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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 10.11.2006
Aktenzeichen: 7 WF 166/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 1565 b Abs. 3
BGB § 1585 b Abs. 3
ZPO § 167
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Prozesskostenhilfebeschluss des Amtsgerichts Familiengericht Menden vom 09.02.2006 in Verbindung mit der Teilabhilfeentscheidung vom 21.04.2006 wird der angefochtene Beschluss abgeändert.

Der Klägerin wird Prozesskostenhilfe auch insoweit bewilligt, als sie rückständigen nachehelichen Unterhalt ab dem 10.06.2005 abzüglich monatlich geleisteter 187,00 € geltend macht.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Ehe der Parteien wurde am 10.02.2004 rechtskräftig geschieden. Mit außergerichtlichen Schriftsätzen vom 24.10.2003 und vom 02.12.2003 hatte die Klägerin bereits nachehelichen Unterhalt geltend gemacht. Mit weiterem außergerichtlichen Schriftsatz vom 20.01.2004 ließ die Klägerin dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten mitteilen, dass der Scheidungstermin am 10.02.2004 nur sinnvoll erscheine, wenn der Beklagte bereit sei, nachehelichen Unterhalt in Höhe von 389,10 € monatlich zu zahlen. Ansonsten müsse das Gericht gebeten werden, den Scheidungstermin aufzuheben und der nacheheliche Unterhalt im Verbund geltend gemacht werden.

Obgleich es zu keiner Einigung der Parteien vor dem Scheidungstermin gekommen war, wurde der vorbereitete Verbundantrag auf Zahlung von nachehelichen Unterhalt durch die damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Scheidungstermin nicht eingereicht, weil insbesondere der Beklagte geschieden werden wollte und sich die Parteien aus diesem Grunde mündlich darauf geeinigt hatten, die Frage des Nachscheidungsunterhaltes im Nachhinein regeln zu wollen.

Mit Schreiben vom 29.06.2004 wandte sich die damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin sodann an den gegnerischen Rechtsanwalt und bat angesichts des Zeitablaufes seit dem Scheidungstermin um die Übermittlung aktueller Einkommensunterlagen. Im Schreiben vom 14.07.2004 teilte der Anwalt des Beklagten mit, dass dieser vor Ablauf von zwei Jahren nicht bereit sei, erneut Auskunft über seine Einkommensverhältnisse zu erteilen, bot jedoch einen nachehelichen Unterhalt in Höhe von 210,00 € monatlich ab sofort an.

Mit Schreiben vom 14.01.2005 ließ die Klägerin dieses Angebot ablehnen und den Beklagten auffordern, ab sofort monatlich 446,63 € ab Januar 2005 an sie zu zahlen.

Nachdem eine außergerichtliche Einigung nicht zustande gekommen war, reichte die Klägerin über ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten am 19. Juni 2005 einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Nachscheidungsunterhalt unter Beifügung eines ausgefüllten Formulars über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen und einer Klageschrift bei Gericht ein. Mit der Klageschrift beabsichtigte sie, Nachscheidungsunterhalt für die Zeit von März 2004 bis Juni 2005 in Höhe von insgesamt 5.231,30 € sowie laufenden Unterhalt ab Juli 2005 in Höhe von monatlich 326,95 € einzuklagen.

Das PKH-Gesuch wurde dem Beklagten nebst Entwurf der Klageschrift mit Verfügung vom 15.06.2005 übersendet. Der Beklagte nahm mit Schriftsatz vom 22.07.2005 hierzu Stellung. Trotz 6maliger Erinnerung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin an die Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch erfolgte diese erst mit Beschluss vom 09.02.2006. Mit diesem Beschluss wurde ihr Prozesskostenhilfe für den Antrag auf laufenden Unterhalt, nicht jedoch für den rückständigen Unterhalt bewilligt. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dass es für den rückständigen Unterhalt an einer Inverzugsetzung des Beklagten fehle.

Gegen diesen, am 16.02.2006 eingegangenen Beschluss legte die Klägerin unter dem 24.02.2006, bei Gericht eingegangen am 27.02.2006 sofortige Beschwerde ein. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 21.04.2006 half das Amtsgericht der Beschwerde insoweit ab, als Prozesskostenhilfe für rückständigen Nachscheidungsunterhalt für die Zeit von April 2005 bis Juni 2005 bewilligt wurde. Im Übrigen half es der Beschwerde unter Hinweis darauf nicht ab, dass die Mahnung vom 20.01.2004 vor dem Scheidungstermin und damit vor Fälligkeit des nachehelichen Unterhaltes erfolgt sei. Die Parteien kamen weiterhin dahin überein, dass die Klägerin zunächst Gelegenheit zur Überprüfung haben solle, ob sie ihre Beschwerde gegen die versagende Prozesskostenhilfe weiterhin aufrechterhalten wolle. Bis dahin wollte das Gericht den Parteien einen Vergleichsvorschlag unterbreiten, der jedoch von der Klägerin nicht angenommen wurde. Sie trug in der Folgezeit weiterhin zum Eintritt des Verzuges vor und erklärte mit Schriftsatz vom 03.07.2006, dass die Beschwerde aufrechterhalten bleibe.

