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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 07.02.2007
Aktenzeichen: 5 UF 111/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 1570
BGB § 1573 Abs. 2
BGB § 1573 Abs. 5
BGB § 1578 Abs. 1 S. 2
BGB § 138 Abs. 1
ZPO § 287
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das am 24. Juli 2006 verkündete Verbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Iserlohn im Ausspruch zum nachehelichen Unterhalt abgeändert.

Der Antragsteller wird verurteilt, ab Rechtskraft der Scheidung an die Antragsgegnerin nachehelichen Unterhalt in monatlicher Höhe von 1.156,00 € zu zahlen.

Die weitergehende Unterhaltsklage bleibt abgewiesen.

Die Kosten erster und zweiter Instanz werden insgesamt gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

(gem. § 540 ZPO)

I

Die Parteien haben am xxx geheiratet und am selben Tag einen notariellen Ehevertrag geschlossen, wegen dessen Inhalt auf die zur Akte gereichte Vertragskopie verwiesen wird. Sie sind die Eltern des am xxx geborenen Sohnes Q sowie der am xxx geborenen Tochter D und leben seit Mai 2003 getrennt.

Durch das teilweise angefochtene Urteil hat das Familiengericht die Ehe der Parteien geschieden, festgestellt, dass der Versorgungsausgleich nicht stattfindet und die Klage auf nachehelichen Unterhalt zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Parteien in dem notariellen Ehevertrag vom 27.04.1995, der nicht nichtig und auch nicht gem. § 242 BGB anzupassen sei, u.a. eine Ersatzregelung für den Versorgungsausgleich und auch den nachehelichen Unterhalt vereinbart hätten. Nach diesen Regelungen sei der Unterhaltsbedarf der Antragsgegnerin derzeit durch ihr Erwerbseinkommen und den Wohnwert der von ihr bewohnten Ehewohnung gedeckt. Wegen der Begründung im Einzelnen und zur weiteren Sachdarstellung wird auf das angefochtene Urteil einschließlich seiner Verweisungen Bezug genommen.

Mit der Berufung hat die Antragsgegnerin zunächst begehrt, den Scheidungsantrag zurückzuweisen und den Antragsteller zu verurteilen, an sie ab Rechtskraft der Scheidung monatlichen Unterhalt i.H.v. 2.000,00 € zu zahlen.

Im Senatstermin hat sie die Berufung gegen den Scheidungsausspruch zurückgenommen, klargestellt, dass der Ausspruch zum Versorgungsausgleich nicht angegriffen werde und abändernd beantragt,

den Antragsteller zu verurteilen, an sie monatlichen Unterhalt i.H.v. 2.000,00 € ab Rechtskraft der Scheidung zu zahlen.

Sie ist der Ansicht, dass der Ehevertrag nichtig sei. Ein Scheidungsunterhalt stehe ihr aufgrund eines konkreten Bedarfs in monatlicher Höhe von mindestens 2.000,00 € zu.

Der Antragsteller verteidigt die angefochtene Entscheidung und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise den Unterhaltsanspruch der Höhe nach auf monatlich 300,00 € zu begrenzen und ihn zeitlich spätestens am 31.12.2008 gänzlich entfallen zu lassen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Berichterstattervermerk vom 18.01.2007 Bezug genommen.

II

Die Berufung ist im tenorierten Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet. Die Antragsgegnerin hat gegen den Antragsteller einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch gem. §§ 1570, 1573 II BGB ab Rechtskraft der Scheidung in monatlichen Höhe von 1.156,00 €.

1. Die Regelungen in § 3 des Ehevertrages vom 27.04.1995 stehen dem gesetzlichen Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin nicht entgegen, weil sie gem. § 138 I BGB nichtig sind.

