Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 14.02.2000
Aktenzeichen: 8 U 117/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 546 Abs. 2
Leitsatz

1. Eine in einem Gesellschaftsvertrag einer GmbH getroffene Regelung, wonach die Unwirksamkeit oder Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen nur innerhalb eines Monats, die Frist beginnend mit dem Tag nach der Protokollierung, geltend gemacht werden kann, ist wirksam.

2. Nimmt der Gesellschafter in Kenntnis von der einberufenen Gesellschafterversammlung und der in der Einladung enthaltenen Tagesordnungspunkte nicht an der Gesellschafterversammlung teil, obliegt es ihm zur Vermeidung von Rechtsnachteilen (hier: Versäumung der Anfechtungsfristen), sich von eventuellen Beschlussfassungen Kenntnis zu verschaffen.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 U 117/99 OLG Hamm 41 O 161/98 LG Essen

Verkündet am 14. Februar 2000

Krämer, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 14. Februar 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Frey sowie die Richter am Oberlandesgericht Reinken und Prof. Dr. Saenger

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 10. Februar 1999 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer des Klägers liegt unter 60.000,00 DM.

Tatbestand:

Am 21. September 1998 fand eine außerordentliche Gesellschafterversammlung der Beklagten statt. Dazu war der Kläger mit Schreiben vom 25. August 1998 als Gesellschafter geladen. Das Einladungsschreiben war an die Rechtsanwälte J/St/P gerichtet, die sich zuvor mit Schreiben vom 24. Juli 1998 bei der Beklagten gemeldet hatten unter Hinweis darauf, dass der Kläger und eine Firma E GmbH von ihnen vertreten würden. In der Gesellschafterversammlung, an der der Kläger nicht teilnahm, wurden zu den Tagesordnungspunkten 4 bis 6 folgende Beschlüsse gefaßt:

TOP 4)

Die erschienenen Gesellschafter beschließen einstimmig die Entlastung des Geschäftsführers für das abgelaufene Geschäftsjahr. Gleichzeitig wird durch Beschluß der Gesellschafterversammlung Herr M O als Geschäftsführer abberufen. Durch einstimmigen Beschluß der erschienenen Gesellschafter wird Herr M B zum neuen Geschäftsführer der Gesellschaft ernannt.

TOP 5)

Die erschienenen Gesellschafter beschließen einstimmig:

Herr S M wird aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Sein Geschäftsanteil wird eingezogen. Die Einziehung erfolgt gem. § 15 (1) a) des Gesellschaftsvertrages i.d.F. vom 13.01.1998, weil in der Person des Herrn S M ein wichtiger Grund vorliegt. Unter anderem hat Herr M versucht, gegenüber Dritten den Rechtsschein zu setzen, daß die Gesellschaft für Schulden der Fa. "H" hafte.

TOP 6 )

Die erschienenen Gesellschafter beschließen einstimmig:

Ein Abfindungsguthaben steht den ausgeschiedenen Gesellschafter S M nicht zu.

Das unter dem 21. September 1998 unterzeichnete Protokoll der Gesellschafterversammlung erhielt der Kläger persönlich mit Schreiben vom 28. Oktober 1998. Mit der seit dem 11. November 1998 anhängigen und der Beklagten am 27. November 1998 zugestellten Klage hat der Kläger, der mit Geschäftsanteilen von 17.000,00 DM an der Beklagten beteiligt war, die Nichtigkeit der in der Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse geltend gemacht. Dazu hat er vorgetragen, er sei nicht ordnungsgemäß eingeladen worden. Die Versammlung habe auch nicht in einer Anwaltspraxis stattfinden dürfen. Kenntnis erlangt von den Beschlüssen habe er erst am 28./29. Oktober 1998. Gründe für seinen Ausschluss seien nicht gegeben.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass die in der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 21.9.1998 gefassten Beschlüsse zu TOP 4 wegen Abberufung des bisherigen Geschäftsführers M O und Neuernennung des Herrn M B sowie TOP 5 zum entschädigungslosen Ausschluß des Klägers aus der Gesellschaft nichtig sind, hilfsweise, die vorbezeichnete Gesellschafterbeschlüsse für nichtig zu erklären.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich darauf berufen, der Kläger sei mit der Ladung zu Händen seiner Anwälte und der Durchführung der Versammlung in der Anwaltspraxis einverstanden gewesen. Die Beschlüsse seien auch rechtmäßig, da er gegen das vereinbarte Wettbewerbsverbot verstoßen und Gläubigern der Beklagten gegenüber falsche Angaben gemacht habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da sie außerhalb der Anfechtungsfrist erhoben worden sei. Auf das Urteil wird verwiesen.

