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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 10.02.2006
Aktenzeichen: 5 UF 104/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1361
BGB § 1361 III
BGB § 1579 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das am 20. Mai 2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Iserlohn abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Trennungsunterhalt wie folgt zu zahlen:

einen Unterhaltsrückstand

für die Zeit 01.12.2003 bis 31.01.2006 i.H.v. 17.412,00 €,

laufenden Unterhalt

ab Februar 2006 i.H.v. monatlich 2.362,00 €.

Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.

Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Klägerin zu 88% und der Beklagte zu 12%. Die Kosten der Rechtsmittelinstanz werden der Klägerin zu 78% und dem Beklagten zu 22% auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

(gem. § 540 ZPO)

I

Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute. Aus der Ehe sind zwei inzwischen volljährige und wirtschaftlich selbständige Kinder hervorgegangen. Die Parteien haben während gemeinsamer Ehe in überdurchschnittlich guten wirtschaftlichen Verhältnissen gelebt.

Auf diesem Hintergrund hat die Klägerin klageweise einen konkret berechneten Trennungsunterhalt in monatlicher Höhe von 8.000,00 € ab Dezember 2003 geltend gemacht, wobei sie sich hierauf den freiwillig gezahlten Unterhalt i.H.v. monatlich 1.600,00 € und die vom Beklagten laufend getragenen Kosten für das von ihr bewohnte Reihenhaus mit monatlich 1.200,00 € anrechnen lässt.

Das Familiengericht hat einen konkreten Bedarf i.H.v. 4.306,00 € ermittelt, von dem es die vom Beklagten getragenen Kosten für das Reihenhaus mit monatlich 1.200,00 € abgezogen hat. Wegen der Begründung im Einzelnen und zur weiteren Sachdarstellung wird auf das angefochtene Urteil einschließlich seiner Verweisungen Bezug genommen.

Der Beklagte begehrt mit seiner Berufung abändernd die vollständige Abweisung der Klage und begründet dies unter näherer Darlegung damit, dass der Bedarf durch das Familiengericht zu hoch angesetzt worden sei. Zudem seien etwaige Ansprüche verwirkt, da die Klägerin ihr Erbe (265.000,00 DM) im Jahre 1998 verschleudert habe.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung und greift mit der Anschlussberufung einen Teil der vom Familiengericht aberkannten Positionen wieder auf. Sie macht über die zuerkannten Beträge hinaus einen monatlichen Mehrbedarf i.H.v. mindestens 1.539,00 € geltend.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II

Die Berufung des Beklagten hat im tenorierten Umfang Erfolg. Die Anschlussberufung der Klägerin ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten ab Dezember 2003 einen Anspruch auf Zahlung von Trennungsunterhalt gem. § 1361 BGB wie folgt.

1. Der Bedarf der Klägerin ist wegen der überdurchschnittlich guten Einkommensverhältnisse konkret zu ermitteln.

Der Beklagte gesteht der Klägerin ein allgemeines Haushaltsgeld i.H.v. 600,00 € monatlich zu (GA 267). Einen höheren Bedarf hat die Klägerin nicht substantiiert dargelegt.

Für Kleidung schätzt der Senat einen monatlichen Bedarf i.H.v. 500,00 €. Dies entspricht dem vorprozessualen Begehren der Klägerin im Anwaltsschreiben vom 10.07.2002 (GA 16). Ein Bedarf i.H.v. zuletzt 900,00 € hat die Klägerin nicht dargelegt. Konkrete Angaben über Ausgaben für Kleidung aus den letzten Jahren des ehelichen Zusammenlebens fehlen. Die aus den Jahren 1987 bis 1990 dargelegten Ausgaben können nicht als eheprägend zugrunde gelegt werden, sind aber ein Beleg dafür, dass sich die Klägerin hochwertig und teuer gekleidet hat.

Kosmetika sind i.H.v. monatlich 100,00 € unstreitig.