In § 3 des Ehevertrages haben die Parteinen für den Fall der Scheidung einen gegenseitigen Verzicht auf die Gewährung nachehelichen Unterhalts vereinbart, der einschränkend für den Zeitraum nicht gelten soll, in dem die Antragsgegnerin gemeinsame minderjährige Kinder, die noch nicht das 14. Lebensjahr vollendet haben, betreut oder einer der Parteien wegen Krankheit oder Alters einer Erwerbstätigkeit nicht nachzugehen in der Lage ist. Der jeweilige Unterhaltsanspruch des bedürftigen Ehegatten ermittelt sich dabei nach den gesetzlichen Vorschriften, der Höhe nach allerdings begrenzt auf einen Betrag von maximal 3.000,00 DM monatlich. Der Höchstbetrag ist durch eine Wertsicherungsklausel an die Entwicklung des Verbraucherpreisindexes gekoppelt.

Diese Regelung hält einer Inhaltskontrolle nach den vom BGH entwickelten Grundsätzen nicht stand.

a) Unstreitig war es das Anliegen des Antragstellers, einen Ehevertrag zu schließen. Die Antragsgegnerin befand sich aufgrund der Schwangerschaft in einer schwächeren Verhandlungsposition, da sie befürchten musste, dass die von ihr, auch auf dem Hintergrund der Schwangerschaft, gewollte Ehe ohne den vom Antragsteller für erforderlich gehaltenen Ehevertrag nicht geschlossen würde.

Die schwächere Verhandlungsposition der Antragsgegnerin wurde noch durch die zeitliche Abfolge des Vertragsschlusses verstärkt. Der Antragsteller hat den Notar 4 oder 5 Tage vor dem bereits festsehenden standesamtlichen Hochzeitstermin beauftragt. Ein Vertragsentwurf lag nach seinen Angaben 2 oder 3 Tage vor dem Termin vor. Damit blieb der Antragsgegnerin kaum Zeit, den Vertrag zu prüfen und sich ggf. auch von dritter Seite beraten zu lassen.

Diese Umstände allein begründen zwar noch nicht für sich genommen die Sittenwidrigkeit des Ehevertrages, sind aber Anlass, den Vertrag einer verstärkten richterlichen Kontrolle zu unterziehen, wobei in einer Gesamtschau alle maßgeblichen Faktoren zu berücksichtigen sind (BGH FamRZ 2006, 1359).

b) Die vertragliche Regelung des Betreuungsunterhalts, der in erster Linie zum Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts zählt (vgl. BGH aaO), benachteiligt die Antragsgegnerin bereits in unangemessener Weise.

Zwar ist der Betreuungsunterhalt dadurch, dass er zum Kernbereich der Scheidungsfolgen gehört, nicht grundsätzlich einer modifizierenden vertraglichen Regelung entzogen, entscheidend ist aber, dass die getroffene Regelung die Antragsgegnerin - gemessen an den Verhältnissen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses - in sittenwidriger Weise benachteiligt (BGH aaO).

(1) Die wesentliche Benachteiligung liegt in dem Umstand, dass der Betreuungsunterhalt in zeitlicher Hinsicht auf die Vollendung des 14. Lebensjahres des jüngsten Kindes beschränkt wurde, wobei der Antragsteller ursprünglich sogar eine Beschränkung auf die Vollendung des 12. Lebensjahres vereinbaren wollte.

Im Rahmen des gesetzlichen Unterhaltsanspruches war zur damaligen Zeit ein Ehegatte, der ein gemeinsames Kind betreut, zur Ausübung einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit regelmäßig erst dann verpflichtet, wenn das Kind das 16. Lebensjahr vollendet hatte. Mit der vertraglichen Regelung ist von dieser Altergrenze um 2 Jahre zu Ungunsten der Antragsgegnerin, die nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien die Betreuung gemeinsamer Kinder in der Ehe unter Zurückstellung einer eigenen Erwerbstätigkeit übernehmen sollte, abgewichen worden. Es kommt hinzu, dass die Altersgrenze (Vollendung des 16. Lebensjahres) beim gesetzlichen Unterhalt nur für die Betreuung eines Kindes galt, während bei der Betreuung mehrerer Kinder, für die die vertragliche Regelung nach ihrem Wortlaut auch gelten soll, auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen war.

