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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 19.07.2005
Aktenzeichen: 4 Ws 292/05
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 462 a
Zur örtlichen Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer
Beschluss

Strafvollstreckungssache

gegen K. P. J.,

zur Zeit in der Unterbringung in der Westfälischen Maßregelvollzugsklinik Rheine, Hohe Allee 110, 48432 Rheine,

wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern,

hier: Fortdauer der Unterbringung.

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 16. und 23. Juni 2005 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld vom 31. Mai 2005 hat der 4 . Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 19. Juli 2005 durch den Richter am Oberlandesgericht , den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht K. nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses, die durch das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht ausgeräumt werden, auf dessen Kosten (§ 473 Abs. 1 StPO) verworfen.

Gründe:

1. Vorliegend hätte, wie der Senat bereits in seinen Entscheidungen vom 21. Juni 2005 - 4 Ws 277/05 - und vom 28. Juni 2005 - 4 Ws 287/05 - festgestellt hat, nicht die Strafvollstreckungskammer Bielefeld, sondern die Strafvollstreckungskammer Münster in der Sache entscheiden müssen. Insoweit hat der Senat in dem Beschluss 4 Ws 277/05 ausgeführt:

"Der Senat weist darauf hin, dass mit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld ein unzuständiges Gericht die erforderliche Entscheidung gemäß §§ 67 d Abs. 2, 67 e Abs. 2 StGB getroffen hat. Zuständig ist die Strafvollstreckungskammer Münster.

Die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer ergibt sich aus §§ 462 a Abs. 1 S. 1, 463 Abs. 1 StPO. Danach ist die Strafvollstreckungskammer zu ständig, in deren Bezirk die Maßregelvollzugsanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befasst wird, aufgenommen ist. Dies ist die Maßregelvollzugsklinik in Rheine, welche im Bezirk des Landgerichts Münster liegt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass diese Klinik laut Briefkopf als "Übergangseinrichtung der Westfälischen Klinik Schloß Haldem" welche im Bezirk des Landgerichts Bielefeld liegt firmiert. Zwar richtet sich die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer für den Fall, dass ein Gefangener sich in einer Außenstelle einer JVA befindet, nach dem Sitz der Hauptanstalt (vgl. BGHSt 28, 135; Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 462 a RN 8). Bei der Klinik in Rheine handelt es sich jedoch nicht um eine unselbstständige Außenstelle im Sinne dieser Rechtsprechung. Nach dieser ist eine Außenstelle dann nicht selbstständig, wenn sie keinen eigenen Anstaltsleiter hat und nach außen durch den Leiter der Hauptanstalt vertreten wird. Dieser ist dann Vollzugsbehörde i.S.d. § 110 StVollzG (vgl. BGH a.a.O., 137). Die Westfälische Maßregelvollzugsklinik Rheine hat jedoch mit der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Frau Dr. S. eine eigene ärztliche therapeutische Leitung. Diese ist damit soweit es die Fragen des Vollzuges und der Vollstreckung betrifft "Vollzugsbehörde" i.S.d. § 110 StVollzG. Dies ergibt sich aus § 29 Abs. 5 MRVG NW. Danach trifft "die therapeutische Leitung" die Maßnahmen zum Vollzug der Maßregel, soweit in diesem Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes nichts anderes bestimmt ist. Die therapeutische Leitung ist damit "Vollzugsbehörde". Wer die Klinik im Übrigen leitet, ist ohne Belang. Damit ist die Strafvollstreckungskammer, in deren Bezirk die therapeutische Leitung ihren Sitz hat, auch zuständig für Anträge auf gerichtliche Entscheidung gegen Maßnahmen der Vollzugsbehörde zur Regelung einzelner Angelegenheiten nach § 109 StVollzG. Nichts anderes kann dann für die Strafvollstreckungsentscheidungen gelten. Es wäre wenig folgerichtig, die Zuständigkeit für die Vollzugsentscheidungen von der Zuständigkeit für nachträgliche Entscheidungen, die eine Strafaussetzung zur Bewährung betreffen, zu trennen (so BGH a.a.O.).

