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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 06.12.2000
Aktenzeichen: 5 Ws 261/00
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 44
StPO § 45
Leitsatz

Zum Umfang der für einen Ausländer möglichen und zumutbaren Anstrengungen, sich zuverlässige Kenntnis vom Inhalt eines Widerrufsbeschlusses nebst beigefügter Rechtsmittelbelehrung zu verschaffen.


Beschluss Strafsache gegen I.A.,

wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge,

(hier: sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen die Verwerfung seines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der gegen den Bewährungswiderruf gerichteten sofortigen Beschwerde).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 13. November 2000 gegen den Beschluss der II. großen Strafkammer des Landgerichts Dortmund vom 13. Oktober 2000 hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 06.12.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Dem Verurteilten wird auf seine Kosten von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Dortmund vom 13. Oktober 2000 gewährt.

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten verworfen.

Gründe:

I.

Der Verurteilte wurde in vorliegender Sache durch Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 12. Januar 1999 (71 Ls 84 Js 1588/98 - 162/98 -), rechtskräftig seit dem Tag der Urteilsverkündung, wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Die Bewährungszeit setzte das Amtsgericht Dortmund auf drei Jahre fest.

Wegen des Verdachts, einem Haupttäter namens Ö. bei einem am 22. Juli 1999 erfolgten Ankauf von ca. 145 g Heroin Hilfe geleistet und sich dadurch der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht zu haben, wurde der Verurteilte am 23. Juli 1999 aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Schweinfurt vom selben Tage im Verfahren 11 Js 8868/99 StA Schweinfurt in Untersuchungshaft genommen, die in der Justizvollzugsanstalt Würzburg vollzogen wurde. In dem genannten Verfahren erhob die Staatsanwaltschaft Schweinfurt am 9. November 1999 Anklage gegen den Verurteilten, nachdem diesem mit Beschluss des Amtsgerichts Schweinfurt vom 26. Oktober 1999 Rechtsanwältin Lohrscheider in Schweinfurt, die den Verurteilten auch in vorliegender Sache vertritt, als Pflichtverteidigerin bestellt worden war. Das Amtsgericht Schweinfurt sprach den Verurteilten durch Urteil vom 1. Februar 2000 (2 Ls 11 Js 8868/99) der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig und verhängte gegen ihn eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Aus den Gründen dieses Urteils, das nicht rechtskräftig geworden ist, geht hervor, dass der Angeklagte die ihm zur Last gelegte Tat bestritten hatte und sich die Überzeugung des Amtsgerichts Schweinfurt auf Zeugenaussagen stützte.

Im Hinblick auf die - nicht rechtskräftige - Verurteilung vom 1. Februar 2000 beantragte die Staatsanwaltschaft Dortmund in vorliegender Sache unter dem 24. März 2000 beim Amtsgericht Dortmund den Widerruf der im Urteil vom 12. Januar 1999 bewilligten Strafaussetzung zur Bewährung. Diesen Antrag teilte das Amtsgericht Dortmund dem Verurteilten mit Schreiben vom 29. März 2000, das dem Verurteilten am 30. März 2000 in der Justizvollzugsanstalt Würzburg förmlich zugestellt wurde, zur Stellungnahme mit. Auf der entsprechenden Zustellungsurkunde ist vermerkt, dass das zugestellte Schriftstück dem Empfänger nicht vorgelesen wurde.