Berücksichtig man weiterhin, dass Kinder im Alter von 14 und 15 Jahren regelmäßig eine sehr betreuungsintensive Entwicklungsphase (Pubertät) durchlaufen, stellt die vertragliche Beschränkung des Betreuungsunterhalts auf den Zeitpunkt der Vollendung des 14. Lebensjahres des jüngsten Kindes eine erhebliche Einschränkung des gesetzlichen Anspruchs auf Betreuungsunterhalt dar, die auch elementare Kindesbelange betrifft.

Hinnehmbar erscheint eine solche Einschränkung im konkreten Fall nur dann, wenn sich eine vollschichtige Erwerbstätigkeit mit den Betreuungserfordernissen ohne erhebliche Einschränkungen vereinbaren lässt. Dies könnte in Berufen, deren Arbeitszeit sich mit den Schulzeiten der Kinder deckt und sich zum Teil flexibel einteilen lässt (z.B. als Lehrer) möglich sein.

Einen solchen Beruf übte und übt die Antragsgegnerin jedoch nicht aus. Es lag bereits bei Vertragsschluss auf der Hand, dass die Antragsgegnerin bei einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit in ihrem erlernten Beruf als Flugbegleiterin wegen der damit verbunden ganz- und mehrtägigen Abwesenheitszeiten die erforderliche Betreuung eines 14 oder auch 15-jährigen Kindes nicht persönlich würde sicherstellen können. Schon ihre jetzige Teilzeitbeschäftigung zeigt dies überdeutlich. Nach der vertraglichen Regelung wäre sie gezwungen, mit Vollendung des 14. Lebensjahres des jüngsten Kindes zur eigenen Existenzsicherung und Bedarfsdeckung ihren Beruf als Flugbegleiterin auf eine vollschichtige Erwerbstätigkeit auszuweiten und die erforderliche Betreuung der noch minderjährigen Kinder durch Dritte sicherzustellen. Die mit einer solchen Drittbetreuung verbundenen, erheblichen Kosten hätte sie aus ihrem Erwerbseinkommen zu tragen, ohne das eine unterhaltsrechtliche Kompensation - wie sie bei einem gesetzlichen Unterhaltsanspruches erfolgen würde - möglich wäre.

Die Antragsgegnerin auf eine andere Erwerbstätigkeit zu verweisen, die sich besser mit den Betreuungsbelangen vereinbaren lässt, wie es im erstinstanzlichen Vortrag des Antragstellers anklingt, würde die Antragsgegnerin unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit und wegen des damit verbundenen, deutlich niedrigeren Einkommens ebenfalls unangemessen benachteiligen.

(2) Nachteilig für die Antragsgegnerin ist weiterhin die Beschränkung des Betreuungsunterhalts der Höhe nach auf maximal 3.000,00 DM, da bereits bei Vertragsschluss nicht ihr tatsächlich erzieltes Nettoeinkommen als Maßstab herangezogen wurde. Die Auswertung der kumulierten Monatswerte in der Abrechnung November 1994 ergibt ein durchschnittliches Nettoeinkommen von rd. 3.900,00 DM im Monat.

Weiterhin werden durch die vertragliche Regelung die bei Vertragsschluss vorhersehbaren und auch erfolgten, regelmäßigen Gehaltserhöhungen nicht ausgeglichen. Die vereinbarte Wertsicherungsklausel gleicht lediglich den Kaufkraftschwund aus.

c) Nachteilig für die Antragsgegnerin ist letztlich auch der vollständige Ausschluss eines Aufstockungsunterhalts, der schon bei Vertragsschluss aufgrund des deutlich höheren Einkommens des Antragstellers für den Fall der Scheidung absehbar war.

d) Diese unterhaltsrechtlichen Nachteile, insbesondere die unangemessene Einschränkung des Betreuungsunterhalts werden nicht durch die weiteren Regelungen des Ehevertrages in angemessener Weise kompensiert.

