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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 23.10.2006
Aktenzeichen: 6 UF 202/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 1569
BGB § 1570
BGB § 1573
ZPO § 629 a Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 23. September 2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Blomberg im Ausspruch zum nachehelichen Unterhalt (Ziffer 3. des Tenors) abgeändert.

Die Klage der Antragsgegnerin auf nachehelichen Unterhalt wird abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Hinsichtlich der Kosten des Verfahrens erster Instanz verbleibt es bei der Kostenentscheidung des Amtsgerichts -Familiengericht- Blomberg.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Parteien haben am 17.10.1987 vor dem Standesamt in P/Russland die Ehe geschlossen. Sie sind im Jahr 1994 in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt und nunmehr beide deutsche Staatsangehörige. Aus ihrer Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen: die am 02.04.1988 geborene Tochter N und der am 25.10.1996 geborene Sohn N2. Beide Kinder leben bei der Antragsgegnerin. Die Tochter hat zum 01.08.2005 eine Ausbildung zur Friseurin begonnen; der Sohn N2 besucht die 3. Schulklasse.

Der Antragsteller hat in Russland den Beruf des Schweißers erlernt. Er hat vor der Übersiedlung nach Deutschland in einer Kolchose gearbeitet und dort alle in einem großen landwirtschaftlichen Betrieb anfallenden Arbeiten erledigt. In Deutschland hat er in 1995/1996 eine Umschulung zum Tischler absolviert. Danach war er bis zum 12.02.2002 vollschichtig erwerbstätig, allerdings nur kurzfristig in dem Beruf als Tischler und zum Teil auch nur in befristeten Arbeitsverhältnissen. Danach war der Antragsteller fast durchgängig arbeitslos, unterbrochen lediglich durch von vornherein kurzzeitig befristeten oder noch in der Probezeit beendeten Beschäftigungsverhältnissen.

In dem Verfahren -3 F 50/03- AG Blomberg ist der Antragsteller mit Urteil vom 31.10.2003 zur Zahlung von Trennungsunterhalt ab August 2002 an die Antragsgegnerin verpflichtet worden. Für die hiergegen gerichtete Berufung des Antragstellers hat der Senat mit Beschlüssen vom 09.02.2004 und vom 04.03.2004 -6 UF 240/03- die Gewährung von Prozesskostenhilfe versagt. Zur Begründung hat er im wesentlichen ausgeführt, dass dem Antragsteller mangels hinreichender Erwerbsbemühungen ein monatliches Nettoeinkommen von 1.500,- € fiktiv zuzurechnen und der Antragsgegner daher in Hinsicht auf den ausgeurteilten Trennungs- und auch Kindesunterhalt als leistungsfähig zu behandeln sei.

Die Parteien streiten nun im wesentlichen um die Frage, ob diese Fiktion auch noch für die Zeit nach der Scheidung der Ehe aufrechtzuerhalten ist oder ob der Antragsteller inzwischen hinreichende Erwerbsbemühungen entfaltet und dargelegt hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Parteivorbringens und der Anträge in erster Instanz wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat der auf nachehelichen Unterhalt von monatlich 241,- € gerichteten Klage lediglich in Höhe von 193,00 € monatlich stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen.

Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Antragsgegnerin könne vom Antragsteller gem. §§ 1569, 1570 BGB wegen der Betreuung und Versorgung der beiden gemeinsamen minderjährigen Kinder nachehelichen Unterhalt von 193,- € monatlich verlangen.

Die Antragsgegnerin sei wegen des Alters des jüngeren Sohnes N2 keinesfalls verpflichtet, ihre Erwerbstätigkeit über das bislang ausgeübte Maß hinaus auszuweiten.

Der Antragsteller berufe sich hingegen ohne Erfolg auf eine mangelnde Leistungsfähigkeit. Zwar habe er ab dem 01.01.2005 nur noch Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 499,81 € erhalten. Ihm seien aber fiktive Einkünfte von monatlich 1.500,- € netto weiter zuzurechnen, die er während seiner Arbeit bei der Fa. Q in C in 2000/2001 erzielt habe und die er bei Entfaltung hinreichender Bewerbungsbemühungen auch weiter hätte erzielen können. Zum einen habe er bislang nicht nachvollziehbar dargelegt, aus welchem Grund das Arbeitsverhältnis bei der Fa. Q seinerzeit beendet worden sei. Zum anderen habe er hinreichende Bewerbungsbemühungen nicht dargetan (was im einzelnen ausgeführt wird). Weiterhin könne er sich auch nicht pauschal darauf berufen, dass die Arbeitsmarktsituation und das Lohnniveau im Handwerk ein Nettoeinkommen von durchschnittlich monatlich 1.500,- € nicht zulassen würden.

