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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 13.03.2000
Aktenzeichen: 8 U 113/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 138
BGB § 242
BGB § 138 I
ZPO § 91 I
ZPO § 97 I
ZPO § 281 III S. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Leitsatz

Zur Frage der Sittenwidrigkeit sog. "Beteiligungsverträge über eine atypische stille Gesellschaft" im Bereich privater Förder-/Nachhilfeschulen.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 U 113/99 OLG Hamm 2 O 7/99 LG Bochum

Verkündet am 13. März 2000

Krämer, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 21. Februar 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Frey und die Richter am Oberlandesgericht Betz und Lehmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 28. April 1999 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichts Karlsruhe entstandenen Kosten werden der Beklagten auferlegt. Diese hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 12.000,00 DM abzuwenden, falls nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Das Urteil beschwert die Beklagte um mehr als 60.000,00 DM.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß ein zwischen den Parteien am 05.07.1995 geschlossener sogenannter "Beteiligungsvertrag über eine atypische stille Gesellschaft" nichtig sei.

Die Beklagte und ihre Schwestergesellschaft, die Firma St mbH, betätigen sich im Bereich privater Förder-/Nachhilfeschulen. Dabei führt die Firma St ca. 450 St schulen als Filialbetriebe, wohingegen die Beklagte mit etwa 250 selbständigen Inhabern von St Partnerschulen verbunden ist; die Beklagte hat mit ihren "Partnern" jeweils sogenannte "Beteiligungsverträge über eine atypische stille Gesellschaft" geschlossen. Die "Partner" der Beklagten betreiben zusammen etwa 450 St schulen.

Die Klägerin arbeitete im Frühjahr 1994 während ihres Vorbereitungsdienstes für das Lehramt an Gymnasien vorübergehend an einer St Schule in G. Im Mai 1994 legte sie das zweite Staatsexamen ab.

Als sie erfuhr, daß sie keine Aussichten hatte, in den Schuldienst übernommen zu werden, schlossen die Parteien am 30.05.1994/05.07.1994 nach dem Muster der Beklagten einen "Beteiligungsvertrag über eine atpische stille Gesellschaft", wonach die Klägerin zum 01.10.1994 ein Lehrinstitut in B eröffnen sollte. Wegen der Einzelheiten der Vertragsgestaltung wird auf die als Anlage K 3 zur Klageschrift eingereichte Kopie des Vertrages verwiesen.

Die Beklagte mietete in B geeignete Räumlichkeiten an, die sie sodann der Klägerin untervermietete.

Die Klägerin unterschrieb Anfang August 1995 einen zweiten Beteiligungsvertrag über eine zu eröffnende weitere Studienkreisschule in M, die am 01.02.1996 eröffnet und bis zum 31.08.1997 betrieben wurde. Das Vertragsverhältnis über das Lehrinstitut in M wurde von den Parteien einverständlich aufgehoben.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der Beteiligungsvertrag vom 30.05.1994/05.07.1994 sei sittenwidrig. Die Beklagte habe die Gründung einer Gesellschaft vorgespiegelt; tatsächlich handele es sich jedoch um einen sogenannten Dienstleistungs-Franchise-Vertrag, dieser habe den Austausch gegenseitiger Leistungen in einem vertikalen System zum Gegenstand. Zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe ein grobes Mißverhältnis. Die vorgelegte Einnahmeüberschußrechnung für das Jahr 1996 belege für sie einen erwirtschafteten Gewinn in Höhe von knapp 40.000,00 DM vor Steuern, während die Beklagte Beteiligungsgebühren von nahezu 30.000,00 DM kassiert habe, mithin 75 %, des von ihr erwirtschafteten Betrages. Die ihr von der Beklagten zur Verfügung gestellten Materialien seien wertlos. Es existiere weder ein pädagogisches noch ein betriebswirtschaftliches Gesamtkonzept der Beklagten. Der Name "ST" sei zudem durch Scientology-Vorwürfe der Presse negativ belastet und habe kein positives Image. Sie selbst sei bei Abschluß des Vertrages unerfahren gewesen und habe das Mißverhältnis zwischen den von beiden Parteien zu erbringenden Leistungen und die irreführende Vertragsgestaltung nicht durchschaut.

Die Klägerin hat die Feststellung der Nichtigkeit des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages begehrt und zunächst das Landgericht Karlsruhe angerufen. Das Landgericht Karlsruhe hat sich durch Beschluß vom 17.12.1998 für örtlich unzuständig erklärt und auf Antrag der Klägerin den Rechtsstreit an das Landgericht Bochum verwiesen.