In offensichtlicher Unkenntnis des Umstandes, dass das Bayerische Oberste Landesgericht mit Beschluss vom 11. Mai 2000 (4 St RR 58/2000) auf die Revision des Verurteilten das Urteil des Amtsgerichts Schweinfurt vom 11. Februar 2000 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen hatte, widerrief das Amtsgericht Dortmund mit Beschluss vom 16. Mai 2000 in vorliegender Sache die Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Urteil vom 12. Januar 1999 und führte zur Begründung aus, dass der Verurteilte während der Bewährungszeit vom Amtsgericht Würzburg (gemeint war offensichtlich das Amtsgericht Schweinfurt) wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz, begangen am 22. Juli 1999, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei und sich damit die der Strafaussetzung zugrunde gelegte Erwartung nicht erfüllt habe. Dieser Widerrufsbeschluss wurde dem Verurteilten mit entsprechender Rechtsmittelbelehrung - jeweils ohne Übersetzung in seine türkische Heimatsprache - am 22. Mai 2000 in der JVA Würzburg förmlich zugestellt. Auch auf dieser Zustellungsurkunde ist vermerkt, dass das zugestellte Schriftstück dem Empfänger nicht vorgelesen worden sei, da er dies nicht verlangt habe.

Da in der Folgezeit zunächst kein Rechtsmittel gegen den Widerrufsbeschluss bei dem Amtsgericht Dortmund eingelegt wurde, leitete die Staatsanwaltschaft Dortmund die Vollstreckung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 12. Januar 1999 ein. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Dortmund genehmigte das Amtsgericht Schweinfurt mit Beschluss vom 3. Juli 2000 die Unterbrechung der mit Haftbefehl vom 23. Juli 1999 angeordneten Untersuchungshaft zur Vollstreckung der im Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 12. Januar 1999 verhängten Freiheitsstrafe. Diesen Beschluss übersandte das Amtsgericht Schweinfurt mit Schreiben vom 4. Juli 2000 der Verteidigerin des Verurteilten, die ihn in vorliegender Sache bis dahin noch nicht vertreten hatte, zur Kenntnis, wo der Beschluss am 5. Juli 2000 einging. Aufgrund dieses Beschlusses wird laut Vollstreckungsübersicht seit dem 3. Juli 2000 die Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 12. Januar 1959 in der JVA Würzburg in Unterbrechung der Untersuchungshaft vollstreckt. Nach den Angaben des Verurteilten wurde er am 8. Juli 2000 aus dem Trakt, in dem sich die Untersuchungshäftlinge befinden, in den für Strafgefangene vorgesehenen Gefängnistrakt verlegt.

Mit Schriftsatz vom 5. Juli 2000, dem Amtsgericht Dortmund per Telefax übermittelt am 6. Juli 2000, stellte die Verteidigerin des Verurteilten für diesen den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss des Amtsgerichts Dortmund vom 16. Mai 2000. Gleichzeitig legte die Verteidigerin namens des Verurteilten sofortige Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss ein. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages heißt es in dem Schriftsatz u.a.:

"Der Antrag auf Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung vom 24.03.00 wurde mir als Verteidigerin des Verurteilten nicht zugestellt. Ich gehe davon aus, dass dieser Antrag dem Verurteilten direkt in der JVA Würzburg zugestellt wurde. Der Verurteilte ist jedoch nicht in der Lage, ein solches Schreiben auf deutsch zu verstehen, geschweige denn, hierauf selbst zu erwidern. Auch der Beschluss des Amtsgerichts Dortmund vom 16.05.00 wurde wohl dem Verurteilten selbst zugestellt. Da der Verurteilte nicht in der Lage ist, ein solches Schreiben auf deutsch zu verstehen, hat er die Beschwerdefrist ohne eigenes Verschulden versäumt."

Zur Begründung der gegen den Widerrufsbeschluss gerichteten sofortigen Beschwerde wird in dem Schriftsatz darauf hingewiesen, dass das Urteil des Amtsgerichts Schweinfurt vom 1. Februar 2000 nicht rechtskräftig, sondern auf die Revision des Verurteilten aufgehoben worden sei.

