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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 17.09.2007
Aktenzeichen: 5 U 80/07
Rechtsgebiete: BSHG, BGB


Vorschriften:

BSHG § 90
BGB § 313
BGB § 313 Abs. 1
BGB § 324 Abs. 1 S. 2
BGB § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt.
BGB § 816 Abs. 1
BGB § 1090 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 25. April 2007 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Münster abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

540 ZPO)

A)

Die Parteien streiten über das Bestehen von Zahlungsansprüchen, die der Kläger gem. § 90 BSHG aus auf ihn übergeleiteten Ansprüchen der Frau Maria K aus einem am 21.12.1979 zwischen der Frau K und der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag herleitet. In diesem Kaufvertrag hatte die Beklagte u.a. ihren Eltern ein unentgeltliches Wohnrecht auf Lebenszeit an der im Erdgeschoss des Hauses T-Weg ## in C befindlichen Wohnung, das Mitbenutzungsrecht an den Kellerräumen und am Garten sowie das Alleinnutzungsrecht an der Garage bestellt. Ferner hat der Kläger Freistellung von den ihm vorprozessual durch Beauftragung seines Prozessbevollmächtigten entstandenen, nicht auf die Verfahrensgebühren anrechenbaren Kosten verlangt.

Wegen des weiteren Tatsachenvortrags der Parteien einschließlich der genauen Fassung der erstinstanzlich gestellten Sachanträge nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung. Ergänzend ist darauf zu verweisen, dass der Kläger erstinstanzlich behauptet hat, dass es eine Vermietungsvereinbarung zwischen dem Kläger und der Beklagten nicht gegeben hat.

Das Landgericht hat der Klage in Höhe eines Betrags von 8.886,11 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.01.2007 stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren auf vollständige Klageabweisung gerichteten Sachantrag weiterverfolgt.

Die Beklagte ist der Auffassung, das zugunsten ihrer Mutter bestehende Wohnrecht sei durch den Umzug der Muter in das Pflegewohnheim erloschen, weil ihre am 23.06.1921 geborene Mutter mittlerweile 86 Jahre alt sei und seit März 2001 in dem Pflegewohnheim lebe, so dass es auszuschließen sei, dass ihre Mutter auch unter Hinzuziehung von Pflegepersonen in die Wohnung zurückkehrt. Unzutreffend sei die Annahme des Landgerichts, der Vertrag vom 21.12.1979 sei so auszulegen, dass ihrer Mutter etwaige Mieteinkünfte aus einer Vermietung der Wohnung zustehen sollten. § 6 des Vertrags begründe lediglich ein Wohnrecht, ohne dass der Fall eines Abzugs der Wohnberechtigten geregelt sei. Mit dieser Regelung sei zum Ausdruck gebracht worden, dass der Berechtigten lediglich die Befugnis zum Wohnen habe eingeräumt werden sollen. Dass der Vertrag insoweit lückenhaft sei, lasse sich nicht feststellen. Selbst wenn diese Frage anders zu beurteilen sei, könne eine Lücke nur in der Weise geschlossen werden, dass die Nutzungen ihr verbleiben müssten, da sie das Haus und auch die mit dem Wohnrecht belastete Wohnung 1982/83 mit einem Gesamtaufwand von 142.879 DM aus- und umgebaut habe. Dies müsse erst Recht gelten, weil ihre Mutter nie Gegenteiliges erklärt und insbesondere nie einen Anspruch auf Auskehrung der Mieterträge geltend gemacht habe.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung und wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Sachvortrag. Mit seiner Anschlussberufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlich abgewiesenen Ansprüche weiter. Hierzu trägt er vor, er verlange nunmehr die ungedeckten Beträge im Zeitraum 2003 bis September 2006 bis zu einer Höhe von 400 €. Ferner erweitert er die Klage, indem er nunmehr auch für den Zeitraum ab dem 01.09.2006 Zahlung verlangt. Hierzu bestreitet der Beklagte, dass die Wohnung nicht fremdvermietet gewesen sei. Im Übrigen verweist er darauf, dass für den Fall, dass die Wohnung doch leergestanden habe, die Beklagte ihm eine unterbliebene Fremdvermietung nicht entgegenhalten könne. Seiner Auffassung nach sei die Beklagte nämlich zur Fremdvermietung verpflichtet gewesen. Auch der Höhe nach sei die Forderung begründet, da die geleistete ungedeckte Sozialhilfe mit Ausnahme des Monats Februar 2007 höher gewesen sei als der geforderte Betrag.

Mit seiner innerhalb der Berufungserwiderungsfrist eingegangenen Anschlussberufung beantragt der Kläger,

in teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Münster (10 O 538/06) die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.023,55 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2006 zu zahlen;

die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn beginnend mit dem 01.09.2006 monatlich 232,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab jeweiliger Monatsfälligkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Sie tritt der Anschlussberufung entgegen.

B)

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Dem Kläger steht dem Grunde nach kein auf ihn gemäß § 90 BSHG übergegangener vertraglicher Anspruch der Mutter auf Herausgabe der von der Beklagten vereinnahmten Mieten zu. Aus diesem Grund hat die Anschlussberufung des Klägers keinen Erfolg.