Gegen das Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Seiner Auffassung nach seien die angefochtenen Beschlüsse nichtig, da schwere Einladungsmängel gegeben seien. Die Einladung an die erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten sei deshalb nicht ordnungsgemäß, da diesen kein umfassendes Mandat erteilt worden sei. In dem Einladungsschreiben seien zudem die beigefügten Tagesordnungspunkte größtenteils überhaupt nicht angegeben worden. Die Gesellschafterversammlung habe auch nicht in der Praxis der erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten stattfinden dürfen. Jedenfalls seien die Beschlüsse anfechtbar. Die Anfechtungsfrist sei gewahrt. Diese habe erst mit Erhalt des Schreibens am 29. Oktober 1998 zu laufen begonnen. Erst mit diesem Zeitpunkt habe er Kenntnis von der beanstandeten Beschlußfassung erhalten. Nur vorsorglich weise er darauf hin, dass das Protokoll über die Versammlung vom 21. September 1998 erst ein oder zwei Tage vor dem Schreiben vom 28. Oktober 1998 erstellt worden sei. Die Beschlussgegenstände seien nicht ordnungsgemäß angekündigt worden. Die Satzung habe die Ausschließung eines Gesellschafters überhaupt nicht vorgesehen, eine Einziehung sei auch nur gegen Zahlung einer Abfindung möglich.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils festzustellen, dass die in der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 21.09.1998 gefassten Beschlüsse zum Tagesordnungspunkt 4 wegen Abberufung des bisherigen Geschäftsführers M O und Ernennung des Herrn M B zum neuen Geschäftsführer sowie zu Tagesordnungspunkt 5 und 6 zum entschädigungslosen Ausschluss des Klägers aus der Beklagten nichtig sind, hilfsweise die vorbezeichneten Gesellschafterbeschlüsse für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt unter Ergänzung und in Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil. Sie hält an ihrer Auffassung fest, dass die Klage verfristet sei.

Wegen des weitergehenden Vorbringens wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst ihren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die mit der Berufung vorgebrachten Gründe vermögen eine andere rechtliche Beurteilung nicht zu rechtfertigen.

I.

Die gegen die zu TOP 5 und 6 gefassten Beschlüsse betreffend die Ausschließung des Klägers aus der Gesellschaft und die Versagung eines Abfindungsguthabens gerichtete Nichtigkeits-/Anfechtungsklage ist unbegründet.

1.

Der Kläger hat die Klage nicht fristgerecht erhoben. Die am 11. November 1998 bei dem Landgericht eingegangene und am 27. November 1998 zugestellte Klage wahrt die in dem Gesellschaftsvertrag vom 13. Januar 1998 zu § 6 (5) vereinbarte Monatsfrist nicht. Nach dieser Regelung kann die Unwirksamkeit oder Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen, sofern nicht gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstoßen wird, nur innerhalb eines Monats geltend gemacht werden. Die Frist beginnt am Tage nach der Protokollierung. Das zu den Akten gereichte Protokoll der Gesellschafterversammlung datiert vom 21. September 1998. Die Anfechtungsfrist endete somit am 22. Oktober 1998.

2.

Die Regelung des Gesellschaftsvertrages umfasst sowohl Nichtigkeitsklagen wie auch Anfechtungsklagen. Dies folgt aus der konkreten Formulierung in dem Gesellschaftsvertrag, die zwischen Unwirksamkeit und Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen ausdrücklich unterscheidet. Da es sich um einen notariellen Gesellschaftsvertrag handelt, kann davon ausgegangen werden, dass diese Formulierung bewusst in Kenntnis der geltenden Klagemöglichkeiten gegen Gesellschafterbeschlüsse gefaßt wurde.

3.

Bedenken gegen die Wirksamkeit der getroffenen Regelung bestehen nicht. Sie werden auch vom Kläger nicht geltend gemacht. Eine nicht hinnehmbare Beeinträchtigung der Befugnisse eines Gesellschafters zur Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen ist nicht zu erkennen. Die Monatsfrist ist ausreichend bemessen (vgl. zur Wirksamkeit von Fristsetzungen für Nichtigkeits- und Anfechtungsklagen in Satzungen BGH NJW 1988, 1844; 1989, 2694, 2696). Ebensowenig bestehen Bedenken, den Beginn der Frist auf den Tag nach der Protokollierung festzulegen und nicht auf die Kenntnis des Gesellschafters von den getroffenen Beschlüssen abzustellen. Eine nicht hinnehmbare Verkürzung der Gesellschafterbefugnisse tritt nicht ein, denn dem Gesellschafter steht die Möglichkeit grundsätzlich offen, sich die erforderliche Kenntnis über die gefassten Beschlüsse zu verschaffen.

4.