Mit Beschluss vom 17. Juli 2000 verwarf das Landgericht Dortmund den Wiedereinsetzungsantrag des Verurteilten und dessen sofortige Beschwerde als unzulässig. Zur Begründung führte das Landgericht Dortmund aus, dass in dem Wiedereinsetzungsantrag weder dargelegt noch glaubhaft gemacht worden sei, wann der Verurteilte Kenntnis von dem Inhalt des Widerrufsbeschlusses erlangt habe und demgemäss das "Hindernis" i.S.d. § 45 Abs. 1 S. 1 StPO weggefallen sei. Gegen diesen seiner Verteidigerin am 7. August 2000 zugestellten Beschluss hat der Verurteilte kein Rechtsmittel eingelegt.

Mit Schriftsatz seiner Verteidigerin vom 25. September 2000, am selben Tage bei dem Amtsgericht Dortmund eingegangen, beantragte der Verurteilte erneut Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und legte nochmals (sofortige) Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss des Amtsgerichts Dortmund ein. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags heißt es in dem Schriftsatz vom 25. September 2000 in Ergänzung zu dem darin wiederholten Vorbringen aus dem Schriftsatz vom 5. Juli 2000:

"Bei Zustellung des Beschlusses des Amtsgerichts Dortmund vom 16.05.00 wurde dem Verurteilten weder der Inhalt des Beschlusses noch die Rechtsmittelbelehrung übersetzt. Erst bei einem Gespräch in der JVA Würzburg konnte der Beschluss mit Hilfe eines amtlich vereidigten Dolmetschers, Herrn Reiner Wolf, übersetzt werden. Der Verurteilte musste zwar in der JVA Würzburg im Juli 2000 aus der U-Haft in Strafhaft wechseln. Hierüber wunderte er sich zwar, da das Urteil des Amtsgerichts Schweinfurt zu diesem Zeitpunkt nicht rechtskräftig war und bisher auch nicht rechtskräftig ist. Den Grund für den Wechsel aus der U-Haft in Strafhaft hat der Verurteilte allerdings bis zum 22.09.00 nicht verstanden. Erst durch Übersetzung des Dolmetschers und Erklärung am 22.09.00 wurde dem Verurteilten klar, weshalb er nun in Strafhaft ist."

Dem Wiedereinsetzungsantrag waren entsprechende eidesstattliche Versicherungen des Verurteilten und des Dolmetschers Wolf vom 22. September 2000 beigefügt.

Am 28. September 2000 sprach das Amtsgericht Schweinfurt den Verurteilten erneut in dem Verfahren 2 Ls 11 Js 8868/99 der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da sowohl die Staatsanwaltschaft Schweinfurt als auch der Verurteilte Berufung gegen dieses Urteil eingelegt haben, über die noch nicht entschieden ist.

Das Landgericht Dortmund hat den Wiedereinsetzungsantrag des Verurteilten sowie dessen sofortige Beschwerde vom 25. September 2000 mit Beschluss vom 13. Oktober 2000 als unzulässig verworfen. Zur Begründung der Verwerfung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat das Landgericht Dortmund in dem Beschluss ausgeführt, dass die Begründung des neuen Wiedereinsetzungsantrags in sich widersprüchlich sei und konstruiert erscheine. Die Behauptung des Verurteilten, er habe erst am 22. September 2000 Kenntnis vom Inhalt des Widerrufsbeschlusses durch dessen Übersetzung in die türkische Sprache erlangt, sei nicht nachvollziehbar, da seine Verteidigerin gegen diesen Beschluss bereits mit Schriftsatz vom 5. Juli 2000 sofortige Beschwerde eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt habe mit der Begründung, der Verurteilte habe den Widerrufsbeschluss nicht verstanden.

Gegen diesen, ihm am Montag, dem 6. November 2000 zugestellten Beschluss hat der Verurteilte mit einem an das Oberlandesgericht Hamm adressierten Schriftsatz seiner Verteidigerin vom 13. November 2000, der dem Oberlandesgericht Hamm am selben Tage um 16.20 Uhr per Telefax übermittelt worden ist, "sofortige weitere Beschwerde" eingelegt. Zur Begründung der sofortigen Beschwerde ist in dem Schriftsatz u.a. folgendes ausgeführt:

"Erst mit Mitteilung des Amtsgerichts Schweinfurt vom 04.07.00, zugestellt am 05.07.00, erfuhr die Unterzeichnerin, ... dass die Untersuchungshaft unterbrochen und die vom Amtsgericht Dortmund verhängte Freiheitsstrafe vollstreckt werden sollte. Der Widerrufsbeschluss war der Unterzeichnerin nicht zugestellt worden, da sie im damaligen Verfahren nicht bevollmächtigt war. .....

