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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 26.08.2009
Aktenzeichen: 5 UF 25/09
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 138 Abs. 1
BGB § 1570
BGB § 1570 Abs. 1 S. 3
BGB § 1570 Abs. 2
BGB § 1573 Abs. 2
BGB § 1578 Abs. 1
BGB § 1578b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufungen der Parteien wird - unter Zurückweisung der jeweiligen Rechtsmittel im Übrigen - das am 15. Dezember 2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Iserlohn abgeändert.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 7. Februar 2007 (5 UF 111/06) wird für die Zeit von März 2008 bis einschließlich März 2009 dahin abgeändert, dass der Beklagte in diesem Zeitraum lediglich verpflichtet ist, an die Klägerin einen nachehelichen Unterhalt in monatlicher Höhe von 630,00 € zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtstreits tragen die Beklagte zu 1/5 und der Kläger zu 4/5.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

(gem. § 540 ZPO)

I

Die Parteien streiten um die Abänderung eines Unterhaltstitels.

Sie schlossen am 27.04.1995 die Ehe, aus der die Kinder Philipp (geb. 1995) und Celine (geb. 1998) hervorgegangen sind, die im Haushalt der Beklagten leben. Die Parteien trennten sich im Mai 2003 und sind seit dem 17.01.2007 rechtskräftig geschieden.

Der Kläger ist der Beklagten aufgrund des Senatsurteils vom 07.02.2007 - 5 UF 111/06 - auf der Basis einer konkreten Bedarfsberechnung zur Zahlung nachehelichen Unterhalts in monatlicher Höhe von 1.156,00 € verpflichtet, der wie folgt ermittelt wurde:

 Wohnbedarf der Beklagten1.200,00 €
teilweise gedeckt durch Kindesunterhalt- 200,00 €
ungedeckter Wohnbedarf 1.000,00 €
sonstiger Bedarf 1.900,00 €
Gesamtbedarf 2.900,00 €
Bedarfsdeckung  
Einkommen der Beklagten netto1.640,00 €  
Fahrtkosten- 270,00 €  
(fiktive) Kosten der Kinderbetreuung)- 1.000,00 €  
 370,00 €  
Erwerbstätigenbonus 1/14- 26,00 €  
anrechenbares Einkommen - 344,00 €
Wohnwert1.600,00 €  
Abzug wg. Kindesbelange- 200,00 €  
anrechenbarer Wohnwert - 1.400,00 €
ungedeckter Bedarf 1.156,00 €

Das dem Vortitel zugrunde liegende Einkommen erzielt die Beklagte - wie auch heute noch - aus einer halbschichtigen Tätigkeit als Flugbegleiterin bei der X. Die bedarfsdeckende Anrechnung eines Wohnwertes i.H.v. monatlich 1.400,00 € hat ihren Grund darin, dass die Beklagte nach der Trennung mit den Kindern in der ehemaligen Ehewohnung (großzügiges Einfamilienhaus), die im Alleineigentum des Klägers steht, verblieben ist und diese seither - vom Kläger geduldet - unentgeltlich nutzte. Im März 2009 zog die Beklagte mit den Kindern um und bewohnt seit April 2009 eine Mietwohnung.

Mit der Abänderungsklage, die er im Wesentlichen auf die neue Rechtslage ab 01.01.2008 stützt, hat der Kläger ein Entfallen seiner Unterhaltsverpflichtung ab 03/2008 begehrt.

Das Familiengericht hat den Vortitel dahin abgeändert, dass der Unterhaltsanspruch der Beklagten im Umfang des Aufstockungsunterhalts (308,00 €) bis zum 31.01.2013 befristet wird. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Wegen der Begründung im Einzelnen und zur weiteren Sachdarstellung wird auf das angefochtene Urteil einschließlich seiner Verweisungen Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung wenden sich die Parteien mit ihren Berufungen.

