Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 23.10.2001
Aktenzeichen: 5 Ws 373/01
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 329
StPO § 44
Zur genügenden Entschuldigung für das Ausbleiben in Berufungstermin durch Vorlage eines ärztlichen Attestes
Beschluss

Strafsache

gegen R.K.,

wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (hier: Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung).

Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten vom 6. August 2001 gegen den Beschluss der X. kleinen Strafkammer des Landgerichts Dortmund vom 26. Juli 2001 hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 23. 10. 2001 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht sowie die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Dem Angeklagten wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung vom 8. Mai 2001 gewährt. Damit verliert das Urteil der X. kleinen Strafkammer des Landgerichts Dortmund vom 8. Mai 2001 über die Verwerfung der Berufung seine Wirksamkeit.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt (§§ 467, 473 Abs. 1 StPO analog).

Gründe:

Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Lünen vom 12. Januar 2001 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt worden. Die gegen dieses Urteil rechtzeitig eingelegte Berufung hat das Landgericht Dortmund mit Urteil vom 8. Mai 2001 gemäß § 329 Abs. 1 S. 1 StPO verworfen. Der Angeklagte hat gegen dieses seinem Verteidiger am 28. Mai 2001 zugestellte Urteil mit dem am 1. Juni 2001 beim Landgericht Dortmund eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers vom 28. Mai 2001 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung sowie die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen einer "etwa versäumten Antragstellung auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" beantragt. Mit Beschluss vom 26. Juli 2001 hat das Landgericht Dortmund die Anträge des Angeklagten vom 28. Mai 2001 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig verworfen.

Gegen diesen, seinem Verteidiger am 8. August 2001 zugestellten Beschluss, wendet sich der Angeklagte mit dem am 6. August 2001 bei dem Landgericht Dortmund eingegangenen Telefax seines Verteidigers vom selben Tag.

Die gemäß § 46 Abs. 3 StPO statthafte und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Angeklagten ist zulässig und begründet.

Im Gegensatz zu den Ausführungen des Landgerichts Dortmund in dem angefochtenen Beschluss ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung nicht verspätet, sondern innerhalb der Frist des § 329 Abs. 3 StPO gestellt worden. Diese Frist geht als speziellere Regelung der in § 45 Abs. 1 StPO bestimmten Wochenfrist vor (vgl. HansOLG Hamburg NStZ-RR 2000, 238; OLG Düsseldorf, NStZ 1998, 637).

Das Rechtsmittel ist auch begründet.

Der Angeklagte hat mit dem eingereichten ärztlichen Attest der ihn seit Jahren behandelnden Ärztin F. vom 9. Mai 2001 hinreichend glaubhaft gemacht, dass er zu dem Berufungshauptverhandlungstermin am 8. Mai 2001 unverschuldet nicht erschienen ist. Mit dem Attest wird dem Angeklagten bescheinigt, dass er sich seit dem 20. März 2001 wegen einer akuten Psychose in zusätzlicher neurologischer Behandlung befinde und aufgrund dieser psychischen Erkrankung nicht in der Lage sei, an einer Gerichtsverhandlung teilzunehmen, da der leicht gebesserte psychische Zustand sich akut wieder verschlechtern könne.

Die Vorlage dieses ärztlichen Attestes reicht nach dem Dafürhalten des Senats aus, um die Angaben des Angeklagten, er habe zu der Berufungshauptverhandlung ohne Verschulden nicht erscheinen können, hinreichend wahrscheinlich und damit glaubhaft erscheinen zu lassen (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, § 329 Rdnr. 26).

Wenn es sich bei der Ärztin F. auch nicht um eine Fachärztin für Neurologie oder Psychiatrie, sondern um eine Allgemeinmedizinerin bzw. Praktische Ärztin handelt, so dürfte sie aufgrund der seit Jahren andauernden Behandlung des Angeklagten in der Lage sein, dessen gesundheitlichen Zustand insgesamt zuverlässig einzuschätzen. Wenn sie vor diesem Hintergrund zu dem begründeten Befund gelangt, der Angeklagte sei aus ärztlicher Sicht nicht in der Lage gewesen, an einer Gerichtsverhandlung teilzunehmen, ist von dessen Verhandlungsunfähigkeit mit genügender Wahrscheinlichkeit auszugehen, zumal Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der vorgelegten Bescheinigung um ein Gefälligkeitsattest handeln könnte, nicht vorhanden sind.

Da der Angeklagte sein Ausbleiben in der Berufungshauptverhandlung somit hinreichend entschuldigt hat, war ihm unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses auf seine Kosten (§ 473 Abs. 7 StPO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren mit der Folge, dass das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 8. Mai 2001 gegenstandslos ist.

Ende der Entscheidung

Zurück