Die Unterzeichnerin war lediglich im Verfahren vor dem Amtsgericht Schweinfurt als Verteidigerin beigeordnet worden. Lediglich durch Zufall erhielt sie durch eine Mitteilung des Amtsgerichts Schweinfurt am 05.07.00 davon Kenntnis, dass die Untersuchungshaft des Beschwerdeführers unterbrochen und die Vollstreckung der vom Amtsgericht Dortmund verhängten Freiheitsstrafe angeordnet wurde. Dieser Beschluss des Amtsgerichts Dortmund war der Verteidigerin zur Kenntnisnahme zugeschickt worden. ...

Da die Bevollmächtigte des Beschwerdeführers im Zeitraum Juli/August wegen zahlreicher Gerichtstermine zeitlich stark beansprucht war, war es nicht möglich, einen Besprechungstermin in der JVA Würzburg wahrzunehmen. Eine Anfrage der Verteidigerin beim Sozialdienst der JVA Würzburg mit der Bitte, nachzufragen, ob dem Beschwerdeführer ein Beschluss des Amtsgerichts Dortmund zugestellt wurde und diesem zu übersenden, falls dies nicht der Fall war, verlief ergebnislos. Erst bei einer Besprechung am 22.09.00, zu der ein Dolmetscher für die türkische Sprache hinzugezogen wurde, konnte geklärt werden, wann der Beschwerdeführer den Beschluss erhalten hat. Der Beschwerdeführer gab außerdem an, er habe sich nur gewundert, dass er am 08.07.00 aus dem Trakt, in dem sich die Untersuchungshäftlinge befinden, in einen anderen Trakt, nämlich dort, wo tatsächlich die Freiheitsstrafe verbüßt wird, gewechselt hat. Hierüber versuchte der Beschwerdeführer, sich mit einem Mitarbeiter des Sozialdienstes zu verständigen. Auch dieser Mitarbeiter hat dem Verurteilten den Widerrufsbeschluss des Amtsgerichts Dortmund nicht übersetzt und weder den Inhalt des Beschlusses noch den Inhalt der Rechtsmittelbelehrung erklären können. Der Verurteilte spricht kein Deutsch. ... Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Inhalt des Widerrufsbeschlusses sowie der Inhalt der Rechtsmittelbelehrung dem Beschwerdeführer schon vor dem 22.09.00 klargeworden sind, wie das Landgericht Dortmund meint. ... "

Der Beschwerdeschrift vom 13. November 2000 war eine eidesstattliche Versicherung der Verteidigerin des Verurteilten beigefügt, in der diese u.a. an Eides statt versichert, dass der Verurteilte relativ schlecht Deutsch spreche, so dass lediglich eine ganz einfache umgangssprachliche Verständigung möglich sei, und dass ihr der Beschluss des Amtsgerichts Dortmund vom 16. Mai 2000 erst am 22. September 2000 ausgehändigt worden sei.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde wegen Nichteinhaltung der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO als unzulässig zu verwerfen.

II.

