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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 27.04.2007
Aktenzeichen: 7 U 52/05
Rechtsgebiete: InsO, GmbHG, ZPO, BGB, ZVG


Vorschriften:

InsO § 49
InsO § 55 Abs. 1 Nr. 2
InsO § 55 Abs. 1 S. 2
InsO § 129 Abs. 1
InsO § 135 Nr. 2
InsO § 143 Abs. 1
InsO § 166
GmbHG § 30
GmbHG § 31
GmbHG § 32a
GmbHG § 32a Abs. 3
GmbHG § 32a Abs. 3 S. 2
GmbHG § 32b
GmbHG § 47 Abs. 1
GmbHG § 60 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 141
ZPO § 139
ZPO § 412 Abs. 1
BGB § 286
BGB § 288
BGB § 535 Abs. 2
BGB § 1123 Abs. 2
ZVG § 23
ZVG § 146
ZVG § 148
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten 108.655,60 € nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 03.05.2003 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Die Parteien streiten mit Klage und Widerklage um Zahlung und Rückzahlung der Mieten für ein Betriebsgrundstück bzw. um den Eigenkapitalersatzcharakter der Nutzungsüberlassung.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks J-Straße, ####2 C2. Auf diesem befinden sich mehrere Industrie-Fertigungshallen und ein Bürogebäudekomplex. Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. N GmbH.

Mit notariellem Vertrag vom 19.07.1982 wurde die Fa. N GmbH, die spätere Insolvenzschuldnerin, gegründet. Sie wurde am 11.04.1984 unter HRB ###, Amtsgericht Blomberg, in das Handelsregister eingetragen. Die spätere Insolvenzschuldnerin war fast ausschließlich im Bereich der Entwicklung, Herstellung und Lieferung von Spezialmaschinen des Sonderanlagenbaus und im Rahmen der Fertigung von Großanlagen tätig, wobei die Auftragsabwicklung pro Spezialmaschine durchschnittlich zwischen 6 Monaten und 2 Jahren in Anspruch nahm.

Das Stammkapital betrug zum Zeitpunkt der Firmengründung 50.000,00 DM. Mit Beschluss vom 02.12.1991 wurde das Stammkapital auf 500.000 DM erhöht. Die Klägerin übernahm jeweils einen Anteil von 50 %. Weitere Gesellschafter zu gleichen Teilen waren ihr Sohn F2, der zugleich Geschäftsführer der Fa. N GmbH war, und Herr S.

Mit Vertrag vom 29.08.1983 vermietete die Klägerin der Fa. N GmbH das Grundstück J-Straße.

Zum damaligen Zeitpunkt war das Betriebsgrundstück mit einer Industriefertigungshalle nebst Büroräumen und Sozialräumen bebaut. Als Mietbeginn wurde der 01.09.1983 vereinbart. Die Miete betrug 3.000,00 DM monatlich zuzüglich Mehrwertsteuer. Er war gemäß Nr. 3 des Mietvertrages jeweils im Voraus bis zum 05. eines jeden Monats zahlbar. Die Kündigungsfrist betrug nach Nr. 2 des Vertrages für beide Parteien sechs Monate zum Quartalsende.

In der Folgezeit expandierte die Fa. N GmbH. Die Klägerin baute daraufhin das Gelände aus und erweiterte den Gebäudebestand im Laufe der Zeit um insgesamt vier weitere Fertigungshallen. Die Miete wurde jeweils entsprechend angehoben. Durch Vereinbarung vom 28.02.1992 wurde die Miete schließlich mit Wirkung vom 01.03.1992 auf 22.900,00 DM zuzüglich Mehrwertsteuer (dieser Betrag entspricht 13.581,95 €) festgelegt.

Die Fa. N GmbH erzielte im Zeitraum von 1989 bis 2001 folgende Jahresergebnisse:

1989: 134.102,22 DM Jahresüberschuss

1990: 239.497,51 DM Jahresüberschuss

1991: 72.406,72 DM Jahresüberschuss

1992: 97.402,28 DM Jahresverlust

1993: 7.827,95 DM Jahresverlust

1994: 478.202,84 DM Jahresverlust

1995: 100.996,34 DM Jahresüberschuss

1996: 11.560,58 DM Jahresüberschuss

1997 3.590,52 DM Jahresverlust

1998 245.116,17 DM Jahresverlust

1999 25.485,43 DM Jahresüberschuss

Im März 2000 wurde auf Verlangen der Hausbank der Fa. N GmbH eine Neuordnung der Kreditverhältnisse der Fa. N GmbH vorgenommen: Die D-Bank M erhielt von der Klägerin als Sicherheit für bestehende Kredite iHv 419.222,56 DM eine Barkreditlinie iHv 500.000 DM sowie für eine Avalkreditlinie über 1 Mio. DM Grundschulden iHv 1,8 Mio. DM am streitgegenständlichen Betriebsgrundstück. Im Gegenzug entließ die D-Bank die Klägerin aus der persönlichen Haftung aufgrund übernommener Bürgschaften für die gewährten Kredite iHv 419.222,56 DM und gab zudem sämtliche seitens der Fa. N GmbH gewährten Sicherheiten in Form von Sicherungsübereignungen der Maschinen und des Warenlagers sowie Sicherungsabtretungen der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen frei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben der D-Bank vom 08.03.2000 (Bl. 186 ff.) Bezug genommen.