Auch der Umstand, dass der Antragsteller nunmehr nach Steuerklasse I und mit 1,0 Kinderfreibetrag zu versteuern habe, lasse ein Nettoeinkommen von 1.500,- € nicht unmöglich erscheinen. Insoweit sei er auf die Inanspruchnahme des begrenzten Realsplittings zu verweisen.

Sodann sei der Unterhaltsberechnung der Antragsgegnerin im wesentlichen zu folgen. Zu berücksichtigen sei jedoch, dass sich seit dem 01.07.2005 die Unterhaltsbeträge für die Kinder erhöht hätten, dass N2 in die zweite Altersstufe der Tabelle aufgerückt sei und dass sich auch der Selbstbehalt des Unterhaltsverpflichteten auf 890,- € erhöht habe. Im Wege der Mangelverteilung errechne sich danach ein nachehelicher Unterhalt der Antragsgegnerin von 193,- €. Nach Abzug des Kindes- und des Ehegattenunterhaltes würde dem Antragsteller dann zwar nur ein unterhalb des notwendigen Selbstbehaltes liegender Betrag von 769,24 € verbleiben. Nach Ziff. 21.2 der HLL seien in dem Selbstbehalt jedoch Unterkunftskosten für die Warmmiete in Höhe von 360,00 € enthalten. Der Antragsteller zahle aber nur eine Warmmiete von 250,- €, so dass ihm weitere 110,- € zum Bestreiten seines Lebensunterhaltes zur Verfügung stehen würden. Von ihm zu leistender Kindesunterhalt sei nur in Höhe von Zahlbeträgen von 206,00 € (N) und 170,00 € (N2) tituliert, so dass auch aus diesem Grunde dem Antragsteller selbst ausreichende Mittel verbleiben würden.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Antragsteller mit der Berufung.

Er macht geltend, das Amtsgericht sei von Verhältnissen ausgegangen, die zum Zeitpunkt der Verkündung der Entscheidung gar nicht mehr gegeben gewesen seien. Zwischen der letzten mündlichen Verhandlung am 15.02.2005 und dem (immer wieder verschobenen) Verkündungstermin am 23.09.2005 sei erhebliche Zeit vergangen, in der sich vieles geändert habe. Gleichwohl habe das Amtsgericht, anstatt erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten, die im Termin am 15.02.2005 erörterten Verhältnisse zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht. Dadurch sei ihm die Möglichkeit genommen worden, die aktuellen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung vorzutragen, und somit rechtliches Gehör versagt worden.

So habe er schon seit dem 01.08.2005 wieder Einkommen aus einer Vollerwerbstätigkeit erzielt, die er aufgrund seiner vielfältigen und ausreichenden Bewerbungsbemühungen gefunden habe. Er habe aufgrund seiner geringen Berufserfahrung und seines Lebensalters von über 40 Jahren zwar keine Stelle in seinem erlernten Beruf als Tischler bekommen, aber als Arbeiter bei der Fa. B in I. Dort habe er einen (tariflichen) Stundenlohn von 5,92 € brutto bezogen. Daraus errechne sich ein Monatseinkommen von 1.000,- € brutto = 880,23 € netto. Ihm könne nun nicht weiter ein fiktives Einkommen von 1.500,- € netto aus seiner bereits 5 Jahre zurückliegenden Anstellung bei der Fa. Q zugerechnet werden. Ein solches Nettoeinkommen sei heute für ihn tatsächlich nicht mehr erzielbar. Die Lohnentwicklung auf dem Arbeitsmarkt sei in den letzten Jahren stark rückläufig. Schon für seine vorherige Aushilfstätigkeit bei der Fa. B2 habe er nur einen Stundenlohn von 6,71 € brutto erhalten. Nachdem er lange Zeit arbeitslos gewesen sei, könne es ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er eine geringer entlohnte Arbeit angenommen habe. Das Amtsgericht habe auch seine zahlreichen Bewerbungsbemühungen als nicht hinreichend dargelegt angesehen und insoweit überhöhte und nicht erfüllbare Anforderungen gestellt (was weiter ausgeführt wird). Darauf komme es -nachdem er wieder eine Vollzeitstelle gefunden habe- aber ohnehin nicht mehr an. Er sei mit den daraus erzielten Einkünften nicht in der Lage, nachehelichen Unterhalt zu leisten.