Die Kosten für eine Kosmetikerin sind in der vom Beklagten (GA 267) zugestandenen Höhe von monatlich 60,00 € anzusetzen. Die Klägerin hat einen höheren Bedarf (100,00 €) anhand der vorgelegten Quittungen nicht dargelegt (Quittungen: GA 216, 218, 223; Anlageband Bl. 55, 56, 63).

Fußpflege ist i.H.v. 20,00 € monatlich unstreitig.

Friseurkosten hat der Beklagte mit monatlich 80,00 € eingeräumt. Einen höheren Bedarf (100,00 €) hat die Klägerin anhand der vorgelegten Quittungen (GA 213-225; Anlageband Bl. 47-54, 56-60, 64) nicht dargelegt.

Die Kosten für eine Haushaltshilfe/Fensterputzer schätzt der Senat auf monatlich 300,00 €. Einen höheren Bedarf (bis zu 688,00 €) hat die Klägerin nicht dargelegt. Der vom Beklagten zugestandene Betrag i.H.v. 150,00 € erscheint dem Senat angesichts dessen, das Haus und Garten auch während der Ortsabwesenheit der Klägerin zu versorgen sind, als zu niedrig. Dieser Bedarf besteht aber erst mit Auszug aus der Ehewohnung ab August 2004. Bis dahin hat der Beklagte diese Kosten getragen.

Für Zeitschriften/Bücher räumt der Beklagte einen monatlichen Betrag von 50,00 € ein. Einen höheren Bedarf hat die Klägerin nicht dargelegt. Die vorgelegten Belege (GA 208-212) stammen aus dem Jahr 1986 und betragen in der Summe rd. 473,00 DM = rd. 242,00 €, mithin monatlich rd. 20,00 €.

Kosten für Aufwendungen im Rahmen gesellschaftlicher Verpflichtungen schätzt der Senat auf allenfalls 100,00 € monatlich. Einen Bedarf von 200,00 € hat die Klägerin nicht dargelegt. Der Hinweis auf regelmäßige, große Partys und Karnevalsfeiern sowie den 50. Geburtstag des Beklagten während des ehelichen Zusammenlebens ersetzt keinen konkreten Vortrag zum Bedarf auf der Basis ihres jetzigen Lebenszuschnittes.

Kosten für die Teilnahme am kulturellen Leben schätzt der Senat auf monatlich 70,00 €. Einen höheren Bedarf (250,00 €) hat die Klägerin nicht dargelegt. Konkret belegt sind aus dem Jahr 2003 nur 71,50 € für Rolling Stones (GA 63) und 93,80 € für Paul Mc Cartney (GA 64).

Kosten für eine Hundehaltung (100,00 €) stehen der Klägerin nicht zu. Im Senatstermin vom 18.01.2006 hat sie eingeräumt, dass sie keinen Hund besitzt.

Für durch die Krankenkasse nicht gedeckte Krankheitskosten schätzt der Senat einen monatlichen Bedarf i.H.v. 50,00 €. Einen diesbezüglichen Bedarf i.H.v. 250,00 € hat die Klägerin mit der Vorlage vereinzelter Belege nicht dargelegt.

Wohnkosten sind i.H.v. monatlich 1.200,00 € unstreitig.

Telefonkosten hat der Beklagte in monatlicher Höhe von 61,00 € zugestanden. Für einen höheren Bedarf (100,00 €) fehlt eine substantiierte Darlegung der Telefonkosten. Der exemplarische Verweis auf eine Telefonrechnung aus April 2004 i.H.v. 183,45 € (GA 138) und der Hinweis, dass Handy-Kosten nicht einmal ausdrücklich angegeben worden seien, stellt keine ausreichende Schätzgrundlage dar.

Pkw-Kosten hat das Familiengericht i.H.v. 325,00 € monatlich angesetzt. Dies nehmen beide Parteien in der Berufungsinstanz hin.