Die Fa. N GmbH benötigte die Kredite bzw. die Kreditlinien, um einen von der Fa. X aus S2 Anfang 2000 erteilten Auftrag mit einem Volumen von 1 Mio. DM ausführen zu können, der erst Mitte des Jahres 2001 abzuschließen war. Die Bilanz für das Jahr 2000 wies einen Überschuss iHv 135.114,62 DM aus. Es gelang der Fa. N GmbH nicht, weitere größere Folgeaufträge zu akquirieren. In der zweiten Jahreshälfte 2001 führte die Fa. N GmbH Verhandlungen mit 5 Firmen über Großaufträge mit einem Volumen zwischen 150.000,00 DM und 4. Mio. DM. Insbesondere blieb das Angebot der Fa. N GmbH vom 19.07.2001 mit einem Volumen von 4 Mio. DM an die Fa. X2 aus W ohne Reaktion.

Durch notariellen Vertrag vom 20.12.2001 (Notar N2 in C2, UR.-Nr.: ###/01) veräußerte die Klägerin ihre Stammkapitalanteile in Höhe von 200.000,00 DM an ihren Sohn, den alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der GmbH, so dass ihr lediglich ein Stammkapitalanteil von 50.000,00 DM verblieb. Dies entsprach 10% des Stammkapitals.

Zum 31.12.2001 wies die Jahresbilanz der Fa. N GmbH einen Verlust von 290.780,38 DM aus.

Die Firmen I2, T, S3 und G erteilten erst im Jahre 2002 Aufträge mit einem Gesamtvolumen von 900.000,00 DM, die 2002 abgeschlossen und bilanzrelevant wurden. Die D-Bank gewährte der Fa. N GmbH zur Durchführung der Aufträge einen Barkredit in Höhe von 120.000,00 Euro.

Die Insolvenzschuldnerin zahlte die Miete für das Grundstück J-Straße in C2 bis einschließlich September 2002 an die Klägerin.

Am 14.01.2003 stellte die Fa. N GmbH Eigenantrag auf Einleitung des Insolvenzverfahrens. Der Beklagte wurde daraufhin zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.

Mit Beschluss vom 01.03.2003 eröffnete das Amtsgericht Detmold unter dem Aktenzeichen 10d IN 5/03 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Fa. N GmbH und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter. In der Folgezeit kündigte der Beklagte das zwischen der Klägerin und der Insolvenzschuldnerin bestehende Mietverhältnis nicht.

Mit Schreiben vom 05.03.2003 forderte die Klägerin den Beklagten vergeblich zur Zahlung der Miete für den Monat März 2003 bis zum 19.03.2003 auf.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Detmold vom 30.07.2003 (21 L 49/03) wurde die Zwangsverwaltung über das streitgegenständliche Grundstück der Klägerin angeordnet. Im Oktober 2003 übergab der Beklagte die Schlüssel zu der Betriebsstätte an den Zwangsverwalter.

Mit der Klage macht die Klägerin die Miete für den Monat März 2003 in Höhe von 13.581,95 € geltend. Da der Beklagte das Industrie-Betriebsgrundstück im März 2003 in Besitz gehabt und genutzt habe, sei er gemäß § 55 Abs. 1 S. 2 InsO verpflichtet, den Mietzinsbetrag als Masseverbindlichkeit an sie zu zahlen.

Die Klägerin hat dementsprechend erstinstanzlich beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an Rechtsanwalt U, H-Straße, #### M2 als Zwangsverwalter des Grundstücks J-Straße, ####2 C2, 13.581,95 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 06. März 2003 als Masseverbindlichkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Wege der der Klägerin am 02. Mai 2003 zugestellten Widerklage hat der Beklagte beantragt,

die Klägerin zu verurteilen, an ihn 108.655,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 03.05.2003 zu zahlen.

Der Beklagte hat hierzu erstinstanzlich vorgetragen:

Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Miete zu, da die Nutzungsüberlassung eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt habe. Infolgedessen sei er vielmehr als Insolvenzverwalter berechtigt, das Nutzungsrecht durch unentgeltliche Nutzung für die Masse zu verwerten.

Der Eigenkapitalersatzcharakter ergebe sich daraus, dass die Klägerin als Gesellschafterin das Mietverhältnis auch in der Krise der späteren Insolvenzschuldnerin habe bestehen lassen.

Die spätere Insolvenzschuldnerin habe sich ausweislich der Jahresbilanz im Jahre 2001 spätestens in der 2. Jahreshälfte in der Krise befunden. Bereits der Verlust von mehr als der Hälfte des Stammkapitals stelle ein starkes Indiz für das Vorliegen einer Krise dar.

Der Klägerin sei die Unterkapitalisierung der Fa. N GmbH als Gesellschafterin und Mutter des Geschäftsführers bekannt gewesen, zumindest habe sie sie erkennen müssen. Sie habe damals Kenntnis davon gehabt bzw. haben können, dass die Fa. N GmbH wirtschaftlich nicht in der Lage gewesen sei, das erforderliche Betriebsgelände auf dem Markt für derartige Gelände bei einem außenstehenden Dritten anzumieten. Ein außenstehender vernünftiger Vermieter habe bei Kenntnis der damaligen wirtschaftlichen Lage der Fa. N GmbH dieser das Betriebsgelände spätestens seit der zweiten Jahreshälfte 2001 nicht vermietet.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Grundsätze über den Eigenkapitalersatz seien nicht einschlägig: Die spätere Insolvenzschuldnerin habe sich im Jahre 2001 nicht in einer wirtschaftlichen Krise befunden. Dass keine Krise bestanden habe, ergebe sich aus den wechselhaften Jahresergebnissen der GmbH seit deren Gründung. Die Bilanz 2001 sei erst am 15.08.2002 durch den Steuerberater der GmbH erstellt und vorgelegt worden.

