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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 06.03.2006
Aktenzeichen: 6 U 162/05
Rechtsgebiete: HPflG, BGB


Vorschriften:

HPflG § 2
HPflG § 2 Abs. 1
HPflG § 2 Abs. 1 Satz 1
HPflG § 2 Abs. 3 Nr. 2
BGB § 291
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 26.09.2005 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Münster abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.479,41 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.11.2004 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

I.

Am 04.10.2003 ist die Yacht des Klägers im Yachthafen H durch eine Gasexplosion auf der daneben liegenden Yacht des Beklagten beschädigt worden.

Der Kläger hat behauptet, die Explosion habe der Beklagte durch unsachgemäßes Hantieren an der Gasanlage seines Schiffes verursacht.

Das Landgericht hat nach Vernehmung eines Zeugen und Einholung eines Sachverständigengutachtens die Klage abgewiesen. Ein schuldhaftes Verhalten des Beklagten sei nicht bewiesen. Arbeiten an der Gasanlage habe der Zeuge nicht bestätigt. Der Sachverständige habe die genaue Ursache eines Gasaustritts nicht feststellen können. Undichtigkeiten an der Gasanlage könnten schon vor dem Aufenthalt des Beklagten auf dem Schiff entstanden sein. Ein Anscheinsbeweis komme nicht in Betracht, weil kein typischer Geschehensablauf feststehe.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Schadensersatzbegehren in Höhe von (unstreitig) 10.479,41 Euro weiter. Es müssten Beweiserleichterungen zur Anwendung kommen. Im Übrigen greife die Gefährdungshaftung nach § 2 Haftpflichtgesetz ein.

Der Beklagte vertritt die Auffassung, die Ersatzpflicht nach § 2 Haftpflichtgesetz sei ausgeschlossen, weil es sich um eine Einrichtung zum Verbrauch oder zur Abnahme von Gas gehandelt habe.

II.

Die Berufung des Klägers ist begründet.

Der vom Kläger verfolgte Schadensersatzanspruch rechtfertigt sich jedenfalls aus der - vom Landgericht nicht geprüften - Regelung des § 2 Abs. 1 Haftpflichtgesetz.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Haftpflichtgesetz ist der Inhaber einer Energieanlage verpflichtet, den entstandenen Schaden zu ersetzen, wenn durch die Wirkung von Gas, das von einer Rohrleitungsanlage oder einer Anlage zur Abgabe dieser Energie ausgeht, eine Sache beschädigt wird. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Auf ein Verschulden kommt es bei dieser Gefährdungshaftung nicht an.

Es ist unstreitig, dass es sich hier um eine Gasexplosion gehandelt hat. Durch die Wirkung von Gas ist die Yacht des Klägers beschädigt worden.

Das Gas ist von einer Rohrleitungsanlage oder einer Anlage zur Abgabe der bezeichneten Energie ausgegangen, deren Inhaber der Beklagte war. Der Beklagte hat im Schriftsatz vom 23.02.2006 die auf seinem Boot installierte Anlage im Einzelnen beschrieben, worauf verwiesen wird. Es war eine handelsübliche 5-kg-Gasflasche (Propan/Butan) mit einer Schlauchleitung mit einem im Boot fest installierten Kupferleitungsnetz verbunden. Eine Kupferleitung führte in den Bugbereich des Bootes, wo ein dreiflammiger Gasherd angeschlossen war. Eine andere Kupferleitung verlief zur Backbordseite des Bootes, wo eine handelsübliche Gasheizung angeschlossen war. Die beiden Abnahmegeräte waren jeweils mit kurzen Schläuchen an die ortsfesten Leitungen angeschlossen.

Die Ersatzpflicht nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Haftpflichtgesetz ist hier nicht gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 Haftpflichtgesetz ausgeschlossen. Der Haftungsausschluss erfasst zunächst Energieverbrauchgeräte. Damit sind die eigentlichen Verbrauchsgeräte gemeint, hier der Herd und das Heizgerät. Es handelt sich auch nicht insgesamt um eine Anlage zur Abnahme von Energie. Schon eine Propan- oder Butangasflasche ist nicht eine Anlage zur Abnahme von Gas, sondern eine Anlage zur Abgabe der Energie (vgl. Filthaut, Haftpflichtgesetz, 6. Aufl., § 2 Rdnr. 4). An die Gasflasche schloss sich hier ein Rohrleitungsnetz an, das dazu diente, die Energie auf die verschiedenen Endverbrauchsgeräte zu verteilen. Auch dieser Teil der Anlage stellt noch eine Abgabeanlage dar (vgl. Filthaut, § 2 Rdnr. 66). Auch Anlagen, deren Größe und Ausdehnung begrenzt sind, fallen unter die Gefährdungshaftung nach § 2 Haftpflichtgesetz (vgl. Filthaut, § 2 Rdnr. 6 ).

Die Haftung des Beklagten wäre nur ausgeschlossen, wenn der Schaden durch ein Endverbrauchsgerät entstanden wäre. Im vorliegenden Fall ist jedoch offen geblieben, wo genau das Gas ausgetreten ist, an der Flasche, an einer Leitung oder an einem Verbrauchsgerät. Der Sachverständige hat insoweit keine näheren Feststellungen treffen können. Dieses offene Beweisergebnis geht zu Lasten des Beklagten, der die Darlegungs- und Beweislast für das Eingreifen eines Ausschlusstatbestandes trägt.

Der Beklagte haftet danach für den eingetretenen Schaden. Er war es, der eine potentiell gefährliche Gasanlage betrieben hat. Auch wenn er schuldlos gehandelt hat, hatte er jedenfalls abstrakt die Möglichkeit, den Schaden zu vermeiden.

Die Höhe des Schadens ist unstreitig.

Der Zinsausspruch rechtfertigt sich aus § 291 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Ziffer 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Ende der Entscheidung

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