(1) Die Regelung zum Versorgungsausgleich in § 2 des Ehevertrages gleicht - wenn überhaupt - nur die ehebedingten Nachteile der Altersvorsorge aus der Berufsaufgabe wegen der Kinderbetreuung aus. Eine Verbesserung für den Betreuungsunterhalt ist damit nicht verbunden.

(2) Für die in § 1 des Ehevertrages in Verbindung mit dem Ausschluss des Zugewinnausgleichs vereinbarten, nach Ehedauer gestaffelten und wertgesicherten Ausgleichsbeträge (2 Jahre = 10.000,00 DM, 5 Jahre = 25.000,00 DM, 10 Jahre = 50.000,00 DM und 15 Jahre = 80.000,00 DM) gilt das Gleiche. Sie mögen einen angemessenen Ausgleich für den Verzicht auf Zugewinnausgleich darstellen, können aber die Unwägbarkeiten und Risiken im Bereich des befristeten und der Höhe nach begrenzten Betreuungsunterhalts - wenn überhaupt - nicht angemessen kompensieren, zumal der höchste Ausgleichsbetrag erst nach 15-jähriger Ehedauer anfällt.

2. Die Antragsgegnerin hat einen durch die ehelichen Lebensverhältnisse geprägten Gesamtbedarf in monatlicher Höhe von rd. 2.900,00 €.

Der Bedarf der Klägerin ist wegen der überdurchschnittlich guten Einkommensverhältnisse konkret zu ermitteln und ergibt sich im Wege der Schätzung gem. § 287 ZPO aufgrund des Parteivortrages und der Anhörung der Parteien im Senatstermin wie folgt, wobei der Gesamtunterhaltsbedarf nicht allein nach dem in der Ehe früher üblichen Konsumverhalten, sondern nach einem objektiven Maßstab angemessener Bedarfsdeckung zu ermitteln ist (vgl. OLG Hamm, FamRZ 1995, 1578, Senat FamRZ 1999, 723; 2006, 1603). Maßgeblich sind die prägenden Strukturen unter Berücksichtigung des trennungsbedingten Wegfalls der personalen Grundlage.

a) Die Antragsgegnerin hat einen Wohnbedarf für sich und die von ihr betreuten Kinder von ca. 120 m² x 7,50 €/m² = 900,00 € zzgl. 300,00 € Nebenkosten, insgesamt also rd. 1.200,00 €. Der Bedarf ist teilweise durch die im Kindesunterhalt enthaltenen Wohnkosten (ca. 20% des Tabellenbetrages) gedeckt (vgl. BGH FamRZ 1992, 423; Wendl-Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 2 Rn. 102, 104, 214).

Der Antragsteller ist verpflichtet, den Kindern Tabellenunterhalt zumindest nach der höchsten Einkommensgruppe in der 2. Altersgruppe zu zahlen. Dies sind aktuell je 494,00 €, so dass die Antragsgegnerin aus diesem Unterhalt ca. 20%, mithin insgesamt rd. 200,00 € zur Deckung des Wohnbedarfs verwenden kann. Es verbleibt danach ein Restbedarf von rd. 1.000,00 €.

b) Der sonstige Bedarf i.H.v. rd. 1.900,00 € setzt sich wie folgt zusammen:

 Lebensmittel 400,00 €
Kleidung 200,00 €
PKW (Der Schätzung liegt nur die private Kfz-Nutzung zugrunde, da die beruflich veranlassten Fahrzeugkosten als Abzugsposten beim anrechenbaren Einkommen der Antragsgegnerin berücksichtigt sind; s.u.) 300,00 €
Friseur 50,00 €
Kosmetik 66,00 €
Fitnessclub 40,00 €
Segel-Club 40,00 €
Restaurantbesuche 120,00 €
Theater- und Kinobesuche 40,00 €
Urlaub 300,00 €
Spirituosen 30,00 €
Putzhilfe 110,00 €
Telefon 54,00 €
Handy 35,00 €
Zeitschriften / TV 50,00 €
Hausrat (Ersatzbeschaffungen) 50,00 €
 1.885,00 €
gerundet1.900,00 €

3. Der Gesamtbedarf der Antragsgegnerin ist durch ihr bereinigtes Einkommen i.H.v. 344,00 € gedeckt.

a) Die Antragsgegnerin erzielt aus ihrer teilschichtigen Erwerbstätigkeit ein monatliches Nettoeinkommen in durchschnittlicher Höhe von rd. 1.640,00 €.

Dieses Nettoeinkommen ergibt sich aus den vorgelegten Einkommensunterlagen der Antragsgegnerin für die Monate März 2005 bis einschließlich September 2006. Danach erzielt die Antragsgegnerin im Durchschnitt ein monatliches steuer- und sozialversicherungspflichtiges Einkommen von rd. 2.247,00 € brutto sowie steuerfreie Bezüge von rd. 253,00 €. Die steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Abzüge belaufen sich für das Jahr 2007 in der LSt-Klasse II/1 und bei einem KV-Beitragssatz von 13,8% auf rd. 783,00 € monatlich. Weiterhin sind in Abzug zu bringen, die in durchschnittlicher Höhe abgeführten Beiträge von monatlich rd. 7,00 € für eine Unfallversicherung, rd. 12,00 € Kleidergeld und rd. 59,00 € Zukunftssicherung. Bei der Zukunftssicherung ist nur der Durchschnittswert der vorgelegten Abrechnungen aus dem Jahr 2006 zugrunde gelegt, da sich der Beitrag für die Berufsuntauglichkeitsversicherung gegenüber dem Vorjahr erheblich reduziert hat.

b) Das Nettoeinkommen der Antragsgegnerin ist um berufsbedingte Fahrtkosten i.H.v. monatlich rd. 270,00 € zu bereinigen.

Eine Auswertung der in den vorgelegten Verdienstabrechnungen mitgeteilten An- und Abwesenheitszeiten ergibt unter Berücksichtigung von Urlaubszeiten, dass die Antragsgegnerin in einem Zeitraum von zwei Monaten nicht wie von ihr behauptet 7 mal, sondern im Durchschnitt nur rd. 5 mal zu ihrer Dienststelle Flughafen G fahren muss. Dies ergibt bei 452 km für Hin- und Rückfahrt eine Fahrstrecke von 13.560 km im Jahr (452 km x 5 Fahrten x 6). Auf der Basis der geltend gemachten Kilometerpauschale von 0,24 €/km ergibt dies jährliche Fahrtkosten i.H.v. 3.254,40 € und auf den Monat bezogen solche i.H.v. rd. 270,00 €.

Soweit der Antragsteller unter Hinweis auf Ziff. 10.2.2 der HLL nur die ersten 30 Entfernungskilometer je Fahrt zum Arbeitsplatz mit 0,24 €/km und die weitere Fahrstrecke wegen eintretender Kostenersparnis nur mit 0,09 € akzeptieren will, ist dem nicht zu folgen. Die Differenzierung in Ziff. 10.2.2 HLL beruht auf der Annahme einer Fahrt zum Arbeitsplatz an 220 Tagen im Jahr, mithin auf einer Jahreskilometerleistung von 13.200 km (30 EKM x 2 x 220 Tage). Die Antragsgegnerin kommt auf eine Jahresleistung von 13.560 km, so dass der Senat keine Veranlassung sieht, wegen der 360 Mehrkilometer noch zu differenzieren.

c) Weiterhin sind Kinderbetreuungskosten in monatlicher Höhe von rd. 1.000,00 € abzusetzen.

Die Antragsgegnerin betreut nach wie vor die gemeinsamen Kinder Q (geb. xxx) und D (geb. xxx). Während ihrer berufsbedingten Abwesenheitszeiten ist eine Betreuung der jetzt 11 und (fast) 9 Jahre alten Kinder "rund um die Uhr" erforderlich, die von dritter Seite sichergestellt werden muss und deren Kosten bei der Antragsgegnerin einkommensmindernd zu berücksichtigen sind.

Der Senat folgt der Antragsgegnerin in der Einschätzung, dass eine derartige Betreuung einen Aufwand in durchschnittlicher Höhe von monatlich rd. 1.000,00 € erfordert, da die Betreuung der Kinder in den Abwesenheitszeiten der Antragsgegnerin nicht nur Stundenweise, sondern mehrtägig und über Nacht zu erfolgen hat.

Der Umstand, dass diese Betreuung zur Zeit durch die Eltern der Antragsgegnerin geleistet wird, ist unerheblich. Die Arbeitsleistung der Großeltern, die hier verlässlich die Kinder betreuen müssen, geht weit über den ansonsten üblichen Umgang der Großeltern mit Enkeln hinaus und ist daher als geldwerte, freiwillige Leistung Dritter, die dem Unterhaltspflichtigen nicht zugute kommen soll, wertmäßig mit dem Betrag zu erfassen, der ansonsten für eine solche Leistung aufzuwenden wäre.

d) Das verbleibende Einkommen von 370,00 € (1.640,00 € - 270,00 € - 1.000,00 €) ist weiter um einen Bonus von 1/14 als Arbeitsanreiz zu bereinigen (Senat FamRZ 2005, 214); mithin um rd. 26,00 €. Es verbleibt somit ein anrechenbares Einkommen i.H.v. 344,00 €.

4. Bedarfsdeckend ist die unentgeltliche Nutzung des im Alleineigentum des Antragstellers stehenden Hausgrundstücks durch die Antragsgegnerin mit einem auf sie entfallenden Anteil des objektiven Wohnwerts i.H.v. rd. 1.400,00 € anzurechnen.

Nach der Trennung der Parteien im Mai 2003 ist die Antragsgegnerin mit den gemeinsamen Kindern in der Ehewohnung, einem im Alleineigentum des Antragstellers stehenden Hausgrundstück, verblieben, das seither von diesen unentgeltlich genutzt wird. Das Grundstück, ist rd. 800 m² groß, befindet sich in einer guten Wohnlage und die Wohnfläche beträgt 265 m². Auf diesem Hintergrund erscheint der vom Antragsteller i.H.v. 1.640,00 € (265 m² x 6,00 €/m² + 50,00 € Garage) geltend gemachte objektive Wohnwert mit rd. 1.600,00 € angemessen. Die Antragsgegnerin hält dies für zu hoch, hat aber Substanzielles nicht eingewandt.

Der objektive Wohnwert ist der Antragsgegnerin jedoch nicht in voller Höhe anzurechnen, da sie das Grundstück nicht allein nutzt. Der Antragsteller hat im Senatstermin deutlich gemacht, dass er mit Rücksicht auf die Kinder nicht auf einem sofortigen Auszug der Antragsgegnerin besteht, so dass es dem Senat aus Billigkeitsgründen angemessen erscheint, wegen der Kindesbelange den objektiven Wohnwert um 200,00 € zu reduzieren.

Soweit sich die Antragsgegnerin gegen die Anrechnung des (verbleibenden) objektiven Wohnwertes damit wendet, dass sie noch keine angemessene Ersatzwohnung für sich und die Kinder gefunden habe, ist dies kein Grund, den ab Rechtskraft der Scheidung grundsätzlich anzusetzenden objektiven Wohnwert aus Billigkeitsgründen (weiter) zu reduzieren. Der Antragsteller hat zwar während der Trennung die unentgeltliche Nutzung geduldet, die Antragsgegnerin wusste aber, dass er hiermit auf Dauer nicht einverstanden sein würde, und im Rahmen des nachehelichen Unterhalts schon immer die Anrechnung des objektiven Wohnwertes verlangt hat. Die Antragsgegnerin hatte in dem seit April 2005 laufenden Scheidungsverfahren ausreichend Zeit, in eine geeignete Ersatzwohnung umzuziehen. Sie hat nicht glaubhaft dargelegt, dass ein angemessener Ersatzwohnraum trotz intensiver Suche nicht zu beschaffen war.