Der Kläger macht unter Verweis auf die ab 01.01.2008 geänderte Rechtslage geltend, dass er sich nunmehr auf eine ehevertragliche Regelung des Unterhalts berufen könne. Die Beklagte sei zudem zu einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit verpflichtet, aus der sie ihren konkreten Bedarf decken könne. Ehebedingte Nachteile seien nicht gegeben, da sie in ihrem erlernten Beruf als Flugbegleiterin arbeite.

Der Kläger beantragt abändernd,

das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 07.02.2007 - 5 UF 111/06 - dahin abzuändern, dass eine Verpflichtung des Klägers zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt an die Beklagte ab 01.03.2008 entfällt, hilfsweise die Unterhaltsverpflichtung des Klägers insgesamt zeitlich zu befristen.

Die Beklagte beantragt abändernd,

die Klage insgesamt abzuweisen.

Sie ist unter näherer Darlegung der Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine Abänderung auch nach neuem Unterhaltsrecht nicht vorliegen, da sich die Grundlagen des Vortitels nicht wesentlich geändert hätten.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II

Die form- und fristgerecht eingelegten Berufungen haben nur im tenorierten Umfang Erfolg. Ansonsten sind sie unbegründet.

Die Beklagte hat weiterhin einen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt mindestens in Höhe des titulierten Betrages von monatlich 1.156,00 €, ausgenommen ist die Zeit von März 2008 bis einschließlich März 2009. Für diesen Zeitraum war der Unterhaltsanspruch auf monatlich 630,00 € abzusenken.

Der Unterhaltsanspruch der Beklagten ergibt sich aus § 1570 BGB (Betreuungsunterhalt), soweit die Beklagte aufgrund der Kinderbetreuung an einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit gehindert ist und wegen der Differenz zwischen ihrem eheangemessenen Bedarf und dem Einkommen, das sie aus einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit in ihrem Beruf erzielen könnte, aus § 1573 II BGB (Aufstockungsunterhalt).

1. Der Kläger kann sich auch nach den ab 01.01.2008 geltenden Änderungen im Unterhaltsrecht nicht auf eine ehevertragliche Regelung des nachehelichen Unterhalts berufen, die dem festgesetzten Unterhalt entgegenstehe.

Die Unterhaltsregelungen in § 3 des Ehevertrages vom 27.04.1995 können das Abänderungsbegehren nicht stützen, weil sie gem. § 138 I BGB nichtig sind. An der im abzuändernden Titel (Vortitel) festgestellten Nichtigkeit der Regelungen ändert sich durch die ab 01.01.2008 geltenden Änderungen im Unterhaltsrecht nichts.

Es bedarf keiner näheren Feststellung, ob die Regelungen zum Betreuungsunterhalt in § 3 des Ehevertrages nach dem seit 01.01.2008 gültigen Unterhaltsrecht Bestand hätten, da es für die Frage der Nichtigkeit auf die Rechtslage, Vorstellungen und Absichten der Parteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommt (vgl. BGH NJW 1983, 2692). Diese Umstände sind unverändert und im Vortitel bereits mit ihren rechtlichen Folgen gewürdigt worden.

Ein bei seiner Vornahme sittenwidriges Rechtsgeschäft wird durch einen Wertungswandel nicht ibso jure gültig. Es bedarf vielmehr einer Bestätigung (§ 141 BGB), die nicht vorliegt (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 68. Aufl., § 138 Rn. 10).

2. Der im Vortitel festgestellte konkrete Bedarf der Beklagten i.H.v. insgesamt 2.900,00 € gilt zunächst für die streitbefangene Zeit ab März 2008 fort.

Soweit der Kläger behauptet, dass die im Vortitel angeführten Bedarfspositionen Fitnessclub (40,00 €), Segelclub (40,00 €) und Putzhilfe (110,00 €) nie angefallen seien, ist er durch die Feststellungen des Vortitels präkludiert (§ 323 II ZPO).

Eine Änderung des Bedarfs ergibt sich durch den Umzug der Beklagten in eine Mietwohnung ab April 2009. Für die Wohnung zahlt die Beklagte nach ihren Angaben im Senatstermin eine monatliche Kaltmiete i.H.v. 680,00 € zzgl. 120,00 € Vorauszahlung auf die Nebenkosten sowie einen Abschlag an den Energieversorger i.H.v. monatlich 185,00 €. Es ist daher ab April 2009 von einem konkreten Wohnbedarf i.H.v. mtl. rd. 1.000,00 € auszugehen, der i.H.v. rd. 200,00 € durch die im Kindesunterhalt enthaltenen Wohnkostenanteile gedeckt ist.

3. Der Gesamtbedarf der Beklagten ist - abweichend zum Vortitel - ab März 2008 durch ein bereinigtes Einkommen i.H.v. monatlich 870,00 € gedeckt.

a) Die Beklagte erzielte im Jahre 2008 aus ihrer halbschichtigen Erwerbstätigkeit inklusiv einer geschätzten Steuererstattung für das Vorjahr ein monatliches Nettoeinkommen von rd. 1.775,00 €, das auch für das Jahr 2009 fortzuschreiben ist.

(1) Die Auswertung der Jahreszahlen in der Abrechnung 12/2008 ergeben ein monatliches Durchschnittseinkommen der Beklagten i.H.v. rd. 1.713,00 €.

 steuerpflichtiges Jahresbrutto27.703,08 €
LSt II/1- 3.705,00 €
KiSt- 190,44 €
Soli- 104,18 €
KV- 2.248,99 €
PV- 252,58 €
RV- 2.762,66 €
AV- 458,14 €
 17.981,09 €
steuerfreie Zulagen3.076,86 €
vom ArbG überw. - Versicherungen- 44,73 €
Kleidergeld- 95,16 €
Zukunftssicherung- 364,16 €
 20.553,90 €
Monatsdurchschnitt1.712,83 €

(2) Dieses Einkommen ist - wie vom Kläger gefordert - um Steuererstattungen zu erhöhen, die in monatlicher Höhe von rd. 62,00 € im Wege der Schätzung (§ 287 ZPO) zu berücksichtigen sind, da die Beklagte nach ihren Angaben bisher eine Steuererklärung für das Jahr 2007 nicht abgegeben hat.

Zur Abgabe einer Steuererklärung und der Realisierung von Steuererstattungen zum Zweck der Bedarfsdeckung ist die Beklagte jedoch unterhaltsrechtlich verpflichtet. Allein wegen der Fahrtkosten zum Arbeitsplatz hätte die Beklagte nach überschlägiger Schätzung eine Steuererstattung i.H.v. rd. 740,00 € realisieren können, so dass zumindest in diesem Umfang eine Erstattung mit monatlich 62,00 € fiktiv zu berücksichtigen ist.

(3) Ein höheres Erwerbseinkommen ist der Beklagten nicht zuzurechnen. Eine Obliegenheit der Beklagten zur vollschichtigen Ausweitung ihrer Erwerbstätigkeit, wie sie der Kläger unter Verweis auf § 1570 BGB fordert, besteht derzeit nicht.

Einer Ausweitung der Erwerbstätigkeit über das tatsächlich ausgeübte Maß hinaus stehen kindes- und elternbezogene Gründe i.S.d. § 1570 I 3, II BGB entgegen.

(a) Aus kindesbezogenen Gründen ist dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit nicht zumutbar, soweit die Betreuung des Kindes unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nicht hinreichend gesichert ist und auch nicht in kindgerechten Einrichtungen sichergestellt werden könnte und wenn das Kind im Hinblick auf sein Alter auch noch nicht sich selbst überlassen bleiben kann (BGH 16.07.2008 - XII ZR 109/05 - FamRZ 2008, 1739, 18.03.2009 - XII ZR 74/08 - FamRZ 2009, 770, 06.05.2009 - XII ZR 114/08 - FamRZ 2009, 1124, 17.06.2009 - XII ZR 102/08 - NJW 2009, 2592).

Philipp ist aktuell fast 14 Jahre, Celine 11 Jahre. Damit haben die Kinder ein Alter, in dem man sie allenfalls stundenweise sich selbst überlassen kann.