Seit dem 06.12.2005 sei er wieder arbeitslos und beziehe Leistungen nach dem SGB II. Die Zeitarbeitsfirma, bei der er tätig gewesen sei, habe infolge Auftragsmangels ca. 20 Leute entlassen müssen. Aufgrund erneuter intensiver Bewerbungen sei es ihm gelungen, ab dem 21.04.2006 ein Teilzeitarbeitsverhältnis zu finden. Dort habe er im April 2006 ein Entgelt von 271,46 € erzielt. Daneben erhalte er weiter Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 587,33 € monatlich.

Seine Bewerbungsbemühungen setze er fort. Die von ihm getätigten Bewerbungen in den vergangenen Jahren hätten aber gezeigt, dass seine Aussichten, überhaupt Arbeit zu finden, äußerst gering seien. Er habe sich auf zahlreiche Stellenangebote beworben, aber nur Absagen erhalten. Die Bewerbungsbemühungen würden aus den dem Gericht vorgelegten Originalunterlagen hervorgehen. Weitere Darlegungen im Hinblick auf die von ihm angestellten Bemühungen seien nicht möglich, die Anforderungen würden vom Familiengericht überzogen. Er habe sich auch auf Stellen außerhalb seines Berufsfeldes und außerhalb des I Raums beworben. Seine Stellenbewerbungen im Jahre 2006 würden sich aus den überreichten Anlagen zum Schriftsatz vom 28.08.2006 ergeben.

Der Antragsteller beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage auf nachehelichen Unterhalt abzuweisen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Dazu führt sie aus, das Amtsgericht habe zu Recht fiktiv das Monatseinkommen des Antragstellers von 1.500,- € netto zugrunde gelegt, das dieser an der Arbeitsstelle erzielt habe, die er von Juli 2000 bis November 2001 innegehabt habe. Aufgrund der zu erwartenden Lohnsteigerungen in der Zwischenzeit sei nunmehr sogar von einem fiktiven Nettoeinkommen von zumindest 1.600,- € auszugehen. Es werde bestritten, dass sich der Antragsteller hinreichend um eine entsprechend dotierte Arbeitsstelle bemüht habe. Wäre dies der Fall gewesen, wäre es ihm ohne weiteres möglich, einen Arbeitsplatz mit einem vergleichbaren Lohnniveau zu finden. Er habe sich daher nicht mit den viel geringer bezahlten Stellen zufrieden geben müssen und dürfen. Die Entwicklung seines Berufslebens zeige, dass das Einkommen des Antragstellers erst ab dem Jahr der Trennung (2002) rapide gesunken sei. Vorher sei der Antragsteller immer in der Lage gewesen, ein hohes Einkommen zu erzielen. Seit der Trennung sei er offenbar aber nicht mehr bereit, seine Erwerbsfähigkeit voll auszuschöpfen, um den Unterhalt für die Antragsgegnerin aufzubringen.

Sie selbst erziele Aushilfslohn in unterschiedlicher Höhe, monatsdurchschnittlich aber keinesfalls mehr als 400,- €.

Wegen der weitergehenden Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat die Parteien im Termin vom 25.09.2006 angehört.

Die Beiakten -3 F 50/03- AG Blomberg (= -6 UF 240/03- OLG Hamm) und -3 F 211/04- AG Blomberg (= -6 UF 201/05- OLG Hamm) lagen zur Information vor.

II.

Die Berufung des Antragstellers ist nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist durch Senatsbeschluss vom 02.03.2006 (Bl. 170 d. A.) zulässig. Sie ist auch in der Sache begründet.

Die Antragsgegnerin hat mangels Leistungsfähigkeit des Antragstellers keinen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt aus §§ 1570, 1573 BGB.

1.

