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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 14.02.2007
Aktenzeichen: 8 U 110/06
Rechtsgebiete: BGB, AAVG, AO 1977


Vorschriften:

BGB § 39 Abs. 2
BGB § 247
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 280 Abs. 2
BGB § 286
BGB § 286 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 288 Abs. 2
AAVG § 6 Abs. 1
AAVG § 20 Abs. 2
AAVG § 20 Abs. 4
AO 1977 § 240
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 13. April 2006 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass Säumniszuschläge nur in Höhe von 3.155,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.02.2006 von der Beklagten zu zahlen sind.

Wegen der weitergehenden Forderung auf Zahlung von Säumniszuschlägen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten für die Jahre 2004, 2005 und 2006, Mitgliedsbeiträge nach der Satzung der Klägerin zu zahlen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Beklagte sei bereits Gründungsmitglied des Klägers. Die Mitgliedschaft der Beklagten sei nicht auflösend bedingt zum 31.12.2003. Des weiteren könne die von der Beklagten behauptete Aufhebungsvereinbarung vom 10./11.09.2004 nicht zu einem Erlöschen der Mitgliedschaft zum 31.12.2004 führen, da der Vorstandsvorsitzende der Klägerin nicht berechtigt gewesen sei, eine solche Vereinbarung zu schließen. Schließlich änderten die Kündigungsschreiben der Beklagten vom 22.03.2005 bzw. 12.07.2006 an ihrer Beitragspflicht für die Jahre 2005 und 2006 nichts. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Zur Begründung führt die Beklagte im Wesentlichen aus, sie sei kein Gründungsmitglied des Klägers. Soweit dies der Senat gleichwohl annehme, sei ein Beitritt über den 31. Dezember 2003 hinaus nicht anzunehmen. Für das Jahr 2004 müsse der Kläger deshalb den Beitrag erstatten. Hinsichtlich der gegenüber dem AAV abzuführenden Zuschläge bestreitet die Beklagte, dass der Kläger entsprechend verpflichtet sei. Anwaltliche Mahngebühren könne der Kläger nicht erstattet verlangen.

Die Beklagte beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Urteils

1. die Klage abzuweisen;

2. auf die Widerklage den Kläger zu verurteilen, an sie 26.314,59 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger hat im Berufungsverfahren das Schreiben der AAV vom 05.05.2006 über zu zahlende Säumniszuschläge vorgelegt. Auf den Inhalt des Schreibens wird Bezug genommen.

In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte erklärt, über das Unternehmen U gewusst zu haben, dass die Gründungsversammlung stattfinde. Einzelheiten seien nicht bekannt gewesen. Es habe eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit U bestanden.

II.

Die Berufung der Beklagten hat nur Erfolg hinsichtlich des Umfanges der Säumniszuschläge. Im Übrigen war sie zurückzuweisen. Die Beklagte kann keine Erstattung der Beitragszahlung für 2004 verlangen und ist für 2005 und 2006 zur Beitragszahlung verpflichtet, da sie in diesen Jahren Mitglied des Klägers war. Im Einzelnen:

1.

Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichtes, dass die Beklagte den Kläger mitgegründet hat. Vor dem Hintergrund des zeitlichen Ablaufs bestehen keine Zweifel, dass der vom Kläger als Zeuge benannte Q in berechtigter Stellvertretung für die Beklagte auftrat und sie damit verpflichtete (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB): Das Formular für die Beitrittserklärung faxte die U AG, für die Herr Q als Prokurist tätig war und in der Gründungsversammlung am 08.02.2001 mitvertrat, am 05.02.2001 an die Klägerin. Unter dem 07.02.2001 bevollmächtigte die Beklagte Herrn Q, für sie das Stimmrecht in der Versammlung am 08.02.2001 auszuüben. Diese Vollmacht bezog sich auf die Vereinsgründung, von der die Beklagte, was sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klarstellte, Kenntnis hatte. Der Umstand, dass möglicherweise der Beklagten eine Tagesordnung für die Versammlung nicht bekannt gewesen sei, ist unerheblich. Denn die Beklagte wollte Mitglied des Klägers werden und hat entsprechendes Herrn Q signalisiert. Diesen Willen der Beklagten hat Herr Q umgesetzt. Er hat damit im Rahmen der ihm eingeräumten Vertretungsmacht gehandelt.

2.

Die Mitgliedschaft der Klägerin war entsprechend den Ausführungen des Landgerichtes nicht auf drei Jahre beschränkt. Denn unstreitig war Hintergrund der 3jährigen Bindung die Verpflichtung des Klägers gegenüber dem Land Nordrhein-Westfalen, Förderbeträge für mindestens drei Jahre zu entrichten. Die zeitliche Bindung stellt daher keine auflösende Befristung (§ 163 BGB) dar, sondern nur den Versuch, eine Mindestbindung von drei Jahren zu konstituieren.