Die sofortige Beschwerde, die sich gegen die Verwerfung des Wiedereinsetzungsantrags vom 25. September 2000 richtet, ist aufgrund der von Amts wegen zu gewährenden Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde zwar zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

1. Die gemäß § 46 Abs. 3 StPO statthafte sofortige Beschwerde ist, obwohl sie entgegen § 311 Abs. 2 StPO nicht binnen einer Woche nach Bekanntmachung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts Dortmund vom 13. Oktober 2000 eingelegt worden ist, zulässig, da dem Verurteilten gemäß §§ 44, 45 Abs. 2 S. 3 StPO von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Wochenfrist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde zu gewähren war. Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass der Verurteilte ohne eigenes Verschulden gehindert war, die Frist des § 311 Abs. 2 StPO zur Einlegung der sofortigen Beschwerde einzuhalten. Der angefochtene Beschluss wurde dem Verurteilten am Montag, dem 6. November 2000 zugestellt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hätte demnach spätestens am 13. November 2000 bei dem Landgericht Dortmund, das den angefochtenen Beschluss erlassen hat, eingehen müssen (§§ 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO). Tatsächlich hat die Verteidigerin des Verurteilten die Beschwerdeschrift erst unter dem 13. November 2000 verfasst und an diesem Tag dem Oberlandesgericht Hamm, an das die Beschwerdeschrift gerichtet war, per Telefax übermittelt. Da das Telefaxschreiben dort erst um 16.20 Uhr und somit außerhalb der normalen Geschäftszeiten einging, bestand weder die Möglichkeit, noch die rechtliche Verpflichtung (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 44 Rdnr. 17), die Beschwerdeschrift fristwahrend noch am Tag des Eingangs dem das Landgericht Dortmund per Telefax oder in anderer geeigneter Weise zu übermitteln.

Dass der Beschwerdeschriftsatz nicht rechtzeitig bei dem Landgericht Dortmund eingegangen ist, beruht jedoch, wie sich aus dem Akteninhalt ergibt, nicht auf dem Verschulden des Verurteilten. Aus der Beschwerdeschrift ergibt sich, dass die Verteidigerin, die schon zuvor in vorliegender Sache mit ihren Schriftsätzen vom 5. Juli und 25. September 2000 für den Verurteilten tätig geworden war, von diesem den Auftrag erhalten hatte, gegen die Verwerfung des Wiedereinsetzungsantrags vom 25. September 2000 durch Beschluss des Landgerichts Dortmund vom 13. Oktober 2000 sofortige Beschwerde einzulegen. Da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass für den Verurteilten vorhersehbar war, dass die von ihm beauftragte und bevollmächtigte Verteidigerin die Beschwerdeschrift nicht rechtzeitig dem zuständigen Gericht übermitteln würde, trifft den Verurteilten selbst kein (Mit-)Verschulden. Die Nichtwahrung der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO beruht allein auf dem Verschulden der Verteidigerin, welches dem Verurteilten nicht zugerechnet werden kann (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 44 Rdnr. 18 m.w.N.).

2. In der Sache bleibt die sofortige Beschwerde des Verurteilten allerdings ohne Erfolg, denn das Landgericht Dortmund hat den Wiedereinsetzungsantrag des Verurteilten vom 25. September 2000 mit dem angefochtenen Beschluss im Ergebnis zu Recht verworfen.