Der Beginn der Anfechtungsfrist kann nicht auf ein oder zwei Tage vor dem Schreiben vom 28. Oktober 1998 festgestellt werden. Mit diesem an den Kläger persönlich gerichteten Schreiben ist ihm das Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 21. September 1998 übersandt worden. Er weist in diesem Zusammenhang mit der Berufung vorsorglich darauf hin, das Protokoll sei erst ein oder zwei Tage vor diesem Schreiben erstellt worden. Zu diesem Hinweis bietet er Beweis durch das Zeugnis N.N. an. Damit genügt der Kläger jedoch der ihm obliegenden Darlegungslast für die Wahrung der Anfechtungsfrist als einer materiellen Klagevoraussetzung (BGH NJW 1998, 3344 = ZIP 1998, 1392) nicht. Angesichts des nicht näher konkretisierten, von der Beklagten auch bestrittenen Vorbringens kann die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Wahrung der Anfechtungsfrist (BGH a.a.O.) nicht zu der von dem Kläger begehrten Feststellung führen. Im Rahmen der vor dem Senat durchgeführten Anhörung des Klägers konnte eine weitergehende Substantiierung nicht erreicht werden. Ebensowenig konnte der Kläger das angebotene Beweismittel "Zeugnis N.N." ausfüllen. Weitere Tatsachen, die das Vorbringen des Klägers stützen könnten, sind nicht ersichtlich.

5.

Vergeblich wendet der Kläger ein, die Beklagte könne sich nicht auf Verfristung berufen, denn in der grob verspäteten Übersendung des Protokolls nach mehr als einem Monat könne nur ein arglistiges Verhalten der Beklagten zu seinem Nachteil gesehen werden. Zutreffend ist allerdings, dass die Übersendung des Protokolls spät erfolgt ist, ohne dass die Beklagte dafür Gründe dargelegt hat. Doch kann dieser Umstand keine dem Kläger günstige Rechtsfolge nach sich ziehen. Er muss sich entgegenhalten lassen, die im eigenen Interesse gebotenen Erkundigungen nach dem Ergebnis der Gesellschafterversammlung vom 21. September 1998 nicht, jedenfalls nicht rechtzeitig angestellt zu haben. Fehlende Kenntnis von der zum 21. September 1998 einberufenen Gesellschafterversammlung kann der Kläger nicht geltend machen. Er ist als teilnahmeberechtigter Gesellschafter ordnungsgemäß geladen worden. Die Ladung ist zwar nicht persönlich an ihn ergangen. Die Einladung des Klägers gerichtet an seine erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten war jedoch ordnungsgemäß. Sie waren Ladungsempfänger des Klägers. An sie konnte die Beklagte die Ladung zur Gesellschafterversammlung richten, wie dies mit Schreiben vom 25. August 1998 geschehen ist. Die erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten hatten sich nämlich vor dem Zugang dieses Schreibens gegenüber der Beklagten als Bevollmächtigte des Klägers ausgegeben, wie deren Schreiben an die Beklagte vom 24. Juli 1998 ausweist. Zu diesem Zeitpunkt ging es bereits um die Klärung von Unstimmigkeiten, die zwischen dem Kläger und der Beklagten bzw. den weiteren Gesellschaftern bestanden. Ihre Meldung als Bevollmächtigte des Klägers konnte daher nur so verstanden werden, dass die Beklagte den gesamten weiteren Geschäfts- und Rechtsverkehr mit Wirkung für und gegen den Kläger über sie führen sollte. Die Übersendung der Einladung zur Gesellschafterversammlung bot dann auch die hinreichende Gewähr, dass im Interesse des Klägers dessen persönliche Teilnahme an der Gesellschafterversammlung sichergestellt war.

Die Kenntnis seiner Prozeßbevollmächtigten muss sich der Kläger zurechnen lassen.

Nimmt der Gesellschafter trotz Kenntnis von der Gesellschafterversammlung und der in der Einladung enthaltenen Tagesordnungspunkte nicht an der Gesellschafterversammlung teil, obliegt es ihm zur Vermeidung von Rechtsnachteilen, sich von evtl. Beschlußfassungen in Kenntnis zu setzen. Dazu bestand gerade im Streitfall besondere Veranlassung, da der Gesellschaftsvertrag den Fristbeginn für mögliche Nichtigkeits- und Anfechtungsklagen auf den Tag nach Erstellung des Protokolls festgelegt hat. Diese Regelung muss der Kläger wie dargelegt gegen sich gelten lassen. Er konnte mithin nicht zuwarten, bis ihm das Protokoll zugesandt wurde. Nach dem Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben weder er noch seine erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten entsprechende Nachfrage gehalten. Es ist nichts dafür ersichtlich oder vorgetragen, dass dem Kläger oder seinen Prozeßbevollmächtigten die erbetene Auskunft über die gefassten Beschlüsse verwehrt worden wäre.

II.

Unbegründet ist auch die Nichtigkeits-/Anfechtungsklage, soweit sie sich gegen die Beschlussfassung zu TOP 4 richtet, mithin gegen die Abberufung des bisherigen Geschäftsführers und die Neuernennung eines anderen.

Dem Kläger fehlt die Aktivlegitimation, die zum Zeitpunkt der Klageerhebung gegeben sein muss. Zu diesem Zeitpunkt war er nicht mehr Gesellschafter der Beklagten, vielmehr war er aus der Gesellschaft wirksam ausgeschlossen, wie zu I. dargestellt wurde.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück