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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 20.01.2009
Aktenzeichen: 5 Ws 24/09
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 52
StPO § 53
StPO § 70 Abs. 1
Zum Umfang des Zeugnisverweigerungsrechtes eines Krankenschwester.
Beschluss

Strafsache gegen W. S.,

wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.,

(hier: Beschwerde der Zeugin A. Sc. gegen den Beschluss des Landgerichts Essen vom 29. Dezember 2008).

Auf die Beschwerde der Zeugin A. Sc. vom 29. Dezember 2008 gegen den Beschluss der VII. großen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 29. Dezember 2008 hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 20.01.2009 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird auf Kosten der Beschwerdeführerin als unbegründet verworfen.

Gründe:

I. In dem vor dem Landgericht Essen anhängigen Strafverfahren wird gegen den Angeklagten wegen des Vorwurfs der gefährlichen Körperverletzung zu Lasten seines Bruders sowie wegen anderer Delikte verhandelt. Dem Angeklagten wird u.a. vorgeworfen, am 14. Juni 2007 gegen 22 Uhr in seiner Wohnung nach einem Streit auf seinen Bruder A. A. mittels eines Küchenmessers mehrfach eingestochen zu haben, wodurch dieser lebensgefährlich verletzt wurde. Der Geschädigte wurde unmittelbar nach dem Vorfall mit einem Krankenwagen in ein Krankenhaus verbracht, in dem die Zeugin Sc. als Krankenschwester am nächsten Morgen ihren Frühdienst versah. Der Geschädigte bat die Zeugin, die Polizei zu informieren, da er von seinem Bruder, dem Angeklagten bedroht würde und legte dieses auch näher dar. Die Zeugin kam seiner Bitte nach, worauf Kriminalbeamte den Geschädigten noch im Krankenhaus aufsuchten und vernahmen.

In der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Essen beruft sich der Geschädigte nunmehr auf sein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO gegenüber dem Angeklagten und macht keine Angaben zur Sache.

Die Zeugin Sc. sollte im Hinblick auf ihr Gespräch mit dem Geschädigten am 15. Juni 2007 als Zeugin vernommen werden. Bei ihrer Vernehmung am 29. Dezember 2008 beantwortete sie die Frage des Vorsitzenden, ob "sie im Juni letzten Jahres von einem A. A. gebeten worden sei, die Polizei zu rufen, weil diese Person angegeben habe, von seinem Bruder bedroht worden zu sein, unter Berufung auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht als Krankenschwester (§§ 53 Abs. 1 Nr. 3, 53 a Abs.1 StPO nicht.

Daraufhin hat das Landgericht gegen sie ein Ordnungsgeld von 300,- EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je 50 EUR einen Tag Ordnungshaft festgesetzt.

Hiergegen wendet sich die Betroffene mit ihr Beschwerde.

II. Die Beschwerde der Zeugin hat im Ergebnis keinen Erfolg.

Das Landgericht hat gegen sie rechtsfehlerfrei ein Ordnungsgeld angeordnet, um ihr Zeugnis zu erzwingen (§ 70 Abs. 1 StPO).

Ein generelles Recht zur Verweigerung des Zeugnisses gemäß §§ 53, 53 a StPO steht der Zeugin bei der gegebenen Sachlage nicht zu.

Gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1 StPO ist ein Arzt zur Verweigerung des Zeugnisses über das berechtigt, was ihm in seiner Eigenschaft als Arzt anvertraut oder bekannt geworden ist. Die Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient erstreckt sich auf alles, was dem Arzt bei der Untersuchung oder Heilbehandlung anvertraut oder bekannt geworden ist, wozu die Identität des Patienten und die Tatsache seiner Behandlung (BGH NStZ 1985, 372) als auch die Tatsachen gehören, die der Arzt im Rahmen der Anbahnung des Beratungs- und Behandlungsverhältnisses vom Patienten erhält (BGH a.a.O.).

