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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 15.10.2007
Aktenzeichen: 6 U 2/07
Rechtsgebiete: StVG, PflVG


Vorschriften:

StVG § 7
StVG § 17
StVG § 18
PflVG § 3 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 23.05.2006 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg abgeändert.

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 10.552,78 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.11.2003 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 8 % und die Beklagten zu 92 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch wegen einer von ihm als Unfall dargestellten Auffahrkollision, die sich am 28.09.2003 kurz vor 22.00 Uhr an der Einmündung der N-Straße in die B ... in B außerhalb geschlossener Ortschaft ereignet hat. Der Beklagte zu 1) fuhr mit einem bei der Beklagten zu 2) angemieteten Pkw Audi auf den Pkw BMW Z 3 Coupé des Klägers auf.

Als Haftpflichtversicherer des Mietfahrzeugs lehnte die Beklagte zu 3) die Schadensregulierung mit der Begründung ab, die Auffahrkollision sei vom Beklagten zu 1) im Einverständnis mit dem Kläger - seinem Onkel - absichtlich herbeigeführt worden; außerdem seien die Schäden nicht kompatibel.

Mit der Klage hat der Kläger zunächst 11.411,35 Euro nebst Zinsen geltend gemacht. Nach mündlicher Verhandlung hat er in Höhe eines Teilbetrages in Höhe von 858,57 Euro die Klagerücknahme erklärt. Die Beklagten haben dem nicht zugestimmt und die Abweisung der gesamten Klage beantragt.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, eine Gesamtschau aller Indizien spreche für eine erhebliche Wahrscheinlichkeit einer Unfallmanipulation, also dafür, dass der Kläger in das Unfallgeschehen eingewilligt habe.

Mit der Berufung hat der Kläger zunächst den ursprünglichen auf Zahlung von 11.411,35 Euro nebst Zinsen gerichteten Klageantrag weiterverfolgt, hat dann aber im Senatstermin in Höhe von 858,57 Euro nebst anteiliger Zinsen die Berufung zurückgenommen.

Der Senat hat die Parteien angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf den darüber gefertigten Berichterstattervermerk Bezug genommen.

II.

Die Berufung hat, soweit sie nicht zurückgenommen worden ist, Erfolg, denn die Beklagten sind dem Kläger gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, § 3 Nr. 1 PflVG zum Ersatz des bei dem Unfall an dem Pkw BMW eingetretenen Schadens verpflichtet.

Es ist zwar eine Anzahl von Indizien vorhanden, die auf den ersten Blick geeignet ist, den erheblichen Verdacht einer Unfallmanipulation hervorzurufen. Die Indizwirkung wird aber zumindest teilweise durch solche Gesichtspunkte relativiert, welche eine Unfallabsprache zwischen den Beteiligten als weniger wahrscheinlich erscheinen lassen. Ob bei der gebotenen Gesamtbetrachtung gleichwohl noch eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für eine Unfallmanipulation spricht, wie es im angefochtenen Urteil angenommen worden ist, kann dahingestellt bleiben, weil dieses Beweismaß für die Feststellung, dass der Kläger in die Schädigung seines Fahrzeugs eingewilligt hat, nicht ausreicht. Die erforderliche volle Überzeugung von einer einverständlichen Unfallmanipulation hat der Senat bei Abwägung der für und gegen sie sprechenden Gesichtspunkte nicht zu gewinnen vermocht.

In hohem Maße auffällig ist natürlich zunächst, dass es sich um einen Unfall unter Beteiligung vom Onkel auf der einen und vom Neffen auf der anderen Seite handelte, wobei diese sich außerhalb geschlossener Ortschaft zufällig begegnet sein sollen, ohne zu einem gemeinsamen Ziel unterwegs zu sein. Verstärkt wird diese Auffälligkeit noch dadurch, dass der Beklagte zu 1) die Formularfrage der Beklagten zu 3) nach einem Verwandtschaftsverhältnis wahrheitswidrig negativ beantwortet hat. Andererseits erscheint die im Senatstermin gegebene Erklärung nicht völlig abwegig, dass bei dieser Antwort der Wunsch eine Rolle gespielt haben mag, Schwierigkeiten bei der Regulierung von vornherein aus dem Wege zu gehen, zumal der Kläger entsprechende Befürchtungen an der Unfallstelle geäußert haben soll, nachdem er erkannt hatte, dass es sich bei dem Unfallgegner um seinen Neffen - dazu noch mit einem Mietfahrzeug - handelte.

