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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 23.02.2006
Aktenzeichen: 4 Ws 319/05
Rechtsgebiete: StPO, GG


Vorschriften:

StPO § 33a
GG Art. 103
1. Zur Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und zur Nachholung des rechtlichen Gehörs.

2. Im Verfahren nach § 33a StPO ist nach den Änderungen durch das Anhörungsrügengesetz eine Kostenentscheidung erforderlich.


4 Ws 319/05 OLG Hamm 4 Ws 320/05 OLG Hamm

Beschluss

Strafvollstreckungssache

gegen J.U.

wegen Handeltreibens mit Betäbungsmitteln in nicht geringer Menge

Auf die Anträge auf Nachholung des rechtlichen Gehörs vom 25. August und 2. November 2005 gegen die Senatsbeschlüsse vom 21. Juli 2005 und 6. Oktober 2005 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 23. 02. 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht beschlossen:

Tenor:

Die Anträge auf Nachholung des rechtlichen Gehörs werden auf Kosten des Angeklagten als unzulässig verworfen.

Eine Entscheidung des Senats über den Feststellungsantrag ist nicht veranlaßt.

Gründe:

I.

Der Angeklagte ist durch Urteil des Landgerichts Duisburg vom 29. April 2002 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Nachdem der Angeklagte und sein damaliger Verteidiger Rechtsmittelverzicht erklärt hatten, war das Urteil als rechtskräftig behandelt worden. Fünf Monate später hat er mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 25. September 2002 Revision eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision beantragt. Durch Beschluß vom 19. Mai 2005 hat der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshof, nachdem zwischenzeitlich ein Vorlageverfahren vor den Großen Senat in Strafsachen durch Beschluß vom 3. März 2005 - GSSt 1/04 - abgeschlossen worden war, dem Angeklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gewährt. Damit ist die Rechtskraft des Urteils in Wegfall geraten. Es ist in der Folgezeit und zugleich rückwirkend der Haftbefehl vom 13. März 2002 zum selben Aktenzeichen vollstreckt worden.

Im Verfahren über die bedingte Entlassung gemäß § 57 Abs. 1 StGB hat der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer dem Verteidiger des Angeklagten am 9. Juni 2005 fernmündlich mitgeteilt, er werde keine Entscheidung über die bedingte Entlassung des Angeklagten aus der Strafhaft gemäß § 57 Abs. 1 StGB und auch keine gerichtliche Entscheidung gemäß § 458 Abs. 1 StPO treffen. Den letzteren Antrag hatte der Verteidiger des Angeklagten erstmals am 8. Juni 2005 gestellt und war darauf gerichtet gewesen, die sofortige Entlassung des Angeklagten aus der Haft zu veranlassen.

Auf seine dagegen gerichtete Beschwerde hat der Senat mit Beschluß vom 21. Juli 2005 festgestellt, daß die Beschwerde gegenstandslos sei, soweit sie sich gegen die Ablehnung der bedingten Entlassung des Angeklagten gemäß § 57 Abs. 1 StGB richtet. Die Beschwerde gegen die Ablehnung einer Entscheidung nach § 458 Abs. 1 StPO hat der Senat auf Kosten des Angeklagten als unzulässig verworfen.

Der Angeklagte begehrt insoweit die Nachholung rechtlichen Gehörs gemäß § 33 a StPO.

Mit seinem Antrag vom 25. August 2005 hat der Angeklagte in Bezug auf den Senatsbeschluß vom 21. Juli 2005 folgende Anträge gestellt:

1. Unter Aufhebung des Beschlusses des OLG Hamm vom 21.7.2005 wird das Verfahren in den Stand vor der Entscheidung zurückversetzt.

2. Der Beschwerde wird stattgegeben und festgestellt, dass die weitere Haft des Angeklagten rechtswidrig war.

Zugleich sind die an dem Beschluß beteiligten Richter D.E. und K. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden.

Diese Eingabe hat der Senat durch Beschluß vom 6. Oktober 2005 durch die Richter am Oberlandesgericht D., E. und K. als Erhebung von Gegenvorstellungen behandelt, die Gegenvorstellungen zurückgewiesen und das Befangenheitsgesuch als unzulässig verworfen.

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Eingabe vom 2. November 2005, mit der er beantragt, unter Aufhebung der Beschlüsse des Oberlandesgerichts Hamm vom 21. Juli 2005 und 6. Oktober 2005 das Verfahren in den vorigen Stand - den Stand vor der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 21. Juli 2005 - zurückzuversetzen, der Beschwerde stattzugeben und festzustellen, dass die weitere Haft des Angeklagten rechtswidrig war. Zugleich sind die an den vorangegangenen Senatsentscheidungen beteiligten Richter erneut wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden.