Einem Arzt stehen gemäß § 53 a Abs. 1 StPO seine Gehilfen und die Personen gleich, die zur Vorbereitung auf den Beruf an der berufsmäßigen Tätigkeit teilnehmen, da ansonsten der erstrebte Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Patient und Arzt durch die Vernehmung der Hilfspersonen des Arztes umgangen werden könnte. Dabei muss ein innerer (funktionaler) Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Arztes und seines Gehilfen bestehen, der daraus resultiert, dass der Arzt die Tätigkeit des Gehilfen ohne die organisationsbedingte Arbeitsteilung miterledigen müsste, um die Behandlung des Patienten durchführen zu können. Die von dem Gehilfen bei seiner Tätigkeit erlangte Kenntnis beruht auf der ärztlichen Behandlung (OLG Oldenburg NJW 1982, 2615). Insoweit ist anerkannt, dass auch Krankenschwestern als Gehilfen des Arztes das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 StPO in Anspruch nehmen können (Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., § 53 a, Rn. 5).

Wie sich allerdings aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, erstreckt sich das Recht zur Zeugnisverweigerung nicht auf Tatsachen, von denen der Arzt bzw. dessen Gehilfe zwar bei Gelegenheit der Ausübung der Berufsausübung erfahren hat, nicht aber in seiner Eigenschaft als Arzt/Gehilfe.

Deshalb ist ein Zeugnisverweigerungsrecht nicht anzuerkennen, soweit es sich um Informationen handelt, die weder im funktionalen (inneren) Zusammenhang mit der ärztlichen/pflegerischen Tätigkeit stehen, d.h. die berufliche Tätigkeit des Arztes/Pflegepersonals nicht erst ermöglichen oder qualitativ besser durchführbar machen.

Demgemäß ist vorliegend zu differenzieren:

a) Soweit die Beschwerdeführerin sich zu Tatsachen äußern soll, die im Zusammenhang mit der Erkrankung bzw. den Verletzungen des Bruders des Angeklagten und der genauen Diagnose stehen oder außerhalb der Beauftragung bekannt gewordene Umstände, wie Angstzustände beim Geschädigten oder der Klang der Stimme bei der Mitteilung, besteht für die Beschwerdeführerin ein Zeugnisverweigerungsrecht nach §§ 53 Abs. 1 Nr. 3, 53 a Abs. 1 StGB.

b) Soweit es dagegen um den Inhalt der Beauftragung der Beschwerdeführerin durch den Geschädigten einschließlich seiner Identität im Hinblick auf dessen Bitte geht, die Polizei zu informieren, kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdeführerin diese Tatsachen im Rahmen des Vertrauensverhältnisses Pflegepersonal/Patient oder lediglich beiläufig erhalten hat. Aus dem Inhalt des Gespräches ergibt sich nämlich, worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat, dass der Geschädigte der Beschwerdeführerin die Umstände seiner Verletzungen und der Bedrohungssituation durch seinen Bruder - dem Angeklagten - nicht im Sinne des § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO anvertraut hat, denn es bestand seitens des Geschädigten gerade nicht die Erwartung, dass die Beschwerdeführerin über diese Tatsache Stillschweigen bewahren werde (SK-Rogall, StPO, § 53, Rn. 62). Im Gegenteil ging es ihm gerade darum, dass die Beschwerdeführerin dieses Wissen an die Polizei weitergeben sollte (vgl. BGHSt 37, 138= StV 1990, 433).

In einem solchen Falle liegt auch kein Bekanntwerden einer Tatsache im Sinne des § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO vor. Bekannt geworden sind Tatsachen zwar dann, wenn sie vom Berufsangehörigen auf andere Weise als durch Anvertrauen, namentlich durch eigene Beobachtung im funktionalen Zusammenhang mit seiner Berufstätigkeit wahrgenommen werden, ohne dass der andere dies wissen muss (BGH StV 1990, 433), wobei dieser Begriff Auffangcharakter hat und demgemäß weit auszulegen ist (BGH bei Holtz MDR 1978, 221). Aber auch von einem Bekanntwerden im Sinne dieser Vorschrift kann dann nicht gesprochen werden, wenn aus dem Vertrauensverhältnis gerade die Forderung resultiert, diese Tatsache an Dritte weiterzugeben und damit an deren Geheimhaltung erkennbar jede sachliche Berechtigung fehlt.

Nach alledem ist die Zeugin verpflichtet, die von der Strafkammer gestellte Frage zu beantworten.

Am Rande sei nur erwähnt, dass eine Strafbarkeit nach § 203 StGB bereits deshalb ausscheidet, da es sich im oben unter b) skizzierten Umfang nicht um ein Geheimnis im Sinne des § 203 StGB handelt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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