Die in dem angefochtenen Urteil ausgesprochene Scheidung der Parteien ist gem. § 629 a Abs. 3 ZPO am 12.04.2006 rechtskräftig geworden. Nachehelichen Unterhalt kann die Antragsgegnerin mithin erst ab diesem Zeitpunkt verlangen.

2.

In der Zeit ab April 2006 kann dem Antragsteller ein Nettoeinkommen von 1.500,- € monatlich jedoch nicht mehr fiktiv zugerechnet werden. Denn bereits für den Zeitraum ab Januar 2006 sieht der Senat davon ab, ein Einkommen des Antragstellers zu fingieren.

Anerkannt ist, dass eine Einkommensfiktion auf unabsehbare Zeit nicht angenommen werden kann, da im Arbeitsleben gewisse Veränderungen, auch der Verlust des Arbeitsplatzes, immer eintreten können. Deshalb ist es nicht zulässig, ein einmal erzieltes Einkommen unbeschränkt fortzuschreiben (Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rdnr. 635 m. w. N.). Vielmehr ist ein fiktives Einkommen nur so lange zuzurechnen, wie sich die maßgeblichen Umstände, die nach § 242 BGB zur Bejahung eines fiktiven Einkommens geführt haben, nicht wesentlich ändern (Wendl/Staudigl-Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 1 Rdnr. 538 m. w. N.). Eine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände im vorgenannten Sinne sieht der Senat aufgrund der vom Antragsteller eingereichten Unterlagen sowie nach dem Ergebnis der Anhörung des Antragstellers als erwiesen an.

Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 28.08.2006 zahlreiche Ausdrucke von Stellenangeboten zu den Akten gereicht, auf die er sich beworben habe. Die Art der Bewerbung hat er jeweils handschriftlich auf den Angeboten vermerkt. Die Anzahl dieser vom Antragsteller vorgetragenen Bewerbungsbemühungen beläuft sich, mit Ausnahme des Monats Juni, der eine geringere Zahl von Stellenangeboten aufweist, auf zwischen 15 und 55 Stück je Monat.

Zu seinen Bewerbungsbemühungen hat der Antragsteller in seiner Anhörung vor dem Senat weiter angegeben, dass er immer zum Arbeitsamt gehe und nachsehe, ob Stellen frei seien. Er mache dann Ausdrucke und rufe sogleich bei den Arbeitgebern an. Am Arbeitsamt gebe es ein Telefon. Er werde dann meist nach Alter und Beruf gefragt. Die meisten Arbeitgeber seien Zeitfirmen. So ein Gespräch würde gewöhnlich nicht lange dauern. Wenn er sich auf Arbeitsstellen außerhalb Hannovers bewerbe, werde er meistens gefragt, warum er überhaupt anrufe, sie hätten selbst genug Arbeitslose. Fahrtkosten würden nicht erstattet. Für die schriftlichen Bewerbungen habe er sich eine Diskette machen lassen. Ausdrucke könne er beim Arbeitsamt herstellen. Bei schriftlichen Bewerbungen komme allerdings nie etwas zurück.

Darüber hinaus bewerbe er sich auf Zeitungsanzeigen. Auch hier rufe er soweit möglich an. Wenn es sich um Angebote in I handele, fahre er selbst mit dem Fahrrad hin und stelle sich vor. Er gebe dann seine Unterlagen ab und höre nichts mehr von der Stelle.

Er bewerbe sich nach wie vor fast täglich sowohl über das Arbeitsamt als auch auf Zeitungsannoncen. In I stelle er sich etwa 3 Mal in der Woche vor, zuletzt etwas weniger, weil er bei der Firma U arbeite. Auch nach Abgabe der Bewerbungen frage er nach, fahre hin und rufe an.