Sie, die Klägerin, habe eine Krise der Gesellschaft frühestens Ende Februar 2002 erkennen können. Die Rechtsfolgen des § 32a GmbHG seien ab diesem Zeitpunkt nicht mehr ausgelöst worden, da auf ihre Person die Ausnahmevorschrift des § 32 a Abs. 3 S. 2 GmbHG anzuwenden gewesen sei.

Das Landgericht hat nach Maßgabe der Beweisbeschlüsse vom 24.10.2003 (BI. 74 f. GA) und 15.09.2004 (BI. 243 GA) durch Einholung von Sachverständigengutachten Beweis zu den Fragen einer Überschuldung, einer Sanierungswürdigkeit sowie einer Kreditwürdigkeit der Fa. N GmbH zum Zeitpunkt der Veräußerung der Gesellschafteranteile am 20.12.2001 erhoben.

Die Gutachten des Sachverständigen Dipl. Kfm. E2 vom 26.01.2004 und 04.10.2004 kommen zu dem Ergebnis, dass die Fa. N GmbH zum Stichtag weder überschuldet noch sanierungs- oder kreditunwürdig gewesen sei.

Dem folgend hat das Landgericht der Klage auf Zahlung der Miete für März 2003 stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.

Mit der Berufung macht der Beklagte weiterhin seine gegenteilige Ansicht, wonach sich die spätere Insolvenzschuldnerin bereits am 20.12.2001 in der Krise (§ 32 a I GmbHG) befunden habe, geltend. Allein deshalb habe die Klägerin ihren Stammkapitalanteil auf 10% gemindert. Der gerichtlich bestellte Sachverständige habe insoweit den umfänglichen Beklagtenvortrag zur "Ladenhüterproblematik" nicht berücksichtigt. Daher sei er zu dem unrichtigen Ergebnis einer fehlenden Überschuldung gelangt.

Eine Eigenkapitalersatzcharakter bewirkende Krise sei auch deshalb anzunehmen, weil jedenfalls eine Kreditunwürdigkeit bzw. Gebrauchsüberlassungsunwürdigkeit gegeben gewesen sei; denn es wäre der Fa. N GmbH am 20.12.2001 nicht möglich gewesen, auf dem Markt von außenstehenden Dritten ein Betriebsgelände zu marktüblichen Bedingungen auf längere Zeit anzumieten.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils

1. die Klage abzuweisen,

2. auf die Widerklage die Klägerin zu verurteilen, an ihn 108.655,60 € nebst

Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 03.05.2003 zu

zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt i.W. unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrages das Urteil und das Ergebnis des erstinstanzlichen Sachverständigengutachtens, das aufgrund einer uneingeschränkt selbständigen und eigenständigen Überprüfung zu einer positiven Fortbestehensprognose und zur Verneinung einer Krise bereits im Dez. 2001 gelangt sei. Erst im Okt. 2002 sei die Fa. N GmbH nicht mehr in der Lage gewesen, ihren Verbindlichkeiten nachzukommen. Zuvor seien Zahlungsziele eingehalten worden, sofern nicht berechtigt von Zurückbehaltungsrechten Gebrauch gemacht worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Protokoll und den Berichterstattervermerk zur mündlichen Verhandlung vom 24.01.2006 sowie auf die Sitzungsprotokolle vom 17.02.2006 und 13.03.2007 und die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat die Parteien bzw. ihre Vertreter gemäß § 141 ZPO persönlich sowie den Sachverständigen zur Erläuterung der erstinstanzlich erstellten Gutachten angehört. Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll und den Berichterstattervermerk zur mündlichen Verhandlung vom 24.01.2006 Bezug genommen. Zudem hat der Senat mit Beschluss vom 07.02.2006 und mit Verfügung vom 19.06.2006, auf die verwiesen wird, rechtliche Hinweise gemäß § 139 ZPO erteilt, zu denen die Parteien Stellung genommen haben.

B.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Der Klägerin steht gegen den Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. N GmbH kein durchsetzbarer Anspruch auf Zahlung der Miete für März 2003 iHv 13.581,95 € gemäß §§ 535 Abs. 2 BGB, 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO iVm §§ 146, 148, 23 ZVG iVm § 1123 Abs.2 BGB an den Zwangsverwalter als Gegenleistung für die Überlassung des Betriebsgrundstücks J-Straße in C2 zu. Da die Überlassung des Grundstücks an die Insolvenzschuldnerin bereits ab März 2000 eigenkapitalersetzenden Charakter hatte, kann der Beklagte als Insolvenzverwalter vielmehr von der Klägerin gemäß §§ 143 Abs. 1, 135 Nr. 2, 129 Abs. 1 InsO die mit der Widerklage geltend gemachte Rückzahlung der für den Zeitraum Febr. bis Sept. 2002 erhaltenen Mieten iHv insgesamt 108.655,60 € verlangen. Dementsprechend war das erstinstanzliche Urteil wie aus dem Tenor ersichtlich abzuändern. Im Einzelnen:

I.