Dort hat die Klägerin beantragt,

festzustellen, daß der zwischen den Parteien am 30.05.1994 geschlossene Beteiligungsvertrag über eine atypische stille Gesellschaft für die Eröffnung eines allgemeinbildenden und berufsbildenden Lehrinstituts in B nichtig sei.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Klage mangels eines Rechtschutzbedürfnisses für unzulässig gehalten. Im übrigen sei die Klage auch unbegründet, da der Vertrag wirksam zustandegekommen sei.

Die Beklagte hat den Wert des von ihr entwickelten know-hows hervorgehoben und darauf hingewiesen, daß die Klägerin offensichtlich in ihren Erwartungen auch nicht enttäuscht worden sei; das erhelle schon daraus, daß sie eineinhalb Jahre nach Eröffnung der Schule in B noch eine weitere Schule eröffnet habe. Außerdem habe der Ehemann der Klägerin als Partner weitere St schulen geführt, so daß die Klägerin nicht unerfahren gewesen sei.

Das Landgericht hat dem Feststellungsbegehren der Klägerin entsprochen; auf den Inhalt des am 28.04.1999 verkündeten Urteils wird Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiter verfolgt.

Die Beklagte hält die Klage weiterhin für unzulässig; wenn die Klägerin wegen des von ihr für nichtig gehaltenen Vertrages ihre gezahlten Gebühren zurückverlangen wolle, möge sie eine Leistungsklage erheben.

Im übrigen sei die Klage unbegründet.

Bei dem streitgegenständlichen Vertrag handele es sich um einen Gesellschaftsvertrag, auf den § 138 BGB nur eingeschränkt anwendbar sei. Eine Nichtigkeit von Anfang an komme dabei nur in Betracht, wenn der Gesellschaftszweck selbst sittenwidrig sei, wovon hier jedoch nicht auszugehen sei. Im übrigen hätten die Regelungen über die fehlerhafte Gesellschaft einzugreifen, was das Landgericht verkannt habe, so daß das Urteil schon deshalb fehlerhaft sei.

Im übrigen habe das Landgericht auch die Leistungen der Partner unzutreffend gewürdigt. Die vereinbarte Umsatzbeteiligung in Höhe von 13,5 % sei schon deshalb angemessen, weil allein für die Lizensierung der Kombinationsmarke der Beklagten ohne weiteres 10 % als angemessene Vergütung anzusetzen seien, wie ein Sachverständiger bestätigen werde. Allein der eingeführten Marke komme ein erheblicher Wert zu, der weit über die in § 3 des Vertrages, bezifferte Einlage hinausgehe. Wegen der Verkehrsbekanntheit der Marke habe sich die Klägerin zum Abschluß des Vertrages entschlossen.

Auf das vertraglich vereinbarte Wettbewerbsverbot verzichte sie; sie beschränke sich insoweit auf ihre Rechte aus § 242 BGB.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des am 28.04.1999 verkündeten Urteils des Landgerichts Bochum abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Vom Senat persönlich angehört, behauptet sie, die in § 3 des Vertrages vereinbarte Einlage in Form einer Bareinlage nie erhalten zu haben. Statt der im Vertrag aufgeführten Bareinlage sei ihr nur eine Kiste mit Unterrichtsmaterialien zur Verfügung gestellt worden; dabei habe es sich um die sogenannten "Helfer" gehandelt, die auch im Buchhandel angeboten würden.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig; sie ist jedoch unbegründet.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht für zulässig und begründet gehalten.

Das Feststellungsinteresse der Klägerin ist zu bejahen (§ 256 ZPO). Es geht nicht nur um eine eventuelle Rückforderung von Gebühren, die die Klägerin bereits auf der Grundlage des zur Überprüfung stehenden Vertrages an die Beklagte entrichtet hat und die eventuell mit einer Leistungsklage zurückverlangt werden könnten. Es geht darüber hinaus auch um das Schicksal der Schule, die die Klägerin derzeit betreibt, sowie um die Frage, ob und in welcher Form sie diese Schule auch fürderhin betreiben kann. Diese Frage läßt sich nicht anders als durch die erhobene Feststellungsklage klären.

Die Klage ist begründet.

Der Beteiligungsvertrag vom 30.05.1994/05.07.1994 verstößt gegen die guten Sitten und ist nichtig gemäß § 138 I BGB.

Ein Rechtsgeschäft ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (Paland/Heinrichs, § 138 Rn.2 mit Nachweisen). Anstößig ist der Beteiligungsvertrag vom 30.05.1994/05.07.1994 deshalb, weil er die wirtschaftliche Entfaltung der Klägerin in einem nicht hinzunehmenden Maß beschneidet, so daß sie ihre Selbständigkeit weitgehend einbüßt (zur Sittenwidrigkeit sogenannter Knebelungsverträge vgl. Sack/Staudinger, BGB, 13.Bearbeitung 1996, § 138 Rn.259).

Der Senat teilt nicht die Ansicht der Beklagten, daß eine Anwendung des § 138 BGB auf den vorliegenden Beteiligungsvertrag nach den Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft ausscheide. Die Anwendbarkeit der Grundsätze über fehlerhafte Gesellschaften auf stille Gesellschaften ist nicht unumstritten. Nach einer in der Literatur verbreiteten Ansicht sind die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaften nur auf solche stille Gesellschaften anzuwenden, die eine den Gesamthands-Handelsgesellschaften angenäherte Vermögens- und Organisationsstruktur aufweisen (so Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3.Auflage, § 62 III 1; ferner § 6 II 3 d; ebenso Ulmer, Gesellschaft bürgerlichen Rechts, 3.Aufl. § 705 Rn.276). Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung, die grundsätzlich die Regeln der fehlerhaften Gesellschaft auf alle Typen der stillen Gesellschaft anwenden will (vgl. Karsten Schmidt, aaO., mit Nachweisen), ist nicht einheitlich (vgl. BGH, Urt.v.18.06.1990 - II ZR 132/89 - in BB1990, S.1997), sondern auch sie sieht in der zuletzt zitierten Entscheidung dann keinen Raum für die Anwendung der Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft, wenn die Gesellschaft - wie auch in dem vorliegenden Fall - nicht über ein Gesellschaftsvermögen verfügt.

Der Meinungsstreit kann hier jedoch offenbleiben.

Mit dem Beteiligungsvertrag vom 30.05.1994/05.07.1994 haben die Parteien einen Vertrag besonderer Art geschlossen, der entgegen seiner Bezeichnung als "atypische stille Gesellschaft" gleichwohl seinem Gehalt nach nicht als ein Gesellschaftsvertrag zu qualifizieren ist. Wie schon aus dem Namen der Beklagten - Gesellschaft für Franchise- und Partnersysteme - ersichtlich, verbindet sich die Beklagte mit ihren Partnern in einem Franchise-System; die Beklagte ist Franchise-Geberin, und die von ihr abgeschlossenen Verträge sind Franchise-Verträge.

Nun ist allerdings mit der Bezeichnung des Beteiligungsvertrages als "Franchisevertrag" noch keine hinreichende Klarheit über die rechtliche Einordnung des Vertragsverhältnisses gewonnen, denn die Rechtsnatur von Franchiseverträgen ist nicht abschließend geklärt. Der Franchisevertrag wird als Absatzmittlungsvertrag mit charakteristischen lizenzvertraglichen Elementen, der Rechtspacht nahestehend, bezeichnet (so Emmerich, Franchising, in Jus 1995, S.761 [763, li.Sp.]). Er ist ein Mischvertrag, der je nach seiner Ausprägung in unterschiedlicher Gewichtung Elemente verschiedener Vertragstypen miteinander verbinden kann (zur Mischvertragstheorie Martinek in Martinek/Semler, Handbuch des Vertriebsrechts, § 4 Rn.33; ders. in Martinek, Moderne Vertragstypen, Bd.II, S.62 ff). Ob der Franchisevertrag auch einen gesellschaftsvertraglichen Charakter haben kann, ist umstritten (bejahend für das sog. Partnerschafts-Franchising:v.Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, "Franchising", Stand April 1999, Rn.11; Martinek, Moderne Vertragstypen, S.81; ablehnend Ulmer, aaO. Vor § 705 Rn.99). Häufig wird unterschieden zwischen dem Subordinations-Franchising (Martinek, Moderne Vertragstypen, S.65 ff) und dem Partnerschafts-Franchising, das durch gleichförmige Austauschverträge zwischen gleichberechtigten Marketingpartnern ohne Subordination und Verpflichtung zu fremder Interessenwahrung definiert wird (Martinek, Moderne Vertragstypen. S.78 ff) und jedenfalls in seinen Ausprägungen als Koalitions-Franchising (Martinek, Franchising, 1987, S. 389 ff) und Konföderations-Franchising (Martinek, Franchising, S.410 ff) in der Form von BGB-Innengesellschaften vorliegen soll (ablehnend Skaupy, NJW 1992, S.1785 [1788], der die Gestaltungsmöglichkeit eines Partnerschafts-Franchising verneint; gegen Partnerschafts-Franchising auch Liesegang in NJW 1990, S.1525 f).

Die Stimmen in der Literatur, die ein Partnerschafts-Franchising in der Form einer Innengesellschaft bejahen, lehnen es gleichwohl ab, auf diese Vertragskonstrukte die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft anzuwenden (Martinek, Franchising, S.409).

Entgegen der in der Berufungsbegründung vertretenen Auffassung der Beklagten entspricht der Beteiligungsvertrag vom 30.05.1994/05.07.1994 jedoch nicht dem Leitbild eines Partnerschafts-Franchising, wie dieser "Interessenstrukturtypus" in der Literatur (hier insbesondere von Martinek, Franchising, S.389 ff) beschrieben worden ist und auf das allein das "Rechtskleid" einer BGB-Innengesellschaft passen soll (so Martinek, aaO., S.390). Allein die Überschrift "atypische stille Gesellschaft" bewirkt nicht, daß ein Vertrag auch seinem Inhalt nach ein Gesellschaftsvertrag ist.

Für das als Innengesellschaft beschriebene Koalitions-Franchising (Martinek, aaO., S.389 ff) ist charakteristisch, daß jegliche Weisungsbefugnis des Franchise-Gebers fehlt. Die Parteien eines solchen Partnerschafts-Franchising verbinden sich ausschließlich zu dem gemeinsamen Zweck der Absatzförderung von Waren/Dienstleistungen auf der Grundlage der Marketingkonzeption. Vertragszweck ist dabei die Optimierung der Konzeption, der sich alles unterzuordnen hat und die gemeinsam zu fördern ist. Die "Franchise-Gebühren" werden in diesem Vertragsgefüge nicht als Gegenleistung für das vom Franchise-Geber zur Verfügung gestellte Franchise-Paket, sondern als eine Beteiligung am Erfolg der gemeinsamen Zweckverfolgung verstanden.

Eine solche gesellschaftsvertragliche Zwecksetzung ist dem Beteiligungsvertrag vom 30.05.1994/05.07.1994 nicht zu entnehmen. Der Zweck dieses Vertrages ist die Eröffnung des Lehrinstituts in B ; die Klägerin verfolgt das wirtschaftliche Interesse, mit dem Institut Gewinne zu erzielen, die Beklagte das Ziel einer Vermarktung ihres Konzepts sowie einer Verbreitung ihres Werkes "Wunderland des Lernens" (vgl. § 5.5 des Vertrages). Im Vordergrund steht die Lizensierung einer Gesamtheit von Rechten der Beklagten an geistigem Eigentum, Know-how sowie die Lizensierung ihrer Kombinationsmarke, der sie selbst erheblichen Wert beimißt und die sie im Sinne eines Austauschverhältnisses der Klägerin zur Verfügung stellt. Über das Zustimmungserfordernis in § 6 des Vertrages ist die Klägerin voll Weisungen der Beklagten abhängig, eine Gestaltung, die sich mit der oben kurz skizzierten Idealform eines Partnerschafts-Franchise nicht verträgt. Auch stellt sich die vereinbarte Franchise-Gebühr (§§ 11.2 des Vertrages) hier nicht als eine Beteiligung am gemeinsamen Erfolg dar, denn sie ist als Mindestgebühr unabhängig vom Erfolg selbst bei Verlusten zu zahlen.

Der Senat hält daher die Grundsätze von der fehlerhaften Gesellschaft hier nicht für anwendbar und sieht sich folglich dadurch nicht gehindert, den Beteiligungsvertrag all den Maßstäben des § 138 I BGB zu überprüfen.

Daß Franchiseverträge grundsätzlich der Sittenwidrigkeitskontrolle unterliegen, ist, soweit ersichtlich, unstreitig (Emmerich, aaO. S.763[re.Sp.]; Martinek, moderne Vertragstypen, S.90; ders. in Handbuch des Vertriebsrechts, aao. § 19 III, 2; ders. in Franchising, S.301 ff; Skaupy, Franchising, 2.Aufl. S.128; zur Rspr. vgl.BGH, Urt.v.12.11.1986 - VIII ZR 280/85 in NJW 1987, S.639).