Mit weiterem Nichtabhilfe- und Hinweisbeschluss vom 21.07.2006 lehnte das Amtsgericht weitere Abhilfe mit der Begründung ab, eine wirksame Inverzugsetzung sei auch nach Rechtskraft des Scheidungsurteils nicht erfolgt, insbesondere auch nicht durch das Schreiben vom 29.06.2004, welches keine Leistungsaufforderung enthalte; auch habe der Beklagte nicht im Scheidungstermin konkludent auf eine Inverzugsetzung verzichtet. Sodann legte es die Beschwerde zur Entscheidung dem Senat vor.

II.

Die Beschwerde hat insoweit Erfolg, als die Klägerin rückständigen Unterhalt (abzüglich geleisteter Zahlungen) für die Zeit ab dem 10.06.2004 verlangen kann. Zutreffend ist allerdings die auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gestützte Auffassung des Amtsgerichts, dass eine vor Rechtskraft der Scheidung und somit vor Entstehung des nachehelichen Unterhaltsanspruches ausgesprochene Mahnung einen Verzug nicht begründen kann, weil der in Anspruch Genommene nach der Rechtslage eine solche Mahnung missachten darf (BGH FamRZ 1992, 920 ff; 921).

Dem Beklagten ist es jedoch nach Auffassung des Senats verwehrt, sich gegenüber dem Anspruch auf rückständigen Unterhalt auf das Fehlen einer formalen Inverzugsetzung zu berufen. Denn es ist als treuwidrig anzusehen, wenn der Beklagte, der bereits am 20.01.2004 über die Höhe des geltend gemachten nachehelichen Unterhaltes sowie die Absicht, einen Verbundantrag im Scheidungstermin zu stellen, in Kenntnis gesetzt worden ist, im Scheidungstermin zum Zwecke der schnellen Durchführung des Scheidungsverfahrens eine Vereinbarung mit der Klägerin dahingehend trifft, die Frage des nachehelichen Unterhaltes solle später geregelt werden, sich dann jedoch darauf beruft, er sei nicht wirksam gemahnt worden. Der Beklagte kann nicht die Klägerin unter Hinweis auf sein Interesse an einer schnellen Scheidung an der Einreichung eines Verbundantrages hindern und auf spätere Verhandlungen über den nachehelichen Unterhalt verweisen, sich andererseits aber zum Schaden der Klägerin auf die Nichteinreichung des Verbundantrages im Termin berufen, dies um so weniger, als ihm die Höhe und die Berechnung des nachehelichen Unterhaltes aufgrund der vorherigen Schriftsätze bekannt war und er insoweit nicht schutzwürdig ist. Sein Verhalten verstößt gegen § 242 BGB.

Die Klägerin kann rückständigen Unterhalt ab dem 10.06.2005 verlangen, allerdings, trotz der obigen Ausführungen, nicht ab einem früheren Zeitpunkt, da hinsichtlich der Unterhaltsrückstände die Vorschrift des § 1585 b Abs. 3 BGB von Amts wegen zu beachten ist. Danach kann Unterhalt für eine mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit liegende Zeit nur verlangt werden, wenn anzunehmen ist, dass der Verpflichtete sich der Leistung absichtlich entzogen hat. Da für ein derartiges absichtliches Verhalten des Beklagten, der selbst Unterhaltszahlungen angeboten hat, nichts ersichtlich ist, ist die Jahresfrist zu beachten.