Das Familiengericht hat Urlaubskosten mit monatlich 500,00 € berücksichtigt. Dies erscheint angemessen. Der Beklagte kann die Klägerin angesichts der Fern- und Städtereisen in der Vergangenheit nicht auf einen Urlaub in Bayern verweisen. Die Klägerin hat für den von ihr geltend gemachten Bedarf i.H.v. 1.200,00 € zu wenig vorgetragen. Es reicht auch hier nicht, die Reisen aus den Jahren 1988 bis 1993 aufzulisten, zumal es sich zum Teil auch um Reisen handeln dürfte, die sie mit ihren Eltern unternommen hat und die von diesen bezahlt worden sind.

Kosten für Restaurantbesuche schätzt der Senat in monatlicher Höhe von 120,00 €. Einen monatlichen Bedarf von 200,00 € geben die von der Klägerin vorgelegten Belege (GA 65-67, 205-207) nicht her. Setzt man im Durchschnitt drei Restaurantbesuche je 40,00 € pro Monat an, so ergibt sich ein monatlicher Bedarf i.H.v. 120,00 €.

Ein konkreter Bedarf für Sport und Fitnessstudio, den die Klägerin i.H.v. 300,00 € + 70,00 € geltend macht, ist nicht ersichtlich und nicht dargelegt. Die Mitgliedschaften im Golf- und Tennisklub bestehen nicht mehr. Die Klägerin kann diese Sportarten aufgrund ihrer Rückenbeschwerden auch nicht mehr ausüben. Ein solcher Bedarf kann, auch wenn er während der Ehe einmal prägend vorhanden war, nicht mehr - auch nicht hilfsweise - geltend gemacht werden. Kosten für ein Fitnessstudio fallen ebenfalls konkret nicht an. Sie sind jedenfalls nicht belegt.

Kleinkosten sind i.H.v. monatlich 50,00 € unstreitig.

Versicherungen sind i.H.v. monatlich 20,00 € unstreitig.

Für eine zusätzliche Altersvorsorge erscheint ein Betrag in geltend gemachter Höhe von 250,00 € angesichts des gehobenen Bedarfs der Klägerin nicht unangemessen. Soweit der Beklagte auf die gesetzlichen Rentenansprüche der Klägerin und eine betriebliche Altersversorgung verweist, ist nicht dargelegt und eher unwahrscheinlich, dass diese Altersversorgung bereits bedarfsdeckend ist. Es ist zudem noch ungeklärt, ob und ggf. in welcher Höhe die Klägerin im Versorgungsausgleich Anwartschaften verliert. Der Einwand, die Klägerin finde keine Lebensversicherung, die sie noch aufnimmt, ist ebenfalls nicht erheblich, da Altersvorsorge auch durch Kapitalanlage erfolgen kann. Hier gibt es keine Alters- oder Gesundheitsbeschränkungen.

2. Im Rahmen der konkreten Bedarfsberechnung sind Einkünfte der Klägerin oder sonstige den Bedarf deckende Zuwendungen des Beklagten anzurechnen.

Das Einkommen der Klägerin ist in monatlicher Höhe von 783,00 € anzurechnen. Es kann nicht mit der Erwägung des Familiengerichts außer Ansatz bleiben, dass der Klägerin dieses Einkommen während des Zusammenlebens "zusätzlich" zum Haushaltsgeld zur Verfügung gestanden habe, da es von der Klägerin auch in dieser Zeit vollständig zur Bedarfsdeckung eingesetzt wurde. Richtigerweise muss daher der konkrete Bedarf der Klägerin vollständig ermittelt (s.o.) und sodann das Einkommen in Abzug gebracht werden. Die Klägerin ist bei einer der Firmen des Beklagten als kaufmännische Angestellte beschäftigt und verdient dort - wie eine Auswertung der vorgelegten Verdienstbescheinigungen ergibt - durchgängig monatlich rd. 913,00 €. Dieses Einkommen ist nach Abzug des Erwerbstätigenbonus mit 6/7 i.H.v. rd. 783,00 € zu berücksichtigen.

