wegen § 95 Halbsatz 2 BRAGO nur 300,00 DM als Gebühr verlangen (600,00 DM : 2).

Bei dem Termin am 03.02.1999 (s.o.) handelt es sich um einen Folgetermin der am 14.01.1999 begonnenen Hauptverhandlung. Dass zwischen den von Rechtsanwalt D. wahrgenommenen Terminen am 14.01.1999 und 03.02.1999 mehr als zehn Tage liegen, führt meines Erachtens nicht zu einer Anwendung von §§ 102 Abs. 2 S. 1, 97 Abs. 1, 95, 83 Abs. 2 S. 2 BRAGO, weil die Hauptverhandlung zwischenzeitlich am 25. und 29.01.1999 ohne Vertagung fortgesetzt worden ist (Bd. III Bl. 527 a ff., 528 ff.).

Folglich beträgt die Gebühr, die ein Pflichtverteidiger für seine Teilnahme an einem Fortsetzungstermin verlangen könnte, gemäß §§ 97 Abs. 1 S. 1 zweiter Halbsatz, 83 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BRAGO 380,00 DM (760,00 DM : 2). Der Zeugenbeistand kann im selben Fall dagegen wegen § 95 Halbsatz 2 BRAGO nur 190,00 DM als Gebühr verlangen [(760,00 DM : 2) : 2].

Dass Rechtsanwalt D. im Laufe der Hauptverhandlung am 03.02.1999 entpflichtet worden ist (s.o.), ändert meines Erachtens nichts daran, dass ihm seine bis dahin als beigeordneter Zeugenbeistand entstandenen Gebühren und Auslagen aus der Landeskasse zu zahlen sind.

Im Termin am 14.01.1999 war Rechtsanwalt D. etwa 4 1/2 Stunden anwesend (s. Bd. II Bl. 476, 480), so dass ihm ein Abwesenheitsgeld von 60,00 DM gemäß § 28 Abs. 3 S. 1 BRAGO aus der Landeskasse zu erstatten ist.

Im Termin am 03.02.1999 war Rechtsanwalt D. weniger als 1 Stunde anwesend, bis er als Zeugenbeistand entpflichtet wurde (s. Bd. III Bl. 548, 550 f.), so dass dem Zeugenbeistand unter Berücksichtigung der Fahrzeiten von seiner Kanzlei in Marl nach Essen und zurück meines Erachtens lediglich ein Abwesenheitsgeld von 30,00 DM gemäß § 28 Abs. 3 S. 1 BRAGO aus der Landeskasse zu erstatten ist.

Dass er auch nach seiner Entpflichtung weiter als Zeuge an der Verhandlung teilgenommen hat, ist meiner Ansicht nach hinsichtlich des Abwesenheitsgeldes gemäß § 28 Abs. 3 S. 1 BRAGO unbeachtlich.

Während die antragsgemäß festgesetzten Fahrtauslagen gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 BRAGO nicht zu beanstanden sind, reduziert sich die Umsatzsteuer anteilig auf 101,12 DM (16% von 632,00 DM). Somit ist für Rechtsanwalt D. als gerichtlich beigeordnetem Zeugenbeistand folgende Vergütung gemäß § 98 Abs. 1 BRAGO aus der Landeskasse zu erstatten:

Gebühr für den Termin am 14.01.1999, §§ 102 Abs. 2 S. 1; 97 Abs. 1 S. 1 und 3; 95; 83 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO|300,00 DM

Gebühr für den Termin am 03.02.1999, §§ 102 Abs. 2 S. 1; 97 Abs. 1 S. 1; 95; 83 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BRAGO|190,00 DM

Abwesenheitsgelder (60,00 DM + 30,00 DM), § 28 Abs. 3 S. 1 BRAGO|90,00 DM

Fahrtauslagen (100 km * 0,52 DM/km), § 28 Abs. 2 Nr. 1 BRAGO|52,00 DM

Umsatzsteuer (16% von 632,00 DM)|101,12 DM

Summe|733,12 DM

Ich rege deshalb an, auf die Beschwerde des Rechtsanwalts D. den angefochtenen Beschluss zu ändern und unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde den aus der Landeskasse an den beigeordneten Zeugenbeistand zu erstattenden Betrag auf 733,12 DM festzusetzen."

Diesen überzeugenden Ausführungen schließt sich der Senat an. Aus den in der Stellungnahme des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts genannten Gründen ist insbesondere daran festzuhalten, daß sich der Gebührenanspruch des Zeugenbeistandes nach §§ 102 Abs. 2 Satz 1, 97 Abs. 1 Satz 1, 95, 83 ff. BRAGO richtet (vgl. auch Beschluß des hiesigen 2. Senats vom 20. April 2000 - 2 Ws 25/2000 -). Auch die weitere gegenteilige Ansicht des Hans. OLG Hamburg, der Vergütungsanspruch richte sich nach § 91 Nr. 1 letzte Alternative i.V.m. § 97 Abs. 1 BRAGO (vgl. StraFo 2000, 142) überzeugt nicht, denn § 91 BRAGO regelt nur gebührenauslösende Tätigkeiten für einen Beschuldigten außerhalb der Hauptverhandlung (so auch OLG Hamm, 2. Senat, Beschluß vom 20. April 2000 - 2 Ws 25/2000 -).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 98 Abs. 4 BRAGO.

Ende der Entscheidung

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