a. Zwar ist unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nunmehr davon auszugehen, dass der Antrag des Verurteilten vom 25. September 2000 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der gegen den Bewährungswiderrufsbeschluss des Amtsgerichts Dortmund vom 16. Mai- 2000 gerichteten sofortigen Beschwerde die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 45 StPO erfüllt. Der Verurteilte hat in der Beschwerdeschrift unter Ergänzung und Verdeutlichung seines Vorbringens in dem Wiedereinsetzungsgesuch vom 25. September 2000 nunmehr plausibel dargelegt, dass er aufgrund seiner nur unzureichenden Deutschkenntnisse erst am 22. September 2000 durch die Übersetzung des Dolmetschers Wolf den Inhalt und die Bedeutung des Widerrufsbeschlusses des Amtsgerichts Dortmund vom 16. Mai 2000 nebst der diesem Beschluss beigefügten Rechtsmittelbelehrung erfasst und verstanden hat. Demnach wäre - die Richtigkeit dieses Vorbringens unterstellt - der Wiedereinsetzungsantrag vom 25. September 2000, der am selben Tage per Telefax bei dem Amtsgericht Dortmund einging, rechtzeitig innerhalb der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 StPO gestellt worden. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich, dass - anders als von dem Landgericht Dortmund dem angefochtenen Beschluss auf der Grundlage des damaligen Vorbringens des Verurteilten angenommen - die Verteidigerin des Verurteilten nicht bereits zum Zeitpunkt des ersten Wiedereinsetzungsgesuchs vom 5. Juli 2000 von diesem über den Widerrufsbeschluss informiert und zu dessen Anfechtung beauftragt worden war, sondern die Verteidigerin vielmehr nach Erhalt des Beschlusses des Amtsgerichts Schweinfurt vom 3. Juli 2000 über die Genehmigung der Unterbrechung der Untersuchungshaft von sich aus telefonischen Kontakt zur Staatsanwaltschaft Dortmund als zuständiger Vollstreckungsbehörde aufgenommen hatte und bei diesem Telefonat über den Widerrufsbeschluss des Amtsgerichts Dortmund informiert worden war. Daraufhin hatte die Verteidigerin des Verurteilten, legt man das Beschwerdevorbringen zugrunde, ohne Absprache mit dem Verurteilten und ohne dessen Kenntnis und Auftrag das - vom Landgericht Dortmund mit Beschluss vom 17. Juli 2000 als unzulässig verworfene - (erste) Wiedereinsetzungsgesuch vom 5. Juli 2000 gestellt.

b. Der Wiedereinsetzungsantrag des Verurteilten vom 25. September 2000 ist sachlich jedoch nicht begründet. Auch bei Zugrundelegung des Vorbringens des Verurteilten liegt kein Sachverhalt vor, der eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss des Amtsgerichts Dortmund vom 16. Mai 2000 gemäß § 44 StPO rechtfertigt.

Der von dem Verurteilten geltend gemachte Umstand, dass der Widerrufsbeschluss und die dazugehörige Rechtsmittelbelehrung für ihn aufgrund seiner unzureichender Deutschkenntnisse vor der am 22. September 2000 erfolgten Übersetzung nicht verständlich gewesen seien, rechtfertigt allein noch keine Wiedereinsetzung.