Einer Geltendmachung der mit der Klage verfolgten und sich aus dem Mietvertrag zwischen der Klägerin und der Fa. N GmbH ergebenden Mietzinsforderung steht § 32a GmbHG entgegenstehen; denn solange eine Gesellschafterleistung (hier: Gebrauchsüberlassung) haftendes Eigenkapital ersetzt, haben auch die dafür vereinbarungsgemäß geschuldeten (Miet-)Zinsen der GmbH zu verbleiben, sofern sie nicht aus freiem, das Stammkapital übersteigenden Vermögen gezahlt werden können. Da die Gebrauchsüberlassung des Betriebsgrundstückes durch die Klägerin bereits ab März 2000 eigenkapitalersetzenden Charakter iSd § 32a Abs. 3 GmbHG hatte, war der Beklagte als Insolvenzverwalter berechtigt, das Betriebsgrundstück im März 2003 unentgeltlich zu nutzen (so schon BGH, NJW 1990, 516, 518 mwN; zuletzt BGH, MDR 2005, 880).

Die mietweise Überlassung des Betriebsgrundstücks durch die Klägerin und Gesellschafterin unterliegt den Regeln des Eigenkapitalersatzes, da die Fa. N GmbH nach Eintritt der Krise im März 2000 nicht liquidiert, sondern ohne den gebotenen Nachschuss von Eigenkapital unter Fortbestand des Nutzungsverhältnisses weitergeführt wurde (vgl. hierzu BGH, NJW 1990, 516; 1993, 392; 1994, 2349 und 2760).

1.

Die Rechtsfolgen des Kapitalersatzes treffen einen Gesellschafter, der eine GmbH nach Ausbruch der Krise durch die Zufuhr von Darlehen oder anderen Finanzierungsmitteln, wozu auch eine kapitalersetzende Nutzungsüberlassung gehört (vgl. BGH, MDR 2005, 880 mwN), am Leben erhält.

Es soll durch die Umqualifizierung von Gesellschafterleistungen in haftendes Kapital nicht nur verhindert werden, dass sich der Gesellschafter im Falle eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs vorrangig vor oder konkurrierend mit den Gläubigern aus dem noch vorhandenen Gesellschaftsvermögen befriedigt; um auszuschließen, dass eine Krise der Gesellschaft durch Gesellschafterleistungen verschleppt und das verbliebene Vermögen zu Lasten der Gläubiger weiter verringert wird, soll zugleich gewährleistet werden, dass der Gesellschafter nur haftendes Eigenkapital einsetzt, wenn er der GmbH den Fortbestand in der Krise ermöglicht und auf diese Weise bei Außenstehenden den Eindruck einer mit genügend Kapital ausgestatteten und deshalb lebensfähigen Gesellschaft hervorruft; wählt der Gesellschafter anstelle von haftendem Eigenkapital eine andere Finanzierungsart, tritt die Bindung kraft Gesetzes ein. Muss der Gesellschafter erkennen, dass die Gesellschaft in Zukunft ohne seine Hilfe nicht mehr lebensfähig ist, hat er ihr entweder seine weitere Unterstützung zu versagen und dadurch die Liquidation herbeizuführen, oder er hat, wenn er sich zur Fortsetzung seiner Hilfe entschließt, diese auf eigene Gefahr der Gesellschaft zu belassen, bis ihr Stammkapital wieder auf andere Weise gedeckt ist

Auch eine Gebrauchsüberlassung kann es der insolvenzreifen oder ohne Unterstützung des Gesellschafters nicht mehr lebensfähigen Gesellschaft ermöglichen, ihren Geschäftsbetrieb fortzusetzen. Zwar beseitigt die Gebrauchsüberlassung nicht eine bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit der GmbH; sie ermöglicht der GmbH aber den Fortbestand in einer Zeit, während der ein außenstehender Dritter ihr weder die Nutzung des Wirtschaftsguts noch einen Kredit zu dessen Ankauf zur Verfügung stellen würde. In einem solchen Falle verhindert der Gesellschafter durch Gebrauchsüberlassung des benötigten Wirtschaftsguts die anderenfalls nicht abzuwendende Liquidation der Gesellschaft ebenso wirkungsvoll, als wenn er dieser durch die darlehensweise Überlassung der erforderlichen Zahlungsmittel ermöglicht hätte, die Investition selbst durchzuführen.

Die hier in Rede stehende Gebrauchsüberlassung eines Betriebsgrundstücks ist somit grundsätzlich eigenkapitalersatzfähig.

2.

Eine Situation, in der ordentliche Kaufleute der Gesellschaft Eigenkapital zugeführt hätten, liegt bei Gebrauchsüberlassungen dann vor, wenn die GmbH außerstande ist, sich den für den Kauf des überlassenen Gegenstandes erforderlichen Kredit auf dem Kapitalmarkt zu besorgen (sog. spezielle Kreditunwürdigkeit) und kein außenstehender Dritter an Stelle des Gesellschafters bereit gewesen wäre, der Gesellschaft den Gegenstand zum Gebrauch zu überlassen (sog. Überlassungsunwürdigkeit; vgl. dazu BGHZ 121, 31, 35 = NJW 1993, 392 = NJW-RR 1993, 357 L). Dies wird bei Überschuldung unwiderleglich vermutet (BGHZ 109, 55, 59 f. = NJW 1990, 516 = NJW-RR 1990, 292; BGHZ 127, 1, 5 f. = NJW 1994, 2349 = WiB 1994, 680; BGHZ 127, 17, 23 = NJW 1994, 2760 = WiB 1994, 817; Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl., § 32a RN 44).

a.