Der Wohnbedarf der Klägerin wird vom Beklagten in der Weise gedeckt, dass die Klägerin zunächst in der Ehewohnung verblieben und dann in ein Reihenhaus aus dem Immobilienbestand des Beklagten gezogen ist, für welches der Beklagte die damit verbundenen Kosten trägt. Der ermittelte Wohnbedarf ist als i.H.v. 1.200,00 € gedeckt in Abzug zu bringen.

Einen Teil der Kfz-Kosten werden durch den Beklagten in der Weise gedeckt, dass er anfallende Reparaturen und Inspektionen zahlt. Die vorgelegten Belege ergeben einen durchschnittlichen monatlichen Betrag i.H.v. rd. 111,00 €, der bedarfsmindernd anzurechnen ist.

3. Zusammenfassend berechnet sich der Anspruch der Klägerin daher wie folgt:

 Bedarf der Klägerinab 12/2003ab 08/2004 
Haushaltsgeld600,00 € 600,00 €  
Kleidung500,00 € 500,00 €  
Kosmetika100,00 € 100,00 €  
Kosmetikerin60,00 € 60,00 €  
Fußpflege20,00 € 20,00 €  
Friseur80,00 € 80,00 €  
Haushaltshilfe / Fensterputzer- € 300,00 €  
Zeitschriften/ Bücher50,00 € 50,00 €  
gesellschaftliche Aufwendungen100,00 € 100,00 €  
Kultur70,00 € 70,00 €  
Hund- € - €  
Krankheitskosten50,00 € 50,00 €  
Wohnkosten1.200,00 € 1.200,00 €  
Telefonkosten61,00 € 61,00 €  
PKW325,00 € 325,00 €  
Urlaub500,00 € 500,00 €  
Restaurantbesuche pp.120,00 € 120,00 €  
Sport/Fitnessstudio- € - €  
Kleinkosten50,00 € 50,00 €  
Versicherungen20,00 € 20,00 €  
Altersvorsorge250,00 € 250,00 €  
Bedarf4.156,00 € 4.456,00 €  
    
Anrechnungsbeträge   
Einkommen der Klägerin- 783,00 € - 783,00 €  
vom Beklagten gedeckter Wohnbedarf- 1.200,00 € - 1.200,00 €  
vom Beklagten gedeckte Kfz-Kosten- 111,00 € - 111,00 €  
ungedeckter Bedarf2.062,00 € 2.362,00 €  
freiwillige monatliche Zahlung des Bekagten- 1.600,00 € - 1.600,00 €  
    
    
Rückstandsberechnung   
 12/03 bis 07/0408/04 bis 01/06 
ungedeckter Bedarf16.496,00 € 42.516,00 €  
Zahlungen des Beklagten- 12.800,00 € - 28.800,00 €  
Rückstand3.696,00 € 13.716,00 €  
insgesamt  17.412,00 €

4. Die Ansprüche der Klägerin sind nicht verwirkt.

Als rechtliche Grundlage für eine Verwirkung kommt nur §§ 1361 III, 1579 Nr. 3 BGB (mutwillige Herbeiführung der Bedürftigkeit) in Betracht, dessen Voraussetzungen jedoch nicht vorliegen, da nicht festgestellt werden kann, dass die Klägerin ihre Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat.

Die behauptete Verschwendung hat lange vor Trennung stattgefunden, so dass sich die Klägerin, die ansonsten in der Ehe auskömmlich versorgt war, der unterhaltsbezogenen Relevanz ihres Handelns nicht bewusst war. Es kommt hinzu, dass die Klägerin zur damaligen Zeit alkoholsüchtig war mit der Folge, dass Einsichts- und Steuerungsfähigkeit eingeschränkt, wenn nicht ausgeschlossen waren. Hierfür spricht die nervenfachärztliche Bescheinigung vom 04.07.2003 (GA 226) wonach die Klägerin aufgrund der Alkoholsucht zumindest seit Anfang 2000 bis Mai 2002 geschäftsunfähig gewesen sein soll.

Darlegungs- und Beweislast für den Einwand der Verwirkung liegen beim Beklagten.

III

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92, 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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