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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 15.12.2005
Aktenzeichen: 4 Ws 357/05
Rechtsgebiete: JVEG


Vorschriften:

JVEG § 4 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die weitere Beschwerde wird verworfen.

Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).

Gründe:

Der Leiter des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts hat in der Sache wie folgt Stellung genommen:

"Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht auf die infolge Zulassung (vgl. Bd A BI. 50 ff. d.A.) .gem. § 4 Abs. 3 JVEG zulässige Beschwerde des Zeugen L, N, vom 23.02.2005 (Bd. A BI. 55 d.A.) die diesem aus Anlass der Wahrnehmung des Hauptverhandlungstermins vor dem Amtsgericht Ibbenbüren am 21.01.2005 zustehende Entschädigung - unter teilweiser Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts vom 27.01.2005 (Bd. A BI. 39 ff. d.A.) - anderweitig auf 265,70 € festgesetzt (10 Stunden a 12,02 € = 120,20 € Entschädigung für Verdienstausfall gem. § 19 Abs. 1 Nr. 6, 22 JVEG; 2 * 291 km = 582 km * 0,25 € = 145,50 € Fahrtauslagen gem. §19 Abs. 1 Nr. 1, 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG). Mit letzterem Beschluss hatte die Strafrichterin dem Zeugen lediglich 175,50 € zuerkannt (10 Stunden a 3,00 € = 30,00 € Nachteilsentschädigung gem. § 19 Abs. 1 Nr. 4, 20 JVEG neben den vorgenannten - unstreitigen - Fahrtauslagen i.H.v. 145,50 €).

Die angefochtene Entscheidung, auf die - im Übrigen - zwecks Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, stützt sich hinsichtlich der vorliegend allein streitigen Frage der Entstehung und Erstattungsfähigkeit von Verdienstausfall u.a. darauf, dem als selbstständiger Detektiv für die Firma H GmbH in M tätigen Zeugen sei durch Wahrnehmung der Hauptverhandlung am 21.01.2005 ein - der Höhe nach belegter - Verdienstausfall entstanden, da er ansonsten an diesem Tage bis zu 10 Stunden seiner Tätigkeit habe nachgehen können. Auf die Inanspruchnahme der Firma H könne Herr L nicht verwiesen werden, da diese für durch Zeugenaussagen vor Gericht verursachte Ausfallzeiten, die vorliegend nach dem zugrunde liegenden Vertragsverhältnis gerade nicht seiner zu vergütenden Detektivtätigkeit zuzuordnen seien, keine Vergütung zahle und die Vertragsgestaltung eine Benachteiligungsabsicht zu Lasten Dritter nicht erkennen lasse.

Dagegen wendet sich die Landeskasse mit der o.g. Beschwerde, der die Kammer unter dem 08.08.2005 (Bd. A BI. 82 d.A.) nicht abgeholfen hat. Einen bezifferten Antrag enthält das Rechtsmittel zwar nicht. Die Bezirksrevisorin vertritt aber unter Bezugnahme auf ihre im erst- und zweitinstanzlichen Festsetzungsverfahren abgegebenen Stellungnahmen vom 16.02. und 14.06.2005 (Bd. A BI. 46 ff., 70 d.A.) weiterhin die Auffassung, dem Zeugen stehe der geltend gemachte Anspruch auf Entschädigung für Verdienstausfall nach § 22 JVEG nicht zu, erstrebt also im Ergebnis die Wiederherstellung der Erstfestsetzung des Amtsgerichts Ibbenbüren (Strafrichterin) vom 27.01.2005 auf 175,50 € (vgl. oben). Von einer Wiederholung der Argumentation der Beschwerde führenden Landeskasse sehe ich an dieser Stelle ab.

Das Rechtsmittel ist gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 JVEG zulässig (vgl. Meyer/Höver/Bach, JVEG, 23. Aufl., § 4 RdNr. 4.19), da die Kammer die weitere Beschwerde im angefochtenen Beschluss wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen hat (vgl. Bd. A BI. 74 d.A.).

Ich halte die Beschwerde allerdings nicht für begründet, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Gesetzes im Sinne der §§ 546, 547 ZPO beruht (§ 4 Abs. 5 Satz 2 JVEG).

Die Kammer hat in der angefochtenen Entscheidung mit erschöpfender und - aus meiner Sicht - überzeugender Begründung, die durch das Vorbringen der Beschwerde führenden Landeskasse nicht erschüttert wird, der Erstbeschwerde des Zeugen stattgegeben und ihm den Anspruch auf den geltend gemachten Verdienstausfall zugebilligt.