Das Befangenheitsgesuch hat der Senat mit Beschluß vom 13. November 2005 als unbegründet verworfen. Im Rahmen des Verfahrens über die Befangenheit der abgelehnten Richter haben diese sich dahingehend geäußert, ihre dienstliche Tätigkeit ergebe sich aus den Akten, sie fühlten sich nicht befangen. Die dienstlichen Äußerungen sind u.a. dem Verteidiger des Angeklagten zur Kenntnisnahme übersandt worden.

Die Anhörungsrüge hat der Angeklagte durch seinen Verteidiger im wesentlichen wie folgt begründet:

Die Stellungnahme des Generalstaatsanwaltes sei dem Vertreter des Angeklagten nicht zugänglich gemacht worden, sei aber gleichwohl von den abgelehnten Richtern verwertet und der Entscheidung zugrundegelegt worden. Außerdem seien die Vollstreckungsblätter der Justizvollzugsanstalten Münster und Duisburg vom 15. und 17. Juni 2005 verwertet worden, ohne diese dem Angeklagten oder seinem Vertreter vorab zur Stellungnahme zuzusenden. Der Senat habe in seinem Beschluß ausgeführt, daß nicht mehr das Urteil des Landgerichts Duisburg vollstreckt werde sondern ein Haftbefehl vom 13. Februar 2002. Diese Urkunden seien falsch gewesen. Im übrigen habe sich der Senat nicht auf diese Urkunden beziehen dürfen, weil allein Richter festzulegen hätten, welche Art von Freiheitsentzug erlitten wird bzw. vollzogen wird. Die Entscheidung darüber komme den Justizvollzugsanstalten nicht zu. Der Senat hätte daher die Rechtslage selbst überprüfen müssen. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. August 2005, die auf den Antrag des Angeklagten vom 15. August 2005 ergangen ist, habe der Haftbefehl, der vollstreckt worden sei, aber nicht bestanden. Die Richter der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Münster und der Senat seien daher für die sofortige Freilassung des Angeklagten verantwortlich gewesen.

Mit seiner weiteren Begründung vom 2. November 2005 führt der Angeklagte im wesentlichen sowohl zum Befangenheitsgesuch als auch zur Anhörungsrüge weiter aus, die abgelehnten Richter würden sich erneut weigern, dem Verteidiger die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vor der Entscheidung vorzulegen. Die Anhörungsrüge vom 25. August 2005 sei in verfassungswidriger Weise als Erhebung von Gegenvorstellungen behandelt worden, wodurch ihm der Zugang zu Gericht versperrt worden sei. Damit hätten sich die abgelehnten Richter zugleich einer Überprüfung ihrer Unbefangenheit entzogen. Rechtliches Gehör sei weiter dadurch verletzt worden, daß der Senat den Inhalt der Vollstreckungshefte verwertet habe, ohne dem Verteidiger zuvor Akteneinsicht zu gewähren.

Der Verteidiger hatte vor der Entscheidung des Senats Akteneinsicht in die dem Senat vorliegenden Zweitakten, das Vollstreckungsheft und alle ergänzenden dem Senat vorliegenden Unterlagen. Er hatte nach vollständiger Akteneinsicht am 3. Februar 2006 Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

Der Antrag auf Nachholung rechtlichen Gehörs war als unzulässig zu verwerfen.

Das Verfahren ist durch Beschluß in die Lage zurückzuversetzen, die vor dem Erlaß der Entscheidung bestanden hat, wenn das Gericht bei einem Beschluß den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat, diesem gegen den Beschluß keine Beschwerde und kein anderes Rechtsmittel zusteht und er dadurch noch beschwert ist, § 33 a StPO.

1. Es liegt schon keine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör vor.

In Befolgung der Entscheidung des Plenums des Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 2003 (NJW 2003, 1924 = BVerfGE 107, 395) erfaßt § 33 a StPO jetzt ausdrücklich jede Art der Verletzung rechtlichen Gehörs (vgl. auch Meyer-Goßner, 48. Auflage, § 33 a Rdnr. 1 a). Das Grundgesetz sichert nämlich rechtliches Gehör im gerichtlichen Verfahren durch das Verfahrensgrundrecht des Art. 103 Abs. 1 GG. Rechtliches Gehör ist nicht nur ein "prozessuales Urrecht" des Menschen, sondern auch ein objektivrechtliches Verfahrensprinzip, das für ein rechtsstaatliches Verfahren im Sinne des Grundgesetzes schlechthin konstitutiv ist (vgl. BVerfGE 55, 1 (6) = NJW 1980, 2698). Seine rechtsstaatliche Bedeutung ist auch in dem Anspruch auf ein faires Verfahren gem. Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sowie in Art. 47 Abs. 2 der Europäischen Grundrechte-Charta anerkannt. Der Einzelne soll nicht nur Objekt der richterlichen Entscheidung sein, sondern vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen, um als Subjekt Einfluß auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (vgl. BVerfGE 9, 89 (95) = NJW 1959, 427). Rechtliches Gehör sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten im Prozeß eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können. Insbesondere sichert es, daß sie mit Ausführungen und Anträgen gehört werden.

