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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 07.06.2001
Aktenzeichen: 5 Ss 395/01
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 55
Zur Anwendung des Grundsatzes in dubio pro reo bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung
Beschluss Strafsache gegen Z.I,

wegen Unterschlagung

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der XVIII. kleinen Strafkammer des Landgerichts Dortmund vom 4. Januar 2001 hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 07.06.2001 durch die Richterin am Oberlandesgericht sowie die Richter am Oberlandesgericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers gemäß § 349 Abs. 2 u. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird im Ausspruch über die Gesamtstrafen mit den dazu getroffenen Feststellungen aufgehoben.

In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Revision verworfen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Dortmund hat den Angeklagten am 25. Juli 2000 wegen Unterschlagung in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt.

Auf die Berufung des Angeklagten, die in zulässiger Weise auf den Rechtsfolgenauspruch beschränkt worden ist, hat das Landgericht Dortmund "das angefochtene Urteil aufgehoben und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst":

"Der Angeklagte wird wegen Unterschlagung in sieben Fällen unter Einbeziehung der Verurteilung durch das Amtsgericht Marl vom 21.04.1999 (16 Js 503/98 StA Essen) unter gleichzeitiger Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Hohe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt.

Weiterhin wird der Angeklagte wegen Unterschlagung in zwei Fällen unter Einbeziehung der Verurteilung durch das Amtsgericht Herne vom 08.06.2000 (61 Js 590/00 StA Bochum) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von sieben Monaten verurteilt. Es verbleibt bei den Maßregeln der Sicherung und Besserung gemäß dem Urteil des Amtsgerichts Herne vom 08.06.2000.

Die weitergehende Berufung des Angeklagten wird auf seine Kosten verworfen."

Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er allgemein die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

II.

Die zulässige Revision des Angeklagten hat einen Teilerfolg.

Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht in der gemäß § 344 Abs. 2 StPO gebotenen Form ausgeführt und daher unzulässig.

Die allgemeine Sachrüge, die wegen der wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch nur dessen Überprüfung zulässt, deckt Rechtsfehler hinsichtlich der erkannten Einzelstrafen nicht auf. Insoweit war die Revision daher gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

Rechtlichen Bedenken begegnet jedoch die - erstmals in der Berufungsinstanz - unter Einbeziehung von in zwei früheren Verfahren verhängten Einzelstrafen vorgenommene nachträgliche Gesamtstrafenbildung.

Zwar ist das Berufungsgericht berechtigt und verpflichtet gewesen, die vom Amtsgericht übersehene nachträgliche Gesamtstrafenbildung vorzunehmen. Es hat dabei jedoch den Grundsatz in dubio pro reo nicht hinreichend beachtet.

Gemäß § 55 Abs. 1 StGB ist nachträglich eine Gesamtstrafe zu bilden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat.

Diese Voraussetzungen liegen hier grundsätzlich vor.

Bestehen allerdings Zweifel, ob die Tat vor oder nach der bzw. einer früheren Verurteilung begangen worden ist, ist von der für den Angeklagten günstigsten Möglichkeit auszugehen (vgl. BGH MDR/H 1993, 1039; Schönke/Schröder/Stree, StGB, 26. Aufl., § 55 Randnummern 13 und 18 m.w.N.).

Danach gilt im vorliegenden Falle aufgrund der insoweit bindenden landgerichtlichen Feststellungen Folgendes:

Der Angeklagte hat sieben der neun abgeurteilten Fälle der Unterschlagung an nicht näher bestimmbaren Tagen in der Zeit zwischen dem 12. Februar 1999 und dem 20. Mai 1999 begangen. Tatzeiten für die beiden übrigen Fälle waren der 19. und 20. Mai 1999.

Im Rahmen der Gesamtstrafenbildung ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die zeitlich nicht näher bestimmbaren sieben Taten vor der rechtskräftigen Verurteilung durch das Amtsgericht Marl vom 21. April 1999 begangen worden sind, und hat aus den dortigen Einzelstrafen von jeweils drei Monaten Freiheitsstrafe für drei Einzelfälle sowie den im hiesigen Verfahren verhängten sieben Einzelstrafen von je 60 Tagessätzen die neue Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten gebildet.

Das Landgericht hat ferner aus den Einzelfreiheitsstrafen von je sechs Monaten, die im hiesigen Verfahren wegen der am 19. und 20. Mai 1999 begangenen Taten verhängt worden sind, sowie der mit Urteil des Amtsgerichts Herne vom 8. Juni 2000 rechtskräftig verhängten Geldstrafe von 40 Tagessätzen die weitere Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten gebildet.

Das Landgericht hätte jedoch, ausgehend von den im Rahmen der Gesamtstrafenbildung für den Angeklagten günstigsten möglichen Tatzeitpunkten, bezüglich der sieben Taten, die nicht näher bestimmbar in der Zeit zwischen dem 12. Februar 1999 und dem 20. Mai 1999 begangen worden sind, in Ermangelung näherer Erkenntnisse zugunsten des Angeklagten von einem Tatzeitraum bezüglich dieser Taten nach dem 21. April 1999 ausgehen müssen und (nur) eine einheitliche Gesamtfreiheitsstrafe mit der Verurteilung des Amtsgerichts Herne vom 8. Juni 2000 bilden dürfen. Unter Beachtung des Verschlechterungsverbotes hätte durch diese (neue) Gesamtfreiheitsstrafe die Summe aus der im vorliegenden Verfahren erstinstanzlich gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten und aus der in der Berufungsinstanz einzubeziehenden Einzelstrafe von 40 Tagessätzen nicht überschritten werden dürfen (vgl. Schönke/Schröder/Stree, a.a.O. Rdnr. 42 m.w.N.). Die Verurteilung durch das Amtsgericht Marl vom 21. April 1999 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung wäre - ohne Einbeziehung - selbständig bestehen geblieben, womit der Angeklagte im Ergebnis insgesamt besser gestellt wäre als im Falle der durch das hier angefochtene Urteil gebildeten beiden Gesamtfreiheitsstrafen von einem Jahr und drei Monaten und sieben Monaten, jeweils ohne Strafaussetzung zur Bewährung.

Aufgrund dieses Mangels unterliegt das angefochtene Urteil daher im Ausspruch über die Bildung der Gesamtstrafe(n) der Aufhebung. Insoweit war die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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