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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 04.10.2001
Aktenzeichen: 4 Ws 195/01
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 147
Zur Ausübung des dem Vorsitzenden nunmehr in § 147 Abs. 5 StPO eingeräumten Ermessens, dem Angeklagten ggf. selbst Akteneinsicht zu gewähren.
Beschluss

Strafsache

gegen H.T.,

wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis,

(hier: Gewährung von Akteneinsicht)

Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 14. August 2001 gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 14. kleinen Strafkammer des Landgerichts Münster vom 23. Juli 2001 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 04.10.2001 durch die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

Gründe:

Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Beckum vom 9. Januar 2001 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis u.a. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten - ohne Strafaussetzung zur Bewährung - verurteilt worden.

Hiergegen haben sowohl der Angeklagte als auch sein damaliger Verteidiger, Rechtsanwalt J., rechtzeitig Berufung eingelegt.

Ausweislich der Gründe des amtsgerichtlichen Urteils ist der Angeklagte der Auffassung, trotz anders lautender rechtskräftiger Urteile weiterhin berechtigt zu sein, Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.

Mit Beschluss des Vorsitzenden der 14. kleinen Strafkammer des Landgerichts Münster vom 25. Juni 2001 ist die Bestellung des Rechtsanwalts J. aufgehoben und an seiner Stelle Rechtsanwalt P. aus M. zum Pflichtverteidiger bestellt worden.

Im Berufungshauptverhandlungstermin vom 9. Juli 2001 ist Rechtsanwalt P. auf seinen Antrag hin wieder entpflichtet worden. Die Hauptverhandlung wurde vertagt. Neuer Termin wird von Amts wegen festgesetzt. Dem Angeklagten ist Gelegenheit gegeben worden, einen Verteidiger seiner Wahl zu benennen, "der seine Verteidigung in seinem Sinne zu übernehmen bereit ist".

Bislang hat der Angeklagte keinen Verteidiger benannt, stattdessen mit Schreiben vom 16. Juli 2001 die Übersendung einer Kopie der gesamten Verfahrensakten beantragt, "damit nach Überprüfung des Inhaltes frühzeitig vor Bestimmung eines neuen Termins ein geeigneter Rechtsanwalt mit entsprechender fachlicher Ausrichtung und hinreichender Motivation zur allgemeinen Beratung, rechtlichen Fortbildung und Wahrnehmung der Interessen der Verteidigung gefunden werden kann".

Mit Beschluss vom 23. Juni 2001 hat der Strafkammervorsitzende diesen Antrag abgelehnt, da dem Angeklagten ein Anspruch auf Akteneinsicht und damit auch ein Anspruch auf Erteilung von Abschriften nicht zustehe.

Hiergegen richtet sich die gemäß § 304 StPO statthafte Beschwerde, die im Ergebnis ohne Erfolg bleibt.

Zwar hat der Strafkammervorsitzende, offenbar auf der Grundlage des bisherigen Rechts, das ihm nunmehr durch § 147 Abs. 7 StPO eingeräumte Ermessen fehlerhaft nicht ausgeübt. Nach dieser Vorschrift können dem Beschuldigten, der keinen Verteidiger hat, Auskünfte und Abschriften aus den Akten erteilt werden, soweit nicht der Untersuchungszweck gefährdet werden könnte und nicht überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter entgegen stehen. Damit hat ein Beschuldigter bzw. Angeklagter, falls die in § 147 Abs. 7 StPO genannten Voraussetzungen vorliegen, keinen generellen Anspruch auf Akteneinsicht. Vielmehr ist im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung zu prüfen, ob das berechtigte Informations- und Verteidigungsinteresse eines Angeklagten die Gewährung von Akteneinsicht in Form der Erteilung von Auskünften und Abschriften aus der Akte gebietet.

Das ist im vorliegenden Fall zu verneinen.

Zwar hat der Angeklagte nach der Entpflichtung seiner bisherigen Pflichtverteidiger keinen Verteidiger. Auch wäre mit der Überlassung von Abschriften aus der Akte keine Gefährdung des Untersuchungszweckes oder überwiegender schutzwürdiger Interessen Dritter verbunden.

Der Angeklagte hat jedoch den Hergang der ihm vorgeworfenen Taten und seine Beteiligung daran eingeräumt. Er glaubt lediglich aus rechtlichen Gründen, auf deren Vertretbarkeit im Rahmen dieser Beschwerdeentscheidung nicht einzugehen ist, gerechtfertigt zu sein. Er braucht daher, um sich in seinem Sinne verteidigen zu können, keine Abschriften aus der Akte, da er über die Anklageschriften und die Ausfertigung des erstinstanzlichen Urteils verfügt und der darüber hinausgehende Inhalt der Akten für die Beurteilung der von dem Angeklagten vertretenen Rechtsauffassung nichts hergibt. Dem Informationsinteresse des Angeklagten wird dadurch Genüge getan, dass der demnächst zu bestellende Pflichtverteidiger - vorliegend ist ein Fall notwendiger Verteidigung gegeben - Akteneinsicht erhalten und die dadurch erlangten Kenntnisse an den Angeklagten, soweit erforderlich, weitergeben wird.

Die Beschwerde war daher nach alledem gemäß § 309 Abs. 2 StPO mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO als unbegründet zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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