Bei Selbstständigen ist in aller Regel ein Verdienstausfall bis zum Höchststundensatz von 17,00 €, der als Entschädigung für Verdienstausfall gem. § 22 Satz 1 JVEG zugebilligt werden kann, auch ohne Nachweis - der auch nur schwer zu führen wäre - zuzuerkennen (vgl. auch Meyer/Höver/Bach, a.a.O., § 22 RdNr. 22.17 lit. b; KG, Beschluss vom 28.04.1992 - 1 W 1703/92 - in juris). Ein Selbstständiger erleidet als Zeuge während seiner Heranziehung einen echten Verdienstausfall und nicht nur einen Vermögensschaden, der als solcher nicht nach § 22 JVEG zu entschädigen wäre (Zimmermann, JVEG, § 22 RdNr. 4 m.w.N.). Die Privatentnahmen spielen insoweit keine Rolle, da sie sich für die Gewinn- und Verlustrechnung nicht auswirken.

Ein Zeuge erhält allerdings nach der vorgenannten Vorschrift eine Entschädigung bis 17,00 € für jede Stunde der notwendigerweise versäumten Arbeitszeit nur unter der Voraussetzung, dass tatsächlich ein Verdienstausfall eingetreten ist (vgl. Zimmermann, a.a.O., § 22 RdNr. 2 m.w.N.). Ist ein Verdienstausfall nicht eingetreten, kann allenfalls die Nachteilsentschädigung gem. § 20 JVEG gezahlt werden, da mit "Verdienstausfall" eine tatsächliche Minderung des Berufseinkommens gemeint ist. So wird z.B. bei Freiberuflern, die einer Sozietät angehören, davon ausgegangen, dass typischerweise kein Verdienstausfall entsteht, weil der Zeuge während seiner Abwesenheit von den anderen Sozien vertreten wird. Auch wenn für den Zeugen die Möglichkeit besteht, die Arbeit ohne finanzielle Einbußen zeitlich zu verschieben, wird eine Verdienstausfallentschädigung nicht gewährt (vgl. z.B. LG Rostock, Beschluss vom 15.11.2002 - 2 T 23/01 - in juris, dort ging das Gericht davon aus, dass ein selbstständiger Handwerker mit einem Kleinbetrieb nicht durchgehend mit Aufträgen ausgelastet war und Verdienstausfall nicht ohne weiteres unterstellt werden konnte).

Der vorliegende Fall ist m.E. aber anders gelagert: Der Zeuge steht nicht in einem förmlichen Arbeitsverhältnis, sondern bietet seine Arbeitskraft der Firma H als Selbstständiger an. Ob es sich um eine Scheinselbstständigkeit handelt, ist hier unerheblich, da dies zunächst nur sozialversicherungsrechtliche, nicht aber arbeitsrechtliche Konsequenzen hätte. Die Firma H als Auftraggeberin vergütet dem Zeugen - was dieser glaubhaft gemacht hat (Bd. A BI. 45, 61 d.A.) - keine durch seine Heranziehung bedingten beruflichen Ausfallzeiten. Die aus seiner Detektivtätigkeit resultierende Wahrnehmung gerichtlicher Termine als Zeuge ist auch nicht - wie die Kammer im angefochtenen Beschluss zutreffend feststellt - seiner Berufstätigkeit zuzuordnen und etwa mit der dafür gezahlten Vergütung abgegolten. Ebenso wenig kann nach der Zahl der monatlich abgerechneten Stunden (BI. 64 ff.) davon ausgegangen werden, der Zeuge sei nicht ausgelastet und ein Verdienstausfall daher nicht unbedingt zu unterstellen. Ich halte es vielmehr für glaubhaft, dass der Zeuge üblicherweise täglich 8 bis 10 Stunden arbeitet (vgl. BI. 62 R). Die in der Zeit von November 2004 bis Februar 2005 abgerechneten Stunden zuzüglich der hier fraglichen Zeit ergeben zwar nur eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von etwas mehr als 37 Stunden, so dass ein 10-Stunden-Arbeitstag nicht ohne weiteres zu Grunde gelegt werden könnte. Die Vorlage weiterer Belege wie z.B. einer Bescheinigung der Firma H, dass Herr L gerade am 21.01.2005 für eine Zeit von 10 Stunden eingeplant worden wäre, halte ich im Hinblick auf die inzwischen verstrichene Zeit und den bisherigen Verfahrensgang sowie die Höhe der noch fraglichen Beträge aber nicht mehr für angezeigt. Im Ergebnis erscheint es glaubhaft, dass Herr L, wenn er nicht als Zeuge heran gezogen worden wäre, an diesem Tage seiner Tätigkeit als Detektiv mit einer auf 10 Stunden zu veranschlagenden Dauer nachgegangen wäre und den geltend gemachten Verdienst von 120,20 € (10 Std. * 12,02 €) erzielt hätte. Wird diese Stundenzahl den im Januar 2005 vom Zeugen tatsächlich geleisteten 147,5 Arbeitsstunden hinzugerechnet, fällt die sich ergebende Gesamtarbeitszeit von 157,5 Stunden (10 + 147,5 Std.) im Hinblick auf die ansonsten monatlich geleisteten Arbeitszeiten auch keineswegs als "Ausreisser" aus dem Rahmen (vgl. BI. 64, 65, 68, 69 d.A.).

Abschließend schlage ich vor, die weitere Beschwerde als unbegründet zurück zu weisen."

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an.

Ende der Entscheidung

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