Eine nominelle Überschuldung bereits im März 2000 lässt sich nicht feststellen, so dass diese als Anknüpfung für die Umqualifizierung zu Eigenkapital ausscheidet. Die Bilanz zum 31. 12. 1999 hat zwar einen Verlustvortrag iHv 442.396,79 DM (vgl. Bl. 180) ergeben und damit jedenfalls einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 142.396,79 DM. Da das Stammkapital aber danach noch nicht bis zur Hälfte aufgezehrt ist, fehlt ein wichtiges Indiz für die Annahme einer Überschuldung.

b.

Unabhängig von einer Überschuldung befand sich die Fa. N GmbH im März 2000 jedoch in einer wirtschaftlich so angespannten Situation, die ihre Qualifikation als kredit- und überlassungsunwürdig rechtfertigt: Das Jahresergebnis für 1999 war mit einem Jahresüberschuss von 25.485,43 DM nur wenig erfolgreich und konnte dementsprechend den Verlustvortrag aus der Bilanz 1998 nur auf 442.396,79 DM verringern. Auch wenn keine Überschuldung vorlag, war zum 31.12.1999 jedenfalls eine Stammkapitalunterdeckung von 142.396,79 DM gegeben. Um einen von der Fa. Werndl aus S2 Anfang 2000 erteilten Auftrag mit einem Volumen von 1 Mio. DM ausführen zu können, der erst Mitte des Jahres 2001 abzuschließen war, benötigte die Fa. N GmbH weitere Kredite bzw. Kreditlinien, wodurch das gesamte Kreditengagement ein Volumen von 1,8 Mio. DM erreichte. Dieses war zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes - wie auch der Sachverständige E2s in seinem Gutachten vom 26.01.2004 (Bl. 170 und 173 GA) ausgeführt hat - unbedingt erforderlich. Die D-Bank sah als Hausbank der Fa. N GmbH jedoch die gesellschaftseigenen Sicherheiten als nicht ausreichend an und verlangte eine umfassende Sicherung über Grundschulden auf dem Betriebsgrundstück. Nach Sicherung über die Grundschulden wurden die gesellschaftseigenen Sicherheiten sodann freigegeben.

aa.

Da die Fa. N GmbH im März 2000 keine eigenen ausreichenden Sicherheiten für die ihr gewährten bzw. von ihr benötigten Kredite stellen und nur mit Hilfe der Klägerin als Gesellschafterin überleben konnte, war sie, auch wenn keine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit vorlag, jedenfalls kreditunwürdig. Dass die Fa. N GmbH, die aus eigener Kraft schon nicht in der Lage war, die von ihr zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs benötigten Kreditmittel aufzubringen, erst recht keinen Kauf des Grundstücks, das von der Hausbank als ausreichend werthaltig zur alleinigen Absicherung des Kreditengagements von 1,8 Mio. DM bewertet wurde, finanzieren konnte, bedarf aus Sicht des Senats keiner näheren Vertiefung.

bb.

Es wäre auch kein außenstehender Dritter in Kenntnis dieser wirtschaftlichen Lage konkret der Kreditunwürdigkeit - bereit gewesen, der Fa. N GmbH ein vergleichbares Betriebsgrundstück zu überlassen.

In diesem Zusammenhang wirkt sich insbesondere aus, dass - wie die Klägerin selbst in ihrem Schriftsatz vom 20.02.2006 (Bl. 424) ausgeführt hat - der Betrieb der Fa. N GmbH speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Anlagen, Schutzvorrichtungen und Ausstattungen der Gebäude erforderte, also eine Gebrauchsüberlassung zwingend mit Umbaumaßnahmen und dem Einbau von industriellen Anlagen verbunden gewesen wäre, die später wieder kostenaufwendig zu entfernen gewesen wären, da sie - wie die jetzige Situation belegt - nicht anderweitig verwertbar wären.

Auf so ein Mietverhältnis, das umfangreiche Investitionen erfordert, ließe sich ein vernünftig handelnder Dritter, wenn überhaupt, nur dann ein, wenn er begründete Aussicht hätte, insgesamt gesehen über die ganze Vertragsdauer hinweg regelmäßig einen die Investitionskosten (zuzüglich eines angemessenen Gewinns) deckenden Mietzins zu erhalten. Das ist in der Regel nur dann der Fall, wenn die Gesellschaft über genügende finanzielle Reserven verfügt, um etwaige kurz- und mittelfristige Umsatzeinbrüche auffangen zu können. Zur Betriebsführung benötigte Geldmittel, die die Gesellschaft sich - wie auch im vorliegenden Fall - durch anderweitigen Kredit lediglich mit Hilfe von Sicherheiten beschaffen kann, die die Gesellschafter stellen, reichen dafür in der Regel nicht aus (so BGH, NJW 1993, 392, 394). Hinzukommt, dass die Fa. N GmbH im März 2000 auch keine sichere Auftragslage für die Zukunft vorweisen konnte, sondern die Auftragssituation ab Mitte 2001 vielmehr völlig ungewiss und offen war. Vor diesem Gesamthintergrund hegt der Senat keinerlei Zweifel daran, dass sich kein vernünftiger außenstehender Dritter zur Überlassung eines speziell auf die Bedürfnisse der Fa. N GmbH zugeschnittenen Betriebsgrundstückes im März 2000 bereit erklärt hätte.

cc.