Auf eine solche Fallgestaltung ist, wie das Bundesverfassungsgericht in seiner neueren Rechtsprechung in Ergänzung einer früheren Entscheidung (vgl. BVerfGE 40, 95 = NJW 1975, 1597) klargestellt hat, die Vorschrift des § 44 S. 2 StPO nicht unmittelbar anwendbar (vgl. BVerfG, StV 1991, 497; NJW 1976, 1021). Nach der maßgebenden neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Frage, ob einem sprachunkundigen Ausländer bei Versäumung der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung zu gewähren ist, auf der Grundlage der Vorschrift des § 44 S. 1 StPO vielmehr danach zu beurteilen, ob dieser sich in hinreichender Weise darum bemüht hat, Kenntnis vom Inhalt einer ihn belastenden Entscheidung und der dazugehörigen Rechtsmittelbelehrung zu erlangen. Versäumt ein der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtiger Ausländer, dem eine behördliche oder gerichtliche Entscheidung in deutscher Sprache ohne eine ihm verständliche Rechtsmittelbelehrung zugestellt worden ist, die Rechtsmittelfrist, so verbieten es zwar nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die Rechtschutzgarantien der Art. 19 Abs. 4, 103 Abs. 1 GG, die Versäumung der Rechtsmittelfrist, soweit sie auf den unzureichenden Sprachkenntnissen des Ausländers beruht, als verschuldet anzusehen (vgl. BVerfG, StV 1995, 394; 1991, 497; NJW 1976, 1021). Allerdings, so das Bundesverfassungsgericht in den zuvor zitierten, auch für den vorliegenden Sachverhalt bedeutsamen Entscheidungen, folgt aus einer solchen unverschuldeten Versäumung der Rechtsmittelfrist durch einen sprachunkundigen Ausländer nicht, dass dieser jeglicher Sorgfaltpflicht in der Wahrnehmung seiner Rechte enthoben ist. Da die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Rechtskraft einer behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung eingreift, drängt das Wiedereinsetzungsverfahren, wie insbesondere die Wiedereinsetzungsfrist des § 45 Abs. 1 S. 1 StPO deutlich macht, auf Beschleunigung. Mit diesem Grundgedanken des Wiedereinsetzungsrechts wäre es nicht zu vereinbaren, wenn einem der deutschen Sprache nur unzureichend mächtigen Ausländer, der die Rechtsmittelfrist aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse versäumt hat, unabhängig davon, ob er zumutbare Anstrengungen zum "Wegfall des Hindernisses" d.h. zur Kenntniserlangung vom Inhalt der später angefochtenen Entscheidung nebst Rechtsmittelbelehrung unternommen hat, Wiedereinsetzung zu gewähren wäre (vgl. BVerfG, NJW 1976, 1021, 1022). Kann daher der Ausländer das in deutscher Sprache verfasste Schriftstück jedenfalls so weit erfassen, dass es sich um ein amtliches Schriftstück handeln könnte, das eine ihn belastende Verfügung enthält, so hat er im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, sich innerhalb angemessener Frist Gewissheit über den genauen Inhalt des Schriftstückes zu verschaffen; unternimmt ein Ausländer aus vermeidbarer Gleichgültigkeit oder aufgrund anderer, auf sein schuldhaftes Verhalten zurückzuführenden Umstände solche zumutbaren Anstrengungen nicht und erlangt er deshalb erst nach Ablauf dieser angemessenen Frist Kenntnis von dem genauen Inhalt des Schriftstücks, so ist es aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden und nach dem Grundgedanken des Wiedereinsetzungsrechts sachgerecht, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu versagen (vgl. BVerfG, StV 1995, 394; 1991, 497; NJW 1976, 1021).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass der Verurteilte die ihm möglichen und zumutbaren Anstrengungen, sich zuverlässige Kenntnis vom Inhalt des Widerrufsbeschlusses nebst beigefügter Rechtsmittelbelehrung zu verschaffen, nicht innerhalb angemessener Frist unternommen hat, und ihm daher, da ein Entschuldigungsgrund für seine Untätigkeit über Monate hinweg weder ersichtlich noch dargelegt ist, die beantragte Wiedereinsetzung zu versagen ist. Der Verurteilte behauptet selbst nicht, im Anschluss an das in Anwesenheit eines Dolmetschers verkündete Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 12. Januar 1999 trotz der darin verhängten Bewährungsstrafe entgegen § 268 a Abs. 3 StPO nicht über die Bedeutung der Aussetzung der Strafe zur Bewährung und die Möglichkeit des Widerrufs der Aussetzung nach § 56 f Abs. 1 StGB in einer für ihn verständlichen Weise belehrt worden zu sein. Aus dem Vorbringen des Verurteilten ergibt sich auch nicht, dass er des Lesens unkundig ist. Somit konnte und musste er erkennen, dass es sich bei den gerichtlichen Schriftstücken vom 29. März und 16. Mai 2000, die ihm am 30. März bzw. 22. Mai 2000 förmlich zugestellt worden waren, um an ihn gerichtete Schreiben des Amtsgerichts Dortmund handelte, diese gerichtlichen Schreiben sich also nicht unmittelbar auf das seinerzeit noch nicht rechtskräftig abgeschlossene Verfahren der Staatsanwaltschaft Schweinfurt 11 Js 8868/99, sondern vielmehr auf die beim Amtsgericht Dortmund geführte Bewährungssache bezogen. Aus dem Umstand, dass ihm die beiden Schriftstücke des Amtsgerichts Dortmund jeweils förmlich zugestellt wurden, musste der Verurteilte weiter die Schlussfolgerung ziehen, dass es sich um amtliche Schriftstücke mit nicht unbedeutendem Inhalt handelte. Da der Verurteilte wusste, dass er aufgrund seiner Verurteilung durch das Amtsgericht Dortmund vom 12. Januar 1999 dort unter Bewährung stand und diese im Falle erneuter Straffälligkeit innerhalb der Bewährungszeit widerrufen werden konnte, musste er schon bei Erhalt des Widerrufsbeschlusses vom 16. Mai 2000 von der Möglichkeit ausgehen, dass dieses gerichtliche Schriftstück eine ihn belastende Entscheidung, die im Zusammenhang mit der laufenden Bewährung getroffen worden war, enthielt.