I. Die Klage ist unbegründet.

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Wohnungsrecht allerdings nicht durch den im März 2001 erfolgten Umzug der in der Pflegestufe 2 eingestuften Mutter der Beklagten erloschen. Das Wohnungsrecht ist eine besondere Art der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (§ 1093 I 1 BGB). Für sein Erlöschen gelten deshalb dieselben Grundsätze wie für das Erlöschen einer solchen Dienstbarkeit. Danach erlischt das Recht, wenn seine Ausübung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen dauernd unmöglich wird (BGH NJW 2007, 1884, 1885; BGH NJW 1985, 1025). Das ist unter anderem der Fall, wenn das Recht niemandem mehr einen Vorteil bietet (BGH NJW 2007, 1884, 1885). An diesen Voraussetzungen fehlt es, wenn das Wohnungsrecht auf Grund der Aufnahme des Berechtigten in ein Pflegeheim nicht ausgeübt werden kann. Denn ihm bleibt nach § 1090 I 2 BGB die Möglichkeit, mit Gestattung des Grundstückseigentümers die Ausübung seines Rechts anderen zu überlassen und dadurch zum Beispiel für sich einen Mietanspruch gegen den Besitzer der dem Recht unterliegenden Räume zu begründen. Ein in der Person des Berechtigten liegendes Ausübungshindernis führt somit nicht generell zum Erlöschen des Wohnungsrechts, selbst wenn das Hindernis auf Dauer besteht (BGH a.a.O.).

2. Der Kläger ist aktiv legitimiert, soweit es im vorliegenden Verfahren um die Durchsetzung vertraglicher Ansprüche wegen der Nichtausübung des in dem Kaufvertrag vom 21.12.1979 ausgeübten Wohnungsrechts geht. Zwar ist in dem Text der Überleitungsanzeige vom 23.07.2001 - insoweit missverständlich - von "§ 324 I 2" (BGB a.F.) die Rede. In der Überschrift des Schreibens heißt es dagegen eindeutig "Überleitung des vertraglichen Anspruchs". Wenn in der Überleitungsanzeige sodann weiter sinngemäß ausgeführt wird, dass es um den Nutzungsvorteil für die Nichtinanspruchnahme des Wohnungsrechts geht, der darin besteht, dass die Beklagte über die dem Wohnrecht unterliegenden Wohnräume wirtschaftlich disponieren kann, dann bestehen keine Zweifel, dass der Kläger für die Beklagte erkennbar (§§ 133, 157 BGB) sämtliche vertraglichen Zahlungsansprüche auf sich überleiten wollte und auch tatsächlich übergeleitet hat.

3. In der Sache ergibt sich ein Anspruch des Klägers allerdings nicht aus einer vertraglichen Vereinbarung, wie sie der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19.01.2007, V ZR 163/06 (NJW 2007, 1884 ff.) zugrunde lag. In der genannten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof einen Zahlungsanspruch bejaht, weil die Parteien des Grundstücksübertragungsvertrags durch den Abschluss einer - inhaltlich unvollständigen und damit im Wege der ergänzenden Vertragsaulegung auszulegenden - Vermietungsvereinbarung eine Vertragsanpassung vorgenommen hatten (BGH, a.a.O., S. 1886). Ein solcher Sachverhalt liegt hier nicht vor. Im Gegenteil hatte der Kläger erstinstanzlich vorgetragen, es sei gerade keine Vermietungsvereinbarung zwischen der Beklagten und ihrer Mutter abgeschlossen worden. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass zwischen der Beklagten und der Wohnungsberechtigten eine solche Vereinbarung konkludent zustande gekommen wäre, wie dies der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt hat. Es fehlt jeglicher Tatsachenvortrag des Klägers, dass die Wohnungsberechtigte überhaupt Kenntnis von der Vermietung hatte.

4. Einen Anspruch kann der Kläger nicht aus § 313 I BGB herleiten. Es ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass die zur Grundlage des Kaufvertrags vom 21.12.1979 gewordenen Umstände sich nach Abschluss des Vertrags verändert haben. Vorhersehbare Änderungen begründen in der Regel keine Rechte aus § 313 BGB (Palandt-Grüneberg, BGB, 66. Auflage, § 313 Rz. 23). Die Möglichkeit, dass derjenige, zu dessen Gunsten vertraglich ein Wohnungsrecht eingeräumt wird, im Alter pflegebedürftig wird mit der Folge, dass es entweder seinem Wunsch oder der Notwendigkeit entspricht, ihn in einem Heim unterzubringen, ist für die Vertragsparteien regelmäßig und typischerweise vorhersehbar und rechtfertigt eine Vertragsanpassung gem. § 313 BGB nicht (vgl. Senat, Urteil vom 09.05.2005, 5 U 198/04, Juris Rz. 16, OLGR 06, 773; OLG Hamm NJW-RR 1996, 1360, 1361; vgl. auch BGH NJW 2007, 1884, 1885 m.w.N.).

5. Es bedarf keiner Entscheidung, ob dem Kläger gem. § 812 I 1 2 Alt. BGB bzw. gem. § 816 I BGB ein Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen zusteht (bejahend für einen Sonderfall BGH, Urt. v. 02.06.1972, V ZR 154/70, Juris Rz. 15 ff.). Bereicherungsansprüche sind nämlich von der Überleitungsanzeige vom 23.07.2001 nicht erfasst, da diese auf die Überleitung des vertraglichen Anspruchs und des Schenkungsherausgabeanspruchs beschränkt ist.

II. Die Anschlussberufung ist aus den oben genannten Gründen unbegründet.

III. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I 1, 708 Ziffer 10, 711 ZPO. Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, da die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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