a) Der Umstand, daß die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 20. Juli 2005 dem Verteidiger nicht vor der Senatsentscheidung zur Kenntnis gebracht wurde, vermag eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht zu begründen.

Die Stellungnahme hat folgenden Wortlaut:

"Strafverfahren gegen J.U. zurzeit in dieser Sache in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Münster, wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz - 154 Js 791/01 StA Duisburg - Verteidiger:

Rechtsanwalt B.

Beschwerde gegen eine Entscheidung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Münster vom 09.06.2005

Anlagen

2 Vollstreckungshefte 154 Js 791/01 StA Duisburg

Die Anlagen übersende ich mit dem Antrag,

die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

Der Rechtsmittelführer ist durch Urteil des Landgerichts Duisburg vom 29.04.2002 wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Das Urteil ist aufgrund Rechtsmittelverzichts in der Hauptverhandlung rechtskräftig geworden. Durch Beschluss des großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs vom 03.03.2005 (BI. 218 ff d.A.) ist die Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichtes in diesem Verfahren für unwirksam erklärt worden. Der Bundesgerichtshof hat auf Antrag des Generalbundesanwalts vom 19.05.2005 beschlossen, dass dem Rechtsmittelführer nach Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 29.04.2002 auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist und mit Zustellung dieses Beschlusses die Frist zur Begründung der Revision beginnt, soweit das Urteil bereits zugestellt worden ist. Damit ist die Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Duisburg in Wegfall geraten.

Der Verurteilte hat bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Münster beantragt, ihn auf freien Fuß zu setzen.

Durch Schreiben vom 09.06.2005 (BI. 276 d.A.) hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Münster klargestellt, dass sich der Rechtsmittelführer nunmehr, nachdem die Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Duisburg in Wegfall geraten ist, wieder in Untersuchungshaft befindet und eine Entscheidung der Strafvollstreckungskammer deshalb nicht angezeigt ist. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Rechtsmittelführer. Das Landgericht Duisburg hat durch Beschluss vom 16.06.2005 (BI. 288 ff d.A.) klargestellt, dass sich der Verurteilte weiterhin aufgrund der ursprünglichen Haftfortdauerentscheidung in Untersuchungshaft befindet. Ein Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls bzw. Außervollzugsetzung ist zurückgewiesen worden.

Das Rechtsmittel ist unbegründet, da sich der Rechtsmittelführer jedenfalls jetzt aufgrund des Beschlusses des Landgerichts Duisburg vom 16.06.2005 in Haft befindet. Eine Entscheidung der Strafvollstreckungskammer war bereits zum Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde nicht geboten, da zu diesem Zeitpunkt ein rechtskräftiges Strafurteil nicht mehr bestand, so dass die Strafvollstreckungskammer zu keiner Entscheidung berufen war. Dementsprechend hat der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer zu Recht keine Entscheidung getroffen. Angreifbar für den Rechtsmittelführer ist allenfalls die zuletzt ergangene Haftentscheidung vom 16.06.2005.

Das Rechtsmittel muss ohne Erfolg bleiben."

Diese Stellungnahme enthält insbesondere keine Tatsachen, die dem Angeklagten oder seinem Verteidiger nicht bekannt waren. Sie mußte dem Verteidiger daher nicht bekannt gegeben werden (vgl. BGH, Beschluß vom 12. April 1996 - 2 ARs 421/95 -; KK-Maul, StPO, 5. Auflage, § 33 Rdnr. 8 m.w.N.). Die Bekanntgabe hatte der Verteidiger auch nicht vor Erlaß der Senatsentscheidung beantragt. Deshalb bedarf es keiner Prüfung, ob in einem solchen Fall möglicherweise etwas anderes gelten würde.

