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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 01.08.2006
Aktenzeichen: 7 WF 113/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 323
BGB § 1579
BGB § 1579 Ziff. 2
BGB § 1579 Ziff. 7
BGB § 1581
BGB § 1603 Abs. 1
BGB § 1603 Abs. 2
BGB § 1609 Abs. 2
BGB § 1609 Abs. 2 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Coesfeld vom 05.04.2006 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Zu Recht hat das Amtsgericht dem Beklagten die nachgesuchte Prozesskostenhilfe mit der Begründung verweigert, seine beabsichtigte Abänderungsklage habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.d. § 114 ZPO.

1.

Der Senat schließt sich den Ausführungen des Amtsgerichts zu einer Reduzierung bzw. einem Unterhaltsausschluss nach § 1579 Ziff. 2 und 7 BGB an. Eine Reduzierung des Unterhaltsanspruchs kommt angesichts der Kindesbetreuung nicht in Betracht, solange der Unterhaltsanspruch unterhalb des sog. Mindestbedarfes liegt. Richtig ist zwar, dass der Bundesgerichtshof einen Mindestbedarf beim Ehegattenunterhalt nicht anerkennt, sondern der Bedarf jeweils nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu bemessen ist und somit auch unter dem sog. Mindestbedarf nach den Hammer Leitlinien liegen kann. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, ob ein bereits unter dem Mindestbedarf liegender Unterhaltsanspruch weiter nach § 1579 BGB wegen Verfehlungen des unterhaltsberechtigten Ehegatten zu kürzen ist. Dabei liegt es auf der Hand, dass ein Ehegatte, dessen Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen bereits unter dem sog. Existenzminimum liegt, bei weiterer Kürzung desselben spätestens gezwungen wäre, eine halbschichtige oder vollschichtige Erwerbstätigkeit aufzunehmen, um die Bedarfslücke auszufüllen, wobei allerdings die Antragsgegnerin auch von dem titulierten Unterhalt nicht leben kann. Die Erwerbstätigkeit wird aber notwendigerweise zu Lasten der Betreuung der beiden 9- und 6jährigen Kinder gehen. Zumindest derzeit kommt deshalb eine Reduzierung des Unterhaltsanspruchs nicht in Betracht.

2.

Demgegenüber teilt der Senat nicht die Auffassung des Amtsgerichts, die Abänderungsklage sei unschlüssig, weil die Voraussetzungen des § 323 ZPO nicht dargetan seien. Denn in dem abzuändernden Vergleich ist ausdrücklich festgehalten, dass er keinerlei Bindungswirkungen für ein evtl. Abänderungsverfahren entfaltet, dass vielmehr in einem solchen Falle der Unterhalt wie in einem Erstverfahren neu zu berechnen ist. Dies hat der Antragsteller mit der Beschwerdeschrift getan. Gleichwohl rechtfertigt auch dies keine Abänderung des titulierten Unterhaltsanspruchs zu seinen Gunsten, da er eine Mangelberechnung nicht vorgenommen hat. Ausgehend von dem zutreffend ermittelten Nettoeinkommen in Höhe von monatlich 2.021,44 € ergibt sich folgende Berechnung:

 2.021,44 €
Arbeitskleidung- 6,50 €
Arbeitgeberanteil an vermögenswirksamen Leistungen netto:25,52 €
Gewerkschaftsbeitrag- 21,70 €
Fahrtkosten- 246,40 €
 1.721,32 €

Hierzu ist anzumerken, dass der Antragsteller versehentlich den Bruttoanteil des Arbeitgebers an den vermögenswirksamen Leistungen in Abzug gebracht hat, was nicht zutreffend ist.

Nach Abzug des Tabellenunterhaltes für beide Kinder in Höhe von je 299,00 € verbleiben 1.123,32 €. Ein eigenes Einkommen der Antragsgegnerin ist nicht anzusetzen, da sie derzeit ein solches nicht bezieht und auch nicht beziehen muss. Nach der Differenzmethode würde sich nunmehr ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 481,42 € ergeben, den der Antragsteller jedoch nicht unter Wahrung seines Selbstbehaltes zahlen könnte. Angesichts des Nettoeinkommens in Höhe von 1.721,32 € und eines Selbstbehaltes gegenüber den Kindern in Höhe von 890,00 € verbleibt ein verteilungsfähiges Einkommen in Höhe von 831,32 €.

Es ergibt sich sodann folgende Mangelverteilung:

Bedarf der Klägerin: 770,00 €

Bedarf der Kinder: je 334,00 €

Gesamtbedarf somit: 1.438,00 €

 770,00 € : 1.438,00 € x 831,32 € = 445,14 €
334,00 € : 1.438,00 € x 831,32 € = 193,08 €
334,00 € : 1.438,00 € x 831,32 € = 193,08 €
 831,30 €

Zutreffend weist die Beschwerde darauf hin, dass nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (FamRZ 2006, 683 ff) die bisherige Praxis vieler Oberlandesgerichte, so auch des erkennenden Senates, dem Ehegatten, der minderjährige Kinder betreut, denselben Selbstbehalt zuzubilligen, der gegenüber den minderjährigen Kindern besteht, aufzugeben ist. Der BGH hat in dieser Entscheidung ausgeführt, dass die in dieser Praxis zum Ausdruck kommende Gleichbehandlung des Unterhaltsanspruchs von Ehegatten mit demjenigen minderjähriger Kinder, wie sie für das Rangverhältnis in § 1609 Abs. 2 S. 1 BGB (noch) angeordnet ist, die gesteigerte Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB außer Betracht lasse. Der Regelungshintergrund dieser Vorschrift sei darin zu sehen, dass minderjährigen Kindern wegen ihres Alters von vornherein die Möglichkeit verschlossen sei, durch eigene Anstrengung zur Deckung ihres notwendigen Lebensbedarfs beizutragen. Das gelte für geschiedene oder getrennt lebende Ehegatten nicht in gleichem Maße. Umgekehrt könne der gegenüber dem Unterhaltsanspruch volljähriger Kinder stärker ausgestaltete Charakter des Ehegattenunterhaltes auch zu einer stärkeren Haftung und damit zu einem geringeren Selbstbehalt nach § 1581 BGB führen, als dies auf der Grundlage des § 1603 Abs. 1 BGB gegenüber dem Unterhaltsanspruch volljähriger Kinder der Fall sei. Denn nach § 1609 Abs. 2 BGB stünden Ehegatten zwar den Kindern i.S.d. § 1603 Abs. 2 BGB gleich, sonstigen Kindern gingen sie jedoch im Range vor. Nach dieser gesetzlichen Wertung sei es geboten, den Selbstbehalt gegenüber dem Unterhaltsanspruch eines geschiedenen Ehegatten nach § 1581 BGB mit einem Betrag zu bemessen, der nicht unter dem notwendigen aber auch nicht über dem angemessenen Selbstbehalt liege.

In Anwendung dieser Grundsätze mag von einem Selbstbehalt des Antragstellers in Höhe von 1.000,00 € gegenüber dem Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin ausgegangen werden. Dies führt allerdings lediglich dazu, dass die Differenz zwischen dem gegenüber den Kindern geltenden Selbstbehalt in Höhe von 890,00 € und dem gegenüber der Ehefrau geltenden Selbstbehalt in Höhe von 1.000,00 €, mithin ein Betrag in Höhe von 110,00 € vom Unterhaltsanspruch des Ehegatten abzuziehen und auf die Kinder zu verteilen ist, solange ihr Bedarf nach dem Einkommen des Antragstellers nicht gedeckt ist. Dies ist hier der Fall, denn der Bedarf beträgt 299,00 € und liegt nach der Aufstockung um je 55,00 € immer noch darunter (193,08 € + 55,00 € = 248,08 €).

Der um 110,00 € gekürzte Unterhaltsbedarf der Klägerin liegt sodann bei 335,14 € und somit oberhalb des titulierten Betrages.

3.

Eine Kürzung des Unterhaltsbedarfs durch Ersparnisse aus dem Zusammenleben mit dem neuen Lebensgefährten kommt ebenfalls nicht in Betracht. Unstreitig gewährt dieser der Antragsgegnerin freie Unterkunft. Addiert man die nach den Hammer Leitlinien pauschalierten Kosten für Unterkunft und Nebenkosten in Höhe von 450,00 € zum titulierten Unterhaltsanspruch, so ergibt sich ein Betrag in Höhe von 772,50 €, der knapp über dem notwendigen Selbstbehalt eines Nichterwerbstätigen liegt. Man mag die 450,00 € als ersparte Aufwendungen oder als angemessenes Entgelt für die Haushaltsführungsleistung der Antragsgegnerin ansehen. Darüber hinausgehende Entgelte oder Ersparnisse sind demgegenüber nicht zuzurechnen, da der Lebensgefährte insoweit nicht leistungsfähig ist. Bei einem durchschnittlichen Nettoeinkommen in Höhe von 1.740,45 € sind nämlich noch folgende Verbindlichkeiten zu berücksichtigen:

Kindesunterhalt für die Tochter F: 280,00 €

Kindesunterhalt für den Sohn S: 300,00 €

monatliche Darlehensverbindlichkeiten: 307,20 €

Bausparkassenbeitrag: 81,81 €

Zahlung an die S1 + W Versicherung: 180,00 €

Schon bei Berücksichtigung dieser Beträge verbleibt dem Lebensgefährten ein deutlich unter dem Selbstbehalt eines Erwerbstätigen liegender Betrag in Höhe von monatlich 591,44 €, von dem er weitere Leistungen an die Antragsgegnerin nicht erbringen kann.

Ende der Entscheidung

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