Die Kinder gehen zum Gymnasium, so dass sie dort während der Schulzeit betreut sind. Auf den Streit der Parteien, ob in dem Gymnasium ein Mittagessen und eine Hausaufgabenbetreuung angeboten wird, kommt es nicht entscheidend an, da sich im vorliegenden Fall die Anforderungen an die Art und den Umfang der erforderlichen Kinderbetreuung daraus ergeben, dass die Beklagte zur Ausübung ihres Berufs als Flugbegleiterin mehrere Tage am Stück, d.h. auch über Nacht ortsabwesend ist.

Die Beklagte arbeitet in sogenannter Monatsteilzeit, d.h. sie arbeitet einen Monat vollschichtig und den nächsten Monat überhaupt nicht.

Eine Auswertung der Flugtage anhand der Jahresübersichten 2007 in der Abrechnung 01/2008 und 2008 in der Abrechnung 01/2009 ergibt für die Monate März, Mai und November 2007 sowie September und November 2008, in denen die Beklagte vollschichtig ohne Urlaubstage gearbeitet hat, eine Ortsabwesenheit von durchschnittlich 21 Tagen im Monat, die sich regelmäßig auf 5 Abwesenheitsblöcke verteilt.

 MonatFlugtageBlöckeNächte (ortsabwesend)
03/200715520
05/200717522
11/200717522
09/200817522
11/200814418

Bei diesen Arbeits- und Abwesenheitszeiten bedarf es keiner näheren Erörterung und dies ist im Grundsatz zwischen den Parteien auch nicht streitig, dass die Kinder einer verlässlichen Betreuung - auch über Nacht - bedürfen, während die Beklagte ortsfern ihrem Beruf nachgeht.

Die erforderliche Betreuung ist derzeit für die halbschichtige Erwerbstätigkeit der Beklagten durch ihre Eltern verlässlich sichergestellt und als tatsächliche Betreuungssituation zu berücksichtigen.

Eine Ausweitung der Erwerbstätigkeit kann von der Beklagten nur dann gefordert werden, wenn die notwendige Betreuung der Kinder sichergestellt ist oder in kindgerechten Einrichtungen gesichert werden könnte.

Kindgerechte Einrichtungen - von einer Internatsbetreuung abgesehen - gibt es für eine unregelmäßige und mehrtägige Übernachtbetreuung nicht.

Eine Ausweitung der Betreuung durch die 73 und 76 Jahre alten Großeltern wird von diesen abgelehnt. Die Beklagte kann unterhaltsrechtlich nicht darauf verwiesen werden, dass ihre Eltern die weitergehende Betreuung übernehmen könnten, weil die Großeltern weder zu einer Ausweitung ihrer Betreuungstätigkeit verpflichtet sind, noch die Beklagte sie hierzu verpflichten kann.

Die Frage, ob die Beklagte als betreuender Elternteil unterhaltsrechtlich verpflichtet ist, auf das Angebot des Klägers einzugehen, die erforderliche Betreuung der Kinder während ihrer beruflichen Ortsabwesenheit zu übernehmen, kann offen bleiben, da diesem Ansinnen erhebliche Kindesbelange entgegenstehen. Würde auch der Kläger in das Betreuungskonzept verlässlich eingebunden, ergäbe sich für die Kinder ein weiterer Lebensbereich, der kindgerecht eingerichtet und vorgehalten werden müsste. Bei einer solchen "Dreiteilung", in dem die Kinder Monat für Monat bis zu fünfmal zwischen den verschiedenen Haushalten der Eltern und Großeltern wechseln müssten, wäre das Kindeswohl tangiert, da die Kinder ihren Lebensmittelpunkt verlieren würden, der für ihre Entwicklung und ihr Wohlbefinden aber notwendig ist.

(b) Ein Wechsel in eine vollschichtige Erwerbstätigkeit an 5 Tagen zu je 8 Stunden in der Woche, der kindesbezogene Gründe u.U. nicht entgegen stünden, ist der Beklagten aus elternbezogenen Gründen nicht zumutbar. Sie hat ggü. dem Kläger das Recht, ihren erlernten Beruf auszuüben. Eine Rückkehr in den erlernten Beruf war schon in der Ehe angelegt, da die Beklagte ihr Arbeitsverhältnis nicht endgültig aufgegeben, sondern die Möglichkeit des Erziehungsurlaub und dessen Verlängerung genutzt hat, bis sie nach der Trennung ihre Berufstätigkeit im März 2005 wieder aufnahm, weil der bereits verlängerte Erziehungsurlaub auslief. Unabhängig hiervon würde sie aufgrund ihrer Ausbildungsbiographie als ungelernte Kraft vollschichtig weniger verdienen, als sie derzeit aus ihrer halbschichtigen Berufstätigkeit erzielt.

Letztlich ist der Beklagten unter Billigkeitserwägungen auch eine berufsfremde Nebentätigkeit in den arbeitsfreien Monaten nicht zumutbar (§ 1574 BGB).

b) Das Nettoeinkommen der Beklagten ist um berufsbedingte Fahrtkosten in monatlicher Höhe von 339,00 € zu bereinigen.

Im Vortitel waren Fahrtkosten i.H.v. 270,00 € berücksichtigt, die jedoch bei ansonsten unveränderter Grundlage aufgrund der ab 01.01.2008 angehobenen Kilometerpauschale auf 339,00 € (13.560 Jahreskilometer x 0,30 € / 12) anzuheben sind.

c) Weiterhin sind wie im Vortitel (fiktive) Kosten der Kinderbetreuung abzusetzen, jedoch nur noch in monatlicher Höhe von 500,00 €.

Im Vortitelverfahren hat der Senat die Kosten der Kinderbetreuung auf der Grundlage des damals geltenden Rechts auch unter Berücksichtigung des Aspektes einer möglicherweise zum Teil überobligatorischen Erwerbstätigkeit im Wege großzügiger Schätzung auf den von der Beklagten geltend gemachten und vom Kläger nicht entscheidend in Frage gestellten Betrag von 1.000,00 € monatlich festgesetzt.

Dieser Ansatz bedarf auf dem Hintergrund der neuen Gesetzeslage und dem Umstand, dass die Kinder inzwischen älter und damit auch ein wenig selbständiger geworden sind, einer kritischen Überprüfung.

(1) An der grundsätzlichen Beurteilung, dass die Beklagte Betreuungskosten einkommensmindernd geltend machen kann, auch wenn diese tatsächlich nicht anfallen, weil die Betreuung von den Großeltern unentgeltlich erbracht wird, ändert sich durch das neue Unterhaltsrecht nichts.

(a) Wie im Vortitel bereits ausgeführt, sind Betreuungskosten deshalb anzusetzen, weil die Großeltern zur Sicherstellung der halbschichtigen Berufstätigkeit der Beklagten eine vollwertige und verlässliche Betreuungsleistung erbringen, die weit über den üblichen Umgang zwischen Großeltern und Enkeln hinausgeht und die die Beklagte ansonsten auf dem Arbeitsmarkt gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung einkaufen müsste.

Damit stellt die Betreuungsleistung der Großeltern einen geldwerten Vorteil dar, der zu monetarisieren und als eine unentgeltliche Leistung Dritter zu behandeln ist, die allein der Beklagten und nicht dem Kläger zugute kommen soll (vgl. Ziff. 8 HLL).

Dies hat in der Weise zu geschehen, dass vom Einkommen der Beklagten die ansonsten aufzuwendenden Betreuungskosten fiktiv abgezogen werden.

(b) Hierin ist kein Verstoß gegen das "Besserstellungsgebot" zu sehen, den der Kläger darin sieht, dass die Großeltern diese Betreuungsleistung auch bei Fortbestand der Ehe erbracht hätten, so dass die Beklagte durch die Trennung nicht besser gestellt werden dürfe als in der Ehe.

Dieses Argument überzeugt nicht, da die Großeltern bei intakter Ehe ihre unentgeltliche Leistung gegenüber den Eheleuten als sogenannte unbenannte Zuwendung "um der Ehe willen" erbracht hätten. Mit Trennung und Scheidung ist jedoch davon auszugehen, dass sie ihre Leistung nur noch ihrer Tochter, der Beklagten zuwenden wollen.

Derartige Leistungen haben daher nach einhelliger Auffassung im Unterhaltrecht allein demjenigen zu verbleiben, dem sie zugedacht sind. Hieran ändert auch das neue Unterhaltsrecht nichts (vgl. aktuell BGH 17.06.2009 - XII ZR 102/08 - Rz. 33, NJW 2009, 2592).

(c) Die Betreuungskosten sind dem Ehegattenunterhalt und nicht dem Kindesunterhalt zuzurechnen, da der Schwerpunkt der Betreuung nicht im erzieherischen Bereich liegt, sondern darin, eine konkrete Berufsausübung überhaupt zu ermöglichen (vgl. BGH 05.03.2008 - XII ZR 150/05 - Rz. 18 f, FamRZ 2008, 1152 unter Hinweis auf seine Entscheidung vom 29. 11.2000 - XII ZR 212/98 - Rz. 23, FamRZ 2001, 350; siehe auch Kalthoener/Büttner/Niepmann, Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 10. Aufl., Rn. 351; Wendel/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 1 Rn. 605 f).

(2) Bei der Höhe der Betreuungskosten ist zu berücksichtigen, dass die halbschichtig ausgeübte Erwerbstätigkeit der Beklagten nach neuem Recht angesichts des Alters der Kinder nicht mehr als teilweise überobligatorisch angesehen werden kann.

Es ist daher in die erforderliche Schätzung (§ 287 ZPO) nur noch der tatsächliche Betreuungsaufwand einzubeziehen. Dieser fällt, wie oben dargelegt, alle zwei Monate mit durchschnittlich 21 Abwesenheitsnächten der Beklagten an. Hier sind im Wesentlichen die Fahrdienste (Schule und Hobbys), die gelegentlich auch vom Kläger übernommen werden, das Zubereiten der Mahlzeiten und eine "Nachtbereitschaft" zu berücksichtigen.

Mit einem Betrag i.H.v. 1.000,00 € erscheint dieser Aufwand angemessen bewertet. Da er nur alle zwei Monate anfällt, ist er im Monatsdurchschnitt mit 500,00 € einkommensmindernd zu berücksichtigen.

d) Ein Erwerbstätigenbonus ist - wie im Vortitel - mit 1/14 zu berücksichtigen.

4. Bedarfsdeckend anzurechnen ist bis einschließlich März 2009 der im Vortitel festgesetzte Wohnwert für das unentgeltlich genutzte, im Alleineigentum des Klägers stehende Einfamilienhaus in monatlicher Höhe von 1.400,00 €.

Ab April 2009 entfällt dieser Wohnvorteil, weil die Beklagte mit den Kindern in eine Mietwohnung umgezogen ist (s.o.).

5. Danach ergibt sich für den streitbefangenen Unterhaltszeitraum ein ungedeckter Unterhaltsbedarf der Beklagten wie folgt:

 ab 03/2008 ab 04/2009 
Wohnbedarf der Beklagten1.200,00 € 1.000,00 € 
gedeckt durch Kindesunterhalt- 200,00 € - 200,00 €
ungedeckter Wohnbedarf 1.000,00 €  800,00 €
sonstiger Bedarf 1.900,00 € 1.900,00 €
  2.900,00 € 2.700,00 €
Bedarfsdeckung    
Einkommen der Beklagten netto1.775,00 €  1.775,00 €  
Fahrtkosten- 339,00 €  - 339,00 €  
(fiktive) Kosten Kinderbetreuung- 500,00 €  - 500,00 €  
 936,00 €  936,00 €
Erwerbstätigenbonus 1/14- 66,00 €  - 66,00 €  
anrechenbares Einkommen - 870,00 €  - 870,00 €
Wohnwert1.600,00 €  1.600,00 €  
Abzug wg. Kindesbelange- 200,00 €  - 200,00 €  
anrechenbarer Wohnwert - 1.400,00 €  - €
ungedeckter Bedarf 630,00 €  1.830,00 €

Der Unterhaltsanspruch der Beklagten ab 04/2009 ist jedoch durch den Vortitel auf 1.156,00 € begrenzt, da die Beklagte eine für die Anpassung des Vortitels zu ihren Gunsten notwendige Abänderungswiderklage nicht erhoben hat.