Nach dem Beteiligungsvertrag ist der wirtschaftliche Ablauf der Geschäfte derart ausgestaltet, daß die Beklagte gemäß § 13 die vollständige Debitorenbuchhaltung abwickelt und den kompletten Zahlungsverkehr durchführt und überwacht. Die Beklagte zieht von den Schülern bzw. von deren Eltern die Gelder ein. Die Klägerin als selbständige Unternehmerin erhält in der Form monatlicher Abschlagszahlungen zunächst 80 %, später 90 % dessen, was nach Abzug der Miete, der Kosten der von der Beklagten zur Verfügung gestellten Materialien sowie eines Gewinnvorabs von den Lastschrifteingängen übrig bleibt. Die Klägerin wird dadurch zwar von der Verpflichtung zu eigener buchhalterischer Tätigkeit partiell entlastet; gleichwohl hat sie jedoch ein Büro zu unterhalten und selbst z.B. die Lohnbuchhaltung für die von ihr beschäftigten Lehrkräfte zu erstellen. Die unternehmerische Gestaltungsfreiheit der Klägerin wird dadurch eingeengt, daß die Beklagte über die gesamten Einnahmen der Klägerin verfügt; die Entlastung von der eigenen Durchführung der Debitorenbuchhaltung gleicht diese Einschränkung der Gestaltungsfreiheit nicht aus.

Auch die Regelung in § 6 des Vertrages ist ungleichgewichtig und für die Klägerin belastend.

Als selbständige Unternehmerin, die das volle Risiko trägt, hat die Klägerin bei Geschäften in einer Größenordnung zunächst ab 5.000,00 DM, später ab 10.000,00 DM pro Jahr stets die Einwilligung der Beklagten einzuholen. Damit sind der Klägerin bezüglich der Einrichtung der Schule sowie hinsichtlich der Anschaffung z.B. einer kostenintensiven technischen Ausrüstung für den Unterricht mit Computern sehr enge Grenzen gezogen, die angesichts der Tatsache, daß sie das unternehmerische Risiko allein trägt, nicht hinnehmbar sind. Der Beklagten, die selbst außer dem zur Verfügung gestellten Unterrichtsmaterial, der stattgehabten Schulung sowie der Lizensierung ihrer Kombinationsmarke keinen finanziellen Beitrag geleistet hat und mithin keinerlei Risiko trägt, wird ein unternehmerisches Mitspracherecht eingeräumt, das die Klägerin praktisch in eine Stellung als Filialleiterin in ihrem eigenen Unternehmen verweist, ohne daß ihr jedoch Gehalts- oder sonstige Vergütungsansprüche gegen die Beklagte zustünden. Demgegenüber verschafft sich die Beklagte durch die Vereinbarung einer Umsatzbeteiligung von 13,6 %, ein risikoloses Einkommen.

Die Unausgewogenheit einer Vertragbeziehung, in der ein Vertragsteil allein alle Risiken trägt, der Partner sich jedoch ohne Übernahme eines Risikos maßgeblichen Einfluß auf die Geschicke des Unternehmens vorbehält und dabei risikolos Einnahmen erzielt, deutet auf eine verwerfliche Gesinnung desjenigen Vertragspartners, der sich die übermäßigen vertraglichen Vorteile verschafft hat (so BGH, Urt.v.28.11.1975 - I ZR 127/73 in WM 1976, S. 181 [182 re.Sp.]; vgl. ferner zur Beschränkung der unternehmerischen Freiheit OLG Frankfurt in NJW 1967, S.1043).

Der BGH hat in der zitierten Entscheidung vom 28.11.1975 einen Vertrag wegen der unzumutbaren Beschränkung der wirtschaftlichen Betägigungsfreiheit dann für nichtig gehalten, wenn zudem ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestand.

Ob nach dem Beteiligungsvertrag vom 30.05.1994/05.07.1994 ein auffälliges Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung vorliegt, wie das Landgericht annimmt, läßt der Senat offen.

Es deutet einiges darauf hin, daß das belegte Ergebnis von knapp 30.000,00 DM auf Seiten der Beklagte im Jahr 1996 angesichts einer Sacheinlage, deren Gegenwert die Beklagte selbst in § 3 des Vertrages mit 10.000,00 DM bewertet hat, unangemessen hoch ist. Daß eine in § 3 des Vertrages erwähnte Bareinlage tatsächlich nicht geflossen ist, hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen dargelegt, so daß der Senat davon ausgeht, daß die Beklagte der Klägerin Material zur Verfügung gestellt hat, dessen Gegenwert sie mit 10.000,00 DM angegeben hat.