Der Senat hat die Parteien sowohl im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24.01.2006 (vgl. Berichterstattervermerk, Bl. 407 GA), mit Beschluss vom 07.02.2006 (vgl. Bl. 413 GA) als auch anlässlich der Ladung zum weiteren Verhandlungstermin (vgl. Bl. 459 GA) darauf hingewiesen, dass der Senat die schriftlichen und mündlichen Ausführungen des Sachverständigen E2s zur Krise und Fortführungsprognose zum Stichtag 21.12.2001 als ungenügend iSd § 412 Abs.1 ZPO erachte, aber die Annahme einer Kredit- und Überlassungsunwürdigkeit im März 2000 im Raum stehe. Die Klägerin hat hierzu mit Schriftsatz vom 24.07.2006 ergänzend ausgeführt, dass die Neuordnung der Sicherheiten auf Anregung der D-Bank aufgrund der uneingeschränkt positiven Geschäftsentwicklung der Fa. N GmbH in den Jahren 1999 und 2000 erfolgt sei. Nachdem in 1999 wieder ein Gewinn iHv ca. 25.000 DM erwirtschaftet worden und die Erzielung eines höheren Gewinns in 2000 bereits im März 2000 absehbar gewesen sei, habe der zuständige Mitarbeiter der D-Bank eine Neuordnung der Kreditsicherheiten, vor allem unter Entlassung der Klägerin aus ihrer persönlichen Bürgschaftshaftung vorgeschlagen. Letzteres sei für die Klägerin von erheblicher Bedeutung gewesen, "da dadurch erstmalig ihr Privatvermögen als solches vollständig aus der Haftung für die Verbindlichkeiten der späteren Insolvenzschuldnerin herausgenommen werden konnte" (vgl. Bl. 464 GA).

Wie bereits im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13.03.2007 mit den Parteivertretern erörtert, gibt dieser Vortrag dem Senat keine Veranlassung zur Änderung seiner Auffassung zur Krise im März 2000. Hinsichtlich der Situation Anfang des Jahres 2000 ist aus Sicht des Senates nicht auf das Ergebnis der Bilanz 2000, sondern auf das der Bilanz für 1999, die lediglich einen Gewinn von 25.000 DM ausweist, was den Verlustvortrag aus der Bilanz 1998 nur auf 442.396,79 DM verringern konnte, abzustellen. Somit bestand unter Einbeziehung der Gewinnrücklage von 300.000 DM zum 31.12.1999 eine Stammkapitalunterdeckung von 142.396,79 DM (= 28,48%). Das war die Situation Anfang des Jahres 2000. Dass diese und nicht etwa eine uneingeschränkt positive Geschäftsentwicklung Anlass für die mit Schreiben der D-Bank vom 08.03.2000 bestätigte Neuordnung der Kreditverhältnisse war, kann vor dem Hintergrund der Art der tatsächlich erfolgten Auswechslung der Sicherheiten nicht in Frage gestellt werden; denn die D-Bank erhielt in Form der Grundschulden iHv 1,8 Mio. DM anstelle einer bloßen Ausfallbürgschaft der Klägerin, anstelle von Sicherungsübereignungen erfahrungsgemäß regelmäßig nur schwer zu verwertender Spezialanlagen und mit verlängerten Eigentumsvorbehalten der Lieferanten belasteten Vorräten sowie anstelle von Sicherungsabtretungen der Kundenforderungen der Fa. N GmbH ein aus Bankensicht unter Verwertungsgesichtspunkten sichereres und werthaltigeres Sicherungsmittel. So hat der Sicherungsnehmer in der Insolvenz des Sicherungsgebers nur ein Absonderungsrecht (§ 51 Nr. 1 InsO), wobei dem Insolvenzverwalter nach § 166 InsO das Verwertungsrecht an den in seinem Besitz befindlichen beweglichen Sachen zusteht, während aufgrund der Grundschulden abgesonderte Befriedigung nach § 49 InsO im Wege der Zwangsverwaltung und -versteigerung erfolgt. Hinzu kommt hier, dass die Fa. N GmbH, da sie nur immer einen Großauftrag bearbeitete, zwangsläufig i.W. auch nur über die mit diesem Auftrag verbundene Kundenforderung verfügte. Fällig wurde diese naturgemäß erst mit Abnahme, also mit Fertigstellung und Auslieferung der gefertigten Maschine. Zuvor gab es lediglich Anzahlungen, die über Bürgschaften seitens der Fa. N abzusichern waren.

Diese Bewertung der Situation Anfang des Jahres 2000 teilt nicht zuletzt auch der Sachverständige E2s in seinem Gutachten vom 26.01.2004. Er würdigt sie lediglich in Bezug auf den seinem Gutachten zugrundeliegenden Stichtag 21.12.2001 anders (vgl. Bl. 170, 173 GA). Da das Betriebsgrundstück zum persönlichen Vermögen der Klägerin gehörte, kann schließlich nicht davon die Rede sein, dass ihr Privatvermögen durch die Auswechslung der Sicherheiten aus der Haftung für die Verbindlichkeiten der Fa. N GmbH genommen wurde.