6. Der Kläger lässt sich weiterhin als uneingeschränkt leistungsfähig behandeln, so dass er unter Beachtung des Halbteilungsgrundsatzes in der Lage ist, den konkreten Bedarf der Beklagten zu decken.

7. Eine Herabsetzung und/oder zeitliche Begrenzung des nachehelichen Unterhalts gem. § 1578b BGB kommt derzeit nicht in Betracht.

a) Eine Befristung des Betreuungsunterhalts nach § 1578 b BGB scheidet aus, weil § 1570 BGB in der seit dem 01.01.2008 geltenden Fassung insoweit eine Sonderregelung für die Billigkeitsabwägung enthält. Nach Vollendung des dritten Lebensjahres steht dem betreuenden Elternteil nur noch Betreuungsunterhalt nach Billigkeit zu (§ 1570 Abs. 1 Satz 2 BGB). Im Rahmen dieser Billigkeitsabwägung sind bereits alle kind- und elternbezogenen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Wenn sie zu dem Ergebnis führt, dass der Betreuungsunterhalt über die Vollendung des dritten Lebensjahres hinaus wenigstens teilweise fortdauert, können dieselben Gründe nicht zu einer Befristung im Rahmen der Billigkeit nach § 1578 b BGB führen (BGH 18.03.2009 - XII ZR 74/08 - Rz. 42 und 06.05.2009 - XII ZR 114/08 - Rz. 55 m.w.N.).

b) Eine Beschränkung des neben dem Betreuungsunterhalt bestehenden Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt gem. § 1578b BGB kommt derzeit ebenfalls nicht in Betracht.

(1) Eine Befristung scheidet bereits wegen einer nicht hinreichend klaren Prognose über den Umfang einer künftigen Erwerbsobliegenheit aus, die - wie dargelegt - vom Umfang der notwendigen Kinderbetreuung abhängig ist.

Weiterhin ist gegenwärtig nicht hinreichend sicher absehbar, ob infolge der Kindererziehung und Betreuung ehebedingte Nachteile eingetreten sind oder noch eintreten werden (vgl. BGH 18.03.2009 - XII ZR 74/08 - Rz. 43).

Insoweit kann zwar festgestellt werden, dass die Beklagte wieder in ihrem erlernten Beruf als Flugbegleiterin tätig ist und nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers keine Nachteile in der tariflichen Einstufung erfahren hat.

Soweit die Beklagte geltend macht, dass die Tätigkeit als Flugbegleiterin bis zum 55. Lebensjahr begrenzt sei, ist dies kein ehebedingter Nachteil, weil es sich um eine berufsbezogene Begrenzung handelt, die schon bei Aufnahme des Berufs vereinbart worden sein dürfte und keinen Bezug zur Ehe hat. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass sich durch den ehebedingten Erziehungsurlaub ihre Chancen auf eine Anschlussbeschäftigung verschlechtert haben.

Auch hat die Beklagte bisher nicht überzeugend dargelegt, dass ohne Heirat und Kinder ein beruflicher Aufstieg zum "Purser" erfolgt wäre. Der Kläger hat hierzu konkret behauptet, dass die Voraussetzungen für den Aufstieg auch schon vor der Heirat vorgelegen hätten und auch jetzt noch möglich wären. Dem ist die Beklagte bisher nicht konkret entgegengetreten. Von Bedeutung ist insoweit nur die nachvollziehbare Behauptung der Beklagten, dass ein Aufstieg zum Purser nur aus einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit möglich sei.

Besteht aber grundsätzlich auch heute noch für die Beklagte die Möglichkeit des beruflichen Aufstiegs, bleibt die weitere berufliche Entwicklung in Abhängigkeit von den Erfordernissen der Kinderbetreuung abzuwarten. Erst nach Wegfall der Kinderbetreuung und der dann gegebenen oder möglichen beruflichen Perspektiven kann eine verlässliche Prognose gestellt werden.

Weiterhin ist eine problemlose Ausweitung der Teilzeit auf eine vollschichtige Tätigkeit nach Ende der Kinderbetreuung nicht gesichert. Dies wird - wie auch aktuell - von der wirtschaftlichen Gesamtlage und insbesondere von der "Einstellungspolitik" des Arbeitgebers abhängig sein. Wechselmöglichkeiten der Beklagten zu einer anderen Fluggesellschaft erscheinen angesichts ihres Alters und der davon abhängigen (hohen) Vergütung eher theoretischer Natur.

(2) Eine Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs scheidet im Ergebnis ebenfalls aus.

Zwar ist eine solche Begrenzung grundsätzlich auch dann möglich, wenn wegen der noch fortdauernden Kinderbetreuung eine Befristung des Betreuungsunterhalts entfällt. Insbesondere in Fällen, in denen der Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen gemäß § 1578 Abs. 1 BGB erheblich über den angemessenen Unterhalt nach der eigenen Lebensstellung des Unterhaltsberechtigten hinausgeht, kommt eine Kürzung auf den eigenen angemessenen Unterhalt in Betracht. Das setzt allerdings einerseits voraus, dass die notwendige Erziehung und Betreuung gemeinsamer Kinder trotz des abgesenkten Unterhaltsbedarfs sichergestellt und das Kindeswohl auch sonst nicht beeinträchtigt ist sowie andererseits, dass eine fortdauernde Teilhabe des betreuenden Elternteils an den abgeleiteten Lebensverhältnissen während der Ehe unbillig erscheint (BGH 18.03.2009 - XII ZR 74/08 - Rz. 44 und 06.05.2009 - XII ZR 114/08 - Rz. 57 m.w.N.).

Nach den Feststellungen im Vortitel bezog sich der Aufstockungsunterhalt auf einen monatlichen Betrag i.H.v. rd. 308,00 € (Differenz zwischen dem vollschichtigen Einkommen und dem eheangemessenen Bedarf). Diese Differenz hat sich aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Lohnerhöhung bei der X weiter verringert.

Ob die Kindesbelange in erheblicher Weise tangiert werden, wenn der Unterhalt der Beklagten um diese Differenz abgesenkt würde, erscheint angesichts des nach der höchsten Einkommensgruppe gezahlten Kindesunterhalts und des der Beklagten verbleibenden Unterhalts fraglich. Die Kinder scheinen allerdings kostspieligen Hobbys (z.B. Reiten und Tennis) nachzugehen und leiten ihre Lebensstellung aus den Einkommensverhältnissen der Eltern ab, die hier durch die unbegrenzte Leistungsfähigkeit des Klägers bestimmt sind.

Letztlich müsste aber eine fortdauernde Teilhabe des betreuenden Elternteils an den aus der Ehe abgeleiteten Lebensverhältnissen unbillig erscheinen. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Zum Einen wirkt die in der Ehe begründete Verpflichtung zur Betreuung und Versorgung der gemeinsamen (ehelichen) Kinder auch nach Trennung und Scheidung fort. Sie verbleibt den Eltern als Folge ihrer Ehe, so dass es der Billigkeit entspricht während der Zeit, in der die Kinder ihrer Eltern noch unterhaltsrechtlich bedürfen, auch die ehelichen Verhältnisse als Maßstab für den Unterhalt der Kindeseltern fortzuschreiben. Zum anderen ist hier die unbegrenzte Leistungsfähigkeit des Klägers zu beachten, so dass nicht erkennbar ist, inwieweit eine monatliche Mehrbelastung von bis zu 300,00 € den Kläger in seiner eigenen Lebensführung (materiell) beeinträchtigt und für ihn unbillig wäre.

III

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 I, 97 I ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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