5. Als restlicher Barunterhaltsanspruch ergibt sich nach alledem ein Betrag i.H.v. 1.156,00 € (= 2.900,00 € - 344,00 € - 1.400,00 €)

6. Der Antragsteller ist unter Beachtung des Halbteilungsgrundsatzes in der Lage, den konkreten Bedarf der Antragsgegnerin zu decken. Gegenteiliges ist nicht ersichtlich und von ihm nicht geltend gemacht.

7. Der Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin ergibt sich aus § 1570 BGB (Betreuungsunterhalt), soweit die Antragsgegnerin aufgrund der Kinderbetreuung an einer eigenen Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise gehindert ist und hierdurch ihren konkreten Bedarf nicht decken kann.

Wegen des Restbedarfs, der hier gegeben ist, ergibt sich der Unterhaltsanspruch als Aufstockungsunterhalt aus § 1573 II BGB (vgl. BGH FamRZ 1990, 492), weil die Antragsgegnerin ihren Gesamtbedarf von 2.900,00 € nach der vorgelegten Auskunft der M vom 14.12.2006 nicht vollständig aus einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit decken könnte.

Der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt (§ 1573 II BGB) ist nicht gem. § 1573 V BGB zeitlich zu befristen und/oder gem. § 1578 I 2 BGB zu begrenzen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

a) Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau und Abwägung aller Umstände sprechen aus heutiger Sicht gegen eine Befristung und/oder Beschränkung aus Billigkeitsgründen die folgenden Erwägungen:

Bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages bestand die Ehe rd. 10 Jahre. Ab diesem Zeitpunkt ist eine weitere Zeit von rd. 10 Jahren der Kinderbetreuung zu berücksichtigen (§§ 1573 V 2, 1578 I 3 BGB), bis das jüngste Kind zumindest das 16. Lebensjahr vollendet hat.

Die Antragstellerin hat während der Ehe eine eigene Erwerbstätigkeit und berufliches Fortkommen aufgrund der einvernehmlichen Lebensplanung zurückgestellt, um die Haushaltsführung und Kinderbetreuung zu übernehmen. Auch wenn sie nach Ablauf der Erziehungsurlaube in ihrem zu Beginn der Ehe ausgeübten Beruf wieder Teilzeit arbeitet, sind verbleibende ehebedingte Nachteile vorhanden. Eine problemlose Ausweitung der Teilzeit auf eine vollschichtige Tätigkeit nach Ende der Kinderbetreuung ist nicht gesichert. Als weiteren, ehebedingt verbleibenden Nachteil hat die Antragsgegnerin angeführt, dass ihr durch die Haushaltsführung und Kinderbetreuung ein sonst möglich gewesener beruflicher Aufstieg zum Purser, der mit einem höheren Gehalt von rd. 1.000,00 € (brutto) verbunden gewesen wäre, nicht mehr möglich ist. Das Bestreiten dieses Umstandes durch den Antragsteller ist unerheblich, da er für die Voraussetzungen der §§ 1573 V, 1578 I 2 BGB darlegungs- und beweispflichtig ist.

Letztlich lassen auch die ausgesprochen guten wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers - Gegenteiliges hat er nicht vorgetragen - einen unbegrenzten Aufstockungsunterhalt nicht unbillig erscheinen.

Damit liegen gegenwärtig die Voraussetzungen einer Anspruchsbefristung/-beschränkung - auch unter Berücksichtigung der Grundsätze der neueren Rechtsprechung des BGH (FamRZ 2006, 1006) - nicht vor.

b) Soweit der Antragsteller auf eine anstehende Gesetzesänderung verweist, kann diese, da noch nicht geltendes Recht, derzeit nicht berücksichtig werden.

Sollten nach Inkrafttreten einer Gesetzesänderung die Voraussetzungen für eine Befristung oder Begrenzung des Unterhaltsanspruches wesentlich anders zu beurteilen sein, wäre eine Berücksichtigung dieser Umstände und Anpassung des Unterhaltsanspruches ggf. in einem Abänderungsverfahren zu klären.

III

Die Kostenentscheidung folgt für die erste Instanz aus § 93a I ZPO und für das Berufungsverfahren aus §§ 97 I, 92 I ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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