Somit befand sich die Fa. N GmbH Anfang März 2000 in der Krise, da sie kredit- und überlassungsunwürdig war.

Bei diesen Gegebenheiten trägt die Klägerin im Übrigen die Beweislast dafür, dass dennoch Kreditwürdigkeit gegeben war und ein Außenstehender in Kenntnis dieser wirtschaftlichen Lage bereit gewesen wäre, der Gemeinschuldnerin die Mieträumlichkeiten zu überlassen (zur Beweislast BGH, NJW 1998, 1143, 1144).

3.

Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, NJW 1990, 516; 1993, 392; 1994, 2349 und 2760) werden ursprünglich nicht als Kapitalersatz dienende Gesellschaftermittel jedoch nur dann nachträglich von den Bindungen der §§ 30, 31, 32 a, 32 b GmbHG erfasst, wenn der Gesellschafter sie bei Eintritt der Krise nicht abzieht, obwohl ihm dies zumindest objektiv möglich wäre. Der dem zugrundeliegende Gedanke besteht im Grundsatz ebenso wie bei der Mittelzuführung in der schon bestehenden Krise darin, dass die Gesellschafter wegen ihrer Verantwortung für eine ordnungsgemäße Finanzierung eine liquidationsreife Gesellschaft nur dann fortführen dürfen, wenn ihr haftendes Kapital zur Verfügung gestellt wird. Hat der Gesellschafter keine Möglichkeit, zwischen weiterer Unterstützung und Liquidierung zu wählen, weil er rechtlich gehindert ist, der Gesellschaft die früher gewährte Hilfe zu entziehen, so liegt in seinem Verhalten keine Finanzierungsentscheidung, an die bei der Anwendung der Kapitalersatzregeln angeknüpft werden könnte.

Es ist also darauf abzustellen, ob der Gesellschafter alsbald nach Eintritt der Krise das Nutzungsverhältnis hätte beenden können. Dabei ist zu fragen, ob der Gesellschafter entweder in seiner Eigenschaft als Vermieter das Rechtsverhältnis durch Kündigung zu einem bestimmten Zeitpunkt hätte einseitig auflösen können und/oder ob eine Beendigung aufgrund des gesellschaftsrechtlichen Einflusses, den der Gesellschafter ausüben konnte, möglich gewesen wäre, er also von der ihm zumindest objektiv - gegebenen Möglichkeit, die Gesellschaft unter Entzug der ihr zur Verfügung gestellten Mittel zu liquidieren, keinen Gebrauch gemacht hat (BGH, NJW 1993, 392, 393).

Hat der Gesellschafter keine Möglichkeit, zwischen weiterer Unterstützung und Liquidierung zu wählen, weil er rechtlich gehindert ist, der Gesellschaft die früher gewährte Hilfe zu entziehen, so liegt in seinem Verhalten keine Finanzierungsentscheidung, an die bei der Anwendung der Kapitalersatzregeln angeknüpft werden könnte (vgl. BGH, NJW 1993, 392, 393).

a.

Eine Beendigung des Mietverhältnisses durch vermieterseitige ordentliche oder außerordentliche Kündigung war der Klägerin bei Eintritt der Krise im März 2000 nicht möglich.

aa.

Nach Nr. 2 des Mietvertrages vom 29.08.1983 war der Vertrag für beide Parteien zwar mit einer Frist von 6 Monaten zum Quartalsende ordentlich kündbar. Verfügt aber eine GmbH lediglich über eine Kapitalausstattung, die nur ausreichend ist, um die bewegliche Betriebsausstattung selbst beschaffen zu können, so ist die ordentliche Kündigung eines über das sog. unbewegliche Anlagevermögen mit einem Gesellschafter abgeschlossenen Miet- oder Pachtvertrages in aller Regel als ausgeschlossen anzusehen; eine anderweitige vertragliche Regelung ist in solchen Fällen im Zweifel nicht ernstlich gewollt (so BGH, NJW 1993, 392, 394 mwN; Baumbach/Hueck-Hueck/Fastrich, GmbHG, § 32a RN 48b). Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn die Befristung nicht auf sachlichen Gründen beruht und der Finanz(Investitions-)planung der Gesellschaft widerspricht (vgl. Hachenburg-Ulmer, GmbHG, 8.Aufl., § 32a, b RN 115 und 117).

Ein sachlicher Grund für die vereinbarte, lediglich 6monatige Kündigungsfrist ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, da die Kapitalausstattung der Fa. N GmbH mit einem Stammkapital von nur 50.000 DM bei Abschluss des Mietvertrages den käuflichen Erwerb des Betriebsgrundstückes nicht gestattete.

Ein ordentliches Kündigungsrecht der Klägerin bestand somit im März 2000 nicht.

bb.

Eine drohende Umqualifizierung der Gebrauchsüberlassung in haftendes Kapital ist auch nicht geeignet, einen wichtigen Kündigungsgrund abzugeben; denn sie ist Folge der Kündigungsmöglichkeit, setzt also voraus, dass das Nutzungsverhältnis aus irgendeinem anderen Grunde gekündigt werde konnte. Anders als der Darlehensgeber und der Bürge muss der Gesellschafter als Vermieter und Inhaber eines Herausgabeanspruchs nicht befürchten, dass sich sein Anspruch infolge Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der Gesellschaft nicht mehr wird realisieren lassen, so dass er daraus keinen Kündigungsgrund herleiten kann.