Spätestens aber, als der Verurteilte - seinen eigenen Angaben zufolge am 8. Juli 2000 aus dem Gefängnistrakt für Untersuchungshäftlinge in den Gefängnistrakt für Strafgefangene innerhalb der Justizvollzugsanstalt Würzburg verlegt wurde, musste der Verurteilte von der Möglichkeit eines Zusammenhangs zwischen der Verlegung und dem Inhalt der ihm förmlich zugestellten Schriftstücke des Amtsgerichts Dortmund vom 29. März und 16. Mai 2000 dergestalt ausgehen, dass im Hinblick auf das gegen ihn im Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft Schweinfurt geführte Strafverfahren, das zum Urteil des Amtsgerichts Schweinfurt vom 1. Februar 2000 geführt hatte, die Bewährung aus dem Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 12. Januar 1999 widerrufen worden war. Spätestens zu diesem Zeitpunkt bestand Anlass für den Verurteilten, alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um sich innerhalb angemessener Frist Gewissheit über den genauen Inhalt des Schriftstückes vom 16. Mai 2000 zu verschaffen und durch anschließende kurzfristige Rechtsmitteleinlegung seine Rechte zu wahren. Dem Verurteilten stand eine Vielzahl von - formellen und informellen - Möglichkeiten zur Verfügung, sich über den Inhalt des ihm zuletzt zugestellten Schriftstücks des Amtsgerichts Dortmund (Widerrufsbeschluss und Rechtsmittelbelehrung) zuverlässig zu informieren. Der Verurteilte hätte beispielsweise türkische Mitgefangene um Übersetzung bitten oder den Widerrufsbeschluss nebst Rechtsmittelbelehrung dem für ihn zuständigen Sozialarbeiter der Justizvollzugsanstalt, mit dem er eigenen Angaben zufolge anlässlich des Wechsels von Untersuchungs- in Strafhaft auch gesprochen hat, vorlegen und um Übersetzung durch einen Dolmetscher bitten können; auch bestand die Möglichkeit, das gerichtliche Schriftstück seiner Verteidigerin, die ihm in dem Verfahren 11 Js 8868/99 der Staatsanwaltschaft Schweinfurt bereits durch Beschluss des Amtsgerichts Schweinfurt vom 26. Oktober 1999 als Pflichtverteidigerin bestellt worden war, mit der Bitte zu übermitteln, den Inhalt des Schriftstücks zu überprüfen und ggf. nach Rücksprache mit dem Verurteilten die zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlichen Schritte zu ergreifen. Von diesen nur beispielhaft genannten Möglichkeiten hat der Verurteilte bis zum 22. September 2000 sämtlich keinen Gebrauch gemacht, was als vermeidbare und vorwerfbare Gleichgültigkeit gewertet werden muss. Die dem Verurteilten zuzubilligende angemessene Frist, innerhalb derer er sich Gewissheit über den genauen Inhalt des Schriftstücks des Amtsgerichts Dortmund vom 16. Mai 2000 verschaffen musste, war jedenfalls am 22. September 2000 bereits verstrichen. Aus diesem Grunde liegen die Voraussetzungen für die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss des Amtsgerichts Dortmund nach § 44 StPO nicht vor.

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten war daher mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO als unbegründet zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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