Die gesamte Prozeßgeschichte war dem Verteidiger, der den Angeklagten seit Einlegung der Revision unter gleichzeitiger Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages vertreten hat, bekannt. Die Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen vom 3. März 2005 war dem Verteidiger ausweislich seines Eingangsstempels jedenfalls am 15. April 2005 (vgl. Bl. 218 VH II) bekannt gegeben worden. Zu diesem Zeitpunkt war über sein Wiedereinsetzungsgesuch noch nicht entschieden. Wiedereinsetzung wurde dem Angeklagten durch Beschluß des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 19. Mai 2005 gewährt, der Beschluß ging dem Verteidiger schriftlich am 6. Juni 2005 zu (vgl. Bl. 264 VH II). Unter dem selben Tage zeigte er der Strafvollstreckungskammer Münster die Gewährung von Wiedereinsetzung an, wobei er zutreffend darauf hinwies, daß der weiteren Strafverbüßung die Grundlage entzogen sei, da das "ursprünglich rechtskräftige Urteil in Wegfall geraten" sei. Von keinen anderen Tatsachen ist der Senat in seinen Entscheidungen ausgegangen.

2. Soweit der Angeklagte eine Verletzung rechtlichen Gehörs darin sieht, daß der Senat zwei Vollstreckungsübersichten verwendet habe, die seinem Verteidiger nicht bekannt gewesen seien, führt dies zu keiner anderen Entscheidung. Entscheidend ist, daß die Vollstreckungsgrundlage für die zunächst vollstreckte Freiheitsstrafe durch die Gewährung von Wiedereinsetzung nachträglich entfallen war. Darauf, daß zudem die Freiheitsstrafe nicht weiter vollstreckt werde, sondern sich der Angeklagte - entsprechend der damals wohl herrschenden, nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. August 2005 - 2 BvR 1357/05 - allerdings nicht mehr aufrechtzuerhaltenden Rechtsauffassung aufgrund eines Wiederauflebens des ursprünglichen Haftbefehls - nunmehr wieder in Untersuchungshaft befinde, ist der Verteidiger zudem durch den sachbearbeitenden Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Duisburg telefonisch am 9. Juni 2005 (vgl. Bl. 285 VH II) und zudem erneut mit Schreiben des Vorsitzenden der Strafvollstreckungskammer vom selben Tage, das am 13. Juni 2005 abgeschickt worden ist, ausdrücklich noch einmal hingewiesen worden. Die Bezugnahme des Senats auf die Vollstreckungsübersichten erfolgte lediglich zur Dokumentation, daß auch ausweislich der Vollstreckungsübersichten der materiellen Rechtslage entsprechend jedenfalls Strafhaft nicht weiter vollzogen worden ist.

Soweit der Angeklagte in diesem Zusammenhang auch darauf abstellt, diese beiden Vollstreckungsübersichten seien unzutreffend gewesen, Kammer und Senat hätten die Rechtslage selbständig prüfen müssen und sie nicht zur Grundlage ihrer Entscheidungen machen dürfen, ist schon nicht erkennbar, inwieweit sich daraus die Möglichkeit der Verletzung rechtlichen Gehörs ergeben können soll. Weder die Kammer noch der Senat haben Vorbringen des Angeklagten unberücksichtigt gelassen, sondern lediglich eine andere rechtliche Bewertung als vom Verteidiger gewünscht vorgenommen. Die Verteidigung verkennt überdies bei ihrem Vorbringen, daß bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Münster und folgend dem Senat lediglich eine Zuständigkeit für die Prüfung der bedingten Entlassung aus der Strafhaft gemäß § 57 Abs. 1 StGB und gemäß § 458 Abs. 1 StPO - hier Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung - bestand. Strafhaft wurde aber nicht mehr vollzogen. Da der Haftbefehl, der nach Gewährung von Wiedereinsetzung vollzogen wurde, vom Landgericht Duisburg stammte, bestand für den Senat schon von daher keine Zuständigkeit für Rechtsmittel gegen den Haftbefehl. Der Senat hatte nicht einmal abstrakt die rechtliche Möglichkeit, die Entlassung des Angeklagten aus der Untersuchungshaft zu veranlassen. Falls weiterhin Strafhaft vollzogen worden wäre, hätte er allenfalls die sofortige Entlassung des Angeklagten aus der Strafhaft veranlassen können und müssen. Die nicht entscheidungstragenden Ausführungen des Senats im Beschluß vom 21. Juli 2005 zum Bestehen eines Haftbefehls waren von daher auch nicht entscheidungserheblich im Sinne des § 33 a StPO.