Somit bestand auch kein außerordentliches Kündigungsrecht der Klägerin.

b.

Der Klägerin war die Beendigung des Mietverhältnisses im März 2000 jedoch aufgrund ihrer Stellung als "finanzierende" Gesellschafterin und ihres aus dieser Stellung resultierenden Einflusses auf das Schicksal der Fa. N GmbH möglich.

Die Klägerin war bis zum 21.12.2001 Gesellschafterin mit einem Anteil von 50%. Sie war somit nie Mehrheitsgesellschafterin, konnte also, da sie über keine qualifizierte Mehrheitsbeteiligung verfügte, allein weder eine Liquidation der Gesellschaft gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG, wofür mangels abweichender Regelung in § 9 des Gesellschaftsvertrages (vgl. Bl. 376) eine 3/4 Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich war, noch eine Kündigung des Mietvertrages durch die Gesellschaft im Wege des Gesellschaftsbeschlusses nach § 47 Abs. 1 GmbHG beschließen.

Der Gesellschafter, der zugleich auch Verpächter bzw. Vermieter ist, muss jedoch alles unternehmen, um in seiner Funktion als Gesellschafter der in die Krise geratenen Gesellschaft seinen Einfluss auf eine Beendigung des Rechtsverhältnisses geltend zu machen. Kann er aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung eine Entscheidung über die Liquidation der in die Krise geratenen Gesellschaft herbeiführen, so muss er sich für diese Handlungsalternative entscheiden. Trifft er diese Entscheidung nicht, fallen die zur Nutzung überlassenen Vermögensgegenstände unter die Eigenkapitalersatzregelungen.

Die Klägerin stand im März 2000, als die gesellschaftseigenen Sicherheiten nicht mehr ausreichten, vor der Entscheidung, das vermietete Grundstück als alleinige Kreditsicherheit der D-Bank zur Verfügung zu stellen. Sie hat sich hierfür entschieden und die Grundschulden zu Gunsten der D-Bank sogar noch um 600.000 DM auf 1,8 Mio. DM erhöht. Hätte die Klägerin im März 2000 nicht die Entscheidung zur Stellung der Kreditsicherheit getroffen, so wäre die Fa. N GmbH - wie zuvor dargelegt - nicht überlebensfähig gewesen und hätte liquidiert werden müssen. Die Klägerin wäre bei dieser wirtschaftlichen Situation zur Vermeidung der Umqualifizierung der Gebrauchsüberlassung in Eigenkapital gehalten gewesen, Konsequenzen zu ziehen und der GmbH ihre weitere Unterstützung zu versagen und dadurch die Liquidation herbeizuführen. Dies wäre ihr zwar nicht aufgrund des Mietvertrages, also aus ihrer Position als Vermieterin, jedoch aufgrund ihrer Stellung als Gesellschafterin und Sicherungsgeberin möglich gewesen. Dadurch, dass die Klägerin dies nicht getan hat, hat sie ihren Entschluss zum Ausdruck gebracht, der Fa. N GmbH die erforderliche Hilfe auch weiterhin und auf ihre Gefahr hin zukommen zu lassen.

4.

Daran, dass die Klägerin die erforderliche Kenntnis über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens Anfang 2000 hatte, kann kein Zweifel bestehen, da ihr als mitarbeitende Gesellschafterin und vor allem Sicherungsgeberin alle angeführten negativen - Aspekte bekannt gewesen sein müssen. Jedenfalls hat sie das Gegenteil nicht dargetan.

5.

Da das Stammkapital der Fa. N GmbH in der Folgezeit nicht wiederherstellt wurde, ist eine Enthaftung nicht eingetreten.

II.

Da die Gebrauchsüberlassung des Betriebsgrundstücks ab März 2000 als eigenkapitalersetzende Leistung zu qualifizieren ist, ist die Klägerin zur mit der Widerklage verfolgten Rückzahlung der vereinnahmten Mieten im Zeitraum von Febr. - Sept. 2002 iHv insgesamt 108.655,60 € verpflichtet, und zwar ohne dass sie insoweit geltend machen könnte, im Zeitraum bis Febr. 2002 sei das Stammkapital nachhaltig wiederhergestellt gewesen (vgl. BGH, NZI 2006, 311).

Der geltendgemachte Zinsanspruch ist gerechtfertigt unter dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 286, 288 BGB.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91; 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Die Revision hat der Senat nicht zugelassen. Die Voraussetzungen einer solchen Zulassung gemäß § 543 ZPO liegen nicht vor. Der Rechtsstreit besitzt keine grundsätzliche Bedeutung. Es war lediglich über die Besonderheiten eines Einzelfalls zu entscheiden. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist auch nicht zum Zwecke der Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Der Senat weicht nicht von Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte oder von einer höchstrichterlichen Rechtsprechung ab. Der vorliegende Einzelfall gibt auch keine Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzuzeigen oder eine entsprechende Leitentscheidung zu erlassen (vgl. dazu Zöller-Gummer, ZPO, 26. Aufl., § 543 RN 12; Thomas-Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 511 RN 21).

Ende der Entscheidung

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