Der Senat hält die Angaben des Antragstellers aufgrund des im Senatstermin gewonnenen persönlichen Eindrucks für glaubhaft. Danach ist es für den Zeitraum ab Januar 2006 nicht mehr gerechtfertigt, ein Einkommen des Antragstellers über das tatsächlich erzielte Einkommen hinaus zu fingieren. Der Antragsteller hat ausreichende Erwerbsbemühungen glaubhaft dargelegt. Bei der Würdigung ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass es aufgrund der persönlichen Voraussetzungen dem Antragsteller überdurchschnittlich schwer fällt, angesichts der verschärften Arbeitsmarktsituation eine Arbeitstelle zu bekommen. Der Antragsteller ist in Russland geboren, spricht nicht akzentfrei Deutsch und hat außerdem Schwächen im schriftlichen Ausdruck, wie sich bereits aus seinen orthografischen Fehlern in den handschriftlichen Vermerken auf den Stellenangeboten vom Arbeitsamt ergibt. Er hat nach seiner Umschulung zum Tischler (1995/96) nur geringe Zeit in diesem Beruf gearbeitet. Eine feste Anstellung hat er jedenfalls seit Juli 2000 nicht gehabt. Vielmehr hatte er mehrere vorübergehende Beschäftigungen, unterbrochen von Zeiten der Arbeitslosigkeit. Der am 25.08.1965 geborene Antragsteller ist mittlerweile über 40 Jahre alt, was nach seinen glaubhaften Bekundungen die Suche nach einem Arbeitsplatz ebenfalls nicht erleichtert, da häufig jüngere Kräfte gesucht werden. Auch in der Zeit vor der Auswanderung nach Deutschland hat der Antragsteller keine beruflichen Kenntnisse erworben, die es ihm erleichtern würden, nunmehr in Deutschland einen Arbeitsplatz zu finden. Nach seinen von der Antragsgegnerin betätigten Angaben hat er in einer landwirtschaftlichen Kolchose alle Arbeiten erledigt, die anfielen, wie z. B. Melken, Schweißen, Stall ausmisten.

Aufgrund der glaubhaften Angaben des Antragstellers sieht es der Senat zudem als erwiesen an, dass der Antragsteller sich nicht nur über das Arbeitsamt beworben, sondern auch auf Stellenanzeigen in Zeitungen geantwortet hat. Auch erscheint es dem Senat plausibel, dass aufgrund der geringen beruflichen Qualifikation des Antragstellers überregionale Bewerbungen so gut wie aussichtslos sind, zumal in aller Regel keine Fahrtkosten erstattet werden. Dass der Antragsteller seine Bemühungen um einen Arbeitsplatz nicht schriftlich dokumentiert hat, veranlasst den Senat zu keiner abweichenden Beurteilung, wobei berücksichtigt ist, dass dem Beklagten eine derartige Dokumentation angesichts seiner orthografischen Schwächen schwer fallen würde.

Der Senat hält aus den vorgenannten Gründen die Fiktion eines Einkommens in Höhe von 1.500,00 € für den Zeitraum ab Januar 2006 nicht aufrecht. Vielmehr sind ab diesem Zeitpunkt die tatsächlich vom Antragsteller erzielten Einkünfte für die Unterhaltsbemessung zugrunde zu legen, nach denen der Antragsteller jedoch nicht mehr leistungsfähig ist.

3.

Der Antragsteller hat ab Januar 2006 folgende Einkünfte erzielt:

Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wurden dem Antragsteller durch die "ARGE Job Center in der Region I" durch Bescheide vom 06.12.2005, vom 07.04.2006 und vom 02.06.2006 wie folgt bewilligt:

Vom 01.01. bis 31.01.2006 in Höhe von 399,99 €, vom 01.02. bis 31.03.2006 in Höhe von 599,99 €, vom 01.04. bis 30.04.2006 in Höhe von 587,33 €, vom 01.05. bis 31.05.2006 in Höhe von 450,16 € und vom 01.06. bis 30.09.2006 in Höhe von 441,33 €.

Darüber hinaus hat der Antragsteller ab Januar 2006 Einkünfte bei der Firma U erzielt, und zwar im April 2006 in Höhe von brutto 271,46 € (Bl. 163 d. A.) und im Mai 2006 in Höhe von 215,36 € (Bl. 179 d. A.). In den Monaten Juni und Juli 2006 hatte er bei der Firma U keine Einkünfte (Bl. 180 f. d. A.).

Für die Zeit ab April 2006 ergibt sich danach kein Anspruch der Antragsgegnerin auf nachehelichen Unterhalt, da das vom Antragsteller erzielte Einkommen den notwendigen Selbstbehalt in Höhe von 770,00 € bzw. von 890,00 € (Monate April und Mai 2006) nicht erreicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 93 a Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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