Angesichts der Behauptung der Beklagten, ihrer eingeführten Marke komme ein erheblicher Wert zu, der weit über die in § 3 des Vertrages bezifferte Einlage hinausgehe, kann der Senat jedoch den tatsächlichen Wert der gesamten Einlage der Beklagten nicht ohne sachverständigen Rat feststellen.

Einer Beweisaufnahme durch Einholen eines Sachverständigengutachtens zum Wert der Lizensierung der Kombinationsmarke bedurfte es jedoch nicht, da noch weitere Umstände hinzutreten, die den Beteiligungsvertrag insgesamt als mit den guten Sitten unvereinbar erscheinen lassen.

Nach Ablauf der fest vereinbarten Laufzeit von 10 Jahren kann die Beklagte kündigen und hat dann gemäß § 17 des Vertrages die Option, das Lehrinstitut fortzuführen; bestehende Unterrichtsverträge sowie der Telefonanschluß und die Telefonnummer gehen bei Ausübung der Option mit sofortiger Wirkung auf die Beklagte über. Die Klägerin erhält als bisherige Inhaberin des Lehrinstituts eine Abfindung in Höhe nur eines Monatsentgelts für unbefristet geschlossene Unterrichtsverträge. Die Beklagte kann sodann das Lehrinstitut als Filialbetrieb weiterführen.

Diese Gestaltung entspricht einer gelegentlich zu beobachtenden Tendenz eines Rückkaufs von erfolgreichen Franchise-Betrieben durch die Systemzentrale (vgl. Skaupy, Franichising, S.65). Eine vom Franchisegeber selbst betriebene Filiale oder Zweigstelle kann oft gewinnbringender sein als eine franchisierte Einheit. Bei der vorliegenden Vertragsgestaltung steht es der Beklagten frei, ein gut laufendes Institut ihrem Filialsystem einzufügen. Sie benutzt ihre Partner dazu, auf deren Risiko die Aufbauarbeit zu leisten. Da die Beklagte durch die ihr vorbehaltene Debitorenbuchhaltung sowie durch die ihr darüber hinaus in § 7 des Vertrages eingeräumten Kontrollbefugnisse über den wirtschaftlichen Erfolg des Institutes voll im Bilde ist, kann sie abschätzen, ob es sich für sie lohnt, das Institut als Filialbetrieb zu übernehmen. In dieser Vertragsgestaltung läßt die Beklagte ohne eigenes Risiko Institute aufbauen, die sie sodann nahtlos übernehmen kann. Je besser die Aufbauarbeit der bisherigen Inhaber des Instituts war und je erfolgreicher sie gearbeitet haben, um so größer ist der Anreiz für die Beklagte, das Institut in ihr bereits bestehendes Filialsystem zu überführen und dadurch ihre eigenen Gewinne noch zu optimieren. Die Risiken der Aufbauphase tragen ausschließlich die Partner, die um den weiteren Ertrag ihrer langjährigen erfolgreichen Tätigkeit gebracht und mit einem Monatsumsatz abgespeist werden. Auch ohne die weitreichende Konkurrenzklausel, die gemäß § 18.4 des Vertrages dem bisherigen Inhaber jegliche Lehrtätigkeit in mit der Beklagten konkurrierenden Unternehmen im Umkreis von 50 km verbietet, verstößt es gegen das Anstandsgefühl, daß es in das Belieben der Beklagten gestellt sein soll, ob sie der Klägerin nach Ablauf der vereinbarten 10 Jahre die Früchte einer erfolgreichen Aufbauarbeit belassen will oder ob sie diese Früchte selbst ernten möchte.

Die dargelegte anstößige und die Klägerin einseitig benachteiligende Vertragsgestaltung führt zur Nichtigkeit des gesamten Vertrages. Zwar haben die Parteien in § 23 eine salvatorische Klausel vereinbart. Die beanstandeten Regelungen sind jedoch so gewichtig, daß ihre Änderung oder Anpassung zu einer gänzlich neuen und völlig abweichenden Vertragsgestaltung führen müßte, die vom Parteiwillen nicht mehr getragen würde (vgl. dazu BGH, Urt.v.06.10.1982 - VIII ZR 201/81 - in NJW 1983, S.159 [162 re.Sp.]; BGH, Urt.v.14.12.1994 - VIII ZR 46/94 - in NJW 1995, S.722 [724]).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 I, 97 I, 281 III, S.2 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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