3. Inwieweit in der behaupteten weiteren Weigerung des Senats, dem Verteidiger die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft zur Kenntnis zu geben, eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegen soll, die sich auf die Entscheidung vom 21. Juli 2005 ausgewirkt haben könnte, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Gleiches gilt für die Rüge, der Antrag des Angeklagten vom 25. August 2005 sei zu Unrecht als Erhebung von Gegenvorstellungen statt als Anhörungsrüge behandelt worden.

4. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, daß ausgeschlossen ist, das Recht auf rechtliches Gehör könnte in entscheidungserheblicher Weise im Sinne von § 33 a StPO verletzt worden sein. Entscheidungserheblich ist eine unterbliebene Anhörung nämlich nur dann, wenn sie sich auf das Ergebnis der Entscheidung hätte auswirken können (Meyer-Goßner, a.a.O., Rdnr. 4). Das ist aber in jedem Falle denknotwendig ausgeschlossen.

III.

Soweit der Angeklagte die Feststellung der Rechtswidrigkeit der "weiteren Haft" begehrt, ist eine Entscheidung des Senats nicht veranlaßt. Aus dem Wortlaut des Antrages ("weitere Haft") und der damit im Zusammenhang stehenden Antragsbegründung ergibt sich, daß der Angeklagte die Feststellung der Rechtswidrigkeit der vollstreckten Untersuchungshaft begehrt. Für Entscheidungen im Zusammenhang damit ist der Senat jedoch wie bereits ausgeführt nicht zuständig, deren Rechtswidrigkeit steht zudem schon aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. August 2005 - 2 BvR 1357/05 - fest. Inwieweit ein darüber hinaus gehendes Feststellungsinteresse bestehen könnte, hat der Senat ebenfalls nicht zu entscheiden.

IV.

Soweit der Angeklagte im Schriftsatz seines Verteidigers vom 30. Januar 2006 mitgeteilt hat, er teile die Rechtsauffassung des Senats zur Frage der Befangenheit der abgelehnten Richter nicht und rege an, daß sich die abgelehnten Richter nunmehr selbst für befangen erklären, besteht dafür schon angesichts der dem Verteidiger bekannt gemachten dienstlichen Stellungnahmen der abgelehnten Richter keine Veranlassung.

Soweit der Angeklagte eine Kommentierung des Senats zu seinem Beschluß vom 26. Oktober 2004 - 4 Ws 409 und 424/04 - "erwartet", sieht der Senat auch hierzu keine Notwendigkeit.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 StPO analog. Während das Verfahren auf Nachholen des rechtlichen Gehörs nach §§ 33 a, 311 a StPO a.F. noch kostenfrei gewesen war, hat sich die Rechtslage seit In-Kraft-Treten des Anhörungsrügengesetzes vom 9.12.2004 (BGBl. I S. 3220) geändert, das die Gehörsrüge zwar nicht als Rechtsmittel, aber als eigenständigen Rechtsbehelf (Begründung in BT-Drucksache 15/3706 S. 13) ausgestaltet hat.

Die Entscheidung, durch die ein Antrag auf Nachholung des rechtlichen Gehörs nach §§ 33 a, 311 a Abs. 1 S. 1, 356 a StPO in vollem Umfang verworfen oder zurückgewiesen wird, löst im Strafverfahren den Gebührentatbestand Nr. 3900 in dem durch das Anhörungsrügengesetz (BGBI. 2004 I S. 3226) eingeführten Hauptabschnitt 9 zu Teil 3 des Kostenverzeichnisses (= Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) und damit eine Gebühr in Höhe von 50,00 Euro aus. Dasselbe gilt zudem i.V.m. §§ 46 Abs. 1 und 79 Abs. 3 OWiG für das Bußgeldverfahren durch den ebenfalls neu geschaffenen Gebührentatbestand Nr. 4500 in Hauptabschnitt 5 zu Teil 4 KV (vgl. insoweit zum Entwurf des Anhörungsrügengesetzes BT-Drucksache 15/3706 S. 8, 9, 23).

Mit dieser Gebührenregelung hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass er die Verfahren über eine Gehörsrüge als selbständige Verfahren ansieht, die zu einer abschließenden Entscheidung i.S.d. § 464 Abs. 1 StPO führen. Daher ist eine Kostengrundentscheidung für Beschlüsse nach §§ 33 a, 311 a Abs. 1 S. 1, 356 a StPO (ggf. i.V.m. §§ 46 Abs. 1,79 Abs. 3 S. 1 OWiG) geboten, damit eine Kostenfestsetzung nach den Nummern 3900 und 4500 KV erfolgen kann; andernfalls würde die Ergänzung des Kostenverzeichnisses durch das Anhörungsrügengesetz ins Leere gehen.

Ende der Entscheidung

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