Außerdem hat der Kläger in seinem Schreiben an die Beklagte zu 3) die Verwandtschaft mit dem Beklagten zu 1) bestätigt,und zwar nur wenige Tage, nachdem der Beklagte zu 1) das Formular mit der negativen Antwort ausgefüllt hatte. Anhaltspunkte dafür, dass inzwischen die Beklagte zu 1) anderweitig Kenntnis oder auch nur den Verdacht von einem Verwandtschaftsverhältnis erhalten hatte, bestehen nicht. Bei einer Unfallabsprache hätte es näher gelegen, dass die Beteiligten sich auch über diesen Punkt von vornherein verständigt hätten, um nicht durch divergierende Antworten überhaupt einen Verdacht aufkommen zu lassen.

Auffällig erscheint zunächst auch die Verursachung durch ein Mietfahrzeug, weil hierdurch regelmäßig der wirtschaftliche Eigenschaden des auffahrenden Beteiligten reduziert wird. Diese Auffälligkeit wird hier aber deutlich relativiert durch den verhältnismäßig hohen Selbstbehalt, welchen der Beklagte als Mieter vereinbart hatte. Üblicherweise wird bei Einsatz von Mietfahrzeugen zu Manipulationszwecken ein geringerer Selbstbehalt vereinbart, oder dieser wird völlig ausgeschlossen. Denn trotz der dann aufzuwendenden höheren Prämie ist dies bei der wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung des angestrebten Manipulationsergebnisses deutlich günstiger ist als ein hoher Selbstbehalt. Im Übrigen hat der Beklagte zu 1) für die Anmietung des Pkw Audi - ebenso wie für das der Fahrt verfolgte Ziel - eine nachvollziehbare Erklärung gegeben.

Auffällig ist schließlich auch die Beule am linken Kotflügel des Pkw BMW, bei der es sich nach Angaben des Klägers nicht um einen Vorschaden handeln soll, und die bei der Auffahrkollision nicht entstanden sein kann, weil sie nicht hinten rechts - also in dem Bereich, gegen den der Pkw Audi gestoßen ist - lag, und weil ihr Entstehen auch nicht als indirekte Unfallfolge in der Weise erklärt werden kann, dass der Aufprall zu solchen Verformungen nur indirekt betroffener Teile geführt hätte, dass dadurch eine derartige Beule hätte entstehen können. Die Erklärungsversuche des Klägers für diese Beule wirkten nicht sonderlich überzeugend; sie erweckten vielmehr den Eindruck einer gewissen Ratlosigkeit.

Andererseits war die mangelnde Zuordnung dieser Beule zu den unmittelbaren Unfallschäden derart auffällig, dass sie - wenn es sich denn doch um eine Unfallmanipulation gehandelt haben sollte - weder geeignet war, ein einleuchtendes Motiv für eine einverständlich herbeigeführte Kollision zu bilden, noch mit einer nachträglichen Schadensvergrößerung zum Zwecke der Steigerung des Entschädigungsbetrages überzeugend erklärt werden könnte.

Wäre es dem Kläger darum gegangen, einen anderweitig entstandenen Vorschaden am linken hinteren Kotflügel durch eine absprachegemäß herbeigeführte Kollision zu überdecken und so dann den Gesamtschaden dem gegnerischen Haftpflichtversicherer unterzuschieben, so hätte es - gerade für den Kläger als Autofachmann - nahe gelegen, die Kollision so einzurichten, dass der linke hintere Kotflügel betroffen worden wäre. Ähnliche Erwägungen gelten für eine Schadensvergrößerung, mit der das wirtschaftliche Ergebnis einer Unfallmanipulation optimiert werden sollte: Auch hier hätte es näher gelegen, den Zusatzschaden nicht so zu platzieren, dass seine mangelnde Zugehörigkeit zum Unfall ins Auge springen musste.

Letztlich sei noch darauf hingewiesen, dass der Kläger das Fahrzeug unrepariert in Zahlung gegeben hat, und zwar erst geraume Zeit nach der Kollision und nicht etwa - wie es für eine Unfallmanipulation typisch ist - auf schwer nachvollziehbaren Wegen, bei denen sich ihm möglicherweise bei einer Verwertung innerhalb der "Szene" die Möglichkeit geboten hätte, sich doch noch das wirtschaftliche Ergebnis einer Billigreparatur zunutze zu machen.

Die weiteren von den Parteien und im angefochtenen Urteil angesprochenen Indizien sind eher marginaler Art und beeinflussen das Gesamtbild nicht wesentlich. Zusammengefasst bleibt es dabei, dass das Auftreten eines Verdachts zwar in jeder Hinsicht verständlich ist, dass aber die Abwägung der für und gegen eine Manipulation sprechenden Indizien dazu führt, dass sie bei der gebotenen Gesamtschau nicht die volle Überzeugung davon zu begründen vermögen, dass die Kollision einverständlich herbeigeführt worden ist.

Bezüglich der Schadenshöhe ergeben sich keine Bedenken mehr, nachdem der Kläger die Berufung wegen derjenigen Kosten, welche die Beule am linken hinteren Seitenteil betreffen, zurückgenommen hat.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 516 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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