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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 14.11.2006
Aktenzeichen: 4 Ws 519/06
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 140 Abs. 2
StGB § 56 f Abs. 1
Zur (verneinten) Beiordnung eines Pflichtverteidigers im Strafvollstreckungsverfahren.
Beschluss

Bewährungssache gegen H. G.,

wegen Vergewaltigung,

hier: Beiordnung eines Pflichtverteidigers.

Auf die Beschwerde des Verurteilten vom 06. Oktober 2006 gegen den Beschluss der 9. großen Strafkammer des Landgerichts Münster vom 26. August 2006 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 14. November 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses, die durch das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht ausgeräumt werden, auf dessen Kosten (§ 473 Abs. 1 StPO) verworfen.

Gründe:

I. Durch Urteil des Landgerichts Münster vom 12. März 2001 ist gegen den Verurteilten wegen Vergewaltigung eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt worden. Die Strafvollstreckung wurde für die Dauer von drei 3 Jahren zur Bewährung ausgesetzt. Die Rechtskraft trat am 11. April 2002 ein.

Nachdem der Verurteilte am 21. Juni 2006 vom Amtsgericht Ahaus wegen während der Bewährungszeit begangener Taten der Urkundenfälschung, üblen Nachrede und versuchter Nötigung zu einer erneuten Bewährungsstrafe von 8 Monaten verurteilt worden war, beantragte die Staatsanwaltschaft Münster am 23. August 2006 den Widerruf der Strafaussetzung aus dem landgerichtlichen Urteil.

In dem folgenden Anhörungsverfahren ließ sich der Verurteilte von seiner Wahlverteidigerin vertreten, die sowohl mit Schriftsätzen vom 31. August 2006 als auch 20. September 2006 beantragte, als Pflichtverteidigerin beigeordnet zu werden.

Mit dem angegriffenen Beschluss vom 26. August 2006 lehnte der Kammervorsitzende die Beiordnung ab. Die Kammer selbst wies den Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft zurück und sprach einen Straferlass aus.

II. Es kann dahinstehen, ob die Beschwerde bereits deshalb unzulässig ist, weil das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen wurde (vgl. zum Streitstand Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., § 141 Rn. 10 a.E.).

Denn der Vorsitzende der Strafkammer hat vorliegend zu Recht den Antrag des Verurteilten auf Beiordnung eines Verteidigers im Bewährungsverfahren als unbegründet abgelehnt.

Zwar ist in Rechtsprechung und Schrifttum allgemein anerkannt, dass die Vorschrift des § 140 Abs. 2 StPO, die die Bestellung eines Pflichtverteidigers im Erkenntnisverfahren regelt, auch im Strafvollstreckungs- bzw. Bewährungsverfahren entsprechende Anwendung findet (zu vgl. BVerfG, NJW 1992, 2947 (Aussetzung einer lebenslangen Strafe); 2002, 2773; OLG Hamm, NStZ 1983, 189; NStZ-RR 1999, 319, NStZ-RR 2000, 113, StraFo 2000, 32; 2001, 394; 2002, 29; OLG Stuttgart, StV 1993, 378; Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., § 140 Rdnr. 33, 33 a m.w.N.). Danach muss im Vollstreckungsverfahren in entsprechender Anwendung von § 140 Abs. 2 StPO ein Verteidiger bestellt werden, wenn die Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage oder die Unfähigkeit des Verurteilten, seine Rechte sachgemäß wahrzunehmen, dies gebietet.

Allerdings müssen die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO im Licht der Besonderheiten des Vollstreckungsverfahrens gesehen werden (vgl. OLG Hamm, Beschl. vom 17. April 2001 in 2 Ws 85/01; 4. Februar 2002 in 2 Ws 12/02; 10. Mai 2002 in 2 Ws 99/02). Es ist insoweit nicht auf die Schwere oder die Schwierigkeit im Erkenntnisverfahren, sondern auf die Schwere des Vollstreckungsfalls für den Verurteilten oder auf besondere Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage im Vollstreckungsverfahren abzustellen (KG, StraFo 2002, 244; Meyer-Goßner, a.a.O.).

Für die Beurteilung der Schwierigkeit der Rechtslage kam es auf die Frage der rechtlichen Bewertung der Zustellung des nicht (vollständig) unterschriebenen Erlass-Beschlusses nicht an. Maßgeblich war allein die Beurteilung der Widerrufsgründe und die Frage, ob gemäß § 56 f Abs. 2 StGB vom Widerruf abgesehen werden konnte, besondere Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht bot, die die Beiordnung eines Verteidigers geboten erscheinen lassen (zu vgl. OLG Hamm, Besch. vom 10. Mai 2002).

Der Vortrag des Verurteilten, die ihm drohende Strafhöhe gebot die Verteidigung durch einen Pflichtverteidiger, geht fehl. Ebenso wenig wie bei einer Entscheidung nach § 57 StGB die Dauer des noch zu verbüßenden Strafrestes ein Kriterium für die Beiordnung eines Verteidigers ist, ist dies auch im Falle des Widerrufs bezüglich der Höhe der zu widerrufenden Strafe der Fall. Die Rechtsprechung über die Notwendigkeit der Verteidigung wegen der Schwere der Tat lässt sich nicht auf das Vollstreckungsverfahren übertragen. Die Höhe der Strafe steht - anders als im Erkenntnisverfahren - nämlich fest (zu vgl. OLG Hamm, Besch. vom 10. Mai 2002; KG, a.a.O.) Die hier vorliegende Strafe ist auch nicht so hoch, dass nach den Grundsätzen von BVerfG (a.a.O.) die Mitwirkung eines Verteidigers geboten gewesen wäre.

Das Beschwerdevorbringen ist zwar recht umfangreich. Es wirft aber weder in tatsächlicher, noch in rechtlicher Hinsicht Fragen auf, die in der Sache über die Probleme hinausgehen, die in einem den Widerruf einer Bewährungsstrafe wegen erneuter Verurteilung betreffenden Verfahren regelmäßig zu beurteilen sind.

Dass der Verurteilte selbst nicht in der Lage war, seine Rechte angemessen wahrzunehmen, ist nicht ersichtlich.

Danach ist die Beschwerde mit der sich aus § 473 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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