Gewisse Zweifel an diesem Ergebnis könnte man allenfalls aus dem Internet-Auftritt der Klinik in Rheine herleiten. Dort ist ausgeführt, dass die "therapeutische Endverantwortung" beim ärztlichen Direktor der Klinik Schloß Haldem liege. Telefonische Nachfragen beim Landesbeauftragten für den Maßregelvollzug (Frau Massmann), dem Leiter der Abteilung Maßregelvollzug beim Landschaftsverband (Dr. W.), der dort für Rechtsangelegenheiten zuständigen Dezernentin (Fr. W.) und dem ärztlichen Direktor der Klinik Schloß Haldem (Dr. R.) haben allerdings ergeben, dass diese Formulierung missverständlich ist. Tatsächlich ist die therapeutische Leiterin Frau Dr. S. "Maßregelvollzugsleiterin" i.S.d. § 29 Abs. 5 MRVG NW. Sie trifft vor Ort eigenständig die Entscheidungen zu Maßnahmen des Vollzuges der Maßregel. Eine etwaige Weisungsbefugnis des ärztlichen Direktors der Klinik in Schloß Haldem besteht lediglich im Innenverhältnis. Nach außen gegenüber den Maßregelvollzugspatienten tritt die therapeutische Leiterin der Maßregelvollzugsklinik in Rheine in Erscheinung. Allein auf dieses Außenverhältnis kommt es für die Entscheidung der Frage, wer Maßregelvollzugsleiter und damit Vollstreckungsbehörde ist, an.

Demnach hätte das Landgericht Münster über die Fortdauer der Unterbringung entscheiden müssen. Der Senat hat jedoch davon abgesehen, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache an das zuständige Landgericht zu verweisen. Vielmehr hat er in der Sache selbst entschieden. Dies war deshalb möglich, weil er für alle sofortigen Beschwerden gegen die Entscheidungen der großen Strafvollstreckungskammern, bis auf die im Zusammenhang mit der Aussetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe, im Bezirk zuständig ist. Er ist somit für die vorliegend zu entscheidende Frage gemeinsames Beschwerdegericht sowohl für Entscheidungen des Landgerichts Münster als des Landgerichts Bielefeld."

2. Die Feststellung der Erledigung der Maßregel analog § 67 c Abs. 2 S. 5 StGB wegen Vorliegens einer Fehleinweisung kommt nicht in Betracht. Bisher haben nahezu alle externen Sachverständigen das Vorliegen einer schweren Persönlichkeitsstörung bejaht und das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB nicht in Zweifel gezogen. Soweit Prof. Dr. V. in seinem Gutachten vom 4. August 2004 die Auffassung vertreten hat, die Schwere der Störung des Verurteilten liege im Grenzbereich zwischen Schuldfähigkeit und erheblich verminderter Schuldfähigkeit, führt das zu keiner anderen Beurteilung. Selbst unter Zugrundelegung dessen Einschätzung kommt eine Feststellung der Erledigung nicht in Betracht, weil eine solche Entscheidung die Gewissheit voraussetzt, dass der Verurteilte nicht oder nicht mehr an einem Zustand leidet, der durch die in § 20 StGB genannten seelischen Störungen oder Abartigkeiten gekennzeichnet ist (vgl. OLG Frankfurt, NStZ-RR 2002, 58, 59 f. m.w.N.). Im Übrigen hat der Senat unter Berücksichtigung der neun einschlägigen Vorstrafen und des Umstandes, dass der Verurteilte auch durch mehrmaligen, sogar längeren Strafvollzuges in der Vergangenheit nicht erreichbar war, keinen Zweifel, dass der erforderliche Schweregrad klar erreicht ist.

3. Eine Erledigung der Maßregel aus Gründen der Verhältnismäßigkeit kommt ersichtlich ebenfalls nicht in Betracht. Der Senat verkennt nicht, dass der Verurteilte bei Feststellung erheblich verminderter Schuldfähigkeit zu einer Freiheitsstrafe von "nur" fünf Jahren verurteilt worden ist und die Unterbringung nunmehr seit dem 12. März 1996 vollzogen wird. Vorliegend können aber weder die zahlreichen einschlägigen Vorbelastungen noch die besondere Schutzwürdigkeit des bedrohten Rechtsgutes, nämlich die ungestörte Sexualentwicklung von Kindern, außer Betracht bleiben. Diesem Rechtsgut kommt ein hohes Schutzbedürfnis zu.

4. Eine bedingte Entlassung des Verurteilten scheidet, wie die Strafvollstreckungskammer zutreffend ausgeführt hat, angesichts des Ergebnisses des externen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. V. und der Stellungnahme der beteiligten Maßregelvollzugskliniken aus.

Ende der Entscheidung

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