Der Senat berechnet sie allerdings nicht ab Rechtshängigkeit des Unterhaltsanspruchs, welche erst durch Antragstellung im Termin vom 21.04.2006 eingetreten ist, sondern ab Eingang des PKH-Gesuches nebst Klageschrift bei Gericht am 10. Juni 2005. Die Rechtshängigkeit wirkt gem. § 167 ZPO auf den Eingang der Klageschrift bei Gericht zurück, weil die Rechtshängigkeit durch Stellung des Antrages im Termin "demnächst" im Sinne dieser Vorschrift eingetreten ist. § 167 ZPO ist auf alle Fristen anwendbar, die durch gerichtliche Geltendmachung zu wahren sind. Dies gilt auch für die Jahresfrist nach § 1565 b Abs. 3 BGB, die einen gesetzlich geregelten Sonderfall der Verwirkung darstellt und eine Ausschlussfrist enthält (vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 2002, 327; OLG Schleswig, FamRZ 1988, 961 ff). Der Rechtshängigkeit des nachehelichen Unterhaltsanspruchs kommt hier also, wie von § 167 ZPO vorausgesetzt, rechtswahrende Wirkung zu. In derartigen Fällen soll es jedoch dem seinen Antrag rechtzeitig einreichenden Gläubiger nicht zum Nachteil gereichen, wenn es im Verantwortungsbereich des Gerichts und somit zu nicht vom Gläubiger zu vertretenden Verzögerungen bei der Zustellung kommt. Die Rechtshängigkeitswirkung auf die Einreichung des PKH-Antrages nebst Klageentwurf zurückzubeziehen, steht auch mit der Gesetzesintention des § 1585 b Abs. 3 ZPO in Einklang. Denn diese Vorschrift beruht ebenso wie ihr Abs. 2 auf dem Gedanken, dass Unterhalt seinem Wesen nach zur Bestreitung des laufenden Lebensbedarfs dient und die Befriedigung der Bedürfnisse einer zurückliegenden Zeit an sich nicht möglich ist, so dass grundsätzlich keine Notwendigkeit besteht, darauf beruhende Ansprüche fortdauern zu lassen. Auch soll der Unterhaltspflichtige gegen Härten geschützt werden, die sich aus einer Inanspruchnahme für eine Zeit ergeben können, in der er mit dem Unterhaltsanspruch nicht rechnen musste. Der Beklagte war hier spätestens durch die Übermittlung des PKH-Gesuchs nebst Klageentwurf hinreichend über den Umfang seiner Inanspruchnahme informiert. Dass die Klägerin ihren Anspruch nicht sogleich rechtshängig machen konnte, sondern wegen ihrer Bedürftigkeit auf die vorherige Bewilligung von Prozesskostenhilfe angewiesen war, kann ihr schon deshalb nicht zum Nachteil gereichen, weil der Gesetzgeber die hilfsbedürftige und die vermögende Partei gleich behandelt wissen will. Auch lässt sich aus dem Umstand, dass die Klägerin die Prozesskosten nicht bestreiten kann und deshalb auf die vorherige Bewilligung von Prozesskostenhilfe angewiesen ist, ersichtlich nicht der Schluss ziehen, sie sei auf den geltend gemachten Unterhalt nicht angewiesen.

Die Klägerin hat es auch nicht zu vertreten, dass sie ihren Anspruch erst im Termin vom 21.04.2006 rechtshängig machen konnte. Denn sie hat durch die Einreichung eines PKH-Gesuches nebst vollständigen Unterlagen und einem Klageentwurf alles Erforderliche getan, um eine alsbaldige Prozesskostenhilfebewilligung und anschließende Klagezustellung herbeizuführen. Die sodann eingetretene mehrmonatige Verzögerung beruht allein auf dem Verhalten des Gerichts. Die Klägerin hat es auch nicht versäumt, ihr Ziel mit Nachdruck zu verfolgen. Immerhin hat sie über ihren Prozessbevollmächtigten sechsmal an die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erinnern lassen und, nach teilweiser Bewilligung der Prozesskostenhilfe am 09.02.2006 fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt und nach der Teilabhilfeentscheidung des Amtsgerichts im Termin vom 21.04.2006 ihre Anträge sogleich gestellt, bezüglich des rückständigen Unterhaltes sogar teilweise auf eigenes Kostenrisiko.

Der Senat hat die Erfolgsaussichten zu dem rückständigen Unterhalt der Höhe nach nicht geprüft, nachdem das Amtsgericht die Prozesskostenhilfebewilligung lediglich zeitlich, nicht jedoch der Höhe nach begrenzt hat. Die darin liegende Einschätzung des Amtsgerichts ist, insbesondere im Beschwerdeverfahren der Klägerin, zu respektieren.

Für den ein Jahr vor Eingang von PKH-Gesuch und Klageentwurf bei Gericht liegenden Zeitraum ist jedoch die gesetzliche Ausschlussfrist des § 1585 b Abs. 3 BGB zu beachten. Denn es ist kein nachvollziehbarer Grund dafür ersichtlich, warum die Klägerin auf das Vergleichsangebot des Beklagten vom 14.07.2004 erst mit Schriftsatz vom 14.01.2005 reagierte und sodann weitere fünf Monate später das gerichtliche Verfahren anstrengte.

Ende der Entscheidung

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