Diese Mindestbindung, die nach der von der Beklagten vorgenommenen individuellen Gestaltung an die Mitgliedschaft geknüpft ist, verstößt gegen § 39 Abs. 2 BGB, der zwingendes Recht darstellt (§ 40 BGB). Danach kann eine Kündigungsfrist höchstens zwei Jahre betragen. Auf diese Frist ist eine darüber hinausgehende Kündigungsfrist zu reduzieren (Münchener-Kommentar (BGB)-Reuter, Bd. 1, 5. Aufl. 2006, § 39 Rz. 7; Stöber, Vereinsrecht, 9. Aufl. 2004, Rz. 190). Die Wirksamkeit der Mitgliedschaft wird dadurch aber nicht berührt. Es liegt deshalb keine fehlerhafte Mitgliedschaft vor, die zu einem Sonderkündigungsrecht berechtigen würde.

3.

Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichtes, der Vortrag der Beklagten zu einer den Kläger bindenden Vereinbarung über die Beendigung der Mitgliedschaft zum 31.12.2004 sei nicht schlüssig. Die Berufung greift insoweit das Urteil nicht an. Ergänzend ist anzumerken, dass es sich bei einer Verkürzung der Kündigungsfrist um eine satzungsdurchbrechende Maßnahme handeln würde, die wirksam nur von der Mitgliederversammlung gebilligt werden könnte.

4.

Die Mitgliedschaft der Beklagten ist durch die Kündigung vom 12.07.2005, bei dem Kläger am 14.07.2005 eingegangen, nach § 5 Nr. 2 der Satzung zum 14.07.2007 beendet worden. Die Klägerin hat daher für 2005 und 2006 Anspruch auf Zahlung der Mitgliedsbeiträge in Höhe von unstreitig 19.730,14 € und 14.744,67 €. Umgekehrt kann die Beklagte den Beitrag für 2004 nicht mit Erfolg geltend machen.

5.

Säumniszuschläge für die Jahre 2004 bis 2006 kann der Kläger aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2; 286 BGB im Umfang von 3.155,00 € verlangen. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:

a)

Die Mitgliedsbeiträge sind in Höhe des Grundbetrages von 25.000,00 € fällig zu Beginn eines Geschäftsjahres, und zwar im voraus (§ 6 Nr. 1, 2 und 4 der Satzung). Die Möglichkeit der Festbetragsreduktion (§ 6 Nr. 2 der Satzung) ändert daran nichts. Die Beiträge für 2004 bis 2006 waren daher jeweils am 01.01. als Beginn des Kalenderjahres, das nach § 1 der Satzung das Geschäftsjahr bildet, fällig.

b)

Einer Mahnung bedurfte es nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht. Es ist zudem nicht erkennbar, dass die Nichtleistung der Beklagten von dieser nicht zu vertreten ist (§ 286 Abs. 4 BGB).

c)

Der Schaden der Klägerin ist wie folgt eingetreten:

Für die Beitragspflichten der Mitglieder im AAV i.S.v. § 6 Abs. 1 AAVG, zu denen der Kläger gehört, bestimmt § 20 Abs. 2 AAVG, dass die Beiträge zum 01.04. eines Wirtschaftsjahres fällig sind. Für diese Beitragspflicht verweist § 20 Abs. 4 AAVG auf § 240 AO. Für jeden angefallenen Monat der Säumnis fallen also 1 % des abgerundeten rückständigen Steuerbetrages an.

Zum Schadenseintritt (§§ 249, 250 BGB) verweist der Senat auf die Ausführungen des Landgerichtes. Zudem hat nunmehr der Kläger die Bescheinigung der AAV vom 05.05.2006 zur Akte gereicht. Die in dieser Bescheinigung enthaltenen Angaben sind unstreitig.

Daraus folgt:

Für 2004 hat der Beklagte im Zeitraum von April bis August unter Berücksichtigung der Zahlungen am 06.07.2004 und 16.08.2004 Säumniszuschläge in Höhe von 1.185,00 € verursacht.

Für 2005 fielen Säumniszuschläge von April 2005 bis Januar 2006, d.h. in Höhe von insgesamt 1.970,00 € an.

Für 2006 fielen im Januar keine Säumniszuschläge an.

6.

Die beantragten Zinsen verlangt der Kläger nach §§ 286, 288 Abs. 2 BGB zu Recht.

7.

Vorgerichtliche Anwalts- und Mahnkosten kann der Kläger nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB verlangen. Vorgerichtlich sind die Anwaltsgebühren bis zu einem Streitwert von 22.000,00 € nach RVGVV Nr. 2300 in der bis 30.06.2006 geltenden Fassung angefallen, und zwar bis zu 13/10 = 839,80 €. Diesen Betrag kann der Kläger zur Hälfte zzgl. Auslagenpauschale von 20,00 € und zzgl. Umsatzsteuer im Gesamtumfang von 510,28 € verlangen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit erging gem. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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